LG Aschaffenburg, Endurteil vom 04.10.2019 - 33 O 463/18
Fundstelle
openJur 2020, 72135
  • Rkr:
Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.674,10 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 20.12.2019 Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs VW Golf mit der Fahrzeugidentifikationsnummer zu zahlen. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des in Ziffer 1 genannten PKW seit dem 20.12.2019 in Annahmeverzug befindet.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für die außergerichtliche Rechtsverfolgung 334,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.12.2018 zu zahlen

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 75% und die Beklagte 25% zu tragen.

5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 10.500,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klagepartei begehrt Schadensersatz aufgrund des Erwerbs eines vom sogenannten Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer ...

Am 12.08.2019 beträgt der Kilometerstand des streitgegenständlichen Fahrzeugs 132.532 km.

In dem Fahrzeug ist ein von der Beklagten hergestellter Motor der Baureihe EA 189 verbaut. Es verfügt über eine Typgenehmigung nach Euro 5. Die Einhaltung der dafür maßgeblichen Grenzwerte für Stickoxide (Art. 10 Verordnung EG Nr. 715/2007, Anhang I, Tabelle 1) hängt davon ab, in welchem Ausmaß Abgase aus dem Auslassbereich des Motors über ein Abgasrückführungsventil in den Ansaugtrakt des Motors zurückgeleitet werden. Im streitgegenständlichen Fahrzeug lässt die das Abgasrückführungsventil steuernde Software des Motorsteuerungsgerätes eine Abgasrückführung im zur Einhaltung der Grenzwerte nötigen Umfang nur unter den Bedingungen des zum Erlangen der Typgenehmigung durchgeführten gesetzlich vorgeschriebenen Testlaufs zu. Es ist nahezu ausgeschlossen, dass im normalen Straßenverkehr die Fahrkurven dieses Testlaufs - neuer europäischer Fahrzyklus (NEFZ) - exakt nachgefahren werden.

Die Klagepartei behauptet, dass sie den streitgegenständlichen PKW am 16.06.2015 zu einem Kaufpreis von 10.500,00 € von privat mit einem Kilometerstand von 72.182 km gekauft habe. Die Klagepartei trägt im Wesentlichen vor, ihr stehe gegen die Beklagte ein Anspruch auf Schadensersatz auf der Grundlage einer deliktischer Haftung zu, im Ergebnis sei die Beklagte verpflichtet, das Fahrzeug der Klägerin gegen Zahlung des Kaufpreises zurückzunehmen.

Die Klägerin beantragt zuletzt,

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerpartei einen Betrag in Höhe von 10.500,00 € nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozent seit dem 17.06.2015 bis zum 19.12.2018 und seither in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs VW Golf mit der Fahrgestellnummer zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte seit dem 20.12.2018 mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1) bezeichneten Gegenstandes in Annahmeverzug befindet.

Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1.173,82 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 20.12.2018 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, das klägerische Fahrzeug verfüge nicht über eine unzulässige Abschaltvorrichtung, da die streitgegenständliche Software nicht auf das Emissionskontrollsystem einwirke, sondern nur dazu führe, dass Abgase beim Durchfahren des Neuen Europäischen Fahrzyklus in den Motor zurückgeführt würden, bevor sie überhaupt das Emissionskontrollsystem erreichen, und nicht im realen Fahrbetrieb auf das Emissionskontrollsystem einwirke. Das Fahrzeug sei technisch sicher. Eine Haftung auf deliktischer Grundlage käme nicht in Betracht. Die Klagepartei sei seitens der Beklagten nicht getäuscht worden, sie habe nicht sittenwidrig gehandelt, auch sei ihm kein Schaden entstanden. Daher seien deliktische Haftungsnormen nicht verwirklicht.

Hinsichtlich des weiteren Parteivortrags wird auf das wechselseitige schriftsätzliche Vorbringen nebst Anlagen Bezug genommen.

Die mit Schriftsatz vom 20.12.2018 eingereichte Klage wurde am 06.02.2019 zugestellt. Mit Kammerbeschluss vom 07.01.2019 wurde der Rechtsstreit der Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen. Das Gericht hat mit den Parteien am 12.08.2019 mündlich verhandelt und die Klägerin informatorisch angehört. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12.08.2019 sowie die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen wird Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist im zugesprochenen Umfang begründet.

Der Klagepartei steht gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch gemäß §§ 826, 31 BGB wegen sittenwidriger Schädigung zu. Insoweit kann die Klägerin Erstattung des gezahlten Kaufpreises unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung für die gezogenen Nutzungen (gefahrene Kilometer) verlangen, wobei sich insoweit ein Rückzahlungsanspruch i. H. v. 2.674,10 € ergibt Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeuges.

Außerdem kann die Klägerin Feststellung des Annahmeverzugs sowie Freistellung von den ersatzfähigen außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten verlangen. Weitergehende Ansprüche bestehen nicht.

I.

In der Sache ist die Klage in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB wegen einer vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung, so dass sie Erstattung des tatsächlich gezahlten Kaufpreises von 10.500,00 € unter Abzug und Anrechnung einer Nutzungsentschädigung von 7.825,90 € erfolgte Nutzungen Zug um Zug gegen Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs verlangen kann.

1. Die Beklagte hat die Klagepartei sittenwidrig getäuscht, was bei der Klägerin dann zu einem entsprechenden Vermögensschaden in Höhe des gezahlten Kaufpreises geführt hat. Das Gericht ist nach der mündlichen Verhandlung nach informatorischer Anhörung der Klägerin davon überzeugt davon, dass die Klägerin das streitgegenständliche Fahrzeug am 15.06.2015 erworben hat.

a. Das Inverkehrbringen eines Fahrzeuges mit der streitgegenständlichen Umschaltlogik unter bewusstem Verschweigen der (gesetzeswidrigen) Softwareprogrammierung stellt eine konkludente Täuschung dar, da der Hersteller mit dem Inverkehrbringen konkludent die Erklärung abgibt, der Einsatz des Fahrzeugs sei im Straßenverkehr uneingeschränkt zulässig (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 17.04.2019, Az. 5 U 1318/18; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.03.2019 -13 U 142/18).

Die Beklagte hat die Klägerin konkludent darüber getäuscht, dass die Zulassung des Fahrzeuges zum Straßenverkehr und die Einstufung in die angegebene Schadstoffklasse gesetzmäßig erfolgten, während sie tatsächlich erschlichen wurde. Dazu hatte die Beklagte unter anderem auch das Fahrzeug der Klagepartei mit einer manipulierten Motorensoftware in Verkehr gebracht, ohne hierüber aufzuklären. Auf diesem Weg hatte die Beklagte überhaupt erst die entsprechende Typgenehmigung erschlichen, denn erst die installierte Manipulationssoftware hat dazu geführt, dass das Fahrzeug bei der Prüfung den Testlauf unter Laborbedingungen erkannte und dadurch abweichend vom Regelmodus 0, der im normalen Verkehr galt, auf einen Modus 1 umschaltete und nur dadurch die Werte so erreicht wurden, dass die entsprechende Typgenehmigung erteilt wurde. Das Gericht ist davon überzeugt, dass der PKW eine unzulässige Abschalteinrichtung aufweist. Eine solche liegt ausweislich des bestandskräftigen Bescheides vom KBA vom 15.10.2015 für Motoren des Typs EA 189 vor. Überdies hat bereits der Bundesgerichtshof hierauf hingewiesen (vgl. BGH Hinweisbeschluss vom 08.01.2019, VIII ZR 225/17).

Das Gericht verkennt nicht, dass damit der Hauptvorwurf der konkludenten Täuschung der Beklagten nicht so sehr in einem aktiven Tun als vielmehr in einem Verschweigen und damit einem Unterlassen liegt. Die Zurechnung erfordert also das Bestehen und die Verletzung einer entsprechenden Aufklärungspflicht, wobei nicht unberücksichtigt bleibt, dass weder Verkäufer noch Hersteller grundsätzlich eine alles umfassende Aufklärungspflicht trifft.

Die Besonderheit dieses Falles führt jedoch dazu, dass hier für die Beklagte eine entsprechende Aufklärungspflicht gegenüber potenziellen Käufern und Erwerbern von Fahrzeugen mit einem Dieselmotor des Typs EA 189 oblag. Zum einen hat nämlich die Beklagte durch die "bewusste" Manipulation und die diesbezüglich verschleiernde Art einen "versteckten" und für den normalen Nutzer kaum bis gar nicht erkennbaren Sachmangel an den betreffenden Fahrzeugen hervorgerufen. Eine Offenbarungspflicht besteht jedoch dann, wenn Umstände vorliegen, deren Eintritt den Vertragszweck aus Sicht des jeweiligen Käufers vereiteln könnte und die der Käufer selbst nicht zu erkennen vermag. Dies ist in den vorliegenden Fallgestaltungen der Fall, denn das Fahrzeug hielt nicht die gesetzlichen Bestimmungen ein.

Schließlich hat die Beklagte auch ihre Fahrzeuge - und so auch das Fahrzeug der Klagepartei - aktiv beworben und damit gegenüber den Interessenten solcher Fahrzeuge konkludent die Ordnungsgemäßheit der Zulassung dieses Fahrzeugs vorgespiegelt. Fahrzeuge wie dasjenige der Klägerin hätten jedoch die für die sog. "grüne Plakette" erforderliche Schadstoffklasse nicht eingehalten, wäre die Manipulation mit den unterschiedlichen Betriebsmodi nicht vorgenommen worden. Die erfolgte Typgenehmigung mit der entsprechenden Einhaltung der Grenzwerte beruhte also nicht auf einer ordnungsgemäßen Prüfung unter den Betriebsbedingungen wie bei der Nutzung des Fahrzeuges im allgemeinen Verkehr, sondern auf der Manipulation des Motors, so dass diese demnach gerade nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist.

Es liegt auf der Hand, dass eine solche Schadstoffmessung auf dem Prüfstand zur Erlangung einer Typengenehmigung nur sinnvoll ist und einen Vergleich von Fahrzeugen verschiedener Hersteller ermöglicht, wenn das zu testende Fahrzeug gerade hinsichtlich der Abgasbehandlung dem Zustand entspricht, der dann auch auf der Straße bei entsprechender Nutzung gegeben ist - mag hier wegen individueller Faktoren der Schadstoffausstoß bekanntermaßen auch höher sein -, da ansonsten durch Manipulation jedweder Art Tür und Tor geöffnet würde und eine Vergleichbarkeit der selbst unter den dem realen Fahrbetrieb entfernten, genormten Prüfbedingungen nicht mehr hergestellt wird. Die von der Beklagten ausschließlich auf den Testzyklus zugeschnittene Programmierung der Abgasbehandlung und die hier vorgenommene Manipulation ist deshalb als unzulässige Umgehung der einschlägigen Vorschriften anzusehen.

Dadurch sind die Kunden wie die Klägerin auch bewusst benachteiligt und geschädigt worden. Zum einen entsprechen die so durch die Manipulation erst erreichten Abgaswerte nicht jenen, die der Kunde aufgrund der Fahrzeugbeschreibung und der gesetzlichen Grenzwerte erwarten durfte. Zwar ist der Beklagten zuzustimmen, dass ein Kunde durchaus davon ausgeht, dass die bekanntermaßen unter Laborbedingungen ermittelten Werte im Alltagsbetrieb und bei der Nutzung im Verkehr regelmäßig so nicht erreicht werden können. Es muss jedoch kein Kunde erwarten, dass diese normale Abweichung durch den Einsatz einer verbotenen Software erheblich vergrößert wird und der Hersteller die erforderliche Typengenehmigung im Rahmen der Überprüfung unter Laborbedingungen überhaupt erst durch eine entsprechende Manipulation und einen anderen Betriebsmodus, als denjenigen, der der Benutzung im Straßenverkehr entspricht, erreicht.

Allein wegen dieser Besonderheiten hätten also potenzielle Käufer von der Beklagten in diesem Sonderfall und aufgrund dieser hier gegebenen Besonderheiten, die deutlich vom Normalfall abweichen, über diese Umstände aufgeklärt werden müssen.

Die Tatsache der Benachteiligung und Schädigung der Käufer ergibt sich zudem daraus, dass die Verwendung der Manipulationssoftware durch die Beklagte dazu geführt hat, dass das von der Klägerin erworbene Fahrzeug im Sinne des § 434 BGB im Zeitpunkt der Übergabe mangelhaft war (vgl. BGH, Hinweisbeschluss vom 08.01.2019, VIII ZR 225/17).

Die Täuschung der Beklagten gegenüber allen (potenziellen) Käufer derartiger Fahrzeuge durch konkludentes Handeln liegt darin, dass ein Neuwagenkäufer grundsätzlich davon ausgehen kann, dass das erworbene Fahrzeug vollständig mangelfrei ist, den gesetzlichen Vorschriften genügt und ohne Einschränkung und ohne weitere zusätzliche spätere Maßnahmen am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen darf, wobei diese Vorstellungen in der Regel für den Kaufentschluss des jeweiligen Käufers wie auch der Klagepartei maßgeblich sind. Diese Vorstellungen eines Käufers wie der Klägerin war hier aufgrund der von der Beklagten vorgenommenen Manipulation und der diesbezüglichen Täuschung falsch, da die von der Typengenehmigung ausgewiesenen und gesetzlich vorgegebenen Werte letztlich von dem Fahrzeug der Beklagten so unter dem Betriebsmodus des Straßenverkehrs selbst unter Laborbedingungen im sogenannter Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) nicht, sondern nur durch Einsatz der verbotenen Manipulationssoftware erreicht wurden und diese Fahrzeuge dann nach Erhalt der Genehmigung so in den Verkehr gebracht wurden, ohne die diesbezüglichen potentiellen Käufer über die vorgenommene Manipulation zu informieren.

b. Diese Täuschung und die vorgenommene Manipulation der Beklagen war auch kausal für die Kaufentscheidung der Klägerin.

Es ist anerkannt, dass es bei täuschendem Verhalten für die Darlegung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Täuschung und Abgabe der Willenserklärung ausreichend ist, dass die Tatsachen, über die getäuscht wurde, für den Entschluss des Getäuschten nach der Lebenserfahrung bei der Art des zu beurteilenden Rechtsgeschäfts grundsätzlich Einfluss auf die Entschließung gehabt haben können (vgl. etwa BGH NJW 1995, 2361).

Wie zuvor ausgeführt, hatte die Beklagte hier über eine Manipulation des Motors sowie über die ordnungsgemäße Prüfung und Zulassung des Fahrzeuges getäuscht. Dies stellt nach kaufrechtlichen Regeln einen Sachmangel dar, weil ein Durchschnittskäufer erwarten darf, dass die in der Testphase laufenden stickoxidverringernden Prozesse auch im realen Fahrbetrieb aktiv bleiben und nicht durch den Einsatz einer Software deaktiviert oder diese nur im Testzyklus aktiviert werden, um so überhaupt unter Prüfbedingungen die maßgeblichen Grenzwerte einzuhalten. Ist danach der Ausstoß der Stickoxidwerte im realen Fahrbetrieb - unabhängig von individuellen Faktoren - unter anderem allein deshalb höher als im künstlichen Fahrbetrieb, weil die Software zwischen beiden verschiedenen Betriebsmodi - also künstlicher Fahrbetrieb und realer Fahrbetrieb - wechseln kann, so handelt es sich unter kaufrechtlichen Gesichtspunkten um eine negative Abweichung von der üblichen Beschaffenheit vergleichbarer Fahrzeugklassen.

Ob der jeweilige Käufer nun besonderen Wert auf ein umweltschonendes Fahrzeug legt oder ein besonderes Umweltbewusstsein hatte, wie von der Klägerin auch im hiesigen Verfahren vorgetragen, ist nicht einmal entscheidend. In jedem Fall ist davon auszugehen, dass jeder Käufer sowohl auf sachmängelfreie Eigenschaften des Motors als zentrales Element eines Fahrzeuges als auch auf eine unter regelgerechten Bedingungen zu Stande gekommene ordnungsgemäße Zulassung des Fahrzeuges als Voraussetzung für dessen uneingeschränkte Benutzung im Straßenverkehr Wert legt, so dass dies insgesamt nur den Schluss zulässt, dass ein Käufer wie der Klägerin bei Kenntnis einer solchen wie hier vorgenommenen Manipulation das Fahrzeug nicht gekauft hätte. Insoweit ist nämlich zu berücksichtigen, dass das Fahrzeug in dem ursprünglichen Zustand, wie ausgeführt, einen kaufrechtlichen Sachmangel aufweist. Diesbezüglich kann man - gerade beim Erwerb eines Neufahrzeuges oder Gebrauchtfahrzeugen in einem noch relativ neuen Zustand angesichts der damit verbundenen hohen Kaufpreise - davon ausgehen, dass kein verständig und halbwegs wirtschaftlich denkender Kunde als Käufer ein solches sachmängelbehaftetes Fahrzeug erwirbt, insbesondere dann nicht, wenn der Automarkt eine Vielzahl von Fahrzeugen in den jeweils vergleichbaren Preissegmenten oder den gewünschten Typklassen aufweist, die derartige Sachmängel nicht und unter regulären Bedingungen die Typengenehmigung erhalten haben. Die Lebenserfahrung spricht dafür, dass Kraftfahrzeugkäufer vom Kauf eines Fahrzeugs Abstand nehmen würden, wäre ihnen bekannt, dass das betreffende Fahrzeug zwar formal über eine EG-Typgenehmigung verfügt, aber wegen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung diese nicht hätte erhalten dürfen, weshalb Maßnahmen der die Typgenehmigung erteilenden Behörde und dem folgend der Zulassungsstelle bis hin zur Stilllegung drohen (so auch OLG Karlsruhe, Urteil v. 18.7.2019 - 17 U 160/18; OLG Karlsruhe, Beschluss v. 05.03.2019, Az. 13 U 142/18; OLG Köln, Beschluss v. 16.07.2018, Az. 27 U 10/18).

Dabei wäre es auch unerheblich, wenn im Wege der Manipulation in erster Linie die Stickstoffemissionen manipuliert worden wären und die Klägerin sich zu diesem Wert keine Gedanken gemacht hätte, wie es die Beklagte vorträgt. Wesentlich ist die Tatsache der Manipulation, die sich auf den Vorgang der Prüfung des Fahrzeuges und somit auch auf die Typgenehmigung als solche sowie auf die Zulassung auswirkte und dieser Umstand gerade dazu führte, dass das Fahrzeug in dem in den Verkehr gebrachten Zustand sachmängelbehaftet war.

Hinsichtlich der notwendigen haftungsbegründenden Kausalität zwischen der Täuschung durch die Beklagte als Hersteller und der Kaufentscheidung durch die Klägerin als Käufer wird nicht verkannt, dass die Entscheidung über einen Fahrzeugkauf häufig auf einem ganzen Bündel an unterschiedlichen Motiven (z.B. die Motorleistung, der Kraftstoffverbrauch, die Ausstattung, der konkrete Preis, der Werkstattservice, das Markenimage etc.) beruhen kann, in das die hier streitgegenständlichen Abgaswerte, die bei der Abgasuntersuchung erzielten Messergebnisse und das Vorhandensein der grünen Plakette sich ggfs. als weitere Beweggründe einreihen. Gleichwohl ändert auch das nichts daran, dass angesichts der vorgenommenen Manipulation mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen hinsichtlich der Fahrzeuge aus dem Konzern der Beklagten dann gerade kein echter Entscheidungskonflikt bestanden hätte, wenn die Klägerin als Käufer aufgeklärt worden wäre und die Hintergründe gekannt hätte, mithin wenn ihm auch bewusst geworden wäre, dass die hier relevanten Fahrzeuge der Beklagten mit dem streitgegenständlichen Dieselmotor des Typs EA 189 so in dem Zustand, wie sie ursprünglich bestanden, sachmängelbehaftet waren und eigentlich ohne die relevante Manipulationssoftware zur Beeinflussung der Abgaswerte im Prüfungsmodus die Typengenehmigung nicht erhalten hätten. Angesichts der Vielzahl an vergleichbaren oder ähnlichen Fahrzeugen auf dem Automarkt ist deshalb bei lebensnaher Betrachtung davon auszugehen, dass auch bei einer Vielzahl an Motiven ein verständiger und wirtschaftlich denkender Käufer die Kaufentscheidung jedenfalls auf Fahrzeuge anderer Hersteller konzentriert hätte, die sachmängelfrei sind und die die entsprechende Typengenehmigung unter regulären Bedingungen erhalten haben. Demnach hätte also ein Entscheidungskonflikt allenfalls hinsichtlich anderer vergleichbarer oder ähnlicher Fahrzeuge verschiedener anderer Hersteller bestanden, während ein Fahrzeug der Beklagten mit einem Dieselmotor dieses Typs EA 189 von vornherein im Rahmen der Kaufentscheidung als Alternative ausgeschlossen worden wäre.

c. Diese vorgenommene Täuschung der Beklagten sowie deren Gesamtverhalten beim Inverkehrbringen solcher Fahrzeuge waren sittenwidrig.

Sittenwidrig ist eine Handlung, die nach Inhalt und dem Gesamtcharakter, der durch zusammenfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt, das heißt mit grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht vereinbar ist (Palandt-Sprau, 77. Auflage, § 826, Rn. 4).

Beweggrund der Beklagten zur Vornahme der Manipulation am Motor und der entsprechenden Täuschung darüber war allein die Erzielung eines höheren Gewinns bzw. die Ersparnis von weiteren Entwicklungskosten. Die Beklagte nutzte bei ihrer Täuschung aus, dass der Endverbraucher darauf vertraut, dass ein Fahrzeug, das von einem Hersteller für den Verkauf freigegeben wurde, die Zulassungsprüfungen ordnungsgemäß durchlaufen hat und dementsprechend die gesetzlich vorgegebenen Werte ohne Manipulation bei den Prüfbedingungen erfüllt.

Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass die Beklagte in großem Umfang und mit erheblichem technischem Aufwand im Profitinteresse zentrale gesetzliche Vorschriften ausgehebelt und zugleich ihre Kunden konkludent getäuscht hat. Sie hat dabei nicht nur einfach gesetzliche Abgaswerte außer Acht gelassen, sondern mit der vorgenommenen Manipulation an diesem Motortyp für alle davon betroffenen Fahrzeuge zugleich ein System zur planmäßigen Verschleierung ihres Vorgehens gegenüber den Aufsichtsbehörden einerseits sowie nachfolgend nach dem Inverkehrbringen der Fahrzeuge gegenüber den Verbrauchern andererseits geschaffen. Es lag also eine bewusste Täuschung der Aufsichtsbehörden einerseits und der Verbraucher andererseits vor, um die entsprechende Typengenehmigungen für die Fahrzeuge zu erhalten und diese dann so in Verkehr bringen zu können, um dadurch entsprechende Vertragsschlüsse der Händler mit Kunden herbeiführen zu können. Dabei ist die Beklagte bewusst verschleiernd und durch einen offensichtlich nur begrenzt einbezogenen Personenkreis vorgegangen, um diese Manipulation geheim zu halten, zumal diese Manipulation auch nur äußerst schwer zu entdecken war und so im normalen Verkehr mangels erkennbarer Auswirkungen eigentlich nicht aufgefallen wäre.

Die Täuschung diente, andere Motive sind jedenfalls nicht ersichtlich, allein dem Zweck, zur Kostensenkung und möglicherweise auch zur Umgehung technischer Probleme bei der Entwicklung einer rechtlich und technisch einwandfreien, aber teurere Lösung der Abgasreinigung formal die Voraussetzungen für die Typgenehmigung zu erfüllen und mit Hilfe diese Manipulation umweltfreundliche Prüfvermerke veröffentlichen zu können, um dadurch entsprechende Wettbewerbsvorteile zu erlangen. Schon dieses Gewinnstreben um den Preis einer bewussten Täuschung und Benachteiligung von Behörden einerseits und Kunden andererseits gibt dem Handeln der Beklagten ein Gepräge der Sittenwidrigkeit. Ein solches zumindest auch die Verbraucher konkludent täuschendes Verhalten ist auch bei Anwendung eines durchschnittlichen Maßstabs als sittenwidrig anzusehen und verwerflich, da die Beklagte eben nicht nur die Aufsichts- und Prüfbehörden getäuscht, sondern durch ihr täuschendes Verhalten bei dem weiteren Inverkehrbringen der Fahrzeuge auch die Ahnungslosigkeit der Verbraucher bewusst zu ihrem Vorteil ausgenutzt hat.

Unter Berücksichtigung dieser Aspekte verstoßen das Handeln und die Täuschung der Beklagten nach Meinung des erkennenden Einzelrichters gegen das Gerechtigkeitsgefühl aller billig und gerecht Denkenden.

Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass der Klägerin nicht unmittelbar dem Schutzweck der verletzten EG-Verordnung unterfällt, weil diese Verordnung in erster Linie dem Umweltschutz dienen soll. Die Auswirkungen der Verletzung dieser Verordnung und der sich daraus ergebenden rechtlichen Folgen treffen auch unmittelbar die Klägerin als Eigentümerin des streitgegenständlichen Fahrzeugs. Hinzu kommt, dass der Verstoß gegen die gesetzlichen Vorschriften der Verletzten EG-Verordnung dazu geführt haben, dass der jeweils betroffene Käufer und damit auch die Klagepartei ein Fahrzeug erworben hat, welches tatsächlich im Sinne der Gewährleistungsvorschriften ursprünglich mangelhaft war und von dem auszugehen ist, dass er dies bei Kenntnis der Manipulation nicht erworben hätte, so dass auch der klägerische Rechtskreis unmittelbar betroffen ist.

d. Der Klägerin ist ein Schaden entstanden.

Unabhängig von der Frage, ob durch eine nachträgliche Änderung und ein Software-Update der eigentliche Sachmangel im Sinne des Gewährleistungsrechts beseitigt würde und nach einer Nachbesserung ein objektiver Wertverlust der vom Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge nicht mehr vorliegt, liegt der eingetretene Schaden im Verhältnis des Klägers zur Beklagten als Nicht-Vertragspartnerin bereits in dem Abschluss des Vertrages, der jedenfalls zu den damaligen Bedingungen vom Kläger nach Überzeugung des Gerichts so in der Form bei Kenntnis aller Umstände nicht abgeschlossen worden wäre. Ein Schaden aufgrund einer sittenwidrigen Schädigung ist grundsätzlich im Rahmen der Differenzhypothese zu ermitteln, das heißt durch ein Gegenüberstellen der jetzigen Vermögenslage des Geschädigten und derjenige, die ohne eine Schädigung bestehen würde. Es kann jedoch ein Schaden auch dann vorliegen, wenn eigentlich eine objektive Werthaltigkeit der vertraglichen Gegenleistung vorliegt. Die Differenzhypothese muss nämlich stets einer normativen Kontrolle unterzogen werden, weil sie eine wertneutrale Rechenoperation darstellt. Der Schadensersatz dient aber dazu, den konkreten subjektiven Vermögensnachteil des Geschädigten auszugleichen.

Insoweit genügt jede Schadenszufügung im weitesten Sinne, also jede nachteilige Einwirkung auf die Vermögenslage in ihrer Gesamtheit und zwar in dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene eine Entscheidung zu Lasten seines Vermögens trifft. Dabei ist auch eine subjektbezogene Betrachtung heranzuziehen. Nach dem subjektbezogenen Schadensbegriff stellt auch der Abschluss eines Rechtsgeschäftes, welches nicht den Zielen des Geschädigten entspricht, einen Schaden im Rahmen des § 826 BGB dar, ohne dass es im Ergebnis darauf ankäme, ob die erhaltene Leistung wirtschaftlich betrachtet hinter der Gegenleistung zurückbleibt oder nicht bzw. ob hier nachfolgend ein Ausgleich erfolgt.

Einen Schaden im Sinne des § 826 BGB erleidet, trotz objektiver Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung, auch, wer "durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrags gebracht worden ist, den er sonst nicht geschlossen hätte, und die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar ist" (BGH, Urteil vom 21.12.2004, VI ZR 306/03, juris Rn 16 = BGHZ 161, 361). Dabei ist auf den Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses abzustellen.

Hier ist bereits nicht von der objektiven Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung auszugehen, weil die Klägerin mit dem Kaufvertrag ein Auto erwarb, welches nach den Feststellungen des Kraftfahrt-Bundesamts in dem Zustand des Erwerbs "nicht vorschriftsmäßig" war - eine Konstellation, die mit einer Wertminderung einhergeht, ohne dass deren Höhe hier exakt beziffert werden müsste. Auch wenn die den Wert mindernden Tatsachen bei Abschluss des Kaufvertrages noch nicht bekannt waren, war die Anlage der Wertminderung bereits bei Kaufvertragsschluss vorhanden. Diese Konstellation führt dazu, dass der Vertrag als ein von der Klagepartei ungewollter Vertrag im Sinne der zitierten Rechtsprechung des BGH anzusehen ist. Daher liegt der Schaden vorliegend nicht etwa nur in der Wertminderung, sondern in dem ungewollten Vertrag als Ganzes, so dass der Vertrag im Wege des Schadensersatzes rückgängig zu machen ist.

Das von der Beklagten angebotene und von der Klagepartei aufgespielte Software-Update ändert nichts am Vorliegen des Schadens, selbst wenn feststünde, dass durch das Update keinerlei negative Auswirkungen auf die Motorleistung zu befürchten seien. Die Klagepartei ist im Rahmen des § 826 BGB so zu stellen, wie sie ohne die Täuschung und damit ohne den Abschluss des ungewollten Vertrages stünde. Dies hätte zur Folge, dass das Fahrzeug nicht in Verkehr gebracht worden wäre und die Klagepartei es nicht erworben hätte, so dass bei ihr kein Software-Update installiert werden könnte. (vgl. LG München, Urteil v. 29.03.2019, Az. 13 O 5153/18). Damit ist dieser Schaden bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses endgültig eingetreten.

2. Auch die subjektiven Voraussetzungen für einen Anspruch aus § 826 BGB gegen die Beklagten sind zu bejahen.

Die Beklagte erfüllt auch den subjektiven Tatbestand der bewussten und vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung. Ihr sind das Wissen und der Vorsatz der an der Manipulation am Motor und der Täuschung darüber beteiligten Organmitglieder und sonstigen Mitarbeiter zuzurechnen. Eine solche Zurechnung erfolgt bei einer juristischen Person wie der Beklagten nach den allgemeinen Regeln der § 31 BGB. Grundsätzlich muss, damit eine Zurechnung erfolgen kann, das jeweilige Wissens- bzw. Vorsatzelement bei einem maßgeblichen Organmitglied der Beklagten festgestellt werden. Kann eine solche Feststellung nicht erfolgen, geht dies grundsätzlich zu Lasten der hier beweisbelasteten Klägerin.

Vorliegend ist jedoch die Beklagte nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast weitgehend darlegungspflichtig, ohne dass die Beklagte ihrer diesbezüglich ihr obliegenden Darlegungslast zu der Frage, welche ihrer Organe tatsächlich Kenntnis von der Manipulation der Motorsteuerungssoftware hatten und das Inverkehrbringen entsprechend ausgerüsteter Motoren veranlasst haben, ausreichend nachgekommen ist. Eine solche sekundäre Darlegungslast besteht gerade dann, wenn der beweisbelasteten Partei näherer Vortrag nicht möglich oder nicht zumutbar ist, während die nicht darlegungsbelastete Partei alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihr auch zumutbar ist, nähere diesbezügliche Angaben zu machen. Der Gegner der primär darlegungspflichtigen Partei darf sich in einer solchen Situation nicht auf pauschalen Sachvortrag oder einfaches Bestreiten beschränken, wenn die darlegungspflichtige Partei außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, während der Prozessgegner alle wesentlichen Tatsachen kennt, die entsprechenden Informationen hat und ihm nähere Angaben zumutbar sind.

Hier war es der Klägerin gerade nicht möglich, näher dazu vorzutragen, wer auf der Vorstandsebene der Beklagten bzw. wer von den maßgeblichen Organen entsprechende Kenntnisse hatte oder Anweisungen vorgenommen hat, da dies Kenntnis von den internen Strukturen, den Vorgängen und Abläufen sowie konkreter im Einflussbereich der Beklagten liegender Geschehnisse voraussetzen würde. Andererseits muss und kann die Klägerin davon ausgehen, dass z.B. der damalige Vorstandsvorsitzende oder sonstige maßgebliche Organe Kenntnis von der Manipulation am Motor hatten oder deren Entwicklung und Installation gebilligt oder sogar angewiesen haben. Demnach oblag es hier allein der Beklagten, zu den Kenntnissen ihrer Organmitglieder und Mitarbeiter substanziiert und konkret vorzutragen, was ihr auch zumutbar ist.

Die Beklagte hatte jede Möglichkeit, die in ihrem Unternehmen im Zusammenhang mit der Programmierung und Implementierung der streitgegenständlichen Software abgelaufenen Vorgänge und Entscheidungsprozesse konkret darzulegen, um es der Klägerin zu ermöglichen, seinerseits die ihm obliegende weitergehende Darlegung und die erforderlichen Beweisantritte dann auf dieser Grundlage vornehmen zu können.

Der diesbezügliche Sachvortrag der Beklagten ist jedoch auffällig unzureichend. Die Beklagte hat dazu nämlich lediglich eine Kenntnis von Vorstandsmitgliedern bestritten und dies als (offensichtliche) Maßnahmen von Mitarbeitern abgetan, deren Kenntnisse sie sich nicht zurechnen lassen müsse. Zudem hat sie vorgetragen, dass eine Aufarbeitung weiterhin noch erfolgen müsse, jedoch noch keine konkreten näheren Erkenntnisse dazu erlangt worden seien, ob auch Organmitglieder in die Manipulation einbezogen worden sein.

Warum hier nach mehreren Jahren seit Bekanntwerden des Abgasskandals im September 2015 trotz Einschaltung von internen Ermittlern immer noch keine diesbezüglichen Erkenntnisse vorliegen sollen, ist absolut unverständlich und lässt nur den Schluss zu, dass hier von Seiten der Beklagten bewusst nicht mehr vorgetragen werden soll. Dies geht zu ihren Lasten, denn das diesbezügliche Vorgehen ist unzureichend und genügt nicht den Anforderungen gemäß § 138 Abs. 1 ZPO, wonach die Parteien ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben haben. Angesichts des mittlerweile vergangenen Zeitablaufs seit Entdeckung der Manipulation an dem Motor für eine Vielzahl von verschiedenen Fahrzeugen (September 2015) ist der diesbezügliche Sachvortrag der Beklagten unzureichend, auffallend pauschal und unvollständig und damit im Ergebnis schlicht unglaubhaft, mithin unerheblich. Zu einer substantiierten Darlegung hätte umso mehr Anlass bestanden, als es sich bei Einführung einer manipulierten, auf Verzerrung der Prüfstandswerte ausgerichteten Motorsteuerung um eine wesentlich strategische Entscheidung mit enormer wirtschaftlicher Reichweite und ebenso großen Risiken in einem solchen weltweit tätigen Großkonzern handelt, bei denen nicht anzunehmen ist, dass sie von einem eher am unteren Ende der Betriebshierarchie angesiedelten Personenkreis in eigener Verantwortung getroffen worden ist, ohne dass die relevanten Organe der Beklagten davon Kenntnis hatten bzw. dies sogar konkret angewiesen haben, vielmehr spricht eigentlich unter Zugrundelegung normaler Lebensumstände und Erfahrungswerte eine erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass diese Vorgänge mit Kenntnis und Billigung des Konzernvorstandes erfolgt sind. Dies und das unzureichende Vorbringen im Rahmen der sekundären Darlegungslast hat für die Beklagte zur Folge, dass das Bestreiten der Beklagten unerheblich ist und damit der Sachvortrag des Klägers zu den behaupteten internen Vorgängen zugrundezulegen ist.

Demnach ist bei dieser Sachlage und der hier maßgeblichen prozessualen Lage damit mangels substantiierter gegenteiliger Darlegung durch die Beklagte davon auszugehen, dass in die diesbezügliche Entscheidung auch Organe einbezogen waren, die Entscheidung vom Vorstand angeordnet oder jedenfalls abgesegnet wurde, so dass von entsprechenden zurechenbaren Kenntnissen und dem daraus folgenden Vorsatz auszugehen ist (so u.a. auch: OLG Koblenz, Urteil vom 17.04.2019, Az. 5 U 1318/18; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.03.2019, Az. 13 U 142/18; OLG Köln, Beschluss vom 16.07.2018, Az. 27 U 10/18).

Auf den diesbezüglichen Schaden hat die Beklagte auf dieser Grundlage vorsätzlich herbeigeführt. Mangels jeglicher entgegenstehender Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass den Organen bei dieser Sachlage völlig klar war, dass kein betreffender Käufer einen Erwerb solcher Fahrzeuge mit dieser Manipulation am Motor vorgenommen hätte, mithin diese bei und mit dem Erwerb eines Fahrzeuges, welches die Typgenehmigung nur durch eine solche Manipulation erhalten haben und die damit sachmängelbehaftet waren, wirtschaftliche Schäden im dargelegten Sinne erleiden würden. Für Organe der Beklagten war nämlich aufgrund der zu unterstellenden Kenntnis vom Einbau der Software eindeutig ersichtlich, dass die Käufer damit die Kundenfahrzeuge erwerben würden, welche in dieser Form nicht den gesetzlichen Vorschriften und den Vorstellungen der Kunden entsprachen und die damit objektiv mangelhaft waren. Die sich daraus ergebende Schädigung aller Kunden hat die Beklagte damit durch ihre maßgeblichen Organe billigend in Kauf genommen, so dass auch entsprechender Schädigungsvorsatz vorlag.

Die Klägerin ist im Rahmen des Schadensersatzes so zu stellen, wie sie ohne Täuschung und das sittenwidrige Vorgehen der Beklagten stehen würde. Insoweit ist das Gericht - wie ausgeführt - überzeugt, dass die Klägerin ohne die Täuschung und bei Kenntnis der Umstände den Vertrag über den Erwerb des Fahrzeuges in der vorliegenden Ausgestaltung nicht abgeschlossen hätte. Da er diese Verpflichtung so nicht eingegangen wäre, sie dieses Fahrzeug so nicht erworben hätte und damit den Kaufpreis nicht hätte zahlen müssen, ist ihr der für das Fahrzeug gezahlte tatsächliche Kaufpreis in Höhe von insgesamt 10.500,00 € zu erstatten Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs.

Andererseits muss sich die Klägerin jedoch das anrechnen lassen, was er in Folge des ungewollten Vertrages an Vorteilen konkret erlangt hat (Palandt-Grüneberg, 77. Auflage, Vorb. § 249 Rn. 94). Nach der Mitteilung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung betrug der Kilometerstand des streitgegenständlichen Fahrzeugs am 12.08.2019 132.532 km. Das ist zwischen den Parteien unstreitig.

Das Gericht schätzt die Gesamtlaufleistung eines Fahrzeuges bei diesem Typ auf 250.000 km (vgl. Steenbruck, MDR 2016, 185, 188). Vor dem Hintergrund der tatsächlichen Laufleistung ist nach den Grundsätzen der kilometeranteiligen linearen Wertminderung der Nutzungsersatz wie folgt zu berechnen: Bruttokaufpreis x gefahrene km ÷ Gesamtlaufleistung (250.000 km abzüglich zum Kaufzeitpunkt gefahrene km). Ausgehend davon ist die angemessene Nutzungsentschädigung mit einem Betrag in Höhe von 7.825,90 € in Ansatz zu bringen, die von dem zu erstattenden Kaufpreis in Abzug zu bringen ist. Damit verbleibt ein zurückzuzahlender Kaufpreis von 2.674,10 €.

(so auch: OLG Koblenz, Urteil vom 17.04.2019, Az. 5 U 1318/18; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.03.2019, Az. 13 U 142/18; OLG Köln, Beschluss vom 16.07.2018, Az. 27 U 10/18, LG Aschaffenburg, Urteil vom 12.09.2018, 12 O 83/18, LG Hildesheim, Urteil vom 17.01.2017, Az. 3 O 139/16).

II.

Zinsen nach Maßgabe der §§ 246, 849 BGB von 4 Prozentpunkten bis zur Rechtshängigkeit stehen der Klägerin nicht zu. Vorliegend geht es nicht um die Entziehung oder die Beschädigung einer Sache und dessen Wert bzw. die schädigungsbedingte Wertminderung i.S.d. § 849 BGB. Die Klägerin hat im Gegenzug für die Hingabe des Geldbetrages das streitgegenständliche Fahrzeug erhalten und konnte dieses Nutzen, sodass letztlich keine Entziehung oder Beschädigung vorliegt. Eine analoge Anwendung der Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH NJW 2008,1084 Rn. 5) ist hier nicht geboten, da hier nicht ein Geldbetrag deliktsbedingt ersatzlos weggeben wurde (vgl. Riehm, NJW 2019, 1105, 1109).

III.

Der Kläger kann Feststellung des Annahmeverzuges verlangen, da sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeuges zumindest ab 20.12.2018 in Annahmeverzug befindet.

Der diesbezügliche Antrag ist zulässig, denn es besteht ein Feststellungsinteresse für den Kläger daran, dass der Annahmeverzug zur Vereinfachung der Zwangsvollstreckung festgestellt wird.

Der Anspruch ist auch begründet, da die Beklagte vom Kläger mit Schreiben vom 12.12.2018 (Anlage K 12, Bl. 260 ff d.A.) unter Fristsetzung bis zum 19.12.2018 zur Rücknahme des Fahrzeuges aufgefordert wurde. Darauf hat die Beklagte nicht reagiert und im Übrigen im Rahmen des Verfahrens jegliche Rückabwicklung abgelehnt, so dass ein weiteres tatsächliches Angebot im Sinne des § 294 BGB überflüssig war.

IV.

Zudem kann die Klägerin die Erstattung vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verlangen in Höhe des ausgeurteilten Betrages von 334,75 €.

Vorgerichtliche Anwaltskosten gehören zum erstattungsfähigen Aufwand, da die Beauftragung eines Rechtsanwaltes notwendig und zweckmäßig war. Für die Berechnung ist eine 1,3 Geschäftsgebühr ausgehend vom Wert der erfolgreichen Klage zu Grunde zu legen.

Da es sich vorliegend um ein Massenverfahren handelt, bei dem der wesentliche Aufwand beim Klägervertreter gleichzeitig für eine Vielzahl von Verfahren anfällt, und es sich bei den eingereichten Schriftsätzen ausschließlich um Textbausteine handelt, die überdies im Wesentlichen keinen entscheidungserheblichen Sachvortrag enthalten, ist ein höherer Ansatz als der Mittelsatz von 1,3 für die Geschäftsgebühr entgegen der Ansicht der Klagepartei (Nr. 2300 Anlage 1 VV RVG) nicht gerechtfertigt. Dies ergibt dann den aus dem Tenor ersichtlichen Betrag von 334,75 €, wenn man diesbezüglich bei der Berechnung ausgehend von dem Wert des Erfolges der Klage eine 1,3 Geschäftsgebühr zuzüglich Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer zugrunde legt.

V.

Der Zinsanspruch hinsichtlich der Ziff. 1 des Tenors und hinsichtlich Ziff. III ist §§ 280, 286, 288 BGB zu entnehmen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 709, 708, 711 ZPO.

Die Entscheidung zum Streitwert folgt aus §§ 39, 48 GKG, 3 ZPO.