Schleswig-Holsteinisches VG, Urteil vom 16.09.2020 - 9 A 88/18
Fundstelle
openJur 2020, 73619
  • Rkr:
Tenor

Der Bescheid vom 25.07.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.02.2018 wird aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über eine Abgabe auf der Grundlage der Satzung der Beklagten über die Erhebung einer Abgabe nach dem PACT-Gesetz (PACT-Satzung).

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks Alter Markt ... und Schulstraße ...-... in Elmshorn, auf dem sich eine Einkaufspassage befindet. Die beiden oberen Stockwerke des Gebäudes werden für die Centerleitung und als Seniorenwohnheim genutzt.

Das Grundstück liegt in der Fußgängerzone in der Innenstadt der Beklagten. Für diesen Bereich fasste das Stadtverordneten-Kollegium am 08.12.2016 folgenden Beschluss (vgl. Bl. 8 der Beiakte A):

"a. Die Stadt Elmshorn richtet einen PACT-Bereich auf der Grundlage des § 1 (1) des Gesetzes über die Einrichtung von Partnerschaften zur Steigerung der Attraktivität von City-, Dienstleistungs- und Tourismusbereichen (PACT-Gesetz in der zurzeit geltenden Fassung) für die Entwicklung und Umsetzung eines Konzepts für eine neue, den gesamten Strandort integrierende Weihnachtsbeleuchtung. Dieser Bereich umfasst die anliegenden Flurstücke der Straßenzüge Königsstraße, Alter Markt, Damm sowie Marktstraße."

Dem Beschluss lag ein Antrag der PACT-Lenkungsgruppe einiger Grundstückseigentümer:innen zugrunde, ab September 2017 erneut - es wurden seit 2007 bereits zwei PACT-Bereiche für jeweils fünf Jahre eingerichtet - einen PACT-Bereich einzurichten, mit der Zielsetzung, durch eine ansprechende Weihnachtsbeleuchtung und sonstige geeignete Maßnahmen die Elmshorner Innenstadt positiv im Umfeld zu positionieren und damit Wettbewerbsvorteile zu generieren (vgl. Bl. 2 der Beiakte A).

Am 13.07.2017 beschloss das Stadtverordneten-Kollegium die PACT-Satzung (Beschluss: Bl. 65 der Beiakte A, Satzung: Bl. 68 ff. der Beiakte A), die durch die rückwirkend zum 23.07.2017 in Kraft getretene Satzung vom 25.06.2020 ersetzt wurde.

§ 6 der Satzung (Bemessungsgrundlage und Höhe der Abgabe) lautet:

(1) Für die Erhebung der Abgabe gelten die Einheitswerte aus den Grundsteuermessbescheiden, die am 01.07.2017 Grundlage für die Festsetzung der Grundsteuer waren.

(2) Die Höhe der Abgabe beträgt 1,56 % des jeweiligen Einheitssatzes.

Unter Anwendung dieser Bemessungsgrundlage zog die Beklagte die Klägerin mit Bescheid vom 25.07.2017 zu einem Beitrag für die neue Weihnachtsbeleuchtung in der Innenstadt der Stadt in Höhe von 13.499,57 € heran.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 03.08.2018 Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.04.2018, zugestellt am 12.04.2018, als unbegründet zurückwies.

Am 11.05.2018 hat die Klägerin Klage erhoben.

Sie trägt vor, die Abrechnung nach der PACT-Satzung führe zu einem massiven Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. Aus dem Ausgangsbescheid folge, dass über die PACT-Satzung die Weihnachtsbeleuchtung für fünf Jahre umgelegt würde, deren Kosten sich auf insgesamt 374.150,00 € beliefen. Daraus errechne sich ein jährlicher Gesamtaufwand von 1/5, also rund 74.800,00 €. Obwohl entsprechend des Innenstadtplanes rund 95 Grundstücke von der PACT-Satzung betroffen seien, entfalle auf sie ein Betrag von 13.488,57 €. Damit trage sie mehr als 18 % der Gesamtkosten. Dieser Maßstab erscheine auch im Hinblick auf die Schaufensterfront zu dem Bereich der Beleuchtung grob unbillig, denn die Front ihres Gebäudes mache weniger als 1 % der gesamten PACT-Straßenfläche aus. Eine Verteilung der Kosten nach der Länge der Hausfront oder schlicht nach Köpfen der beteiligten Grundstücke führe zu wesentlich gerechteren Ergebnissen. Insbesondere gehöre die Einkaufspassage innerhalb ihres Gebäudes nicht zum "PACT-Gebiet", weshalb sie dort auf eigene Kosten für weihnachtliche Dekoration und Beleuchtung sorgen müsse.

Zudem sei unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10.04.2018 zur Verfassungswidrigkeit der Grundstücksbewertung über die Einheitswerte die Basis für den Berechnungsmaßstab der PACT-Satzung rechtswidrig.

Die Klägerin beantragt,

den Abgabenbescheid vom 25.07.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.04.2018 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, das Grundstück der Klägerin liege in der Kernzone der PACT-Satzung, unmittelbar am Alten Markt. Als Anliegergrundstück sei es abgabepflichtig. Darauf, dass das Grundstück nur mit einer schmalen Straßenfront an die Marktstraße/den Alten Markt angrenze, komme es nicht an, weil Bemessungsgrundlage für die Höhe der Abgabe nicht die Länge der Straßenfront, sondern der Einheitswert sei.

Der Gesetzgeber habe dem Satzungsgeber zum konkreten Abgabemaßstab keine Vorgaben gemacht und nur bestimmt, dass die Abgabe nach festen Verteilungsmaßstäben von den Abgabepflichtigen zu erheben sei und dass Verteilungsmaßstäbe miteinander verbunden werden könnten. Lediglich dann, wenn bei der Abgabenerhebung der Einheitswert zugrunde gelegt werde, habe das für die Grundsteuererhebung zuständige Finanzamt auf Ersuchen der Gemeinde die für die Abgabenerhebung erforderlichen Daten zu übermitteln. Weitere Vorgaben zum Verteilungsmaßstab enthalte das Gesetz nicht. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers sollten der Umsatz, die Gewerbefläche sowie die Schaufensterfrontlänge oder -fläche taugliche Anknüpfungspunkte für die Verteilung der Abgabelasten eines PACT-Gebietes sein.

Gemessen daran sei nicht erkennbar, dass sie ihr ortsgesetzgeberisches Ermessen im Hinblick auf die Wahl des Verteilungsmaßstabes fehlerhaft ausgeübt habe. Insbesondere sei der auf den Einheitswert bezogene Maßstab leichter handhabbar als klassische Maßstabsmodelle etwa aus dem Ausbau- und Anschlussbeitragsrecht.

Es sei auch nicht zu erkennen, dass der gewählte Verteilungsmaßstab zu grob unbilligen Ergebnissen führe. Es komme nicht darauf an, dass und in welchem Umfang die Klägerin eigene Weihnachtsdekoration installiert habe, denn diese diene allein der Attraktivitätssteigerung der Passage selbst, während die Weihnachtsbeleuchtung im öffentlichen Raum die Attraktivität des PACT-Gebietes insgesamt erhöhe.

Der Einwand, dass der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10.04.2018 zur Verfassungswidrigkeit der Grundstücksbewertung über die Einheitswerte zusätzliche Bedeutung zukomme und deshalb die Basis für den Berechnungsmaßstab der PACT-Satzung rechtswidrig sei, treffe nicht zu. Das Bundesverfassungsgericht habe in der angesprochenen Entscheidung die Fortgeltung der für verfassungswidrig befundenen Normen in zwei Schritten angeordnet. Die Norm gelte für die in der Vergangenheit festgestellten Einheitswerte und die darauf beruhende Erhebung von Grundsteuern und darüber hinaus in der Zukunft zunächst bis zum 31.12.2019. Das Bundesverfassungsgericht habe angeordnet, dass nach einer Neuregelung die beanstandeten Bewertungsregelungen noch für fünf weitere Jahre fortgelten sollten, aber nicht länger als bis zum 31.12.2024. Die ungewöhnliche Anordnung der Fortgeltung nach der Verkündung der Neuregelung sei durch die besondere Sachgesetzlichkeit der Grundsteuer geboten und von daher ausnahmsweise gerechtfertigt. Daraus folge, dass die vom Bundesverfassungsgericht festgestellte Verfassungswidrigkeit der Einheitswertermittlung die Rechtmäßigkeit der vorliegenden Veranlagung nicht berühre.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrages und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid vom 25.07.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.04.2018 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

1. Rechtsgrundlage für die Erhebung der Abgabe ist § 3 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Einrichtung von Partnerschaften zur Attraktivierung von City-, Dienstleistungs- und Tourismusbereichen (PACT-Gesetz) vom 13.07.2006 (GVOBl. 2006, S. 158) iVm § 2 Abs. 1 Satz 1 der Satzung der Beklagten über die Erhebung einer Abgabe nach dem PACT-Gesetz (PACT-Satzung) vom 25.06.2020, die zum 23.07.2017 rückwirkend in Kraft trat (abrufbar unter: https://www.elmshorn.de/media/custom/2326_8112_ 1.PDF?1594039906). Danach wird zu Finanzierung einer neuen, den gesamten Geltungsbereich dieser Satzung integrierenden Weihnachtsbeleuchtung eine Abgabe erhoben, § 1 Abs. 1 PACT-Satzung. Abgabepflichtig sind alle Grundstückseigentümer:innen und Erbbauberechtigte der in dem festgelegten Bereich gelegenen Grundstücke zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Abgabenbescheides, § 5 Abs. 1 Satz 1 der Satzung.

Danach ist die Klägerin, die Eigentümerin eines Grundstücks in dem festgelegten PACT-Bereich ist, zwar grundsätzlich abgabepflichtig.

Die Beklagte durfte jedoch nicht, wie in § 6 Abs. 1 PACT-Satzung bestimmt, den Einheitswert zur Bemessungsgrundlage für die Erhebung der Abgabe machen. Dieser an die ermittelte Grundsteuer anknüpfende Abgabemaßstab ist mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs.1 GG nicht zu vereinbaren.

Aus dem Gleichheitssatz folgt für das Abgabenrecht der Grundsatz der Belastungsgleichheit. Bei der Auswahl des Abgabegegenstandes sowie bei der Bestimmung von Beitragsmaßstäben und dem Abgabesatz hat der Gesetzgeber einen weitreichenden Gestaltungsspielraum. Nichtsteuerliche Abgaben, die den Einzelnen zu einer weiteren Finanzleistung heranziehen, bedürfen zur Wahrung der Belastungsgleichheit der Abgabepflichtigen einer über den Zweck der Einnahmeerzielung hinausgehenden besonderen sachlichen Rechtfertigung. Als sachliche Gründe, die die Bemessung einer Gebühr oder eines Beitrags rechtfertigen können, sind neben dem Zweck der Kostendeckung auch Zwecke des Vorteilsausgleichs, der Verhaltenslenkung sowie soziale Zwecke anerkannt (vgl. zu alledem: BVerfG, B. v. 26.06.2014 - 1 BvR 668/10 - BVerfGE 137, 1-29, juris, Rn. 47 ff.).

Dabei ist zu berücksichtigen, dass Abgabengesetze in der Regel Massenvorgänge des Wirtschaftslebens betreffen. Sie müssen, um praktikabel zu sein, Sachverhalte, an die sie dieselben abgabenrechtlichen Folgen knüpfen, typisieren und können dabei die Besonderheiten des einzelnen Falles vernachlässigen. Es ist auch ein legitimes Anliegen des Gesetzgebers, die Erhebung von Abgaben - insbesondere sofern sie auf der Grundlage von kommunalen Satzungen erfolgt - so auszugestalten, dass sie praktikabel bleibt, und sie von übermäßigen, mit Rechtsunsicherheit verbundenen Differenzierungsanforderungen zu entlasten. Die wirtschaftlich ungleiche Wirkung auf die Abgabepflichtigen darf allerdings ein gewisses Maß nicht übersteigen. Vielmehr müssen die Vorteile der Typisierung im rechten Verhältnis zu der mit ihr notwendig verbundenen Ungleichheit der Belastung stehen (vgl. BVerfG, B. v. 26.06.2014, a.a.O., Rn. 50 ff. mwN).

Nach diesen Maßstäben hat der Satzungsgeber für die Wahl der Bemessungsgrundlage und die Ausgestaltung der Regeln ihrer Ermittlung einen großen Spielraum, solange dieser prinzipiell nur geeignet ist, den Belastungsgrund zu erfassen. Bei der Wahl des geeigneten Maßstabs darf sich der Satzungsgeber auch von Praktikabilitätserwägungen leiten lassen, die je nach Zahl der zu erfassenden Bewertungsvorgänge an Bedeutung gewinnen und so auch in größerem Umfang Typisierungen und Pauschalierungen rechtfertigen können, solange deren verfassungsrechtliche Grenzen gewahrt werden (vgl. BVerfG, B. v. 18.07.2019 - 1 BvR 807/12 - juris, Rn. 29). Jedenfalls muss das so gewählte und ausgestaltete Bemessungssystem, um eine lastengleiche Abgabepflicht zu gewährleisten, in der Gesamtsicht eine in der Relation realitäts- und damit gleichheitsgerechte Bemessung des Belastungsgrundes sicherstellen.

Bei Abgaben verlangt Art. 3 Abs. 1 GG damit nicht nur, dass die Differenzierung zwischen Abgabepflichtigen und Nicht-Abgabepflichtigen sachlich gerechtfertigt ist, sondern auch die Sicherstellung einer strukturell gleichmäßigen Belastung der Abgabepflichtigen untereinander.

Gegen die gleichmäßige Belastung der Abgabepflichtigen untereinander verstößt der von der Beklagten gewählte Bemessungsmaßstab für die PACT-Abgabe, der auf den Einheitswerten aus den Grundsteuermessbescheiden beruht.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil zur Grundsteuer vom 10.04.2018 die Regelungen des Bewertungsgesetzes zur Einheitsbewertung von Grundvermögen mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz für unvereinbar erklärt (- 1 BvL 11/14 -, BVerfGE 148, 147 -217, juris Rn. 92). Das System der Einheitsbewertung für Grundbesitz ist davon geprägt, dass in regelmäßigen Zeitabständen eine allgemeine Wertfeststellung (Hauptfeststellung) stattfindet. Diese Hauptfeststellung soll nach dem Bewertungsgesetz alle sechs Jahre für bebaute und unbebaute Grundstücke erfolgen. Ziel der Bewertungsregeln ist es, Einheitswerte zu ermitteln, die dem Verkehrswert der Grundstücke zumindest nahekommen. Der letzte Hauptfeststellungszeitpunkt war der 01.01.1964. Die seit 1970 andauernde Aussetzung einer erneuten Hauptfeststellung führt in einem zunehmenden Maße zu Wertverzerrungen innerhalb des Grundvermögens. Der vom Gesetz vorgesehenen periodischen Wiederholung der Hauptfeststellung liegt der Gedanke zugrunde, dass die den Verkehrswert bestimmenden Verhältnisse möglichst realitätsnah abgebildet werden. Da diese Verhältnisse während der folgenden Jahre eines Hauptfeststellungszeitraumes typischerweise verkehrswertrelevanten Veränderungen unterliegen, bedarf es in regelmäßigen und nicht zu weit auseinanderliegenden Abständen einer neuen Hauptfeststellung. Je länger ein Hauptfeststellungszeitraum über die ursprünglich vorgesehenen sechs Jahre hinaus andauert, desto größer im Einzelfall und umfangreicher in der Gesamtzahl werden zwangsläufig die Abweichungen zwischen dem tatsächlichen Verkehrswert und den auf den Hauptfeststellungszeitpunkt bezogenen Einheitswerten der Grundstücke.

Dabei ist eine Auseinanderentwicklung zwischen Verkehrswert und festgestellten Einheitswert für sich genommen verfassungsrechtlich nicht bedenklich. Blieben nämlich die Einheitswerte in allen Fällen gleichmäßig hinter steigenden Verkehrswerten zurück, führte dies allein zu keiner verfassungsrechtlich relevanten Ungleichbehandlung, weil das Niveau der Einheitswerte untereinander in Relation zum Verkehrswert gleich bliebe. Es gibt indes keine Anhaltspunkte dafür, dass die durch den Verzicht auf regelmäßige Hauptfeststellungen zwangsläufig in zunehmenden Maß auftretenden Wertverzerrungen sich in einer gleichmäßigen Relation zum Verkehrswert bewegen (vgl. zu alledem: BVerfG, U. v. 10.04.2018, a.a.O., juris, Rn. 103 ff).

Diese Erwägung gilt in gleicher Weise für satzungsrechtliche Regelungen, in denen auf den Einheitswert bzw. die Jahresrohmiete nach den Wertverhältnissen zum Hauptfeststellungszeitpunkt 01.01.1964 abgestellt wurde (BVerfG, B. v. 18.07.2019, a.a.O., juris Rn. 33, zur Zweitwohnungssteuer).

Dass der räumliche Geltungsbereich gemeindlicher Satzungen deutlich kleiner ist als der Geltungsbereich der für das gesamte Bundesgebiet geltenden Grundsteuerregelungen, steht der Annahme von erheblichen Wertverzerrungen nicht entgegen. Die Wertverzerrungen durch veränderte Ausstattungsstandards von Gebäuden, Veränderungen in der Lage oder strukturellen Anbindung von Immobilien sowie durch mietrechtliche Bindungen führen ihrer Natur nach jeweils einzeln oder in Kombination auch zu Wertverzerrungen bei der Ermittlung der Grundsteuer und bewirken damit Ungleichbehandlungen bei der Erhebung der Abgabe nach der PACT-Satzung. Anhaltspunkte dafür, dass diese Wertverzerrungen bei dem hier betroffenen Gebiet ausnahmsweise nicht eingetreten sein sollten, sind weder ersichtlich noch von den Beteiligten vorgetragen (vgl. BVerfG, B. v. 18.07.2019, a.a.O., juris Rn. 33).

2. Ein vernünftiger, einleuchtender Grund für die gleichheitswidrige Abgabenbelastung ist in Anlehnung an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10.04.2018 nicht mehr ersichtlich.

Ein solcher ist nicht in der Vermeidung von Verwaltungsaufwand zu sehen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung zur Grundsteuer festgestellt, dass das Ziel der Verwaltungsvereinfachung nicht die durch die andauernde Aussetzung des Hauptfeststellungszeitpunktes erachteten Wertverzerrungen rechtfertigt, selbst wenn die damit erzielte Entlastungswirkung besonders hoch einschätzt wird (ausführlich dazu: BVerfG, U. v. 10.04.2018, a.a.O., Rn. 134). Vorliegend dürfte überhaupt schon fraglich sein, ob die Entlastung als besonders hoch eingeschätzt werden kann, weil sich das PACT-Abrechnungsgebiet lediglich auf wenige Straßenzüge und nur auf 95 Grundstücke bezieht und damit nicht mit den für das gesamte Bundesgebiet geltenden Grundsteuerregeln vergleichbar ist.

Eine Rechtfertigung kann auch nicht aus Gründen der Typisierung und Pauschalierung angenommen werden. Grundsätzlich kann der Satzungsgeber aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung typisieren und dabei die Besonderheiten des einzelnen Falls vernachlässigen, wenn die daraus erwachsenden Sondervorteile im rechten Verhältnis zu der mit der Typisierung verbundenen Ungleichheit der steuerlichen Belastung stehen, er sich realitätsgerecht am typischen Fall orientiert und ein vernünftiger, einleuchtender Grund vorhanden ist. Diesen Anforderungen genügt das gegenwärtige System der Einheitsbewertung nach der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts nicht. Es orientiert sich mit dem Verzicht auf weitere Hauptfeststellungen nicht realitätsgerecht am typischen Fall. Die Wertverzerrungen sind keineswegs auf atypische Sonderfälle oder vernachlässigbare Korrekturen in Randbereichen beschränkt. Sie betreffen vielmehr die Wertfeststellung im Kern, sind in weiten Bereichen zum Regelfall geworden und nehmen - wie oben bereits ausgeführt - mit der fortschreitenden Dauer des Hauptfeststellungszeitraums an Zahl und Ausmaß zu (BVerfG, U. v. 10.04.2018, a.a.O., Rn. 135 ff.).

3. Eine andere Entscheidung ergibt sich auch nicht daraus, dass das Bundesverfassungsgericht die Fortgeltung der für verfassungswidrig befundenen Normen angeordnet hat. Die Fortgeltungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts führt nicht zur Beseitigung eines bei der Anwendung der Satzung einschließlich der fortgeltenden Normen festgestellten Grundrechtsverstoßes (vgl. OVG Schleswig, U. v. 30.01.2019 - 2 LB 92/18 -, juris Rn. 129). Indem § 6 PACT-Satzung eine verfassungswidrige Berechnungsgrundlage in Bezug nimmt, führt dies bei der Anwendung der Satzung zu verfassungswidrigen Ergebnissen. Denn bei dem von der Beklagten verwendeten Berechnungsmaßstab der PACT-Abgabe werden weder die seit 1964 veränderten Ausstattungsstandards von Gebäuden berücksichtigt noch Veränderungen in den mietrechtlichen Bindungen. Es treten daher erhebliche Wertverzerrungen auf, so dass eine auf dieser Grundlage berechnete Abgabe nicht gleichheitsgerecht sein kann (vgl. BVerwG, U. v. 27.11.2019 - 9 C 3.14 u.a. - juris Rn. 18).

Überdies stehen der Beklagten nach dem PACT-Gesetz verschiedene Bemessungsmaßstäbe zur Verfügung, die alle gegenüber dem Einheitswert einen wirklichkeitsnäheren Ansatz für die Bemessung der PACT-Abgabe bilden. § 3 Abs. 5 PACT-Gesetz sieht insoweit lediglich vor, dass die Abgabe nach festen Verteilungsmaßstäben von den Abgabepflichtigen zu erheben ist. Die Festlegung des Maßstabes für die Abgabenerhebung bleibt der Gemeinde im Rahmen ihrer Satzungsgewalt überlassen. Die ausdrückliche Erwähnung des Einheitswertes in § 3 Abs. 5 Satz 3 PACT-Gesetz ändert daran nichts; die Norm stellt vielmehr (nur) eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung für die Übermittlung der für die Abgabenerhebung erforderlichen Daten durch das zuständige Finanzamt dar. Realitätsnähere Verteilungsmaßstäbe können insbesondere die Art und das Maß der baulichen und sonstigen Nutzung des Grundstücks, die Grundstücksbreite oder die Grundstücksflächen sein (vgl. LT-Drucks. 16/711, S. 21).

4. Das Verwaltungsgericht ist auch nicht befugt, eine zeitlich befristete Fortgeltung der verfassungswidrigen Satzungsregelung anzuordnen (vgl. BVerwG, U. v. 27.11.2019, a.a.O., juris Rn. 20). Wenn die angefochtenen Bescheide keine Rechtsgrundlage in einer gültigen Satzung haben, hebt das Verwaltungsgericht sie gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO auf.

5. Der Bemessungsmaßstab auf Grundlage der Einheitswerte verletzt die Klägerin nach alledem in ihrem durch Art. 3 Abs. 1 GG geschützten Recht auf Abgabengerechtigkeit.

6. Da der in der Satzung geregelte Bemessungsmaßstab nach den vorstehenden Ausführungen bereits unwirksam ist mit der Folge, dass der Abgabenbescheid vom 25.07.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.04.2018 rechtswidrig und folglich aufzuheben ist, kommt es auf die weiteren Einwendungen der Klägerin nicht mehr an.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

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