Bayerischer VGH, Beschluss vom 11.09.2020 - 10 CS 20.2064
Fundstelle
openJur 2020, 73580
  • Rkr:
Tenor

I. In Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 11. September 2020 (Az. 13 E 20.4258) wird die aufschiebende Wirkung einer noch zu erhebenden Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 10. September 2020 hinsichtlich Nr. 2 des Bescheids, soweit dort die maximale Teilnehmerzahl auf 1.000 Personen begrenzt wird, angeordnet. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

II. Von den Kosten beider Rechtszüge hat die Antragstellerin zwei Drittel, die Antragsgegnerin ein Drittel zu tragen.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,-- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihren in erster Instanz erfolglosen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer noch zu erhebenden Klage gegen eine versammlungsrechtliche Verfügung der Antragsgegnerin weiter.

Die Antragstellerin hat mit Anzeige vom 11. August 2020 eine Versammlung unter dem Thema "Frieden, Freiheit und Gesundheit" für den 11. September von 16:00 Uhr bis 19:30 Uhr in München angezeigt. Die Versammlung mit 5000 Teilnehmern sollte auf dem O.platz stattfinden.

Der Antragsteller im Verfahren 10 CS 20.2063 meldete unter dem gleichen Motto und ebenfalls für den 11. September 2020 einen Aufzug vom O.platz über den Altstadtring zurück zum O.platz mit 500 Teilnehmern an. Der Aufzug sollte um 12:00 Uhr beginnen und um 15:30 Uhr enden.

Mit Bescheid vom 10. September 2020 bestätigte die Antragsgegnerin die Anzeige. Gleichzeitig verfügte sie jedoch (der Sache nach) mehrere Auflagen. So müsse die Versammlung statt auf dem O.platz auf der Theresienwiese mit maximal 1.000 Teilnehmern stattfinden (Nr. 2). Für die Teilnehmer wurde eine grundsätzliche Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung (Maskenpflicht) angeordnet (Nr. 7). Die Verwendung eines Davidsterns auf Kleidung oder Kundgabemitteln unter Herstellung einer Verbindung mit der aktuellen Corona-Pandemie wurde untersagt (Nr. 13). Auf die Begründung des Bescheids wird Bezug genommen.

Mit Bescheid vom selben Tag wurde der vom Antragsteller im Verfahren 10 CS 20.2063 angemeldete Aufzug untersagt.

Am 11. September 2020 beantragten die Antragstellerin und der Antragsteller im Verfahren 10 CS 20.2063 beim Verwaltungsgericht München jeweils, die aufschiebende Wirkung einer noch zu erhebenden Klage gegen die beiden genannten Bescheide anzuordnen. Mit Beschlüssen jeweils vom 11. September 2020 lehnte das Verwaltungsgericht beide Anträge ab.

Die Antragstellerin beantragt im Beschwerdeverfahren:

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 11.09.2020, Az. M 13 E 20.4258, wird abgeändert und die aufschiebende Wirkung (einer noch zu erhebenden Klage) gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 10.09.2020 wird angeordnet.

Es sei grundsätzlich davon auszugehen, dass jeder Versammlungsteilnehmer als sogenannter Nicht-Störer anzusehen sei. Die Zahlen des Robert-Koch-Instituts zum Infektionsgeschehen seien unbrauchbar. Auch gebe es keinen Beleg, dass von Versammlungen erhöhte Infektionsgefahren ausgingen. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 6. BayIfSMV sei im Lichte der Versammlungsfreiheit dahin auszulegen, dass Mindestabstände nur dort einzuhalten seien, wo dies möglich sei. Es sei nicht einzusehen, dass an die Teilnehmer einer Versammlung hinsichtlich des Abstands strengere Anforderungen gestellt würden, als an Personen auf dem Weg zur Versammlung. Angesichts dessen sei weder eine Verlegung des Versammlungsortes, noch eine Reduzierung der zulässigen Teilnehmerzahl zulässig. Angesichts der kurzfristigen Verlegung des Versammlungsortes müsse ohnehin davon ausgegangen werden, dass sich zahlreiche Teilnehmer am O.platz einfänden, weshalb sich ein ausreichender Infektionsschutz ohnehin nicht mehr erreichen lasse.

Die Antragsgegnerin beantragt,

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die verfügten Auflagen seien rechtmäßig. Mit der Teilnehmerzahl steige auch das Risiko von Neuinfektionen. Deshalb müsse der Versammlungsort größenmäßig geeignet sein, die Einhaltung von Mindestabständen zu gewährleisten. Das von der Antragstellerin vorgelegte Sicherheitskonzept sei für die gewünschte Versammlung nicht ausreichend.

Die Landesanwaltschaft beteiligt sich als Vertreter des öffentlichen Interesses am Verfahren. Sie verzichtet auf einen Antrag, hält die Entscheidung des Verwaltungsgerichts aber für rechtmäßig. Die Gefahrenprognose der Antragsgegnerin sei zutreffend. § 7 Abs. 1 Satz 1 6. BayIfSMV sehe die Einhaltung von Mindestabständen zwingend vor.

Ergänzend wird auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakten verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist teilweise begründet. Die von der Antragstellerin in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, die der Verwaltungsgerichtshof nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen hat, rechtfertigen die Abänderung des angefochtenen Beschlusses im tenorierten Umfang.

1. Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen, wenn die Klage - wie hier (vgl. Art. 25 BayVersG) - keine aufschiebende Wirkung hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bei seiner Entscheidung eine originäre Interessenabwägung auf der Grundlage der sich im Zeitpunkt seiner Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage darüber zu treffen, ob die Interessen, die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streiten, oder diejenigen, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts sprechen, überwiegen. Dabei sind die Erfolgsaussichten der Klage im Hauptsacheverfahren wesentlich zu berücksichtigen, soweit sie bereits überschaubar sind. Nach allgemeiner Meinung besteht an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer voraussichtlich aussichtslosen Klage kein überwiegendes Interesse. Wird dagegen der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein (weil er zulässig und begründet ist), so wird regelmäßig nur die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen.

2. Gemessen daran führen die in der Beschwerdeschrift dargelegten Gründe zu einer teilweisen Änderung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts.

a) Eine noch zu erhebende Hauptsacheklage wäre voraussichtlich unbegründet, soweit sie sich gegen die räumliche Verlegung der Versammlung vom O.platz auf die Theresienwiese richtet. Die entsprechende Auflage im Nr. 2 des angegriffenen Bescheids ist rechtmäßig und verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

aa) Art. 8 Abs. 1 GG schützt die Freiheit, mit anderen Personen zum Zwecke einer gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung örtlich zusammen zu kommen (hierzu und zum Folgenden zuletzt BVerfG, B.v. 30.8.2020 - 1 BvQ 94/20 - juris Rn. 14 m.w.N.). Als Freiheit zur kollektiven Meinungskundgabe ist die Versammlungsfreiheit für eine freiheitlich demokratische Staatsordnung konstituierend. In ihrer idealtypischen Ausformung sind Demonstrationen die gemeinsame körperliche Sichtbarmachung von Überzeugungen, bei der die Teilnehmer in der Gemeinschaft mit anderen eine Vergewisserung dieser Überzeugungen erfahren und andererseits nach außen - schon durch die bloße Anwesenheit, die Art des Auftretens und die Wahl des Ortes - im eigentlichen Sinne des Wortes Stellung nehmen und ihren Standpunkt bezeugen. Damit die Bürger selbst entscheiden können, wann, wo und unter welchen Modalitäten sie ihr Anliegen am wirksamsten zur Geltung bringen können, gewährleistet Art. 8 Abs. 1 GG nicht nur die Freiheit, an einer öffentlichen Versammlung teilzunehmen oder ihr fern zu bleiben, sondern umfasst zugleich ein Selbstbestimmungsrecht über die Durchführung der Versammlung als Aufzug, die Auswahl des Ortes und die Bestimmung der sonstigen Modalitäten der Versammlung (stRspr, vgl. etwa BVerfG, B.v. 20.12.2012 - 1 BvR 2794/10 - juris Rn. 16).

Nach Art. 8 Abs. 2 GG kann dieses Recht für Versammlungen unter freiem Himmel durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden. Derartige Beschränkungen sind im Lichte der grundlegenden Bedeutung von Art. 8 Abs. 1 GG auszulegen. Eingriffe in die Versammlungsfreiheit sind nur zum Schutz gleichgewichtiger anderer Rechtsgüter unter strikter Wahrung der Verhältnismäßigkeit zulässig (vgl. zuletzt BVerfG, B.v. 30.8.2020 - 1 BvQ 94/20 - juris Rn. 14 m.w.N.).

Gem. Art. 15 Abs. 1 BayVersG kann die zuständige Behörde die Versammlung oder den Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist. § 7 Abs. 1 Sechste Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (6. BayIfSMV) vom 19. Juni 2020 (BayMBl. Nr. 348, BayRS 2126-1-10-G), zuletzt geändert durch Verordnung vom 8.9.2020 (BayMBl. Nr. 507), bestimmt für Versammlungen im Sinne des Bayerischen Versammlungsgesetzes unter anderem einen Mindestabstand von 1,5 m zwischen allen Teilnehmern (Satz 1) sowie die Pflicht der nach Art. 24 Abs. 2 BayVersG zuständigen Behörden, soweit im Einzelfall erforderlich durch entsprechende Beschränkungen nach Art. 15 BayVersG sicherzustellen, dass die Bestimmungen nach Satz 1 eingehalten werden und die von der Versammlung ausgehenden Infektionsgefahren auch im Übrigen auf ein infektionsschutzrechtlich vertretbares Maß beschränkt bleiben. Sofern die Anforderungen nach § 7 Abs. 1 Satz 2 auch durch Beschränkungen nicht sichergestellt werden können, ist gemäß § 7 Abs. 1 Satz 4 BayIfSMV die Versammlung zu verbieten. Damit konkretisiert § 7 Abs. 1 BayIfSMV die versammlungsrechtliche Befugnisnorm des Art. 15 Abs. 1 BayVersG sowohl auf der Tatbestandswie auch auf der Rechtsfolgenseite im Hinblick auf von Versammlungen unter freiem Himmel ausgehende Gefahren für die Gesundheit und das Leben Einzelner (Art. 2 Abs. 2 GG) sowie den Schutz des Gesundheitssystems vor einer Überlastung (vgl. BVerfG, B.v. 10.4.2020 - 1 BvQ 31/20 - juris Rn. 15; vgl. auch BayVGH, B.v. 11.9.2020 - 10 CS 20.2063).

Soweit die Antragstellerin einwendet, § 7 Abs. 1 Satz 1 6. BayIfSMV müsse im Hinblick auf das Abstandsgebot verfassungskonform ausgelegt werden, verhilft dies der Beschwerde nicht zum Erfolg. Selbst wenn es die Konkretisierung durch Art. 7 Abs. 1 Satz 1 6. BayIfSMV überhaupt nicht gäbe, wären entsprechende Anordnungen zum Abstandsgebot und zur Maskenpflicht auf der Grundlage von Art. 15 Abs. 1 BayVersG i.V.m. Art. 2 Abs. 2 GG möglich (vgl. dazu BVerfG, B.v. 30.8.2020 - 1 BvQ 94/20 - juris Rn. 16).

bb) Der Senat hat keine Zweifel, dass das die räumliche Verlegung der Versammlung zur Gewährleistung ihrer infektionsschutzrechtlichen Vertretbarkeit erforderlich ist.

(1) Das Robert-Koch-Institut, dem der Gesetzgeber im Bereich des Infektionsschutzes mit § 4 IfSG besonderes Gewicht eingeräumt hat (vgl. BVerfG, B.v. 10.4.2020 - 1 BvQ 28/20 - juris Rn. 13; BayVerfGH, E.v. 26.3.2020 - Vf. 6-VII-20 - juris Rn. 16), schätzt in der erneut überarbeiteten Risikobewertung vom 2. September 2020 die Lage in Deutschland auch gegenwärtig als sehr dynamisch und ernstzunehmend und die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung weiterhin insgesamt (auf einer Skala von "gering", "mäßig", "hoch" bis "sehr hoch") als hoch, für Risikogruppen als sehr hoch ein (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html). In seinem aktuellen Lagebericht vom 10. September 2020 führt es aus, die aktuelle Entwicklung müsse weiter sorgfältig beobachtet werden. Eine erneute Zunahme der Neuinfektionen müsse dennoch vermieden werden. Insbesondere gelte es zu verhindern, dass, wie zu Beginn der Pandemie, wieder vermehrt ältere und besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen erkranken. Sollten sich diese Bevölkerungsgruppen wieder vermehrt infizieren, müsse auch mit einem Wiederanstieg der Hospitalisierungen und Todesfälle gerechnet werden. Daher sei es weiterhin notwendig, dass sich die gesamte Bevölkerung im Sinne des Infektionsschutzes engagiere, z.B. indem sie Abstands- und Hygieneregeln konsequent - auch im Freien - einhalte, Innenräume lüfte und, wo geboten, eine Mund-Nasen-Bedeckung korrekt trage. Menschenansammlungen - besonders in Innenräumen - sollten möglichst gemieden und Feiern auf den engsten Familien- und Freundeskreis beschränkt bleiben (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Sept_2020/2020-09-10-de.pdf? blob=publicationFile). Dabei hat das RKI für Bayern eine im Vergleich zum Bundesdurchschnitt (9,9) deutlich höhere 7-Tages-Inzidenz (18,3) ermittelt (ebd.). Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) weist für die Landeshauptstadt München eine demgegenüber nochmals stark erhöhte 7-Tages-Inzidenz von aktuell 46,08 aus (https://www.lgl.bayern.de/gesundheit/infektionsschutz/infektionskrankheiten_a_z/coronavirus/karte_coronavirus/index.htm). Dem hält die Antragstellerin lediglich ihre eigene Einschätzung der Gefährdungslage entgegen, ohne substantiell aufzuzeigen, dass die Einschätzung des RKI oder des LGL fehlerhaft wären. Der bloße Verweis auf eine Veröffentlichung in der Bild-Zeitung genügt hierfür jedenfalls nicht.

(2) Weiter ist nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin bei ihrer Gefahrenprognose Erkenntnisse anlässlich des Versammlungsgeschehens am 29. August 2020 in Berlin sowie am 9. Mai 2020 und am 15. August 2020 in München einfließen ließ. Die Antragstellerin hat unter Angabe konkreter - von der Antragstellerin nicht in Frage gestellter - Anhaltspunkte (zum Beispiel dem gemeinsamen Spendenaufruf für die Versammlungen in Berlin und München in sozialen Netzwerken, die öffentliche Bewerbung der vorliegenden Versammlung auf der Versammlung in Berlin und den Umstand, dass die Antragstellerin bereits Veranstalterin der Versammlung in München am 15. August 2020 gewesen ist) schlüssig belegt, dass bezüglich des Mottos sowie des Teilnehmer- und Organisatorenkreises Ähnlichkeiten zwischen den vergangen Versammlungen und der jetzt geplanten Versammlung bestehen (vgl. zu diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Heranziehung von Erkenntnissen von früheren Versammlungen BVerfG, B.v. 12.5.2010 - 1 BvR 2636/04 - juris Rn. 17). Die Antragstellerin und der Antragsteller im Verfahren 10 CS 20.2063 ordnen sich beide der "Querdenken"-Bewegung zu und verfolgen inhaltlich die gleichen Anliegen wie die Veranstalter der Versammlung in Berlin (im weitesten Sinne Kritik an den aktuellen Maßnahmen gegen das SARS-CoV-2-Virus). In Anbetracht der Erfahrungen mit den Versammlungen der Querdenken-Bewegung insbesondere in Berlin am 29. August 2020 und in München am 15. August 2020 kann sich die von der Antragsgegnerin geäußerte Einschätzung, dass es ohne die angeordneten Beschränkungen zu einer Vielzahl von Verstößen gegen Hygienevorgaben mit entsprechenden erheblichen Infektionsgefahren kommen werde, auf konkrete Erfahrungen aus der jüngeren Vergangenheit stützen.

(3) Auch der Einwand der Antragstellerin, Versammlungsteilnehmer seien generell als Nichtstörer anzusehen, kann der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Es ist bereits fraglich, ob die an herkömmliche Gefahrbegriffe des allgemeinen Sicherheitsrechts anknüpfende Unterscheidung von Störern und Nichtstörern ohne Weiteres auf behördliche Maßnahmen zur Bekämpfung einer Pandemie anwendbar sind (vgl. zu § 28 Abs. 1 IfSG BayVGH, B.v. 13.8.2020 - 20 CS 20.1821 - juris Rn. 36; Schmidt, COVID-19, § 16 Rn. 60; zweifelnd auch VGH BW, B.v. 25.6.2020 - 1 S 1739/20 - juris Rn. 26). Im Übrigen spricht angesichts der gesetzgeberischen Wertung in § 28 Abs. 1 IfSG, wonach eine Beschränkung von Menschenansammlungen zum Zwecke der Verhütungen von Ansteckungen ausdrücklich zulässig ist, vieles dafür, dass Teilnehmer einer Versammlung jedenfalls dann "Störer" sind, wenn die Versammlung in ihrer geplanten Form infektionsschutzrechtlich unvertretbar wäre. Und selbst wenn man die Versammlungsteilnehmer als Nichtstörer behandeln wollte, wäre ihre Inanspruchnahme aus Gründen der effektiven Gefahrenabwehr grundsätzlich gerechtfertigt, da ein Vorgehen gegen Störer vorliegend nicht gleichermaßen möglich bzw. erfolgsversprechend ist (vgl. BayVGH, B.v. 13.8.2020 - 20 CS 20.1821 - juris Rn. 37 f.).

(4) Dies vorangestellt ist eine Verlegung der geplanten Versammlung erforderlich, um eine wenigstens ganz überwiegende Einhaltung der infektionsschutzrechtlich erforderlichen Mindestabstände sicherzustellen. Die Auffassung der Antragsgegnerin und des Erstgerichts, der von der Antragstellerin ins Auge gefasste Versammlungsort am O.platz biete keine Gewähr für die infektionsschutzrechtliche Vertretbarkeit, ist für den ortskundigen Senat aufgrund der beengten räumlichen Verhältnisse im Innenstadtkern, der baulichen Einfassung des Odeonsplatzes sowie der zentralen Lage und der damit einhergehenden hohen Frequentierung plausibel und nachvollziehbar. Substantielle Einwände hiergegen hat die Antragstellerin, deren Beschwerdevorbringen sich im Wesentlichen darauf beschränkt, die von einer Versammlung ausgehenden Infektionsgefahren generell in Abrede zu stellen, nicht erhoben.

Insofern weist der Senat lediglich ergänzend darauf hin, dass auch die von der Antragstellerin während des Verwaltungsverfahren angedachte Verlängerung der Versammlungsfläche in die L.straße hinein keine Gewähr für die Einhaltung der erforderlichen Mindestabstände bietet. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass sich die Versammlungsteilnehmer nicht gleichmäßig über die zur Verfügung stehende langgezogen Fläche verteilen würden, sondern vielmehr sukzessive Richtung Bühne drängen würden. Soweit die Antragstellerin im Verwaltungsverfahren geltend gemacht hat, dem durch die Aufstellung zweier Videoleinwände begegnen zu wollen, hat die Antragsgegnerin nachvollziehbar dargelegt, dass dieses Konzept bereits bei der Versammlung in Berlin nicht zu einer ausreichenden Entzerrung beigetragen habe.

Soweit die Antragstellerin einwendet, eine strenge Auslegung der Vorgaben des § 7 Abs. 1 6. BayIfSMV führe zu unverhältnismäßigen Ergebnissen, weil jede zu erwartende Unterschreitung des Mindestabstands zwingend zu einem Versammlungsverbot bzw. zu einer Verlegung führe, liegt dies neben der Sache. Die Verlegung des Versammlungsortes dient vorliegend erkennbar nicht der Verhinderung jeder noch so geringfügigen Unterschreitung des Mindestabstands, sondern der Abwehr von Gefahren durch eine absehbare Vielzahl von lange andauernden und erheblichen Abstandsunterschreitungen innerhalb einer sehr großen Menschenmenge.

Schließlich erschließt es sich dem Senat nicht, warum eine Vielzahl von Versammlungsteilnehmern an den ursprünglich geplanten Versammlungsort und nicht zur Theresienwiese kommen sollten. Die Verlegung der Versammlung wurde von den Medien bereits am 10. September 2020 verbreitet und dürfte allen Interessierten bekannt sein.

b) Die gleichzeitige Beschränkung der maximalen Teilnehmerzahl auf 1.000 Personen in Nr. 1. des angegriffenen Bescheids dürfte sich hingegen als rechtswidrig, eine noch zu erhebende Hauptsacheklage insofern als begründet erweisen.

Aufgrund der verfassungsrechtlich garantierten Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG), die es auch verbietet, überzogene Anforderungen an die Begründung von Rechtsmitteln insbesondere in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu stellen (vgl. etwa BVerfG, B.v. 31.3.2004 - 1 BvR 356/04 - juris Rn. 27 m.w.N.), geht der Senat unter Gesamtwürdigung des Beschwerdevorbringens davon aus, dass im Hinblick auf die Beschränkung der maximalen Teilnehmerzahl die Begründungsanforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO noch erfüllt sind.

Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt insofern die Abänderung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts im tenorierten Umfang. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beschränkung auf eine Teilnehmerzahl von 1.000 Personen zwingend erforderlich wäre, um die infektionsschutzrechtliche Vertretbarkeit der Versammlung auf der Theresienwiese zu gewährleisten. Die Theresienwiese zeichnet sich durch ein äußerst großes Platzangebot aus. Die Einhaltung der Mindestabstände wäre nach einschlägigen Erfahrungen des Senats mit dort abgehaltenen Versammlungen in jüngerer Vergangen grundsätzlich gewährleistet. Solange und soweit die Antragstellerin die Einhaltung der von ihr angezeigten Teilnehmerzahl von 5.000 Personen und die Einhaltung der Maskenpflicht (dazu sogleich) gewährleistet, ist nicht ersichtlich, dass die Versammlung, zumal unter freiem Himmel, infektionsschutzrechtlich unvertretbar wäre. Konkrete Tatsachen, die eine andere Einschätzung gebieten würden, sind weder der Gefahrenprognose des Polizeipräsidiums München vom 31. August 2020, noch der Gefahrenprognose des Referats für Umwelt und Gesundheit der Antragsgegnerin vom 7. September 2020 zu entnehmen. Die Bedenken der Antragsgegnerin im Hinblick auf das Hygienekonzept der Antragstellerin, insbesondere auf die Anzahl der zur Verfügung stehenden Ordner, sind nicht so durchgreifend, dass sie von vornherein eine Beschränkung auf 1.000 Personen erforderlich machen würden. Sollte die Antragstellerin nicht in der Lage sein, eine ausreichende Anzahl von Ordnern abzustellen und deswegen infektionsschutzrechtlich unvertretbaren Zustände drohen, können die Polizeibehörden vor Ort entsprechende Maßnahmen ergreifen.

c) Keine Abänderung der erstgerichtlichen Entscheidung gebietet das Beschwerdevorbringen im Hinblick auf die von der Antragsgegnerin in Umsetzung der Vorgaben von § 7 Abs. 1 Satz 3 der 6. BayIfSMV verfügte Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung (MNB) für alle Teilnehmer. Das Vorbringen der Antragstellerin genügt insofern bereits nicht den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO, da es sich mit den Gründen, mit denen das Verwaltungsgericht die Anordnung zum Tragen einer MNB für rechtmäßig erachtet hat, in keiner Weise auseinandersetzt.

Im Übrigen böte eine noch zu erhebende Hauptsacheklage insofern keine hinreichenden Erfolgsaussichten. Die entsprechende Auflage in Nr. 7 des angegriffenen Bescheids ist aller Voraussicht nach rechtmäßig und verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Senat sieht hinsichtlich der von der Antragstellerin erstinstanzlich in Frage gestellte Eignung von MNB zur Verhütung von Infektionsgefahren - zumal im Eilverfahren - keinen Anlass, von der anderslautenden Einschätzung des RKI (vgl. RKI, Epidemiologisches Bulletin 19/2020 vom 7. Mai 2020; ferner RKI, FAQ: Was ist beim Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in der Öffentlichkeit zu beach..., www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/ gesamt.html) abzuweichen (ebenso zuletzt BVerfG, B.v. 30.8.2020 - 1 BvQ 94/20 - juris Rn. 16). Die Einhaltung von Mindestabständen macht das Tragen von MNB entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht entbehrlich. Abgesehen davon, dass angesichts der Teilnehmerzahl und der Dauer der Veranstaltung nicht zu erwarten ist, dass die Mindestabstände allenfalls kurzfristig unterschritten würden, stellen Mindestabstand und das Tragen von MNB keine alternativen, sondern komplementäre Bestandteile eines einheitlichen Schutzkonzepts dar (RKI, Epidemiologisches Bulletin 19/2020 vom 7. Mai 2020, a.a.O., S. 4).

d) Den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO nicht gerecht wird die Beschwerde schließlich auch im Hinblick auf das mit Nr. 13 des angegriffenen Bescheids verfügte Verbot der Verwendung des Davidsterns unter Herstellung einer Verbindung zur aktuellen Corona-Pandemie. Die Beschwerde legt nicht dar, dass diese Auflage abweichend von der Einschätzung des Verwaltungsgerichts offensichtlich rechtswidrig wäre. Mit der ergänzenden - nach Auffassung des Senats zutreffenden - Ausführungen zur Folgenabwägung des Erstgerichts setzt sich die Beschwerde nicht auseinander. Auch der Senat kann nicht erkennen, dass der Antragstellerin ein schwerer Nachteil entstünde, wenn auf der Versammlung keine Abbildung von Davidsternen verwendet werden dürfte. Entsprechendes hat sie selbst auch nicht behauptet.

e) Mit den sonstigen Auflagen im angegriffenen Bescheid vom 11. September 2020 befasst sich das Beschwerdevorbringen ebenfalls nicht. Eine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung ist schon deshalb nicht angezeigt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Streitwert war nach §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Nr. 2 GKG zu bestimmen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).