LG Ansbach, Endurteil vom 13.02.2019 - 2 O 829/18
Fundstelle
openJur 2020, 72496
  • Rkr:
Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 29.988,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger begehrt restliche Nutzungsausfallentschädigung aus einem Verkehrsunfall, der sich am 17.03.2016 gegen 09:30 Uhr im Kreuzungsbereich ... in ... ereignet hat und für den die Beklagte in vollem Umfang eintrittspflichtig ist. Bei dem Unfall wurde das Fahrzeug des Klägers, ein Pkw Mercedes Benz GLE 350 d, amtliches Kennzeichen ...-... ..., stark beschädigt. Das vom Kläger eingeholte Schadensgutachten des Dipl. Ing. (FH) ... (Anlage K2) wurde unter dem 21.03.2016 vorgelegt und wies Reparaturkosten von 33.357,44 € brutto bei einem Wiederbeschaffungswert von 63.000,00 € und einem Restwert von 38.510,00 € aus. Als Wiederbeschaffungsdauer kalkulierte der Sachverständige 12 bis 14 Kalendertage ein. Das Fahrzeug des Klägers war zum Unfallzeitpunkt 6,5 Monate alt und verfügte genau über die Wunschausstattung des Klägers. Nach Überlegungszeit entschied sich der Kläger, auf eine Instandsetzung des Fahrzeugs zu verzichten, um gleichzeitig ein entsprechendes Ersatzfahrzeug anzuschaffen. Die Bestellung eines entsprechenden Ersatzfahrzeugs erfolgte am 20.04.2016 bei der Autohaus ... GmbH in ... . Die Übergabe/Auslieferung des Fahrzeugs an den Kläger erfolgte letztlich erst am 14.12.2016. Die Beklagte hat dem Kläger für den Nutzungsausfall einen Betrag in Höhe von 2.499,00 € gezahlt. Dabei hat sie einen ersatzfähigen Zeitraum von 21 Kalendertagen zu je 119,00 € zugrunde gelegt.

Mit seiner Klage macht der Kläger restliche Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von 29.988,00 € für die restlichen 252 Kalendertage nebst Zinsen sowie restliche außergerichtliche Rechtsanwaltskosten geltend.

Der Kläger behauptet, auf dem Gebrauchtwagenmarkt habe es zum damaligen Zeitpunkt keine vergleichbaren Fahrzeuge, insbesondere nicht mit der gleichen Sonderausstattung, gegeben. Hierauf habe er jedoch einen Anspruch. Der Kläger ist daher der Auffassung, er könne für den gesamten Zeitraum bis zur Auslieferung des Neufahrzeuges eine Nutzungsausfallentschädigung auf Grundlage eines ermittelten Tagessatzes von 119,00 € beanspruchen.

Der Kläger beantragt,

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 29.988,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 10.03.2017 zu bezahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 479,57 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dem Kläger steht über den bereits abgerechneten Zeitraum von 21 Tagen eine Nutzungsausfallentschädigung nicht zu. Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Restitution im Wege der Anschaffung eines Neufahrzeuges nicht zu. Der reguläre Zeitraum von 21 Tagen decke sowohl den Zeitraum zwischen Unfall und Vorlage des Gutachtens, eine etwaige Überlegungsfrist wegen der Frage einer Reparatur oder Ersatzbeschaffung als auch den vom Sachverständigen veranschlagten Wiederbeschaffungszeitraum ab.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die gegenseitig gewechselten Schriftsätze der Parteien im Verfahren sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.01.2019.

Gründe

I.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Denn dem Kläger steht ein Anspruch auf Nutzungsausfall für weitere 252 Tage nicht zu.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellt auch der vorübergehende Verlust der Gebrauchsmöglichkeit eines Kraftfahrzeuges einen ersatzfähigen Schaden im Sinne der §§ 249 ff. BGB dar, wenn der Geschädigte sich für die Zeit des Nutzungsausfalls keinen Ersatzwagen beschafft hat (BGHZ 40 345,347, BGH-Urteil vom 10.06.2008, VI. ZR 248/07 BGH-Urteil vom 14.04.2010, VIII. ZR 145/09). Dieser Nutzungsausfall ist nicht notwendiger Teil des am Kfz in Natur eingetretenen Schadens. Es handelt sich vielmehr um einen typischen, aber nicht notwendigen Folgeschaden, der weder überhaupt noch seiner Höhe nach von Anfang an fixiert ist. Er setzt neben den Verlust der Gebrauchsmöglichkeit voraus, dass der Geschädigte ohne das schädigende Ereignis zur Nutzung des Fahrzeugs willens und fähig gewesen wäre (BGH-Urteil vom 18.12.2007, VI. ZR 62/07) und besteht für die erforderliche Ausfallzeit, d.h. für die notwendige Reparatur bzw. Wiederbeschaffungsdauer zuzüglich der Zeit für die Schadensfeststellung und gegebenenfalls einer angemessenen Überlegungszeit (BGH-Urteil vom 05.02.2013, VI. ZR 363/11). Nach diesen Grundsätzen steht dem Kläger grundsätzlich ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung zu. Dabei spricht die Lebenserfahrung dafür, dass der Halter und Fahrer eines privat genutzten Pkw diesen während eines unfallbedingten Ausfalls auch benutzt hätte (LG Saarbrücken Urteil vom 07.04.2017, 13 S 167/16, Juris). Der Ersatzanspruch ist dabei auf die erforderliche Ausfallzeit beschränkt. Zudem ist anerkannt, dass die erforderliche Ausfallzeit entscheidend durch die Art der vom Geschädigten gewählten Schadensabrechnung beeinflusst wird. Rechnet der Geschädigte seinen Schaden fiktiv ab, kommt es maßgeblich auf die objektiv erforderliche Dauer an (BGH-Urteil vom 15.07.2003, VI. ZR 361/02). Bei fiktiver Abrechnung sind Verzögerungen mithin unbeachtlich. Denn es kann hier nur die objektiv erforderliche Reparaturdauer, nicht aber die - etwa im Rahmen einer eigen-, billig- oder der konkreten Fremdreparatur tatsächliche Instandsetzungsdauer zugrunde gelegt werden. Vergleichbares gilt auch, wenn der Geschädigte anstelle der gebotenen Reparatur ein Neufahrzeug erwirbt und die Ersatzbeschaffung länger als die gebotene Reparaturzeit in Anspruch nimmt (OLG Hamm vom 01.10.1992, 6 U 113/92). Lediglich für den Fall, dass der Geschädigte bereits vor dem Unfall ein Neufahrzeug bestellt hatte und das verunfallte Fahrzeug bis zur Lieferung des Neufahrzeuges nutzen wollte, kann eine Verlängerung der Anmietzeit bzw. des Nutzungsausfalls berücksichtigt werden, da die bereits bestehende wirtschaftliche Planung aufgrund des Unfalls gestört ist. Bei der ersten Fallgruppe kann eine längere Wartezeit nicht zu Lasten des Schädigers gehen, weil sie auf der reinen Disposition beruht (BGH-Urteil vom 18.12.2007, VI. ZR 62/07). So liegt der Fall auch hier. Der Kläger hat sich für die Abrechnung auf Gutachtenbasis entschieden. Die fiktive Abrechnung ermöglicht ihm, seinen Schaden unabhängig von der Verwendung des zu leistenden Schadenersatzes und unabhängig von der tatsächlichen Wiederherstellung der Reparatur abzurechnen. Sie eröffnet ihm jedoch neben konkreter und fiktiver Abrechnung keine dritte Abrechnungsweise, bei der der Geschädigte durch Kombination von konkreter und fiktiver Abrechnung ("Rosinentheorie") in noch weitergehendem Umfang Ersatz verlangen könnte als nach der gewählten fiktiven Abrechnung (Verbot der Kombination von fiktiver und konkreter Abrechnung vgl. BGH-Urteil vom 30.05.2006, VI. ZR 174/05). Die Vorzüge der fiktiven Abrechnung kann der Kläger nicht mit einer höheren Nutzungsausfallentschädigung wegen tatsächlich angetretener Verzögerung kombinieren.

Da kein Hauptsacheanspruch besteht, sind keine weiteren vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu erstatten.

II.

Die Kostenentscheidung gründet auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 3 ZPO.

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