LG Ansbach, Beschluss vom 09.12.2019 - StVK 70/19
Fundstelle
openJur 2020, 72036
  • Rkr:
Tenor

1. Die mit Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 06.06.2018, Az. ..., rechtskräftig seit dem 14.06.2018, angeordnete Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 49.500,00 € unterbleibt.

Gründe

I.

Mit Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 06.06.2018, rechtskräftig seit dem 14.06.2018, Az. ..., wurde ... wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 19 Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 31.10.2016, Az. ..., nach Auflösung der dortigen Gesamtstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Jahren verurteilt.

Darüber hinaus wurde die im vorgenannten Urteil des Amtsgerichts Nürnberg angeordnete Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sowie der dort angeordnete Verfall von Wertersatz aufrechterhalten. Es wurde die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 49.500,00 € angeordnet. Das Landgericht Nürnberg-Fürth traf hierzu nachfolgende Feststellungen:

G. Einziehung des Wertes von Taterträgen Gemäß §§ 73, 73c StGB war gegen den Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen anzuordnen. Der Angeklagte hat durch den Handel mit Betäubungsmitteln Gelder erlangt. Diese befinden sich nicht mehr im Vermögen des Angeklagten, denn er hat diese aufgrund seiner Betäubungsmittelabhängigkeit und seines damit einhergehenden Eigenkonsums sowie für seinen Lebensunterhalt verbraucht. Es war daher der Ersatzbetrag, der dem Wert des Erlangten entspricht, und der daher der Einziehung unterliegt, zu ermitteln.

Dieser berechnet sich wie folgt:

"Der Angeklagte hat insgesamt 3.800 g des erworbenen Haschisch (Tatkomplex 1) zum Grammpreis von mindestens 7,00 € weiterverkauft und hierdurch mithin 26.600,00 € erlöst, welche der Einziehung des Wertes von Taterträgen unterliegen. An Ecstasytabletten hat er im Tatkomplex 1 mindestens 50 Stück zum Preis von je 5,50 € weiterveräußert und hierdurch mithin 275,00 € erlangt, welche ebenso der Einziehung des Wertes von Taterträgen unterliegen."

Im Tatkomplex 2 hat der Angeklagte hat insgesamt 3.500 g Haschisch zum Grammpreis von mindestens 6,00 € weiterverkauft und hierdurch mithin 21.000,00 € erlöst. Weiter hat er 150 g Amphetamin zum Grammpreis von 9,00 € und 50 Ecstasytabletten zum Preis von je 5,50 € weiterveräußert, was einen weiteren Veräußerungserlös von 1.625,00 € ergibt.

Mithin war die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von insgesamt 49.500,00 € anzuordnen.

Darüber hinaus war gem. § 55 Abs. 2 StGB der durch das Amtsgericht Nürnberg im Urteil vom 31.10.2016, Az. ..., angeordnete Verfall von Wertersatz aufrechtzuerhalten.

Eine Reduzierung des sich ergebenden Einziehungsbetrages, etwa unter dem Gesichtspunkt der Verbesserung der Chancen auf Resozialisierung nach Beendigung der Therapie, konnte die Kammer nicht vornehmen, da seit 01.07.2017 die frühere Härtevorschrift (§ 73c StGB a.F.) aufgrund des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung in das Prozessrecht verlagert wurde und eine etwaige Härte nicht mehr den Abschöpfungsumfang einschränkt, sondern die Vollstreckung der Abschöpfungsanordnung hindert.

Der Verurteilte war seit dem 14.11.2016 zum Maßregelvollzug gemäß § 64 StGB im Bezirksklinikum Ansbach untergebracht und wurde durch das Landgericht Ansbach - Strafvollstreckungskammer - mit Beschluss vom 23.09.2019, Az. ...; ..., bedingt entlassen, mithin ab dem 14.10.2019 der weitere Vollzug der mit Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 06.06.2018, Az...., angeordneten Unterbringung des Verurteilten ... in einer Entziehungsanstalt sowie die weitere Vollstreckung der durch vorstehendes Urteil gegen ihn erkannten Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Jahren und die mit Beschluss des Landgerichts Ansbach vom 12.01.2017, Az. ..., widerrufene Reststrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 01.10.2008, Az. ..., die mit Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 01.03.2011 zur Bewährung ausgesetzt worden war, zur Bewährung ausgesetzt.

Der Verteidiger des Verurteilten beantragte unter dem 21.08.2018, dass die Vollstreckung der Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 49.500,00 € unterbleibt, wobei zur Begründung hierfür auf den vorbezeichneten Schriftsatz (Bl. 3 ff. d.A.) sowie auf die weiteren Schriftsätze des Verteidigers vom 01.10.2018 (Bl. 11 ff. d.A.) und vom 18.12.2018 (Bl. 35 ff. d.A.) Bezug genommen wird.

Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth - Vollstreckungsbehörde - brachte die Akten mit dem Antrag, den Antrag der Verteidigung vom 21.08.2018 auf Absehen von der Vollstreckung der Einziehungsentscheidung gemäß § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO als unbegründet zurückzuweisen in Vorlage, wobei zur Begründung hierfür auf Bl. 42 bis 44 d.A. Bezug genommen wird. Die Staatsanwaltschaft führte u.a. aus, dass zwischenzeitlich Finanzermittlungen durchgeführt worden seien und ergeben hätten, dass der Verurteilte über ein monatliches Einkommen von rund 2.500,00 € verfüge und sein Konto seit Januar 2018 stets einen Kontostand über 5.000,00 €, teils 9.000,00 € bis 11.000,00 € aufgewiesen habe. Darüber hinaus hätten keine weiteren Vermögenswerte ermittelt werden können (Kfz, Immobilien).

Unter dem 25.03.2019 beantragte die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth als Ermittlungsbehörde, dem Antrag der Rechtspflegerin ... vom 14.02.2019 aus dessen zutreffenden Gründen zu entsprechen.

Die Bewährungshilfe sprach sich mit Schreiben vom 25.10.2019, auf das im Übrigen verwiesen wird (Bl. 49 ff. d.A.), für einen Verzicht der Forderung nach Wertersatzverfall aus.

II.

Gemäß § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO unterbleibt in den Fällen des Abs. 2, mithin die Vollstreckung der Nebenfolgen, die zu einer Geldzahlung verpflichten, auf Anordnung des Gerichts die Vollstreckung, soweit der Wert des Erlangten nicht mehr im Vermögen des Betroffenen vorhanden ist oder die Vollstreckung sonst unverhältnismäßig wäre, wobei Nebenfolgen, die zu einer Geldzahlung verpflichten im Sinne von § 459g Abs. 2 StPO die Einziehung des Wertersatzes gemäß §§ 73c, 74c StGB sowie die Abführung des Mehrerlöses (§ 8 WiStGB) sind.

Nachdem der Wert des Erlangten, mithin das Geld, das der Verurteilte durch die von ihm getätigten Betäubungsmittelgeschäfte erlangt hat, nicht mehr in seinem Vermögen vorhanden ist, da er jenes aufgrund seiner Betäubungsmittelabhängigkeit für seinen Eigenkonsum sowie seinen Lebensunterhalt verausgabt hat - wie das Ausgangsgericht rechtskräftig festgestellt hat - hat gem. § 459g Abs. 5 S. 1, 1. Alt. StPO die Vollstreckung der durch Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 06.06.2018 angeordneten Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 49.500,00 € zu unterbleiben. Ein Anderes ergibt sich auch nicht aufgrund der im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens getätigten Vermögensermittlungen der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth, wonach der Verurteilte seit Januar 2018 ein monatliches Einkommen in Höhe von rund 2.500,00 € erziele und er auf seinem Konto seit Januar 2018 stets über einen Kontostand von 5.000,00 €, teilweise sogar in Höhe von 9.000,00 € bis zu 11.000,00 € verfüge, da dieses Vermögen in keinem Zusammenhang mit den durch ihn begangenen Betäubungsmittelstraftaten steht, sondern der Verurteilte sich jenes durch seine Erwerbstätigkeit redlich verdient.

Gem. § 459g Abs. 5 S. 1 StPO hat die Vollstreckung obligatorisch zu unterbleiben, soweit der Wert des Erlangten nicht mehr im Vermögen des Betroffenen vorhanden ist, während § 73c Abs. 1 S. 2 Alt. 1 StGB a.F. für diesen Fall lediglich ein fakultatives Absehen von der Verfallsanordnung nach tatrichterlichem Ermessen regelte (BGH, Beschluss vom 22.03.2018 - 3 StR 577/17). Abweichend vom früheren Recht in § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB, der dem erkennenden Gericht bei der Entreicherung lediglich das Ermessen eröffnete, von Verfallsentscheidungen abzusehen, schreibt § 459g Abs. 5 S. 1 StPO das Unterbleiben der Vollstreckung zwingend vor, wenn der Wert des Erlangten nicht mehr im Vermögen des Tatbeteiligten vorhanden ist. Eine wertende Entscheidung des zuständigen Gerichts, die etwa Gründe für die Entreicherung einbezöge, ist nicht mehr möglich. Das Ausbleiben der Vollstreckung ist selbst dann zwingend, wenn festgestellt wird, dass zwar Vermögen bei dem Betroffenen vorhanden ist, dieses aber ohne jeden Zusammenhang mit den zugrundeliegenden Straftaten erworben worden ist (BGH, Urt. v. 15.05.2018 - 1 StR 651/17 m.w.N.; BGH, Urt. v. 27.09.2018 - 4 StR 78/18). Aufgrund des Wortlautes von § 459g Abs. 5 S. 1 StPO hat die vorgenannte Anordnung zwingend zu erfolgen, ohne dass eine Wertungsmöglichkeit bestünde. Für eine analoge Anwendung der §§ 818 Abs. 4, 819 BGB verleibt insofern kein Raum (BeckOK, 35. Ed., Stand: 01.10.2019, § 459g StPO, Rn. 23).

Die Kammer verkennt dabei nicht, dass die vorgenannte Rechtsauffassung gegebenenfalls nicht der Intention des Gesetzgebers entsprechen mag. Aufgrund des eindeutigen Wortlautes von § 459g Abs. 5 S. 1 StPO ("unterbleibt"), der dem Gericht keinen Ermessenspielraum einräumt, ist eine andere Entscheidung als die getroffene in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes jedoch nicht möglich. Es liegt vielmehr beim Gesetzgeber, ein etwaiges Versehen bei der Neuregelung des § 459g Abs. 5 S. 1 StPO durch eine Gesetzesänderung zu korrigieren.

... Richterin am Landgericht, Rechtskräftig seit 13.02.2020, 24.00 Uhr.

Ansbach, 19.02.2020 gez.

... Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

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