ArbG Köln, Urteil vom 24.10.2018 - 2 Ca 3474/18
Fundstelle
openJur 2020, 78171
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • nachfolgend: Az. 11 Sa 797/18
Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

4. Streitwert: 29.052,- Euro

Tatbestand

Der Kläger ist seit dem 15.03.2007 bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge des Groß- und Außenhandels Nordrhein-Westfalen Anwendung. Seit dem 15.03.2009 war der Kläger als Kommissionierer im Obst- und Gemüselager eingesetzt. Er wurde nach der Entgeltgruppe L III des Lohnrahmenabkommens vom 14.03.1980 (LRA) vergütet.

Die Lohngruppen des LRA lauten auszugsweise wie folgt:

Lohngruppe II

Arbeiten einfacher Art, die ohne vorherige Arbeitskenntnis nach Einweisung ausgeführt werden.

Beispiele:

1. Hausboten

2. Pack-, Sortier-, Regalauffüll- und ZubringertätigkeitKaffeeverlesen, Spülen, Etikettieren

Zusammenstellen von Kommissionen oder sonstige vergleichbare Arbeiten nach Symbolen oder Ordnungsmerkmalen 8. Raumpflege- und Küchenhilfskräfte

Lohngruppe III

Arbeiten, die ohne vorherige Arbeitskenntnisse nach kurzer Einarbeit ausgeführt werden.

Arbeiten in der jeweils erforderlichen Anlernzeit für die Tätigkeiten der Lohngruppe IV

Beispiele:

1. Boten, Pförtner

2. Pack-, Hilfs- oder Platzarbeiten, z. B. in Lägern, Kühlhäusern, Fruchtreifereien, Kellereien, Häfen, Tankstellen

Zusammenstellen von Kommissionen 4. Beifahrer ohne Führerschein 8. Büffetkräfte

Lohngruppe IV

Arbeiten, die nach einer jeweils erforderlichen Anlernzeit ausgeführt werden. Beispiele:

2. Packer oder Lagerarbeiter mit Material- und Warenteilkenntnissen

3. Einfache Maschinenarbeiten, z. B. an Trennsäge, Schere oder Biegeeinrichtung

4. Beifahrer mit FührerscheinKraftfahrer der Führerscheinklasse I/IV

6. Staplerfahrer (einfache Stapelverhältnisse)

7. Werkstatt- und Druckereihilfskräfte9. Rangierer, Endkontrolleur

Die bei der Beklagten tätigen Kommissionierer erhalten entsprechend ihrer Kommissionierleistung zusätzlich eine Prämie. Hierzu besteht eine Betriebsvereinbarung vom 27.01.2015. Die monatliche Prämie des Klägers lag zwischen 500 und 600 € brutto.

Die Beklagte entschloss sich im Jahr 2017 dazu, die im Obst- und Gemüselager anfallenden Kommissioniertätigkeiten nicht mehr mit eigenen Mitarbeitern zu verrichten, sondern fremd zu vergeben.

Dem Kläger wurde angeboten, entweder als Kommissionierer im Trockensortiment tätig zu werden oder als Lagerarbeiter in den so genannten Lageraufbau zu wechseln.

Der Kläger entschied sich für den Wechsel in den Lageraufbau. Die Parteien schlossen unter dem 11.12.2017 eine Ergänzungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag, die ab dem 01.12.2017 einen Wechsel des Klägers von der Tätigkeit als Kommissionierer in die Tätigkeit eines Lagerarbeiters vorsieht. Als Gehalt vereinbarten die Parteien den Wechsel von Entgeltgruppe L III plus Prämie zu Entgeltgruppe L III (Bl. 23 GA).

Im Bereich des Lageraufbaus sind bei der Beklagten 16 Mitarbeiter beschäftigt. Von diesen 16 Mitarbeitern werden alle zwölf Mitarbeiter, die ab dem Jahr 2010 für den Lageraufbau eingestellt oder dorthin versetzt worden sind, nach der Lohngruppe L III vergütet und erhalten keine Prämie. Drei Mitarbeiter, die in den Jahren 2008 und 2009 in den Lageraufbau versetzt worden sind, werden nach der Lohngruppe L IV vergütet. Ein Mitarbeiter, der zuvor stellvertretender Leiter des Leergutlagers war, erhält aufgrund einer Individualzusage die Lohngruppe L V.

Mit der am 23.05.2018 eingereichten Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass er der tariflichen Lohngruppe L IV zuzüglich Prämie zuordnen ist. Hilfsweise möchte er festgestellt wissen, dass er der Lohngruppe L III zuzüglich Prämie zuzuordnen ist.

Der Kläger sieht zunächst den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt, da einige andere Mitarbeiter im Lageraufbau nach der Entgeltgruppe L IV vergütet werden. Einen Wegfall der Prämie könne die Beklagte nur durch eine Änderungskündigung, nicht jedoch durch eine Versetzung erreichen.

Zudem sei er aufgrund seiner Tätigkeit mindestens in die Lohngruppe IV gegebenenfalls sogar in die Lohngruppe V einzugruppieren. Wegen der von ihm behaupteten Tätigkeiten wird auf seinen Schriftsatz vom 10.10.2018 verwiesen.

Der Kläger beantragt,

1. festzustellen, dass der Kläger für die Zeit seit November 2017 der tariflichen Lohngruppe L IV zuzüglich Prämie zuzuordnen ist,

2. hilfsweise festzustellen, dass der Kläger für die Zeit seit November 2017 der tariflichen Lohngruppe L III zuzüglich Prämie zuzuordnen ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass der Kläger zutreffend in die Lohngruppe L III eingruppiert ist. Bei den drei Mitarbeitern, die aktuell entsprechend der Lohngruppe L IV vergütet werden, habe man aus Bestandsschutzgründen auf eine korrigierende Rückgruppierung verzichtet.

Ein Anspruch auf eine Prämie bestehe im Bereich des Lageraufbaus nicht. Hierfür fehle es an einer Anspruchsgrundlage. Zudem sei im Nachtrag zum Arbeitsvertrag ausdrücklich die Prämie entfallen. Wegen der von der Beklagten behaupteten Tätigkeit des Klägers wird auf ihren Schriftsatz vom 19.10.2018 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist unzulässig und unbegründet.

I.

Die Klage ist unzulässig, da die Klageanträge nicht hinreichend bestimmt sind im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Formulierung "Lohngruppe L IV zuzüglich Prämie" hat keinen ausreichend bestimmten Inhalt.

II.

Die Klage ist sowohl mit dem Hauptantrag als auch mit dem Hilfsantrag unbegründet.

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zahlung einer Prämie. Hierfür fehlt es bereits an einer Anspruchsgrundlage. Der Anspruch auf eine Prämienzahlung ergibt sich nicht auf Grundlage des individuellen Arbeitsvertrages, da in der Ergänzungsvereinbarung die Prämie für die neu vereinbarte Tätigkeit als Lagerarbeiter ausdrücklich weggefallen ist. Insoweit bedurfte es auch keiner Änderungskündigung, da die Parteien den Inhalt ihres Arbeitsverhältnisses jederzeit durch Vertrag ändern können.

Für die Prämienzahlung gibt es auch keine kollektivrechtliche Grundlage. Denn die Betriebsvereinbarung vom 27.01.2015 gilt ausdrücklich nur für den Bereich der Kommissionierung.

2. Der Kläger ist auch nicht in die Entgeltgruppe L IV eingruppiert, da er das Vorliegen von dessen Voraussetzungen nicht dargelegt hat.

Nach § 2 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 LRA ist für die tarifliche Bewertung die vom Arbeitnehmer überwiegend verrichtete Tätigkeit maßgebend. Dies ist die Tätigkeit, die mehr als die Hälfte der Gesamtarbeitszeit in Anspruch nimmt. Die Einstufung erfolgt unter Verwendung von allgemeinen Tätigkeitsmerkmalen (Oberbegriffen) und Beispielen. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 3 LRA sind in erster Linie die Oberbegriffe maßgebend. Die Tätigkeitsbeispiele haben gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 LRA lediglich ergänzenden Charakter. Ihnen kommt nach der ständigen Rechtsprechung des BAG nur dann ausschlaggebende Bedeutung zu, wenn sie nur einmal in einer Lohngruppe erscheinen. In diesen Fällen ist davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien für die Beispielstätigkeit annehmen, dass sie die allgemeinen Merkmale erfüllt. Es gilt der allgemeine Grundsatz, dass bei Erfüllung eines konkreten Tätigkeitsbeispiels auch die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale als erfüllt anzusehen sind. Auf die allgemeinen Merkmale muss wieder dann zurückgegriffen werden, wenn die vom Arbeitnehmer ausgeübte Tätigkeit von einem Tätigkeitsbeispiel nicht oder nicht voll erfasst wird. Soweit die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale unbestimmte Rechtsbegriffe enthalten, sind die Tätigkeitsbeispiele im Rahmen der Auslegung dieser unbestimmten Rechtsbegriffe als Richtlinien für die Bewertung mitzuberücksichtigen. Entspricht die vom Arbeitnehmer ausgeübte Tätigkeit einem Tätigkeitsbeispiel einer niedrigeren als der beantragten Lohngruppe, so kann diese Tätigkeit regelmäßig nicht unter die abstrakten Tätigkeitsmerkmale der begehrten Lohngruppe subsumiert werden (BAG, Urteil vom 25. September 1991 - 4 AZR 87/91 -, Rn. 21 ff., juris).

Die Aufgabe des Klägers besteht nach eigenem Vortrag im Wesentlichen darin, ankommende Waren zu scannen und mittels (Elektro-)Hubwagen auf die entsprechenden Stellplätze im Lager zu verbringen, die ihm das System aufgrund des Scans vorgibt. Die überwiegend ausgeübte Tätigkeit des Klägers ist nach Lohngruppe III LRA zu bewerten. Denn es handelt sich um Arbeiten, die ohne vorherige Arbeitskenntnisse nach kurzer Einarbeit ausgeführt werden können. Es handelt sich um klassische Pack-, Hilfs- und Platzarbeiten in einem Lager.

Die Tätigkeit kann nicht nach Lohngruppe IV LRA Nr. 2 bewertet werden. Für seine überwiegende Tätigkeit benötigt er keine Material- und Warenteilkenntnisse, da die Waren weit überwiegend etikettiert sind. Er muss sie nur vom Wareneingang zur vorgesehenen Lagerfläche transportieren.

Auch das Tätigkeitsbeispiel Nr. 6 ist nicht erfüllt, da er kein Staplerfahrer ist. Mit Staplerfahrer im Sinne des Tarifvertrages sind die Fahrer von klassischen Gabelstaplern gemeint, für die eine Einweisung ("Staplerschein") erforderlich ist. Bediener von Elektrohubwagen sind keine Staplerfahrer im Sinne des Tarifvertrages.

3. Ein Anspruch ergibt sich ebenfalls nicht aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Eine Verletzung dieses Grundsatzes hat der Kläger bereits nicht schlüssig vorgetragen. Zudem gibt es keine Gleichbehandlung im Unrecht.

4. Soweit der Kläger die Beteiligung des Betriebsrats an der Versetzung rügt, ist dies rechtlich unerheblich. Denn selbst eine unterbliebene Beteiligung würde keine individualrechtlichen Vergütungsansprüche des Klägers begründen.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 91 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung hat ihre gesetzliche Grundlage in den §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 ArbGG, 3 ff. ZPO. Gründe im Sinne des § 64 Abs. 3 ArbGG für die Zulassung der Berufung liegen nicht vor.