VG München, Beschluss vom 27.11.2019 - M 30 E 19.1368
Fundstelle
openJur 2020, 71997
  • Rkr:
Tenor

I. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, es bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zu unterlassen, den Antragsteller durch das Bayerische Landesamt für ... mit Mitteln der offenen Informationsbeschaffung zu beobachten.

II. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf 2.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung des Antragsgegners, seine Beobachtung durch das Bayerische Landesamt für ... (im Folgenden: ...) zu unterlassen, hilfsweise die Beobachtung des Antragstellers nicht erneut bekannt zu machen.

Der Antragsteller ist Mitglied des Bayerischen Landesverbandes der ... (...) und Mitglied des Bezirkstags Schwaben.

Aufgrund einer schriftlichen Anfrage einer Abgeordneten des Bayerischen Landtags vom 6. November 2018 teilte das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration (StMI) der Präsidentin des Bayerischen Landtags mit Schreiben vom 11. Dezember 2018 mit, dass unter anderem der Antragsteller, der für seine Partei bei den Bezirkswahlen am 14. Oktober 2018 kandidiert und ein Mandat erhalten habe, beobachtet werde. Aktivitäten des Antragstellers auf Facebook hätten in der Vergangenheit auf einzelne Beziehungen im Phänomenbereich Rechtsextremismus (Identitäre Bewegung), vor allem jedoch auf eine positive Bezugnahme auf die Wehrmacht und die Waffen-SS hingewiesen. Auf Anfrage der Fraktionsvorsitzenden der ... im Bayerischen Landtag vom 21. Dezember 2018 per E-Mail bestätigte der Landtagsbeauftragte des StMI dies mit E-Mail vom 28. Dezember 2018. Daraufhin forderte der Bevollmächtigte des Antragstellers das Landesamt mit Schriftsatz vom 17. Januar 2019 auf, die Bekanntmachung der Beobachtung zurückzunehmen. Diese Aufforderung blieb in der Sache unbeantwortet.

Daraufhin ließ der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 21. Februar 2019 Unterlassungsklage gegen den Antragsgegner, vertreten durch das BayLfV, beim Verwaltungsgericht Augsburg erheben. Über diese Klage ist noch nicht entschieden (M 30 K 19.1367).

Gleichzeitig ließ er beantragen,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO zu verpflichten, es zu unterlassen, den Antragsteller durch das BayLfV mit Mitteln der offenen Informationsbeschaffung zu beobachten, hilfsweise die Beobachtung des Antragstellers nicht erneut bekannt zu machen.

Das Verwaltungsgericht Augsburg verwies den Rechtsstreit in beiden Verfahren mit Beschlüssen vom 12. März 2019 (Au 8 K 19.272 und Au 8 E 19.273) an das örtlich zuständige Verwaltungsgericht München.

Der Antragsgegner erwiderte auf den Antragsschriftsatz mit Schreiben vom 9. April 2019 und beantragte,

den Antrag nach § 123 VwGO zurückzuweisen.

Auf die Inhalte von Antragsschriftsatz und Erwiderung wird im Einzelnen Bezug genommen.

Die Antragstellerseite trug weiterhin mit Schriftsätzen vom 29. April 2019, 5. August 2019 und 28. Oktober 2019 sowie nochmals mit Schreiben vom 31. Oktober 2019 vor. Insbesondere begründete der Bevollmächtigte des Antragstellers die Eilbedürftigkeit mit den bevorstehenden Kommunalwahlen, bei denen der Antragsteller kandidieren wolle.

Eine Anfrage des Gerichts an beide Parteien vom 19. November 2019 beantwortete das Landesamt dahingehend, dass das Facebook-Profil des Antragstellers öffentlich zugänglich gewesen sei, jedoch mit Stand 20. November 2019 ein derartiges Profil nicht mehr festgestellt werden könne.

Der Bevollmächtigte des Antragstellers bestätigte, dass der Antragsteller seinen Facebook-Account komplett gelöscht habe.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die beiden vorgelegten Bände der Behördenakte verwiesen.

II.

Der Hauptantrag nach § 123 VwGO ist erfolgreich, auf den Hilfsantrag ist daher nicht weiter einzugehen. Der Antragsgegner ist vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zu untersagen, den Antragsteller verfassungsschutzrechtlich zu beobachten.

1. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) und der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sind glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO). Maßgeblicher Zeitpunkt für die vorzunehmende summarische Prüfung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.

2. Hinsichtlich des Hauptantrags ist ein Anordnungsgrund gegeben, da die vom Antragsteller als Rechtsverletzung gerügte Beobachtung durch den ... andauert und den Antragsteller aufgrund der stigmatisierenden Wirkung in der Ausübung seines passiven Wahlrechts hinsichtlich der bevorstehenden Kommunalwahlen in Bayern behindert. Eine mit der vorläufigen Anordnung möglicherweise verbundene Vorwegnahme der Hauptsache ist vorliegend hinzunehmen, da dem Antragsteller ansonsten durch Zeitablauf eine nicht mehr zu beseitigende Schmälerung seiner Wahlchancen drohen würde. Aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes, Art. 19 Abs. 4 GG, ist es deshalb geboten, dem Antragsteller (zumindest) bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache das zuzusprechen, was er dem Wesen und Zweck einer einstweiligen Anordnung entsprechend grundsätzlich nur in einem Hauptsacheverfahren erreichen könnte.

Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die Voraussetzungen des geltend gemachten und mit der Hauptsacheklage verfolgten öffentlichrechtlichen Unterlassungsanspruchs, der mangels spezialgesetzlicher Regelungen allein aus grundrechtlich geschützten Rechtspositionen abzuleiten ist (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 21.5.2008 - 6 C 13.07 - juris Rn. 13; U.v. 25.1.2012 - 6 C 9.11 - juris Rn. 22; BayVGH, B.v. 16.7.2010 - 10 CE 10.1201 - juris Rn. 16; B.v. 23.9.2010 - 10 CE 10.1830 - juris Rn. 18), liegen vor. Es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die mit der Beobachtung einhergehenden Beeinträchtigungen des Antragstellers rechtswidrig und von diesem daher nicht hinzunehmen sind.

2.1 Der Antragsgegner greift mit der Beobachtung in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen des Antragstellers ein. Bei einer Beobachtung handelt es sich - auch wenn sie aus offenen, allgemein zugänglichen Quellen wie Druckerzeugnissen, Programmen und Aufrufen erfolgt - um einen sich mit der Dauer der Maßnahme verstärkenden Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG. Sie ermöglicht die Erstellung zumindest partieller Persönlichkeitsbilder und kann im Fall der offenen Durchführung deshalb eine erhebliche Belastung bedeuten, weil der Staat dem Betroffenen die soziale Kontaktaufnahme mit anderen Personen erschwert. Zudem kann sie, wenn sie bekannt wird, zu seiner Stigmatisierung in der Öffentlichkeit führen (BVerwG, U.v. 21.07.2010 - 6 C 22/09 - juris Rn. 95).

Darüber hinaus steht auch eine zumindest mittelbare Beeinträchtigung des Grundrechts der Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) und weiter des Rechts auf Chancengleichheit im Wettbewerb von politischen Parteien (Art. 21 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG) inmitten, geht man davon aus, wofür vieles spricht, dass sich der Antragsteller hierauf jedenfalls der Sache nach - auch wenn ggf. eine dogmatische Verortung in den Freiheitsgrundrechten zu suchen wäre - berufen kann (vgl. Maunz/Dürig, GG, Stand Dezember 2016, Art. 21 Rn. 263).

2.2 Der Antragsgegner ist nach summarischer Prüfung zur Beobachtung des Antragstellers nicht berechtigt.

2.2.1 Rechtsgrundlagen für die angegriffene Maßnahme der Beobachtung sind Art. 5 Abs. 1 Nr. 1, Art. 3 BayVSG i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 4 BVerfSchG.

Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayVSG gewährt dem BayLfV allgemein die Befugnis, Informationen zu erheben, zu verarbeiten und zu nutzen, soweit dies zur Erfüllung seiner Aufgaben nach Art. 3 BayVSG i.V.m. § 3 BVerfSchG erforderlich ist, wobei die Sammlung von Informationen und deren Auswertung zusammen die Beobachtung ausmachen (vgl. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzes, 2007, S. 44).

Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG ist es Aufgabe der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, Informationen über Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind, zu sammeln und auszuwerten. Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Gesetzes zählen gemäß § 4 Abs. 2 BVerfSchG unter anderem das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben (a), das Recht auf Bildung und Ausübung einer Opposition (c) und die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte (g).

Bestrebungen sind gemäß Art. 4 Abs. 1 Satz 1 BayVSG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c BVerfSchG politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen, in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, einen der in § 4 Abs. 2 BVerfSchG genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. Für einen Personenzusammenschluss handelt dabei, wer ihn in seinen Bestrebungen nachdrücklich unterstützt.

Bestrebungen gehen über bloße politische Meinungen hinaus. Kritik an der Verfassung und ihren wesentlichen Elementen ist ebenso erlaubt wie die Äußerung der Forderung, tragende Bestandteile der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu ändern. Es ist allerdings verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn die Verfassungsschutzbehörde insoweit an die Inhalte von Meinungsäußerungen anknüpft, als diese Ausdruck eines Bestrebens sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen. Es ist dem Staat grundsätzlich nicht verwehrt, aus Meinungsäußerungen Schlüsse zu ziehen und gegebenenfalls Maßnahmen zum Rechtsgüterschutz zu ergreifen. Wenn Äußerungen Bestrebungen zur Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung erkennen lassen, darf der Staat diese auch zum Anlass nehmen, Schutzmaßnahmen zu ergreifen (BVerfG, B.v. 24.5.2005 - 1 BvR 1072/01 - BVerfGE 113, 63; BVerwG, U.v. 21.7.2010 - 6 C 22/09 - BVerwGE 137, 275). Kritik an einem Bestandteil der freiheitlichen demokratischen Grundordnung muss danach nur als "bloße" Kritik unberücksichtigt bleiben, nicht jedoch, wenn sie verbunden ist mit der Ankündigung konkreter Aktivitäten zur Beseitigung dieses Verfassungsgrundsatzes oder mit der Aufforderung zu solchen Aktivitäten. Bei Meinungsäußerungen, die von oder innerhalb einer politischen Partei abgegeben werden, liegt es zumindest nahe, dass sie mit der Intention einer entsprechenden Änderung der realen Verhältnisse abgegeben werden; denn politische Parteien sind gerade auf Änderung der politischen Verhältnisse ausgerichtet (BVerwG, U.v. 21.7.2010 - 6 C 22/09 - BVerwGE 137, 275; Murswiek, NVwZ 2006, 121). Weiteres qualifizierendes Merkmal der Bestrebung ist das Hinzutreten finalen Handelns (Agitation, Vorbereitungshandlungen, Gewalttaten). Bestrebungen gehen über (politische) Meinungen hinaus, da allein die Gesinnung des politisch Andersdenkenden ... nicht zu interessieren hat. Dabei reicht die Durchsetzung eines politischen begrenzten Ziels aus. Neben der Durchsetzung des politischen Hauptziels müssen die Aktivitäten auf die Beeinträchtigung eines der vom Gesetz geschützten Rechtsgüter abzielen - ein maßgeblicher Zweck der Bestrebung sein. Bloße Inkaufnahme einer entsprechenden Gefährdung ist nicht ausreichend. Die verantwortlich Handelnden müssen auf den Erfolg der Rechtsgüterbeeinträchtigung hinarbeiten; es muss ihnen darauf ankommen, diesen Erfolg herbeizuführen. Demgegenüber reicht die bloße Übereinstimmung oder Sympathie jemandes mit Zielen und Maßnahmen einer verfassungsfeindlichen Organisation nicht aus (Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 167 ff.).

Ob die Voraussetzungen für eine Beobachtung vorliegen, unterliegt in vollem Umfang der gerichtlichen Kontrolle. Dem Antragsgegner steht insoweit keine Einschätzungsprärogative zu. Dies gilt sowohl für das Vorliegen der behaupteten Tatsachen als auch für die daraus gezogenen, wertenden Schlussfolgerungen (VGH München, U.v. 22.10.2015 - 10 B 15.1320 - juris; in diesem Sinne wohl auch BVerwG, U.v. 17.10.1990 - 1 C 12/88 - BVerwGE 87, 23 zur Überprüfung von Maßnahmen nach dem G 10-Gesetz).

Voraussetzung für die Sammlung und Auswertung von Informationen im Rahmen des Beobachtungsauftrags ist das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte (vgl. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 BayVSG). Verlangt wird mehr als bloße Vermutungen, Mutmaßungen, Annahmen oder Hypothesen. Andererseits bedarf es auch nicht der Gewissheit, dass Schutzgüter der freiheitlichen demokratischen Grundordnung beseitigt oder außer Kraft gesetzt werden sollen. Es müssen vielmehr konkrete und in gewissem Umfang verdichtete Umstände als objektive Tatsachenbasis vorliegen, die bei vernünftiger Betrachtung die Annahme eines Verdachts rechtfertigen (BVerfG, U.v. 14.7.1999 - 1 BvR 2226/94 - BVerfGE 100, 313, 395). Zur Annahme eines solchen Verdachts kann auch die Gesamtschau aller vorhandenen tatsächlichen Anhaltspunkte führen, wenn jeder für sich genommen einen solchen Verdacht noch nicht zu begründen vermag (BVerwG, U.v. 17.10.1990 - 1 C 12/88 - BVerwGE 87, 23, 28; BVerwG, U.v. 21.7.2010 - 6 C 22/09 - juris Rn. 30). Eine solche Verdachtslage besteht zudem bereits dann, wenn ein die Schutzgüter objektiv beeinträchtigendes Verhalten festgestellt werden kann, ohne dass es auf das subjektive Merkmal des Beeinträchtigenwollens ankommt. Solche tatsächlichen Anhaltspunkte können sich z.B. ergeben aus offiziellen Programmen, Satzungen oder sonstigen Veröffentlichungen, aus Verlautbarungen bzw. Aktivitäten von Funktionären oder Anhängern sowie aus Verbindungen zu bereits als extremistisch erkannten Gruppen oder Einzelpersonen.

Die Anhaltspunkte müssen entsprechend gewichtig sein, um die jeweilige staatliche Reaktion zu rechtfertigen. Die Abstufung der Reaktion auf mögliche verfassungsfeindliche Bestrebungen von der bloßen Beobachtung über die Warnung der Öffentlichkeit durch entsprechende Berichterstattung im Verfassungsschutzbericht bis hin zum Verbot einer Organisation schließt es aus, jeweils das gleiche Gewicht für tatsächliche Anhaltspunkte für solche Bestrebungen zu verlangen (vgl. BVerwG, U.v. 21.7.2010 - 6 C 22/09 - juris Rn. 31).

2.2.2 Gemessen an diesen Vorgaben ist nach summarischer Prüfung der vom BayLfV vorgelegten Erkenntnisse über den Antragsteller davon auszugehen, dass die derzeitige Beobachtung des Antragstellers mit Mitteln der offenen Informationsbeschaffung rechtswidrig ist. Hinsichtlich des Antragstellers liegen keine tatsächlichen Anhaltspunkte vor, die geeignet sind, den Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen zu begründen.

a) Es liegen keine tatsächlichen Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne von ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen des Antragstellers in einem Personenzusammenschluss vor, der darauf gerichtet ist, einen der in § 4 Abs. 2 BVerfSchG genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. Unbestritten ist der Antragsteller nicht Mitglied in einem derartigen Personenzusammenschluss.

b) Es liegen auch keine tatsächlichen Anhaltspunkte für ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen des Antragstellers für einen derartigen Personenzusammenschluss vor, da es jedenfalls an einer nachdrücklichen Unterstützungshandlung im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 BVerfSchG i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Satz 1 BayVSG mangelt.

Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 BVerfSchG wird bei ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen, die nicht in einem, sondern für einen Personenzusammenschluss getätigt werden, seitens des Gesetzgebers ein strengerer Maßstab für ein Tätigwerden des Verfassungsschutzes gefordert. Für einen Personenzusammenschluss handelt demnach nur, wer ihn in seinen Bestrebungen "nachdrücklich" unterstützt. Dies trägt dem Gedanken Rechnung, dass die ziel- und zweckgerichtete Betätigung einer Einzelperson innerhalb eines Organisationsgefüges aufgrund der Vernetzung und Organisationsstruktur einen höheren Grad an Außenwirkung entfalten kann als die bloße Tätigkeit einer außerhalb einer solchen Gruppierung stehenden Person, die sich in der Regel nicht der Logistik und des Personals der Vereinigung bedienen kann. Nicht jede Unterstützungshandlung für einen Personenzusammenschluss wird daher gleichermaßen eine Gefahr für verfassungsschutzrechtliche Schutzgüter entfalten wie das Agieren innerhalb einer festgefügten Organisationsstruktur. Aus diesem Gesichtspunkt heraus hat der Gesetzgeber nur nachdrücklichen Unterstützungshandlungen eine derartige Gefährdungswirkung zuerkannt, die ein Tätigwerden der Verfassungsschutzbehörden rechtfertigen.

Eine solche nachdrückliche Unterstützungshandlung kann seitens des Antragstellers den von der Antragsgegnerseite vorgelegten Erkenntnissen über den Antragsteller nicht entnommen werden.

Dies betrifft zum einen die mögliche weltanschauliche Nähe des Antragstellers zur so genannten "Identitären Bewegung" (IB), die der Antragsteller durch sein "Like" auf Facebook (Bl. 50 d. Behördenakte - BA) sowie auf Bl. 79 und 81 BA in Bezug auf die IB-Schwaben zum Ausdruck gebracht hat. Ob die "Identitäre Bewegung", wie dies unter anderem durch das Bundesamt für ... als auch durch das Bayerische Landesamt für ... nahegelegt wird, als eine rechtsextremistische Gruppierung einzustufen ist oder nicht, kann das Gericht an dieser Stelle offenlassen. Selbst wenn dem so wäre, gehen die beiden in den vorgelegten Behördenakten erfassten "Likes" für diese Organisation nicht über eine bloße Sympathiekundgebung hinaus und bewegen sich am untersten Rand dessen, was überhaupt als eine wahrnehmbare Unterstützungshandlung bezeichnet werden kann, dies umso mehr, als sich der Antragsteller im Rahmen dieser "Likes" jeglichen Kommentars zur IB enthält. Das auf Bl. 81 BA gelikte Foto der "Identitären Bewegung Schwaben", welches anscheinend eine Aktion der IB-Schwaben bei der NGO "Sea Eye" zeigt und in dem die Tätigkeiten der NGO´s im Mittelmeer bei der so genannten Seenotrettung als "Heuchelei" und "Schleppertum" kritisiert werden, handelt es sich um eine reine politische Meinungsäußerung, die in dieser Form fester Bestandteil der öffentlichen Debatte hinsichtlich der Sinnhaftigkeit und moralischen Verantwortbarkeit des Umgangs mit Migranten auf dem Mittelmeer darstellt. Eine "nachdrückliche" Unterstützungshandlung für die IB bzw. die IB-Schwaben kann in diesen Handlungen jedenfalls nicht entdeckt werden. Auch unter Berücksichtigung der Erwägung, dass Aktivitäten in sozialen Medien durch Mandatsträger/Politiker möglicherweise größeres Gewicht und dadurch größere Wirkung entfalten können, ergibt sich hier nichts anderes, da der Antragsteller zum Zeitpunkt seiner Sympathiekundgebungen noch nicht Bezirksrat gewesen ist und sein Facebook-Auftritt - zwar öffentlich - aber erkennbar privat ausgestaltet war.

Gleiches gilt in Bezug auf die Sympathiekundgebungen ("gefällt mir") des Antragstellers hinsichtlich der Band "Pugilato NSHC", dem deutschsprachigen Sänger Lunikoff sowie für sein Like in Bezug auf die FacebookSeite "Für Familie, Volk und Heimat - Mulit-Kulti und Islamisierung stoppen", bei der es sich möglicherweise aufgrund der Verwendung des für die IB typischen Lambdasymbols um eine IB-Seite bzw. IB-nahe Seite handelt, sowie in Bezug auf sein Like für das so genannte "FSN.tv". Unabhängig davon, ob diese Facebook-Aufritte bzw. TV-Auftritte von Personen in Zusammenschlüssen im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1c BVerfSchG betrieben werden oder von Einzelpersonen, gehen auch hier die Verhaltensweisen des Antragstellers erkennbar nicht über eine bloße Sympathiekundgebung hinaus. Hierin ist jedenfalls keine nachdrückliche Unterstützungshandlung zu erblicken.

Die auf der Facebook-Seite "Geschichte der Wehrmacht" zu einzelnen Bildern abgegebenen kurzen Kommentare des Antragstellers erfüllen ebenfalls nicht die Anforderungen an eine nachdrückliche Unterstützungshandlung. Der Antragsteller hat schon nicht aktiv für diese Seite geworben. Im Übrigen ist auch hier fraglich, inwieweit es sich bei den Betreibern dieser Facebook-Seite um einen Personenzusammenschluss handelt, der darauf gerichtet ist, einen der in Abs. 2 genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. Dieselben Überlegungen gelten für den Auftritt von "Waffen-SS-History".

c) Schließlich gehen von dem Antragsteller auch als Einzelperson keine verfassungsfeindlichen Bestrebungen aus.

Nach Art. 4 Abs. 1 Satz 2 BayVSG können Bestrebungen nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BVerfSchG auch von Einzelpersonen ausgehen. Im Gegensatz zu der Regelung von § 4 Abs. 1 Satz 4 BVerfSchG, der im Gegensatz zu den Sätzen 1 und 2 nicht über Art. 4 Abs. 1 Satz 1 BayVSG Anwendung findet, ist Voraussetzung für verfassungsschutzrelevante Bestrebungen von Einzelpersonen nicht, dass sie auf Anwendung von Gewalt gerichtet sind oder aufgrund ihrer Wirkungsweise geeignet sind, ein Schutzgut dieses Gesetzes erheblich zu beschädigen. Diese Einschränkung auf Bundesebene lässt sich durch die arbeitsteilige Zusammenarbeit der Verfassungsschutzbehörden im Bund-Länder-Verbund rechtfertigen. Dadurch wird das Aufgabenprofil des Bundesamtes für ... gegenüber den Landesbehörden präzisiert. Umgekehrt setzt diese Beschränkung auf Bundesebene aber voraus, dass die Landesverfassungsschutzbehörden die nicht vom Bund abgedeckten Beobachtungsaufgaben wahrnehmen. Denn im Hinblick auf die Schutzgüter der verfassungsmäßigen Ordnung und inneren Sicherheit macht es keinen Unterschied, ob die Gefahren hierfür von einzelnen oder mehreren Personen ausgehen (vgl. LTDrs. 17/10014 des Bayerischen Landtags, S. 23). Jedoch gilt auch im Anwendungsbereich des Art. 4 Abs. 1 Satz 2 BayVSG, dass die Person selbst beobachtungswürdige Bestrebungen verfolgt (LT-Drs. 17/10014 a.a.O.), also ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen an den Tag legen muss, die darauf gerichtet sind, einen der in Abs. 2 genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen.

Ein derartig ziel- und zweckgerichtetes Verhalten im Sinne der oben genannten Definitionen lässt sich bei dem Antragsteller hingegen nicht ausmachen. Ist schon nicht ersichtlich, welche Bestandteile der freiheitlich demokratischen Grundordnung nach § 4 Abs. 2 BVerfSchG der Antragsteller beeinträchtigen, beseitigen oder außer Geltung setzen will, so lässt sich jedenfalls ein "Hinarbeiten" auf den Erfolg der Rechtsgüterbeeinträchtigung bei dem Antragsteller nicht feststellen. Die von der Antragsgegnerseite dem Gericht vorgelegten Erkenntnisse zeigen auch in Bezug auf eine augenscheinliche Wehrmachtsaffinität beim Antragsteller gerade nicht finales Handeln im Sinne von Agitation, Vorbereitungshandlungen oder sonstiger zielgerichteter Aktivitäten. Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsschutzes, die Gesinnung von möglicherweise politisch Andersdenkenden zu erfassen. Noch viel weniger gilt dies in Bezug auf - wie hier gegeben - nur momentane/flüchtige Äußerungen emotionaler Art in Bezug auf fremde Facebookinhalte. Der soweit ersichtlich einzige Beitrag des Antragstellers auf der Facebookseite "Deutsches Volk: Bewaffne Dich mit Wissen", in dem eine bekannte Politikerin verunglimpft wird (Bl. 76 BA), ist abstoßend, aber ebenso nicht von verfassungsschutzrechtlicher Relevanz und liegt auch schon mehr als viereinhalb Jahre zurück.

d) Auch in der Gesamtschau erreichen die Aktivitäten des Antragstellers auf Facebook nicht ein Maß, das es rechtfertigen würde, von nachdrücklichen Unterstützungshandlungen für einen Personenzusammenschluss bzw. eigenen verfassungsschutzrechtlich relevanten Bestrebungen auszugehen, da Letztere - wie eben dargelegt - nicht vorliegen und Erstere sich wenn überhaupt am unteren Rand möglicher Unterstützungshandlungen bewegen.

2.2.3 Unabhängig vom Vorliegen verfassungsfeindlicher Bestrebungen auf Seiten des Antragstellers erweist sich die Beobachtung auch wegen Unverhältnismäßigkeit als rechtswidrig.

Der Eingriff in das freie Mandat gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG durch die Beobachtung durch Behörden des Verfassungsschutzes unterliegt strengen Verhältnismäßigkeitsanforderungen. Sie ist nur dann zulässig, wenn sie erforderlich ist und die Abwägung im Einzelfall ergibt, dass dem Interesse am Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung Vorrang vor den Rechten des betroffenen Abgeordneten gebührt. Ein Überwiegen des Interesses am Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung kommt insbesondere dann in Betracht, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Abgeordnete sein Mandat zum Kampf gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung missbraucht oder diese aktiv und aggressiv bekämpft. Im Übrigen kommt es auf die Abwägung aller berührten Interessen und Umstände an. In deren Rahmen ist eine Gesamtbeurteilung des Gewichts des Eingriffs des Grades der von dem Abgeordneten ausgehenden Gefährdung der freiheitlich demokratischen Grundordnung und des Gewichtes der durch eine Beobachtung zu erwartenden Informationen für den Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung vorzunehmen (BVerfG, B.v. 17.9.2013 - 2 BvR 2436/10 u. 2 BvE 6/8 - juris - Rn. 118 ff.). Diese bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung ist von Sinn und Zweck auf die kommunalen Mandatsträger übertragbar (BayVerfGH, E.v. 20.3.2014 - Vf. 72-IVa-12 - juris Rn. 115). Angesichts der Äußerungen des Klägers auf Facebook, die sich am untersten Rand der Wahrnehmungsschwelle bewegen und für sich genommen noch nicht einmal den Begriff "ziel- und zweckgerichteter Verhaltensweisen" für einen Personenzusammenschluss bzw. von eigenen Bestrebungen gegen maßgebliche Bestandteile der freiheitlich demokratischen Grundordnung erfüllen, fällt diese Abwägung jedenfalls zugunsten des Antragstellers aus. Umso mehr gilt dies angesichts der Tatsache, dass - wie eine Nachfrage des Gerichts bei den Beteiligten ergeben hat - der Antragsteller seinen FacebookAuftritt mittlerweile gelöscht hat.

Selbst wenn dies - wie die Antragsgegnerseite unterstellt - aus rein taktischen Erwägungen geschehen sein sollte, so ist doch zu sehen, dass sich den vorgelegten Erkenntnisquellen des Verfassungsschutzes keine Äußerungen des Antragstellers entnehmen lassen, die jünger als 2016 sind. Zu diesem Zeitpunkt war der Antragsteller noch nicht Mitglied des Bezirkstags, in den er erst mit den zeitgleich mit den bayerischen Landtagswahlen im Herbst 2018 stattfindenden Wahlen zum Bezirkstag gewählt wurde. Auch vor diesem Hintergrund erweist sich eine weitergehende Beobachtung des Antragstellers als unverhältnismäßig.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.