VG Gießen, Beschluss vom 04.04.2011 - 8 L 220/11.GI
Fundstelle
openJur 2020, 73937
  • Rkr:

Liegen Spielhalle und eine Gaststätte, in der ebenfalls Geldspielautomaten betrieben werden, nur durch eine Tür getrennt nebeneinander, bedarf es im Hinblick auf die Spielverordnung einer baulichen Trennung beider Räumlichkeiten. Für eine hinreichende Abgrenzung reicht es nicht, wenn die Tür keinen Griff zum Öffnen hat und mit Sichtfolie beklebt ist.

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.

Der Streitwert wird auf 7.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

Der am 07.02.2011 bei Gericht eingegangene Antrag,

die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO zu verpflichten, dem Antragsteller vorläufig eine Geeignetheitsbestätigung gemäß § 33c Abs. 3 GewO für den Betrieb "D" in A-Stadt, E-Straße, zu erteilen,

bleibt ohne Erfolg.

Eine einstweilige Anordnung kann nicht ergehen, da eine solche in unzulässiger Weise die Hauptsache vorwegnähme und der Antragsteller zudem einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht hat.

Gemäß § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes darf allerdings grundsätzlich die Entscheidung zur Hauptsache weder rechtlich noch faktisch vorweggenommen werden.

Das wäre vorliegend der Fall. Der Antragsteller erstrebt eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache. Mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO möchte der Antragsteller die Erteilung einer Geeignetheitsbestätigung erreichen.

Sein Begehren ist folglich auf eine Entscheidung gerichtet, die dasselbe Ziel hat wie ein Urteil im Hauptsacheverfahren 8 K 221/11.GI. Der Antragsteller erstrebt eine Regelung, für die ihm im Anordnungsverfahren uneingeschränkt und unentziehbar eine Rechtposition eingeräumt würde, die entsprechend der Natur der Sache bis zur Hauptsacheentscheidung nur endgültig getroffen werden kann. Sind das (eventuelle) Begehren im Klageverfahren und das Ersuchen im Eilverfahren identisch, nimmt der vom Gericht ausgesprochene Erlass einer einstweiligen Anordnung in unzulässiger Weise die Hauptsache vorweg, sofern eine solche Vorwegnahme nicht ausnahmsweise geboten ist. Das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache ergibt sich aus dem Wesen und dem Zweck des einstweiligen Anordnungsverfahrens als Verfahren der vorläufigen Regelung (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, Rdnr. 13 zu § 123). Die einstweilige Anordnung dient nur zur Sicherung von Rechten eines Antragstellers, nicht hingegen zu ihrer Befriedigung. Lediglich ausnahmsweise kann von dem grundsätzlichen Verbot der Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung abgesehen werden, nämlich in den Fällen, in denen der nach Art. 19 Abs. 4 GG gebotene effektive Rechtsschutz ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht ermöglicht werden könnte. Das ist der Fall, wenn eine bestimmte Regelung zur Gewährung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, weil die ansonsten zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar wären. Hierfür ist zugleich ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache notwendig (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., Rdnr. 14 zu § 123 m.w.N.). Davon ist hier aber nicht auszugehen. Denn der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.

Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Geeignetheitsbestätigung. Gemäß § 33c Abs. 3 S. 1 GewO darf der Gewerbetreibende Spielgeräte mit Gewinnmöglichkeit nur aufstellen, wenn ihm die zuständige Behörde schriftlich bestätigt hat, dass der Aufstellungsort den auf der Grundlage des § 33f Abs. 1 Nr. 1 GewO erlassenen Durchführungsvorschriften entspricht. Damit muss dieser Ort den Anforderungen der Spielverordnung, insbesondere deren § 1 entsprechen, wonach Geldspielgeräte nur in bestimmten Räumen und Hallen aufgestellt werden dürfen. Sinn und Zweck dieser Norm ist es, das Glücksspiel nur an Orten zuzulassen, an denen das Spielen den Hauptzweck darstellt und die deshalb besonderen Zulässigkeitsanforderungen unterliegen, sowie an Orten, an denen die Zulassung einer begrenzten Anzahl von Geldspielautomaten unter Wahrung des Jugendschutzes aus anderen Gründen vertretbar erscheint (vgl. VG Gießen, B. v. 15.08.2008 - 8 L 1472/08 -, GewArch 2008, 448, 449 und das die Beteiligten betr. U. v. 18.08.2010 - 8 K 4083/09.GI -, GewArch 2010, 452, 453 jew. m. w. N.; ferner Hahn in: Friauf, GewO, Stand: Feb. 2010, Rdnr. 6 zu Anh. 1 zu § 33c bis 33i, § 1 SpielV).

Bei der Frage, ob ein zulässiger Aufstellungsort vorliegt, ist auf eine natürliche Betrachtungsweise abzustellen (vgl. VG Gießen, B. v. 15.11.2010 - 8 L 2163/10.GI -, juris, Rdnr. 23). Geht es dabei - wie im vorliegenden Fall - darum, dass Gaststätte und Spielhalle nebeneinanderliegen und nur durch eine Türe getrennt sind, stellt sich das Problem nach der hinreichenden Abgrenzung dahingehend, ob es einem durchschnittlichen Spielhallenbesucher möglich ist, sich von einem Geldspielgerät dieser Spielhalle zu einem Spielapparat der nächsten Gaststätte oder einer weiteren Spielhalle zu begeben bzw., ob ein solches "Wandern" von einem Geldspielgerät zum nächsten auch durch verschiedene Gaststätten/Spielhallen hindurch ohne formelles Verlassen einer der Gaststätten/Spielhallen möglich ist (vgl. VG Gießen, U. v. 18.08.2010 - 8 K 4083/09.GI -, GewArch 2010, 452, 453 m.w.N.). Auf keinen Fall dürfen die Erlaubnisregelungen dadurch unterlaufen werden, dass durch die Ausstattung faktisch miteinander verbundener Räumlichkeiten mit Geldspielgeräten die in § 3 Abs. 1 S. 1 SpielV normierten Höchstgrenzen von Geldspielgeräten umgangen würden. Das ist hier aber der Fall, weil zwischen Gaststätte und Spielhalle eine Tür vorhanden ist, die keine zureichende Trennung darstellt.

Der Antragsteller verweist zwar darauf, die vorhandene Verbindungstür zwischen seiner Spielhalle "F" und seinem Gaststättenbetrieb "D" verfüge über keinen Griff zum Öffnen der Türe, sodass diese nach ihrem Öffnen sofort wieder ins Schloss falle und sich verschließe, ferner sei sie zum Zwecke des Sichtschutzes mit Folie beklebt, weshalb ein "Wandern" zwischen den beiden Betrieben einem Besucher faktisch nicht möglich sei. Die Kammer hält dies aber nicht für eine hinreichende Abgrenzung der beiden mit Spielapparaten versehenen Räumlichkeiten. Eine solche Abgrenzung liegt nur vor, wenn jede Möglichkeit baulich ausgeschlossen ist, die verschiedenen Räumlichkeiten durch eine Verbindungstür aufzusuchen. Im vorliegenden Fall ist schon nicht ausgeschlossen, dass ein Besucher zusammen mit dem Personal von einer Gaststätte durch die fragliche Tür in den Nachbarraum gelangt.

Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen, da er unterlegen ist (§ 154 Abs. 1 VwGO). Die Streitwertfestsetzung hat ihre Grundlage in den §§ 52, 53 GKG.

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