LG Ingolstadt, Endurteil vom 07.08.2020 - 64 O 2618/19
Fundstelle
openJur 2020, 73217
  • Rkr:
Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei 15.796,30 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 07.08.2020 Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs Audi Q3 mit der Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) ...  zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 60,00% und die Beklagte 40,00% zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, so nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 39.500,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Ansprüche nach einem Pkw-Kauf im Zusammenhang mit dem sogenannten "Abgasskandal".

Die Klägerin erwarb am 03.12.2012 bei einem nicht am Verfahren beteiligten Autohändler einen Pkw Audi Q3, 2,0 TDI quattro S tronic Automatik mit der Fahrgestellnummer zum Preis von 39.500,00 Euro. Im Fahrzeug war der Motorentyp EA 189 verbaut. Das Fahrzeug war ein Neuwagen mit einem Kilometerstand bei Kauf von 11 km. Zum Schluss der mündlichen Verhandlung betrug der Zählerstand des Fahrzeugs 95.062 km.

Die Beklagte war Herstellerin des streitgegenständlichen Fahrzeugs.

Die im Fahrzeug verbaute Motorsteuergerätesoftware verfügt über eine sog. "Umschaltlogik", die erkennt, wenn das Fahrzeug den sogenannten Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) durchfährt. Der NEFZ ist ein gesetzlich vorgegebener Testlauf, der aus fünf synthetischen Fahrkurven besteht. Die Messungen an den Testfahrzeugen zur Erlangung einer Typgenehmigung maßgeblichen Abgas- und Emissionsgrenzwerte erfolgen dabei unter Laborbedingungen. Erkennt die im streitgegenständlichen Fahrzeug ursprünglich installierte Software diese Testbedingungen des NEFZ, so wird die Abgasrückführung des Fahrzeuges so gesteuert, dass möglichst wenig Stickoxide (NOx) ausgestoßen werden (sog. "NOxoptimierter Modus 1"). Im normalen Fahrbetrieb und Straßenverkehr ist hingegen der "Partikeloptimierte-Modus 0" aktiv, weshalb die NOx-Emissionen dann höher sind.

Das Kraftfahrtbundesamt hat die dargestellte Software gerichtsbekannt mit Bescheid vom 15. Oktober 2015 als eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EU) Nr. 715/2007 eingestuft und insoweit zur Entfernung und Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit der betroffenen Fahrzeuge aufgefordert. Das Kraftfahrtbundesamt hat für das streitgegenständliche Fahrzeug einen Rückruf veröffentlicht.

Die Klagepartei macht im Wesentlichen geltend, dass die Beklagte in der Motorsteuerung des Motors EA 189 eine illegale Abschalteinrichtung verwendet habe, um die geltenden Abgasnormen zu umgehen. Ansprüche auf Schadensersatz seien noch nicht verjährt, da die Klägerin im Jahr 2015 noch keine Kenntnis vom sog. Diesel-Abgasskandal gehabt habe.

Die Klägerin beantragte zuletzt,

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerpartei EUR 39.500,00 nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozent seit dem 04.12.2012 bis 21.12.2018 und seither von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von EUR 12.515,51 Zug-um-Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeuges der Marke Audi Typ Q3 2,0 TDI quattro S tronic Automatik mit der Fahrgestellnummer zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte seit dem 22.12.2018 mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1. bezeichneten Gegenstands in Annahmeverzug befindet

3. Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von EUR 2.434,74 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.12.2018 zu zahlen.

Die Beklagte beantrage,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte macht im Wesentlichen geltend, dass der Emissionsausstoß des Fahrzeugs für die Kaufentscheidung der Kläger nicht ausschlaggebend gewesen sei. Außerdem erhebt die Beklagte die Einrede der Verjährung.

Das Gericht hat die Klagepartei in der Sitzung vom 06.08.2020 die Klagepartei informatorisch angehört. Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Gründe

I.

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht Ingolstadt nach § 17 Abs. 1 ZPO für die Klage örtlich zuständig.

II.

Die Klage ist auch im tenorierten Umfang begründet. Der Klagepartei steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug-um-Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs zu.

Die von der Beklagten getroffene unternehmerische Entscheidung, dass der mit einer unzulässigen Umschalteinrichtung ausgestattete Motor in unterschiedliche Fahrzeugtypen und damit auch in dem streitgegenständlichen Fahrzeug eingebaut und dieser sodann in Verkehr gebracht wird, war sittenwidrig (vgl. ausführlich OLG Karlsruhe, Urteil vom 18. Juli 2019 - 17 U 160/18). Durch diese Entscheidung ist der Klagepartei kausal ein Schaden entstanden, nämlich der Abschluss des Kaufvertrags über das streitgegenständliche Fahrzeug. Die Beklagte hatte auch im Zeitpunkt ihrer Entscheidung Kenntnis von dem Eintritt eines Schadens, der Kausalität des eigenen Verhaltens für den Eintritt des Schadens und der die Sittenwidrigkeit des Verhaltens begründenden Umstände.

1. Ein Verhalten ist sittenwidrig, wenn es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. In diese rechtliche Beurteilung ist einzubeziehen, ob das Verhalten nach seinem Gesamtcharakter, welcher aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck des Verhaltens zu entnehmen ist, mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist. Ein Unterlassen verletzt die guten Sitten nur dann, wenn das geforderte Tun einem sittlichen Gebot entspricht. Hierfür reicht die Nichterfüllung einer allgemeinen Rechtspflicht, aber auch einer vertraglichen Pflicht nicht aus. Es müssen besondere Umstände hinzutreten, die das schädigende Verhalten wegen seines Zwecks oder wegen des angewandten Mittels oder mit Rücksicht auf die dabei gezeigte Gesinnung nach den Maßstäben der allgemeinen Geschäftsmoral und des als "anständig" Geltenden verwerflich machen (BGH, Urteil vom 03.12.2013 - Az. XI ZR 295/12 m.w.N.). Wer jedoch bewusst täuscht, um einen anderen zum Vertragsschluss zu bringen, handelt in der Regel sittenwidrig, so bei unwahren Angaben über vertragswesentliche Umstände.

a) Die Beklagte ist nicht die Vertragspartnerin der Klagepartei, sondern nur die Herstellerin des Motors des streitgegenständlichen Fahrzeugs. Dennoch können die oben genannten Grundsätze für den vorliegenden Fall sinngemäß angewendet werden. Sittenwidrig handelt in der Regel, wer einen anderen durch Täuschung zu einem Vertragsschluss bringt, der dem Täuschenden unmittelbar oder mittelbar zum Vorteil gereicht. Die Beklagte ist im vorliegenden Fall durch den Vertragsschluss zumindest mittelbar begünstigt, denn die Produktion des Motors ist darauf ausgelegt, das Fahrzeug, inklusive Motor, letztendlich an den Endabnehmer weiter zu veräußern. Auch bei der Einschaltung von Zwischenhändlern ist der Vertragsschluss mit dem Endkunden für die Beklagte Ziel der Produktion. Das ergibt sich schon aus der Überlegung, dass auch die etwaigen Zwischenhändler das Fahrzeug nur wegen des Weiterverkaufs an den Endkunden erwerben.

b) Die Beklagte hat die Klagepartei bewusst über Tatsachen getäuscht, um sie zum Kauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs zu bringen.

Eine Täuschung ist das Einwirken auf das Vorstellungsbild eines anderen, um eine Fehlvorstellung über die Wirklichkeit hervorzurufen. Die Täuschung kann ausdrücklich, konkludent oder durch Unterlassen begangen werden. Das Inverkehrbringen eines Fahrzeugs mit der streitgegenständlichen Motorsteuerungssoftware stellt eine konkludente Täuschung dar. Mit dem Inverkehrbringen gibt ein Hersteller konkludent die Erklärung ab, dass der Einsatz des Fahrzeugs entsprechend seinem Verwendungszweck im Straßenverkehr uneingeschränkt zulässig ist. Dies war vorliegend allerdings nicht der Fall: Die verwendete Umschaltlogik in der Motorsteuerungssoftware ist als verbotene Abschalteinrichtung zu qualifizieren, so dass ein Widerruf der Typgenehmigung droht (vgl. OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 05.03.2019 - 13 U 142/18).

aa) Mit der Inverkehrgabe des Fahrzeugs, inklusive Motor, hat die Beklagte jedenfalls konkludent zum Ausdruck gebracht, dass das Fahrzeug entsprechend seinem objektiven Verwendungszweck im Straßenverkehr eingesetzt werden darf, d.h. dass es über eine uneingeschränkte Betriebserlaubnis verfügt, deren Fortbestand nicht aufgrund bereits bei der Auslieferung des Fahrzeugs dem Hersteller bekannter konstruktiver Eigenschaften gefährdet ist. Das setzt voraus, das nicht nur die erforderlichen Zulassungs- und Genehmigungsverfahren formal erfolgreich durchlaufen wurden, sondern auch, dass die für den Fahrzeugtyp erforderliche EG-Typgenehmigung nicht durch eine Täuschung des zuständigen Kraftfahrt-Bundesamts erschlichen worden ist und das Fahrzeug den für deren Erhalt und Fortdauer einzuhaltenden Vorschriften tatsächlich entspricht. Auch dies bestätigt der Hersteller zumindest konkludent mit der Inverkehrgabe (OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 05.03.2019 - 13 U 142/18).

Denn bevor ein Kraftfahrzeughersteller berechtigt ist, ein Fahrzeug für die Nutzung im Straßenverkehr auf den Markt zu bringen, hat er die erforderlichen Zulassungs- und Genehmigungsverfahren erfolgreich zu absolvieren. Insbesondere ist die sogenannte EG-Typgenehmigung durch das Kraftfahrt-Bundesamt als zuständiger Behörde (§ 2 EG-FGV) einzuholen und eine Übereinstimmungsbescheinigung auszustellen (§ 27 Abs. 1 EG-FGV). Stellt das Kraftfahrt-Bundesamt nach Erteilung einer formell wirksamen Typgenehmigung fest, dass ein Fahrzeug nicht die materiellen Voraussetzungen für den genehmigten Typ einhält, kann es zur Beseitigung aufgetretener Mängel und zur Gewährleistung der Vorschriftsmäßigkeit auch bereits im Verkehr befindlicher Fahrzeuge zum einen gemäß § 25 Abs. 2 EG-FGV Nebenbestimmungen zur EG-Typgenehmigung anordnen oder gemäß § 25 Abs. 3 EG-FGV die EG-Typgenehmigung ganz oder teilweise widerrufen. Gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 FZV dürfen Fahrzeuge allerdings nur in Betrieb gesetzt werden, wenn sie zum Verkehr zugelassen sind, was gemäß § 3 Abs. 1 S. 2 FZV voraussetzt, dass sie einem genehmigten Typ entsprechen. Wird die EG-Typgenehmigung entzogen oder mit Nebenbestimmungen versehen, entspricht das Fahrzeug - im Fall der Nebenbestimmung: bis zur Nachrüstung - keinem genehmigten Typ mehr. Die Zulassungsbehörde kann dem Eigentümer oder Halter dann gemäß § 5 Abs. 1 FZV eine Frist zur Beseitigung der Mängel setzen oder den Betrieb des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen beschränken oder untersagen (OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 05.03.2019 - 13 U 142/18).

Der Käufer eines Kraftfahrzeugs kann vor diesem Hintergrund nicht nur davon ausgehen, dass im Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs die notwendige EG-Typgenehmigung formal vorliegt, sondern auch davon, dass keine nachträgliche Rücknahme oder Änderung droht, weil die materiellen Voraussetzungen bereits bei Erteilung nicht vorgelegen haben. Entsprechend dieser selbstverständlichen Käufererwartung ist der Inverkehrgabe des Fahrzeugs der Erklärungswert beizumessen, dass auch die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der EG-Typgenehmigung vorlagen (vgl. OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 05.03.2019 - 13 U 142/18).

bb) Das Fahrzeug verfügte entgegen dem konkludenten Erklärungswert der Inverkehrgabe vorliegend gerade nicht über eine dauerhaft ungefährdete Betriebserlaubnis, weil die installierte Motorsteuerungssoftware eine Umschaltlogik enthielt, die als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinn des Art. 5 Abs. 1 und 2 VO (EG) 715/2007 zu qualifizieren ist, weshalb die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der EG-Typgenehmigung nicht gegeben waren (vgl. OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 05.03.2019 - 13 U 142/18).

Bei der verwendeten Motorsteuerungssoftware handelt es sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung gemäß Art. 5 Abs. 1 und 2 VO (EG) Nr. 715/2007. Die Manipulation der Abgassoftware hat zur Folge, dass das Fahrzeug im Prüfstand weniger Stickoxid ausstößt als im Fahrbetrieb. Nur der im Testlauf unter Laborbedingungen verringerte Stickoxidausstoß erfüllte die Voraussetzungen der EU-Norm 5 nach der Verordnung (EG) Nr. 715/2007. Zwar bestreitet die Beklagte, dass es sich bei der verbauten Software um eine Abschalteinrichtung nach Art. 3 VO (EG) handelt. Zudem komme es zwischen dem Prüfstandsbetrieb und dem Straßenbetrieb naturgemäß zu einer Abweichung des angegebenen Schadstoffausstoßes. Dieser Argumentation ist jedoch nicht zu folgen: Schließlich werden die vorgeschriebenen Emissionswerte im Prüfstand nur eingehalten, weil eine Software regulierend eingreift (vgl. zur Qualifizierung der streitgegenständlichen Motorsteuerungssoftware als unzulässige Abschalteinrichtung auch BGH, Hinweisbeschluss vom 8.1.2019 - VIII ZR 225/17).

c) Diese konkludente Täuschung war sittenwidrig, da besondere Umstände vorliegen, die das schädigende Verhalten wegen seines Zwecks, wegen des angewandten Mittels beziehungsweise mit Rücksicht auf die dabei gezeigte Gesinnung nach den Maßstäben der allgemeinen Geschäftsmoral und des als "anständig" Geltenden verwerflich machen.

Zunächst ist der Beklagten dahingehend zuzustimmen, dass das grundsätzliche Ziel der Gewinnmaximierung nicht per se sittenwidrig ist. Die Verfolgung dieses Ziels ist im Rahmen des marktwirtschaftlichen Systems nicht zu beanstanden und wird von wohl allen Unternehmen am Markt verfolgt.

Jedoch darf ein zulässiges Ziel nicht "um jeden Preis" verfolgt werden. Die Sittenwidrigkeit eines Verhaltens kann gerade daraus resultieren, dass das zur Erreichung des Zwecks angewandte Mittel in Verbindung mit der gezeigten Gesinnung verwerflich ist.

Die Besonderheit der Umstände, durch die dieser Fall als gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstoßend anzusehen ist, liegt zum einen darin, dass die Beklagte die Verwendung der Abschalteinrichtung systematisch verschwiegen hat. Es handelt sich beim streitgegenständlichen Sachverhalt nicht um einen Einzelfall. Die Beklagte hat planmäßig die gesamte Serie dieses Motors, der in ca. 2,4 Mio. Fahrzeugen allein für den deutschen Markt verbaut ist, mit der streitgegenständlichen Abschalteinrichtung ausgestattet und unterlassen, dies mitzuteilen. Dadurch wurden Millionen Endabnehmer getäuscht, die - die Kausalität unterstellt - im Falle einer richtigen Aufklärung einen Vertrag über das betroffene Fahrzeug nicht abgeschlossen hätten. Angesichts dieser Vorgehensweise kann darauf geschlossen werden, dass die Beklagte ihre verfolgten Ziele der Gewinnmaximierung um jeden Preis durchsetzen wollte, sogar unter Täuschung von Millionen Endabnehmern und unter Inkaufnahme des Risikos, dass die gesamten mit dem streitgegenständlichen Motor ausgestatteten Fahrzeuge stillgelegt werden (vgl. auch OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 05.03.2019 - 13 U 142/18).

Außerdem erscheint die Art und Weise der Täuschung als besonders verwerflich: Durch die dem Inverkehrbringen der Fahrzeuge vorausgegangene Täuschung der Typgenehmigungsbehörde zur Erlangung der EG-Typgenehmigung hat sich die Beklagte beim Verkauf der Fahrzeuge das Vertrauen der Käufer in den ordnungsgemäßen Ablauf des staatlichen Genehmigungsverfahrens und damit auch in die Objektivität und Glaubwürdigkeit der staatlichen Behörden zunutze gemacht (vgl. OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 05.03.2019 - 13 U 142/18).

Daneben muss der Umstand berücksichtigt werden, dass die Beklagte eine Gefahr geschaffen hat, die zur vollständigen Unbrauchbarmachung der betroffenen Fahrzeuge führen kann. Es ist streitgegenständlich ein Mangel in Form einer unzulässigen Abschalteinrichtung, der - mag er behebbar sein oder nicht - zumindest die Gefahr in sich trägt, dass das Kraftfahrt-Bundesamt die Typgenehmigung widerruft. Damit wäre unumkehrbar die Nutzbarkeit des gesamten Fahrzeugs aufgehoben. Es läge auch nicht in der Hand der Beklagten, diese Nutzbarkeit etwa durch eine Nachbesserung wiederherzustellen. Denn der Widerruf der Typgenehmigung liegt allein in der Hand des Kraftfahrt-Bundesamts.

Unter der gebotenen Gesamtwürdigung aller Umstände ist somit davon auszugehen, dass die Beklagte die Klagepartei in sittenwidriger Weise getäuscht hat.

Etwas anderes gilt auch nicht etwa deshalb, weil das Fahrzeug für die Klagepartei nutzbar war und sie keiner konkreten (beispielsweise Gesundheits-)Gefahr ausgesetzt hat. Denn die Nutzbarkeit des Fahrzeugs ist vor allem eine Frage der Vorteilsausgleichung. Im Übrigen mag zwar nicht die Gesundheit der Klagepartei verletzt worden sein, jedoch wurden durch die Beklagte zumindest schützenswerte Umweltbelange verletzt. Der Schutz der Umwelt hat im Übrigen durch Art. 20a Grundgesetz Verfassungsrang. Gerade unbestimmte Rechtsbegriffe wie die Sittenwidrigkeit in § 826 BGB müssen im Lichte des Grundgesetzes ausgelegt werden. Insofern kann die Sittenwidrigkeit des Verhaltens nicht deshalb wegfallen, weil die Beklagte "nur" die Umweltbelange unberücksichtigt gelassen hat.

2. Der Klagepartei ist durch die sittenwidrige Schädigung der Beklagten ein Schaden entstanden.

Ein Schaden gemäß § 826 BGB liegt nicht nur vor, wenn sich bei einem Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre, ein rechnerisches Minus ergibt, sondern auch dann, wenn der Geschädigte durch eine auf sittenwidrigem Verhalten beruhende "ungewollte" Verpflichtung belastet ist, selbst wenn dieser eine objektiv gleichwertige Gegenleistung gegenübersteht (BGH, Urteil vom 28.10.2014 - VI ZR 15/14 m.w.N.). Entscheidend ist daher, dass der Geschädigte durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrages gebracht worden ist, den er sonst nicht geschlossen hätte und dass die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar ist (BGH, Urteil vom 28.10.2014 - VI ZR 15/14 m.w.N.).

Nach diesen Grundsätzen liegt der Schaden der Klagepartei in dem Abschluss eines ungewollten Kaufvertrags über ein mangelhaftes Fahrzeug. Es kommt dagegen nicht darauf an, ob das Fahrzeug im Zeitpunkt des Erwerbs im Hinblick auf die unzulässige Abschalteinrichtung einen geringeren Marktwert hatte. Der Schaden des getäuschten Käufers liegt in der Belastung mit der ungewollten Verbindlichkeit, nicht erst in dadurch verursachten wirtschaftlichen Nachteilen. Allein maßgebend ist, dass der abgeschlossene Vertrag, hier hinsichtlich der Eigenschaften des Kaufgegenstands, nicht den berechtigten Erwartungen des Getäuschten entspricht und überdies die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 28.10.2014 - VI ZR 15/14). Beide Voraussetzungen waren hier im maßgeblichen Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses gegeben, weil vorliegend wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung die Entziehung der EG-Typgenehmigung drohte bzw. die Anordnung von Nebenbestimmungen sowie bei deren Nichterfüllung die Stilllegung des Fahrzeugs. Wegen des zur Rechtswidrigkeit der EG-Typgenehmigung führenden und damit die Zulassung des Fahrzeugs gefährdenden Mangels ist gerade der intendierte Hauptzweck des Fahrzeugs, dieses im öffentlichen Straßenverkehr zu nutzen, bereits vor der tatsächlichen Stilllegung unmittelbar gefährdet. Denn wird die EG-Typgenehmigung entzogen, droht die Stilllegung, werden Nebenbestimmungen angeordnet, ist die fortdauernde Nutzbarkeit von einer Nachrüstung des Fahrzeugs durch den Hersteller abhängig, das heißt, im Auslieferungszustand droht ebenfalls die Stilllegung (vgl. OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 05.03.2019 - 13 U 142/18).

Der Schaden entfällt auch nicht durch die Durchführung des von der Beklagten angebotenen Software-Updates. Maßgebender Zeitpunkt für die Frage der Entstehung des Schadens ist insofern der Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses (vgl. OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 05.03.2019 - 13 U 142/18; OLG Köln, Beschluss vom 03.01.2019 - 18 U 70/18). Die mit dem Abschluss des Kaufvertrags eingegangene ungewollte Verbindlichkeit wird durch das Software-Update nicht ungeschehen gemacht. Außerdem sollte der vorsätzlich getäuschte Käufer einer mangelhaften Sache sich nicht auf eine Beseitigung des Mangels verweisen lassen müssen.

3. Die sittenwidrige Schädigung war auch kausal für den bei der Klagepartei entstandenen Schaden.

Vorliegend geht es um eine konkludente Täuschung mit dem Erklärungsgehalt, das in den Verkehr gebrachte Fahrzeug verfüge über eine ungefährdete EG-Typgenehmigung und erfülle die materiellen Anforderungen für deren Erlangung. Es geht daher um eine konkludente Täuschung über Eigenschaften des Kaufgegenstands. Für den vergleichbaren Fall des Eingehungsbetrugs durch konkludente Täuschung gemäß § 263 StGB ist anerkannt, dass für den Kausalzusammenhang ausreicht, wenn der Verfügende durch das Erklärungsverhalten des Schädigers zur Verfügung veranlasst wird, weil er das Vorliegen der konkludent miterklärten, tatsächlich aber nicht bestehenden Tatsachen als selbstverständlich voraussetzt, ohne darüber zu reflektieren (sogenanntes "sachgedankliches Mitbewusstsein"). Erforderlich ist insoweit nur, dass der Getäuschte keine Kenntnis von dem Nichtvorliegen der betreffenden Tatsachen hat und die Verfügung auf der Unkenntnis beruht. Diese zu § 263 StGB entwickelte Rechtsprechung lässt sich auf die Frage der Kausalität der Täuschung im Rahmen der Haftung nach § 826 BGB übertragen: Auch hier ist für einen mit der konkludenten Täuschung korrespondierenden Irrtum des Käufers ausreichend, dass er die miterklärte Tatsache als selbstverständlich voraussetzte (OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 05.03.2019 - 13 U 142/18). Ausreichend ist insofern, dass die Klagepartei die allgemeine Vorstellung hatte, einen für die Nutzung im Straßenverkehr bestimmten und geeigneten Pkw zu erwerben (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 05.03.2019 - 13 U 142/18), ohne dass die Gefahr der Stilllegung drohte, und dass dieses Bewusstsein für den Kaufvertragsschluss kausal war.

Für die Annahme des darüber hinaus zu fordernden Kausalzusammenhangs zwischen Irrtum und Abgabe der Willenserklärung genügt es nach der höchstrichterlichen zivilgerichtlichen Rechtsprechung für den Fall der sittenwidrigen Vertragserschleichung, dass der Getäuschte Umstände dargetan hat, die für seinen Entschluss von Bedeutung sein konnten, und dass die arglistige Täuschung nach der Lebenserfahrung bei der Art des zu beurteilenden Rechtsgeschäfts Einfluss auf die Entschließung hat (vgl. BGH, Urteil vom 12.5.1995 - V ZR 34/94; OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 05.03.2019 - 13 U 142/18).

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt: Die Klagepartei hat schriftsätzlich und bei ihrer Anhörung am 06.08.2020 hinreichend klar zum Ausdruck gebracht, dass es ihr bei Kaufvertragsabschluss darauf ankam, ein umweltfreundliches - d.h. insbesondere emissionsarmes - Fahrzeug zu erwerben. Es entspricht überdies der Lebenserfahrung, dass Kraftfahrzeugkäufer vom Kauf eines Fahrzeugs Abstand nehmen würden, wenn ihnen bekannt wäre, dass das betreffende Fahrzeug zwar formal über eine EG-Typgenehmigung verfügt, aber wegen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung diese nicht hätte erhalten dürfen, weshalb Maßnahmen der die Typgenehmigung erteilenden Behörde und dem folgend der Zulassungsstelle bis hin zur Stilllegung drohen. Denn Zweck des Autokaufs ist grundsätzlich - abgesehen von hier nicht einschlägigen Sonderkonstellationen - der Erwerb zur Fortbewegung im öffentlichen Straßenverkehr (vgl. OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 05.03.2019 - 13 U 142/18; OLG Köln, Beschluss vom 16.07.2018 - 27 U 10/18).

4. Die Beklagte handelte im Hinblick auf die Schadenszufügung auch vorsätzlich. Der Beklagten ist das vorsätzliche Handeln ihrer Repräsentanten gemäß § 31 BGB zuzurechnen.

a) Der Vorsatz muss sich auf die Tatsachen beziehen, die den konkreten Tatbestand ausmachen. Bei § 826 BGB ist somit zu fordern, dass der Täter Kenntnis von dem Eintritt eines Schadens, der Kausalität des eigenen Verhaltens und der die Sittenwidrigkeit des Verhaltens begründenden Umstände hat (vgl. nur Wagner in: MüKo, BGB, 7. Aufl. 2017, § 826 Rn. 25). Hierbei reicht es aus, dass der Schädiger die Richtung, in der sich sein Verhalten zum Schaden anderer auswirken konnte und die Art des möglicherweise eintretenden Schadens vorausgesehen und billigend in Kauf genommen hat (BGH, Urteil vom 20.11.1990, Az. VI ZR 6/90).

Zunächst steht fest, dass die Motorsteuerungssoftware willentlich entwickelt und eingesetzt wurde; sie war keineswegs die Folge eines "Fehlers" oder gar zufälliger Natur. Etwas Gegenteiliges wird auch von der Beklagtenseite nicht vorgetragen. Unter gebotener lebensnaher Betrachtung und Bewertung der Gesamtumstände schließt das Gericht aus, dass die unzulässige Abschalteinrichtung aus anderen Gründen entwickelt und eingesetzt wurde, als sich einen Wettbewerbs- und Kostenvorteil zu verschaffen. Entweder war der Druck auf die Entwickler bzw. die Beklagte als Unternehmen deshalb so groß, weil sie jedenfalls damals technisch nicht in der Lage waren, die Anforderungen zu erfüllen, die an sie von Gesetzesseite gestellt wurden oder die Erfüllung der notwendigen Vorgaben war im Hinblick auf den notwendigen Erfolg im Wettbewerb mit anderen Kraftfahrzeugherstellern unwirtschaftlich, d.h. die Entwicklung und bzw. oder Umsetzung einer gesetzesentsprechenden Technologie zu teuer.

Welche dieser Varianten tatsächlich der maßgebliche Antrieb der Verantwortlichen waren, kann dahinstehen, weil diesen in beiden Fällen jedenfalls klar sein musste, dass aufgrund der Täuschung gegenüber der Genehmigungsbehörde im schlimmsten Fall Rücknahme oder Widerruf der gesamten EG-Typgenehmigung droht, mit allen bereits zuvor erörterten essentiellen wirtschaftlichen Risiken der Fahrzeugkäufer.

Weil die Verantwortlichen im Bewusstsein dessen die Täuschung dennoch vornahmen, ist davon auszugehen, dass sie mindestens billigend in Kauf nahmen, dass ihre eigenen Kunden in erheblicher Weise wirtschaftlich durch das Verhalten geschädigt werden. Weiterhin ist davon auszugehen, dass den Verantwortlichen bewusst war, dass das eigene Verhalten nicht nur unredlich im Verhältnis zu den potentiellen Kunden, sondern nach der Verkehrsanschauung auch als besonders verwerflich einzuordnen ist. Schließlich war den Verantwortlichen bewusst, dass das Verschweigen dieser maßgeblichen Eigenschaften des streitgegenständlichen Fahrzeugs für die Endkunden - darunter auch die Klagepartei - entscheidungserheblich war. Bei lebensnaher Betrachtung ist nämlich kaum davon auszugehen, dass die Verantwortlichen dachten, die Endkunden hätten die betroffenen Fahrzeuge auch in Kenntnis der arglistig verschwiegenen Umstände gekauft.

b) Die Haftung einer juristischen Person aus § 826 BGB in Verbindung mit § 31 BGB setzt voraus, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter im Sinne des § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB verwirklicht hat (vgl. BGH, Urteil vom 28.06.2016, VI ZR 536/15).

Da es sich bei der Beklagten um eine Aktiengesellschaft handelt, haftet sie analog § 31 BGB nur für deliktische Handlungen ihrer "Organe". Zwar gilt § 31 BGB unmittelbar nur für Vereine. Es ist jedoch anerkannt, dass diese Vorschrift analog für alle juristischen Personen Anwendung findet, da insoweit eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage besteht. Nach § 31 BGB haftet die juristische Person also nicht für jedes deliktische Handeln eines ihrer Mitarbeiter, sondern nur für das deliktische Handeln solcher Personen, bei denen es sich um ein Mitglied des Vorstandes oder eines anderen verfassungsmäßig berufenen Vertreter handelt (OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 05.03.2019 - 13 U 142/18).

Die Klagepartei hat nicht substantiiert vorgetragen, dass konkret eines der Mitglieder des Vorstandes oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter der Beklagten eine Täuschungshandlung ihr gegenüber vorgenommen hat. Die Klagepartei hat insoweit nur behauptet, dem Vorstand der Beklagten seien die Ausstattung der Motoren mit der Motorsteuerungssoftware sowie die weiteren oben erörterten Umstände bekannt gewesen.

Ein weitergehender Vortrag ist vom Käufer eines mit der streitgegenständlichen Motorsteuerungssoftware ausgestatteten Fahrzeugs aber auch nicht zu verlangen:

aa) Steht ein (primär) darlegungspflichtiger Anspruchsteller außerhalb des für seinen Anspruch erheblichen Geschehensablaufs und kennt der Anspruchsgegner alle wesentlichen Tatsachen, so genügt nach den höchstrichterlichen Grundsätzen über die sekundäre Darlegungslast das einfache Bestreiten seitens des Anspruchsgegners nicht, sofern ihm nähere Angaben zuzumuten sind (vgl. BGH, Urt. v. 17.1.2008 - III ZR 239/06 m.w.N.; OLG Köln, Beschluss vom 03.01.2019 - 18 U 70/18).

Soll aber für diese höchstrichterliche Rechtsprechung überhaupt ein Anwendungsbereich eröffnet sein, müssen schon die Anforderungen an die primären Darlegungen seitens der Klagepartei auf die allgemeine Behauptung der nach dem maßgebenden Tatbestandsmerkmal erforderlichen Tatsache beschränkt werden, denn zur Frage des Umfangs einer sekundären Darlegungslast kann man nur dann gelangen, wenn die Klagepartei die Voraussetzung der sie treffenden primären Darlegungslast zu erfüllen vermag. Das aber kann mit Rücksicht auf den Umstand, dass die Klagepartei außerhalb des Geschehensablaufs steht und ihr entsprechende Kenntnisse aus strukturellen Gründen fehlen, nur dann geschehen, wenn man allgemeine Behauptungen ausreichen lässt und von weiterer Substantiierung absieht (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 03.01.2019 - 18 U 70/18).

Vor diesem Hintergrund reicht die Behauptung der Klagepartei aus, dass dem Vorstand der Beklagten die streitgegenständlichen Umstände bekannt gewesen seien, um die sekundäre Darlegungslast der Beklagten zu begründen. Die Klagepartei steht als Endkäufer eines Kraftfahrzeuges gänzlich außerhalb des innerorganisatorischen Geschehensablaufs bei der Beklagten. Aus strukturellen Gründen sind ihr weitere Darlegungen im Rahmen der primären Darlegungslast nicht möglich und zumutbar.

bb) Die Beklagte trifft somit hinsichtlich der Frage, welches ihrer Organe Kenntnis von der Manipulation der Motorsteuerungssoftware hatte und das Inverkehrbringen entsprechend ausgerüsteter Motoren veranlasst hat, eine sekundäre Darlegungslast. Der Gegner der (primär) darlegungspflichtigen Partei darf sich in diesen Fällen nicht auf ein einfaches Bestreiten beschränken, wenn die darlegungspflichtige Partei außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, während der Prozessgegner sie hat und ihm nähere Angaben zumutbar sind (vgl. BGH, Urteil vom 07.012.1998 - II ZR 266/97 LG Hildesheim, Urteil vom 17.01.2017, 3 O 139/16; LG Kleve, Urteil vom 31.03.2017, 3 O 252/16). Die Beklagte ist ihrer sekundären Darlegungslast im vorliegenden Fall nicht nachgekommen. Sie hat die erforderlichen näheren Ausführungen im Zusammenhang mit der Beauftragung, der Bezahlung, dem Empfang, der Kontrolle und der Verwendung der streitgegenständlichen Motorsteuerungssoftware nicht erbracht, obwohl entsprechende Angaben der Beklagten zumutbar gewesen wären.

Es wäre der Beklagten ohne weiteres möglich gewesen, die überschaubare Anzahl von Vorstandsmitgliedern und verfassungsmäßig berufenen Vertretern für den Zeitraum zu benennen, in dem die wesentlichen Entscheidungen für die Entwicklung des hier streitigen Motors - genauer mit der Programmierung und Implementierung der streitgegenständlichen Software - getroffen worden sind und die internen Entscheidungsabläufe und Kenntnisse offen zu legen. Dann hätte die Klagepartei weitergehende Darlegungen zur Person des Wissensinhabers und Beweisantritte vornehmen können und müssen. Es fehlen aber substantiierte Darlegungen der Beklagten zu den Zuständigkeiten, Verantwortlichkeiten und Entscheidungsprozessen in ihrem Unternehmen. Insbesondere ist auch der Verweis der Beklagten auf andauernde Ermittlungen nicht ausreichend.

5. Im Rahmen der begehrten Rückabwicklung muss sich die Klagepartei den Abzug einer Nutzungsentschädigung gefallen lassen.

Der Bundesgerichtshof hebt im Rahmen der Schadensberechnung die Grundsätze der Vorteilsausgleichung und das schadensrechtliche Bereicherungsverbot hervor und stellt klar, dass der Ersatzanspruch in die Nähe eines dem deutschen Recht fremden Strafschadensersatzes gerückt würde, wenn ein Nutzungsersatz nicht berücksichtigt würde (BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, Rn. 64 ff.).

Die Nutzungsentschädigung, die die Klagepartei an die Beklagte im Wege der Zug-um-Zug-Rückabwicklung zu entrichten hat, ist nach Überzeugung des Gerichts im vorliegenden Fall auf 23.703,70 Euro festzusetzen.

Das Gericht folgt den überzeugenden Ausführungen des Bundesgerichtshofs zur Vorteilsausgleichung (siehe oben), ist aber der Auffassung, dass diese Grundsätze nicht nur bei der Frage eine Rolle spielen, ob sich die Klagepartei gezogene Nutzungen anrechnen lassen muss, sondern auch bei der Frage, wie der Wert der gezogenen Nutzungen im Rahmen von § 287 ZPO zu berechnen ist. Für die Berechnung ist - soweit ersichtlich - die folgende Methode üblich, die bisher auch das Gericht praktiziert hat und deren Anwendung der Bundesgerichtshof nicht beanstandet hat (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, Rn. 78 ff.):

Der von der Klagepartei gezahlte Bruttokaufpreis für das Fahrzeug wird durch die voraussichtliche Restlaufleistung im Erwerbszeitpunkt geteilt und dieser Wert wird mit den gefahrenen Kilometern multipliziert.

Nutzungsersatz =

Das Gericht wendet diese Methode aber nicht an, da sie den Nutzungsersatz linear berechnet, eine solche Bewertung aber - allgemein bekannt - nicht den realen Wert der Nutzung eines Pkws abbildet und damit dem schadensrechtlichen Bereicherungsverbot nicht ausreichend Rechnung trägt. Die Klagepartei würde mit dieser Berechnungsmethode nach Auffassung des Gerichts besser gestellt, als sie ohne das schädigende Ereignis stünde. Bei Anwendung der oben aufgeführten Methode entspricht der Wert der Nutzung des ersten gefahrenen Kilometers nämlich exakt dem Wert der Nutzung des letzten gefahrenen Kilometers. Tatsächlich ist die Nutzung eines Neufahrzeugs aber mehr wert, als die Nutzung eines Fahrzeugs mit einem Kilometerstand von beispielsweise 299.999 Kilometern. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass die Reparaturanfälligkeit regelmäßig mit zunehmenden Alter steigt, während die Zuverlässigkeit des Fahrzeugs abnimmt. Außerdem besteht ein Mehrwert bei der Nutzung eines neuen Fahrzeugs darin, dass es technisch auf dem aktuellen Stand ist. So wird auch ein Interessent, der beispielsweise mit der Beklagten einen Leasingvertrag abschließen will, erwarten, dass die Beklagte ihm im Rahmen dieses Leasingvertrags ein Neufahrzeug zur Verfügung stellt. Sollte ihm ein gebrauchtes Fahrzeug zum Leasing angeboten werden, wird er zumindest fordern, dass die Kosten für das Leasing im Vergleich zum Leasing eines Neufahrzeugs geringer sind. Als Kehrseite kann auf den Wertverlust eines Kraftfahrzeugs Bezug genommen werden, der nicht linear, sondern degressiv verläuft. Neufahrzeuge haben gerade in den ersten Jahren nach dem Kauf einen hohen Wertverlust.

Es gibt deshalb Stimmen in der Literatur, die überlegen, bei der Berechnung des Nutzungsersatzes nicht auf die maximal mögliche Kilometerlaufleistung, sondern auf die gewöhnliche Nutzungsdauer abzustellen (vgl. BeckOGK/Schall, 1.3.2020, BGB § 346 Rn. 437). Die Klagepartei kann aber auf den Fortgang des Verfahrens und den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nur begrenzt Einfluss nehmen und es könnte sich ggf. nur aufgrund Zeitablaufs ein höherer Nutzungsersatz ergeben, wenn auf die gewöhnliche Nutzungsdauer abgestellt wird.

Das Gericht hat den Nutzungsersatz deshalb weiterhin anhand der oben aufgeführten Formel berechnet, allerdings mit der Modifikation, dass die jeweiligen Kilometerstände gewichtet werden. Dies hat den Vorteil, dass gegenüber dem Abstellen auf die Nutzungsdauer die tatsächlich gefahrenen Kilometer als tatsächlich gezogene Nutzungen bewertet werden, was auch der Bundesgerichtshof für sachgerecht erachtet hat (BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, Rn. 78 ff.). Statt einer linearen Betrachtung, geht das Gericht davon aus, dass der Wert der Nutzungen zunächst höher ist und sich mit zunehmender Kilometerlaufleistung verringert. Das Gericht setzt hierbei eine Berechnung nach einem Stufenmodell an. Die Kilometerlaufleistung wird hierbei in drei Stufen unterteilt.

Dem Gericht erscheint es nach einer vorläufigen Schätzung sachgerecht, anzunehmen, dass die Gesamtlaufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs 300.000 Kilometer beträgt, der Wert der Nutzung bis einschließlich Kilometer 50.000 mit dem Faktor 3 (Stufe 1), von Kilometer 50.001 bis einschließlich Kilometer 200.000 mit dem Faktor 2 (Stufe 2) und von Kilometer 200.001 bis einschließlich Kilometer 300.000 mit dem Faktor 1 (Stufe 3) zu berücksichtigen ist. Ergebnis dieser Modifikation ist ein stufenweiser degressiver Verlauf des Wertes des Nutzungsersatzes. Bei der Bewertung der ersten Stufe bis 50.000 Kilometer wurde berücksichtigt, dass in Deutschland die durchschnittliche Jahresfahrleistung etwa 15.000 Kilometer (13.727 Kilometer für das Jahr 2018, vgl. Statistik des Kraftfahrtbundesamtes, abzurufen unter https://www.kba.de/DE/Statistik/Kraftverkehr/VerkehrKilometer/verkehr_in_kilometern_node.html) beträgt und ein drei Jahre altes Fahrzeug beim Verkauf etwa 50 Prozent seines Listenpreises erzielt. Ein Fahrzeug mit einer Laufleistung von über 200.000 Kilometer wird gegenüber einem Fahrzeug mit einer Laufleistung zwischen 50.000 Kilometern und 200.000 Kilometern deutlich anfälliger für Reparaturen sein. Daraus ergeben sich die weiteren beiden Stufen.

Das Gericht weist weiter darauf hin, dass diese Berechnungsmethode nicht den Anspruch erhebt, den Wert der Nutzungen absolut realistisch abzubilden. Man könnte wohl auch nachvollziehbar begründen, eine zusätzliche Stufe zwischen 50.000 Kilometern und 100.000 Kilometern "einzubauen" oder den Nutzungsersatz vollumfänglich degressiv (ohne Stufen) zu berechnen. Das Gericht geht aber davon aus, dass die oben dargelegte Gewichtung der Kilometerstände in drei Stufen der Realität deutlich näher kommt, als eine lineare Berechnung. Das Gericht hat zudem im Rahmen von § 287 ZPO einen weiten Ermessensspielraum. Dies hat auch der Bundesgerichtshof in der von der Klagepartei angesprochenen Entscheidung hervorgehoben und sogar eine lineare Berechnung des Nutzungsersatzes für revisionsrechtlich unbedenklich erklärt (BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, Rn. 78 ff.). Dann kann aber die realitätsnähere Schätzung erst recht nicht zu beanstanden sein.

Um die oben aufgeführten Stufen im Rahmen der Berechnung berücksichtigen zu können, hat das Gericht folgende Methode entwickelt:

Es bleibt dabei, dass der von der Klagepartei gezahlte Bruttokaufpreis für das Fahrzeug durch die voraussichtliche Restlaufleistung im Erwerbszeitpunkt geteilt und dieser Wert mit den gefahrenen Kilometern multipliziert wird. Allerdings werden in diese Berechnung nicht die tatsächlichen Kilometerstände eingestellt, sondern fiktive Werte. Die fiktiven Werte werden gebildet, indem die jeweiligen Kilometerstände in die oben aufgeführten Stufen zerlegt werden und mit den oben aufgeführten Faktoren multipliziert werden. Bei der Berechnung muss außerdem berücksichtigt werden, dass die Stufen unterschiedlich groß sind, also eine unterschiedliche Anzahl an Kilometern beinhalten. Um die Gewichtung der Stufen zueinander im Verhältnis 3:2:1 zu erhalten, muss die unterschiedliche Größe der Stufen mit den Faktoren 3 für Stufe 1, 1 für Stufe 2 (größte Stufe) und 1,5 für Stufe 3 ausgeglichen werden. Hinzu kommen die Faktoren für die Gewichtung: 3 für Stufe 1, 2 für Stufe 2 und 1 für Stufe 3 (Verhältnis 3:2:1).

Insgesamt ergeben sich nach Multiplikation der jeweiligen Faktoren folgende Faktoren:

9 (3 * 3) für Stufe 1, 2 (2 * 1) für Stufe 2 und 1,5 für Stufe 3 (1 * 1,5).

Der Nutzungsersatz berechnet sich unter Berücksichtigung der im vorliegenden gefahrenen Kilometer von 95.051 km wie folgt:

"Nutzungsersatz in € =

39.500 € * [(50.000 km * 9) + (45.062 km * 2) - (11 km * 9) ] / [(50.000 km * 9) +

(150.000 km * 2) + (100.000 km * 1,5) - (11 km * 9) ] = 23.703,70 €.

Für 300.000 Kilometer (geschätzte maximale Gesamtlaufleistung) ergibt sich im obigen Beispiel ein fiktiver Wert von (50.000 * 9) + (150.000 * 2) +(100.000 * 1,5), also insge - samt 900.000 Kilometer, da alle drei Stufen voll ausgefüllt sind."

Für 95.062 km (Kilometer zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung) ergibt sich ein fiktiver Wert von (50.000 km * 9) + (45.062 km * 2), also 540.124 Kilometer, da Stufe 1 voll ausgefüllt ist und Stufe 2 mit 45.062 km (95.062 km - 50.000 km) ausgefüllt ist.

Mithin verbleibt ein klägerischer Anspruch auf Zahlung in Höhe von 15.796,30 Euro (39.500 Euro - 23.703,70 Euro) .

6. Der Anspruch der Klagepartei ist auch nicht verjährt.

Dem grundsätzlichen Anspruch der Klagepartei steht nicht die Einrede der Verjährung nach § 214 BGB entgegen. Der klägerische Anspruch ist nach Überzeugung des Gerichts nicht verjährt. Der Anspruch der Klagepartei verjährt innerhalb der Regelverjährungsfrist von 3 Jahren, § 195 BGB. Diese beginnt nach § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (Palandt, § 194 Rn. 24). Bei der für sie günstigen Einrede der Verjährung ist die Beklagten nach allgemeinen Regeln für die maßgeblichen Tatsachen darlegungs- und beweispflichtig (Grothe, in: MüKo-BGB, § 199 Rn. 46). Der streitgegenständliche Anspruch ist bereits mit Kaufvertragsschluss entstanden. Allerdings hat die Klagepartei zur Überzeugung des Gerichts bis Ende des Jahres 2015 weder von allen anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt, noch ist ihr insofern grob fahrlässige Unkenntnis vorzuwerfen. Die Beklagtenpartei konnte den erforderlichen Nachweis nicht führen. Verbleibende Restzweifel gehen nach allgemeinen Grundsätzen zu Lasten der beweisbelasteten Beklagten.

a) Der Nachweis der positiven Kenntnis der maßgeblichen anspruchsbegründenden Umstände vor dem Ablauf des Jahres 2015 (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 Var. 1 BGB) ist der Beklagtenpartei nicht gelungen. Kenntnis im Sinne der Vorschrift hat derjenige, der hinreichend verlässliche Informationen hinsichtlich der anspruchsbegründenden Tatsachen hat (Piekenbrock, in: BeckOGK, § 199 Rn. 100). Das Vorliegen positiver Kenntnis würde dabei zunächst voraussetzen, dass der Klagepartei die konkrete Betroffenheit des streitgegenständlichen Fahrzeugs bekannt war.

Nach Überzeugung des Gerichts aus der informatorischen Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 06.08.2020 hatte die Klagepartei von den anspruchsbegründenden Umständen, insbesondere von der Betroffenheit seines Fahrzeugs vom Abgasskandal, im Jahr 2015 noch keine positive Kenntnis erlangt. Nach der Rechtsprechung des BGH liegt die nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 1. Var. BGB erforderliche Kenntnis von den Anspruch begründenden Umständen im Allgemeinen vor, wenn dem Geschädigten die Erhebung einer Schadensersatzklage, sei es auch nur in Form der Feststellungsklage, Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos, möglich ist (BGH, Urteil vom 15.3.2016 - XI ZR 122/14, NJW-RR 2016, 1187).

Zunächst beruht die Behauptung der Beklagten, die Klagepartei habe bereits im Jahr 2015 positive Kenntnis von der im streitgegenständlichen Fahrzeug verbauten Umschaltlogik und allen anderen anspruchsbegründenden Tatsachen gehabt, lediglich auf der Mutmaßung der Beklagten, dass durch öffentliche Bekanntmachungen, öffentliche Berichterstattung und die Schaffung einer eine Website zur Ermittlung der individuellen Betroffenheit durch die Beklagte im Jahr 2015 der Abgasskandal allgemein bekannt gewesen sei und deshalb auch der Klagepartei nicht verborgen geblieben sein könne. Dieser Sachvortrag lässt jedoch jeden individuellen Bezug zur Klagepartei vermissen.

Soweit die Beklagte wiederholt auf die Ad-hoc-Mitteilung im Herbst 2015 abzustellen versucht, ist nicht nur aus der Laienssphäre der Klagepartei zu sehen, dass insbesondere die in der Mitteilung verwendeten Begriffe wie "Abweichung" gerade kein (vorsätzlich) deliktisches Handlungsgepräge umschreiben, sondern vielmehr ein allenfalls fahrlässiges Fehlverhalten, das erst nachträglich erkannt wurde, nahe legen. Die Pressemitteilung der VW AG vom 02.10.2015 anlässlich der Schaltung eines Abfrageportals erweckt zudem den Eindruck, es handele sich um einen regelmäßigen Vorgang, der in Abstimmung mit den Behörden abgearbeitet werde. Im Übrigen enthält die Pressemitteilung die indirekte Aufforderung zum Abwarten und lässt bei den betroffenen Verbrauchern zumindest in Zusammenschau mit der Behauptung der Nutzbarkeit und Sicherheit der Fahrzeuge die begründete Erwartung entstehen, dass bei laienhafter Betrachtung kein deliktisch fassbarer Schaden vorhanden ist.

Die Behauptung der Beklagten, die Klagepartei habe Kenntnis von der im streitgegenständlichen Fahrzeug verbauten Umschaltlogik gehabt, dürfte bereits vor diesem Hintergrund als Äußerung "ins Blaue hinein" unbeachtlich sein. Der Beklagtenpartei ist es daher schon nicht gelungen, darzulegen und den Nachweis zu führen, dass bis zum Ablauf des Jahres 2015 die konkrete und Schadensersatzansprüche auslösende Betroffenheit des streitgegenständlichen Fahrzeugs derart allgemein bekannt war, dass eine Unkenntnis von der Betroffenheit vollends auszuschließen ist. Selbst wenn man es für möglich hielte, dass ein allgemeiner Bekanntheitsgrad die Kenntnis des jeweils betroffenen Gläubigers überlagern könnte, scheitert die Beklagte daran einen solchen Bekanntheitsgrad ausreichend darzulegen. Hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme eines Anscheinsbeweises dahingehend, dass Eigentümer eines Pkws mit dem Motortyp EA 189 von der individuellen Betroffenheit aufgrund des Umfangs der medialen Berichterstattung und der Informationspolitik der Hersteller wusste, sind nicht vorhanden. Ein allgemein gültiger Erfahrungssatz, dass der Inhalt von Pressemitteilungen und "omnipräsenter" Berichtserstattung stets zeitnah von den Betroffenen zur Kenntnis genommen wird existiert nicht (siehe auch KG, Urteil vom 1. 10. 2009 - 2 U 17/03 für den Bereich des Kartellrechts, NJOZ 2010, 536, 538).

Anlässlich der informatorischen Anhörung der Klagepartei konnte sich das Gericht keine hinreichende Überzeugung dahingehend bilden, dass diese zumindest im Jahr 2015 positive Kenntnis von der individuellen Betroffenheit ihres Fahrzeugs hatte. So gab die Klägerin im Rahmen ihrer informatorischen Anhörung an, sie sei "geplättet" gewesen, als sie vom Diesel-Abgasskandal erfahren habe. Sie habe von dem Diesel-Abgasskandal erst etwa eineinhalb bis zwei Jahre zuvor, d.h. frühestens im Sommer 2018, erfahren. Frühere Presseberichte habe sie - so die Klägerin weiter - nicht wahrgenommen. Soweit die Klägerin in ihrer informatorischen Anhörung angab, sie habe vom Diesel-Abgasskandal "nach dem Bekanntwerden der Dieselproblematik in den USA" erfahren, ergibt sich hieraus für das Gericht kein Widerspruch zu den übrigen Angaben der Klägerin.

Die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat diese Ausführungen nicht zu erschüttern vermocht.

Das Gericht hält es für möglich und nicht von vorneherein für ausgeschlossen, dass ein Fahrzeugeigentümer zwischen dem 22. September 2015 und dem 31. Dezember 2015, also innerhalb eines Zeitraums von gerade einmal 106 Tagen zum Jahresende hin, nicht so genau der allgemeinen Medienberichterstattung folgt, dass er auf das Thema Abgasskandal im Allgemeinen aufmerksam wird, erfährt, dass hiervon auch sein Fahrzeughersteller betroffen ist, erfährt, dass der in seinem Fahrzeug verbaute Motor betroffen sein könnte, weiter von der Abfragemöglichkeit auf der Website der Beklagten erfährt und diese schließlich dann auch nutzt. Die Presseberichterstattung ist vielmehr voll von Skandalthemen wie beispielsweise Bad Banks, Umweltverschmutzung oder Lebensmittelskandalen, die oft negative Auswirkungen für den Einzelnen haben, aber meist zumindest nicht sofort dazu führen, dass der einzelne Verbraucher beginnt und auch nicht beginnen muss, sich über seine individuelle Betroffenheit aktiv zu informieren.

b) Auch eine grob fahrlässige Unkenntnis (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2 BGB) der Klagepartei liegt nach Überzeugung des Gerichts nicht vor. Der Beklagten ist der Nachweis trotz umfangreichen Sachvortrag unter Bezugnahme, insbesondere auf Presseberichterstattung, nicht gelungen.

Grob fahrlässige Unkenntnis liegt vor, wenn die oben genannten Umstände dem Gläubiger nur deshalb nicht bekannt sind, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich großem Maße verletzt und auch ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt hat oder das nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen, wie etwa dann, wenn sich dem Gläubiger die den Anspruch begründenden Umstände förmlich aufgedrängt haben und er leicht zugängliche Informationsquellen nicht genutzt hat (BGH, Urteil vom 15.3.2016 - XI ZR 122/14, NJW-RR 2016, 1187; Grothe, in: MüKo-BGB, § 199 Rn. 31). Den Geschädigten muss ein objektiv schwerer und subjektiv nicht entschuldbarer Obliegenheitsverstoß in seiner eigenen Angelegenheit der Anspruchsverfolgung ("Verschulden gegen sich selbst") vorgeworfen werden können, weil sich ihm die den Anspruch begründenden Umstände förmlich aufgedrängt haben, er davor aber letztlich die Augen verschlossen hat (BGH NJW-RR 2016, 1187, 1189). Es darf keinesfalls schematisch vom Vorliegen eines objektiv groben Pflichtenverstoßes auf ein gesteigertes persönliches Verschulden geschlossen werden, wenngleich hier tatsächlich eine gewisse Regelmäßigkeit beobachtet werden kann. Es bedarf vielmehr der Feststellung einer nach dem Maßstab des § 276 Abs. 2 BGB unentschuldbaren Pflichtverletzung (BGH Urt. v. 25.10.2018 - III ZR 122/17, BeckRS 2018, 28831). Dabei bezieht sich die grob fahrlässige Unkenntnis ebenso wie die Kenntnis auf Tatsachen, auf alle Merkmale der Anspruchsgrundlage und bei der Verschuldenshaftung auf das Vertretenmüssen des Schuldners, wobei es auf eine zutreffende rechtliche Würdigung nicht ankommt (BGH NJW-RR 2010, 681).

Der Gläubiger ist zwar nicht gehalten, umfängliche Nachforschungen über die anspruchsbegründenden Tatsachen und die Person seines Schuldners anzustellen, aber es besteht die Obliegenheit, sich zumindest über diejenigen Umstände zu informieren, bei denen dies mühelos und ohne erheblichen Kostenaufwand möglich ist, so dass das Unterlassen von Ermittlungen geradezu unverständlich erscheint (BGH NJW-RR 2016, 1187, 1189). Dabei sind jedoch die konkreten Umstände des Einzelfalls zu beachten: Im Vertragsrecht können von einem Vertragspartner regelmäßig weitergehende Nachforschungen erwartet werden als von dem Geschädigten im Deliktsrecht. Eine generelle Obliegenheit des Gläubigers, Presseveröffentlichungen zu verfolgen, besteht dabei nicht (KG NJOZ 2010, 536, 537 f.; Grothe, in: MüKoBGB, § 199 Rn. 31 m.w.N.). Das Unterlassen von Nachforschungen kann nicht per se, sondern allenfalls bei Hinzutretreten weiterer Umstände, die gerade die Untätigkeit als unverständlich erscheinen lassen, den Vorwurf grob fahrlässigen Verhaltens begründen.

Bei alldem darf neben den festzustellenden objektiven Anknüpfungspunkten die Person des Gläubigers nicht Außen vor zu lassen. Der Grad des individuell anzusetzenden Sorgfaltsmaßstab richtet jedenfalls nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nach den persönlichen Fähigkeiten und Kenntnis des Geschädigten (hierzu auch OLG Koblenz NJW 2018, 477, das Vorkenntnisse bei der Prüfung bauvertraglicher Schlussrechnung bei der Wertungsentscheidung heranzieht), mit der Folge, dass gerade Verbrauchern ein weitergehender Beurteilungsspielraum zuzugestehen ist (zu den Anforderungen an Verbraucher OLG Saarbrücken BeckRS 2008, 15438; BGH Urt. v. 25.10.2018 - III ZR 122/17, BeckRS 2018, 28831 zu in Bereichen des Kapitalmarkts unerfahrenen Personen). Vor diesem Hintergrund und der steten "Mahnung" des Bundesgerichtshofs (beispielhaft zuletzt BGH Urt. v. 25.10.2018 - III ZR 122/17, BeckRS 2018, 28831), die Anforderungen an die grobe Fahrlässigkeit des Gläubigers im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht zu überspannen (Piekenbrock, in: BeckOGK, § 199 Rn. 122, der in der Rechtsprechung des BGH eine restriktive Tendenz erkennen will; hierzu auch BGH NJW 2008, 2576) kann sich das erkennende Gericht nach persönlicher Anhörung des Klägers im Termin keine hinreichende Überzeugung dahingehend bilden, dass diesem sich das Vorliegen eines deliktischen Anspruchs aufdrängen musste.

Für die hier in Rede stehenden deliktischen Ansprüche kommt es für den Erfolg maßgeblich auf die Fragen des Verschuldens und - aufgrund der Unternehmens- und Konzernstrutkuren auf Beklagtenseite - der Wissenszurechnung, mithin auf innere Tatsachen des Schädigers an, die sich der Kenntnis des Verletzten naturgemäß entziehen, so dass es allein die äußeren Umstände maßgeblich sind, die einen Rückschluss auf die innere Tatsache zu lassen (Spindler, in: BeckOK-BGB, § 199 Rn. 32). Die äußeren Umstände müssen dabei evident sein, um die Anforderungen an den Geschädigten nicht zu überspannen (Spindler, in: BeckOK-BGB, § 199 Rn. 32). Ein bloßer Verdacht ist indes unzureichend (Spindler, in: BeckOK, § 199 Rn. 24).

Es ist im Rahmen der Gesamtschau auch die gerichtsbekannte Öffentlichkeitsarbeit der Beklagten und der Konzernmutter VW AG sowie die Reaktion der zuständigen Behörde, dem Kraftfahrtbundesamt (KBA) in den Blick zu nehmen, wenn es um die Feststellung objektiver Anhaltspunkte geht, die geeignet sind, den Vorwurf grober Fahrlässigkeit zu begründen. Von Seiten des KBA war nach Bekanntwerden der Dieselproblematik im September 2015 als zuständiger Fachbehörde eine Prüfung der Vorgänge angekündigt worden, die sich letztlich bis zur gerichtsbekannten Veröffentlichung des Rückrufs hinzog. Angesichts dieser nicht unerheblichen Prüfdauer einer mit Expertise und Fachpersonal ausgestatteten Bundesbehörde von mehreren Monaten, kann von einem durchschnittlichen Verbraucher nicht ernsthaft erwartet werden, die Qualifizierung der Motorsteuersoftware als gesetzeswidrige Abschalteinrichtung, was wiederum ein, wenn nicht der essentielle Baustein der Haftungsbegründung ist, noch im Jahr 2015 in der Laiensphäre zu bewerkstelligen. Dies würde der restriktiven Rechtsprechungslinie offenkundig zuwiderlaufen und die Anforderungen an die Klagepartei in subjektiver wie objektiver Hinsicht überspannen.

Vielmehr wird man dem Durchschnittsverbraucher zugestehen müssen, die fachbehördliche Einschätzung - unabhängig von dem zumindest medial beklagten öffentlichen Vertrauensverlust - abzuwarten und diese Einschätzung höher als die zwischenzeitliche Presseberichterstattung zu gewichten, ohne sich dem Vorwurf grober Fahrlässigkeit ausgesetzt zu sehen. Dies hat umso mehr zu gelten, als die Informationspolitik der betroffenen Hersteller nicht die erforderliche Klarheit im Sinne einer Evidenz der haftungsbegründenden Merkmale aufwies. In der gerichtsbekannten Mitteilung der Beklagten vom 22.09.2015 wird der Einsatz der gesetzeswidrigen Abschalteinrichtung, die nach ihrer nun bekannten Wirkungsweise situationsabhängig gezielte Ablaufprogramme auslöst, als "Abweichung" und "Unregelmäßigkeit" beschrieben, die allerdings bei der Mehrheit der betroffenen Motoren keinerlei Auswirkungen habe. Dies gilt auch für den Wortlaut der Pressemitteilung vom 02.10.2015 bei Schaltung des Abfrageportals. Unter Rückgriff auf die ständige Rechtsprechungsformel erscheint es angesichts dieses Wortlauts nicht offensichtlich unverständig im Jahr 2015 keinerlei Vorbereitungen zu treffen, die Beklagte in Regress zu nehmen. Fernab des Adressatenkreises der Ad-Hoc-Mitteilungen sowie der Intention der Hersteller, lassen die Formulierungen weder den Schluss auf vorsätzliches Verhalten noch auf das Vorliegen eines tatsächlichen oder drohenden Schadens zu (ähnlich LG Offenburg Urt. v. 21.8.2019 - 2 O 57/19, BeckRS 2019, 18470). Im Jahr 2015 herrschte für den durchschnittlichen Verbraucher ein undurchsichtiges Spannungsfeld aus laufenden behördlichen Prüfungen, Beschwichtigungsversuchen der politisch verantwortlichen Akteure, offensiver Pressearbeit der betroffenen Hersteller sowie medial erhobenen Betrugs- und Manipulationsvorwürfen.

Objektiv greifbare und verlässliche Anhaltspunkte insbesondere zur konzerninternen Verantwortlichkeit und zum Schaden dahingehend, dass sich dem Kläger als durchschnittlichen Verbraucher die haftungsbegründenden Merkmale aufdrängen musste, hat die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte im Ergebnis daher nicht dargetan.

Nimmt man abschließend eine Parallelwertung zur Entscheidungslinie des Bundesgerichtshofs in Arzthaftung vor, ist zu erkennen, dass das Gericht seiner restriktiven Linie folgend selbst bei Negativverlauf einer Behandlung mit erkennbar eingetretener Schadensfolge sowie einer Wertpapieranlage ein grobes Verschulden gegen sich selbst erst dann annehmen will, wenn weitere Umstände hinzutreten (BGH NJW-RR 2010, 681, 684; BGH Urt. v. 25.10.2018 - III ZR 122/17, BeckRS 2018, 28831). In hiesiger Fallkonstellation kann aufgrund des noch andauernden Prüfvorgang durch das KBA für das Jahr 2015 kann demgegenüber nicht einmal die Erkennbarkeit eines Schadenseintritts bzw. der Schadensfolgen angenommen werden.

c) 3. Im Übrigen ist nicht davon auszugehen, dass der Klagepartei - jedenfalls im Jahr 2015 - zumutbar war, einen Prozess gegen die Beklagte zu führen, da ein solcher mit einem Mehr als den allgemeinen Prozessrisiken behaftet war (zu den Grenzen Grothe, in: MüKo-BGB, § 199 Rn. 28 u.a. unter Hinweis auf BGH NJW-RR 2008, 1495 Rn. 32; NJW 1994, 1150, 1152), auch wenn es im Grundsatz als ausreichend angesehen wird, dass eine Klage - zumindest in Form der Feststellungsklage - bei verständiger Würdigung erfolgversprechend möglich ist. Die Einrede der Verjährung hat daher neben tatsächlichen auch aus rechtlichen Gründen keinen Erfolg.

Bedeutung gewinnt hier ein Beschluss des OLG München vom 25. Juli 2017, Az.: 13 O 566/17, in dem der Senat in einem Verfahren aus dem "Diesel-Komplex" die Berufung einer Klagepartei aufgrund unzureichender Konkretisierung und Substantiierung zurückweist und dabei ausführt, dass die pauschale Bezugnahme auf laufende Ermittlungsverfahren und Presseberichte die Notwendigkeit von auf Tatsachen basierenden Sachvortrag nicht ersetzen vermag. Dabei weist das Gericht daraufhin, dass - wie gerade in Fällen des grauen Kapitalmarktes regelmäßig zu beobachten - der verfrühte Kläger sich gerade bezüglich der Frage der Zurechnung aber auch des vorsätzlichen Verhaltens der Beklagten zumindest zeitweise unüberwindbaren Schwierigkeiten entgegensieht.

Anknüpfend an die Ausführungen des OLG München zum Zusammenwirken von grob fahrlässiger Unkenntnis und (parallellaufenden) Ermittlungs- und Strafverfahren ist die Grenze der Zumutbarkeit der klageweisen Geltendmachung sicherlich nicht erst bei Rechtskraft eines Strafurteils erreicht (ausführlich Spindler, in: BeckOK-BGB § 199 Rn. 39 f.), sondern dann, wenn durch die strafrechtlichen Ermittlungen und strafprozessuale Maßnahmen sowie Entscheidungen, wie beispielsweise Haftbefehl oder Anklage, eine hinreichende Konkretisierung der Verantwortlichkeiten und der Personen herbeigeführt wird (Piekenbrock, in: BeckOGK-BG, § 199 Rn. 103). Unabhängig von der strittigen Frage, ob sich ein Geschädigter durch Akteneinsicht in komplexe Wirtschaftsstrafsachen Kenntnis verschaffen muss, ist hier festzuhalten, dass allgemeinwie gerichtsbekannt Anklagen oder Haftbefehle gegen Verantwortliche der VW AG und Audi AG erst nach dem Jahr 2015 erhoben oder erlassen wurden. Für die Klagepartei bestand daher nicht im Ansatz die Möglichkeit, die für die Klage erforderliche Konkretisierung zu erreichen. Dies gilt umso mehr, als es sich bei den Strafverfahren bezogen auf den Streitgegenstand und den Lebenssachverhalt nicht zwingend um identische Tatgeschehen handelt, die - jedenfalls nach der medialen Berichterstattung - nur in Teilen Überschneidungen aufweisen. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass selbst dem Verletzten und Geschädigten die Akteneinsicht nicht zwangsläufig gewährt wird, sondern dieses schon dann versagt werden kann, wenn der Untersuchungszweck gefährdet erscheint, § 406e Abs. 2 S. 2 StPO, was gerade in frühen Phasen des Ermittlungsverfahrens regelmäßig der Fall sein wird. Selbst wenn daher eine Erkundigungs- und Nachforschungsobliegenheit im Grundsatz annehmen will, läuft diese jedenfalls zu Beginn des "Dieselkomplexes" faktisch leer. Angesichts der Komplexität der Verantwortungsstrukturen im Konzerngeflecht und des fehlenden Einblicks der Klagepartei war diese nicht in der Lage, die Person des Verantwortlichen oder die persönliche Betroffenheit im Jahr 2015 zu erkennen. Der Klagepartei war es daher nicht zumutbar einen nahezu aussichtslosen Prozess zu führen und sich wegen Rechtskraftwirkung der abweisenden Entscheidung durch eine vorschnelle Klage um die Durchsetzbarkeit der etwaig bestehenden materiellen Ansprüche zu bringen.

7. Zu verzinsen ist die Forderung ab dem Tag der letzten mündlichen Verhandlung, §§ 291, 187 Abs. 1 BGB. In der letzten mündlichen Verhandlung hat die Klagepartei die Laufleistung ihres Pkw mitgeteilt, so dass die Beklagte den von ihr geschuldeten Schadenersatz ermitteln kann. Ob die Klagepartei der Beklagten das Fahrzeug in einer den Annahmeverzug begründenden Weise angeboten hat, wenn sie im Gegenzug eine höhere Schadensersatzleistung fordert als ihr zusteht, ist unerheblich. Bei einem Schadensersatzanspruch, der Zug um Zug gegen Rückgewähr einer Leistung zu erfüllen ist, steht eine Zuvielforderung der Pflicht zur Zinszahlung nicht entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 2004 - III ZR 323/03). Die Pflicht zur Zinszahlung kann der Beklagten billigerweise auferlegt werden, nachdem sie die Klageforderung schon dem Grunde nach bestreitet und nicht einmal zur Zahlung des tatsächlich geschuldeten Geldbetrags bereit ist.

Die Klagepartei hat dagegen keinen Anspruch auf Verzinsung der Geldschuld ab einem früheren Zeitpunkt aus den §§ 286 Abs. 1, 288 BGB. Verzug ist vorgerichtlich nicht eingetreten, denn die Klagepartei bot die Rückzahlung des Kaufpreises ohne Abzug einer für die Beklagte zu beziffernde Nutzungsentschädigung an. Der Beklagten hätte aber die mögliche Nutzungsentschädigung mitgeteilt bzw. eine Berechnung ermöglicht werden müssen, wozu der Beklagte zumindest der aktuelle Kilometerstand des Fahrzeugs und der Kilometerstand des Fahrzeugs bei Kauf mitgeteilgt hätte werden müssen. Eine Mahnung setzt die bestimmbare Bezeichnung der geforderten Leistung voraus.

Aus demselben Grund schuldet die Beklagte auch keine Prozesszinsen aus § 291 BGB ab Rechtshängigkeit. Die Vorschrift setzt bei unbezifferten Forderungen voraus, dass die Grundlagen für die Bemessung im Zeitpunkt der Klagerhebung mitgeteilt werden (vgl. Staudinger/Löwisch/Feldmann, 2014, BGB § 291, Rn. 8), was hier mangels Mitteilung der Laufleistung in der Klageschrift nicht der Fall gewesen ist.

Auch aus § 826 BGB ergibt sich kein Anspruch auf die Verzinsung, da die Klagepartei nicht vorgetragen oder unter Beweis gestellt hat, dass ihr tatsächlich ein Zinsschaden in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz entstanden ist. Dies wäre jedoch notwendig, da die Klagepartei für die Darlegung eines konkreten Schadens darlegungs- und beweisbelastet ist.

8. Auch der geltend gemachte Zinsanspruch der Klagepartei aus § 849 BGB war abzulehnen. Zwar wendet der BGH die Vorschrift in ständiger Rechtsprechung auch auf die Überweisung von Geld an. Allerdings waren insofern ausschließlich Fälle betroffen, in denen der Geldbetrag deliktsbedingt ersatzlos weggegeben wurde (vgl. Riehm, NJW 2019, 1105, 1109). Der Normzweck des § 849 BGB besteht außerdem darin, dem Verletzten einen Mindestbetrag zur Kompensation der erlittenen Einbuße an Nutzungsmöglichkeit zu gewähren, gewissermaßen einen pauschalierten Ersatz für entgangene Nutzungen der Sache. Aus § 849 BGB folgt dagegen kein allgemeines Prinzip, wonach Ansprüche aus unerlaubter Handlung unabhängig vom Vorliegen des Verzugs zu verzinsen seien. § 849 BGB passt auf den hier im Wege des Schadensersatzes zu erstattenden Kaufpreis abzüglich erlangter Nutzungen schon deswegen nicht, weil der Käufer während der Zeit, in der er den Kaufpreis nicht hatte, das Fahrzeug vollumfänglich nutzen konnte. Der Kaufpreis wurde gerade nicht ersatzlos weggegeben. Sobald der Geschädigte aber - wie hier - einen faktisch nutzbaren Ersatz für sein überwiesenes Geld durch die Nutzungsmöglichkeit des Pkw erhalten hat, besteht für § 849 BGB kein Raum (so überzeugend Riehm, NJW 2019, 1105, 1109).

9. Das mit dem Klageantrag zu 2. verfolgte Feststellungsbegehren ist zulässig, aber nicht begründet. Die Beklagte ist nicht gemäß §§ 293, 298, 295 BGB mit der Annahme des Fahrzeugs in Verzug.

Durch das vorprozessuale anwaltliche Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei vom 18.12.2018 (Anlage K11) ist ein Verzug nicht eingetreten (s.o.).

III.

Die Kostenfolge ergibt sich ausgehen von einem Streitwert von 39.500 Euro aus §§ §§ 91, 92 Abs. 1 S. 1 ZPO.

IV.

Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit folgt aus §§ §§ 709 S. 1, 2, 708 Nr. 11 Var. 2, 711 ZPO.