ArbG Bamberg, Beschluss vom 04.02.2020 - 1 Ca 617/19
Fundstelle
openJur 2020, 71248
  • Rkr:
Tenor

1. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist unzulässig.

2. Der Rechtsstreit wird an das Interdiözesane Datenschutzgericht in Köln verwiesen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um einen vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Schadensersatz wegen eines Datenschutzverstoßes.

Der Kläger ist zuletzt als Leiter eines Jugendtreffs bei der Beklagten seit 24.05.1989 beschäftigt und war in der Zeit von November 2017 bis Januar 2018 arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte führte ein betriebliches Eingliederungsmanagement durch, im Zuge dessen am 17.04.2018 ein Erstgespräch stattfand.

Der Kläger trägt vor, sich in diesem Gespräch zu den Ursachen seiner Arbeitsunfähigkeit geäußert zu haben, dabei jedoch darauf bestanden zu haben, dass die erhobenen Daten bezüglich seines Gesundheitszustandes keinesfalls dem Amtsleiter N. oder der Sekretärin des stellvertretenden Amtsleiters N. zugänglich gemacht werden dürften. Der Kläger wirft der Beklagten vor, entgegen der ausdrücklichen Verweigerung seiner Einwilligung die Daten vom Arbeitsplatzrechner des Teilnehmers in dem BEMGespräch, Herrn N., auf den Rechner von Frau N. transferiert zu haben. Hierdurch seien seine Gesundheitsdaten in die Betriebsöffentlichkeit gelangt. Er macht deshalb Schadensersatz geltend.

Der Kläger hält den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für eröffnet. Es liege eine Streitigkeit aus dem Arbeitsverhältnis vor, für die die kirchliche Arbeitsgerichtsordnung die Zuständigkeit der kirchlichen Gerichte für Arbeitssachen ausschließe. Dies gelte auch dann, wenn der Kläger einen Verstoß gegen die Bestimmungen des Datenschutzes geltend mache. Der Kläger stütze seine Ansprüche auf staatliches Recht, das auch von den staatlichen Gerichten angewendet werden müsse. Die kirchliche Datenschutzgerichtsbarkeit sei demgegenüber nur für gerichtliche Rechtsbehelfe gegen eine Entscheidung der Datenschutzaufsicht oder gegen einen Verantwortlichen oder gegen einen Auftragsverarbeiter gegeben. Die kirchenrechtlichen Vorschriften über Schadensersatzansprüche sähen keine Zuständigkeit der kirchlichen Datenschutzgerichtsbarkeit vor.

Die Beklagte ist demgegenüber der Auffassung, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht eröffnet sei. Vielmehr sei der Rechtsweg zu den kirchlichen Gerichten in Datenschutzangelegenheiten eröffnet und insoweit in erster Instanz das interdiözesane Datenschutzgericht in Köln zuständig. Im vorliegenden Fall seien die Bestimmungen des Gesetzes über den kirchlichen Datenschutz (KDG) anzuwenden. Dieses Gesetz sei durch die katholische Kirche im Rahmen ihres verfassungsmäßigen Rechts, ihre Angelegenheiten innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes zu ordnen und zu verwalten, erlassen worden und sei auch europarechtlich zulässig. Dieses Gesetz gehe als Spezialvorschrift den allgemeinen datenschutzrechtlichen Vorschriften vor. Die Anwendung des Gesetzes obliege den kirchlichen Gerichten in Datenschutzangelegenheiten. Der Rechtsstreit sei deshalb an diese Gerichtsbarkeit zu verweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist nicht gegeben. Zulässig ist vielmehr der Rechtsweg zu den kirchlichen Gerichten in Datenschutzangelegenheiten gemäß der kirchlichen Datenschutzgerichtsordnung (KDSGO).

Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 KDSGO sind die kirchlichen Gerichte in Datenschutzangelegenheiten auch für gerichtliche Rechtsbehelfe der betroffenen Personen gegen den Verantwortlichen oder den kirchlichen Auftragsverarbeiter zuständig. Diese Zuständigkeit auch in individuellen Einzelfällen unterscheidet sich von der Zuständigkeitsregelung der kirchlichen Gerichte für Arbeitssachen gemäß § 2 Abs. 3 KAGO, die eine solche Zuständigkeit bei Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis ausdrücklich ausschließt.

Die Bestimmungen über den kirchlichen Datenschutz und die kirchliche Datenschutzgerichtsbarkeit sind jedoch gegenüber den allgemeinen zivil- und arbeitsrechtlichen Vorschriften Spezialvorschriften und gehen deshalb vor. Die katholische Kirche hat im Rahmen der Art. 140 GG, 137 Abs. 3 WRV im Hinblick auf den kirchlichen Datenschutz von ihrer Rechtssetzungsbefugnis durch den Erlass des KDG und der KDSGO umfassend Gebrauch gemacht. Dies ist gemäß Art. 91 DSGVO auch europarechtlich zulässig. Hierbei regelt § 50 KDG auch Ansprüche auf Schadensersatz einzelner Personen. Auch hierfür eröffnet § 2 Abs. 1 Satz 1 KDSGO den Rechtsweg zu den kirchlichen Gerichten in Datenschutzangelegenheiten. Der gerichtliche Rechtsbehelf der einzelnen betroffenen Personen im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 KDSGO ist zu unterscheiden von kirchlichen Rechtsbehelfen gegen Entscheidungen der Datenschutzaufsicht über das Vorliegen einer Datenschutzverletzung gemäß § 2 Abs. 2 KDSGO. Hierfür gilt eine Ausschlussfrist gemäß § 2 Abs. 3 KDSGO innerhalb von einem Jahr nach Zugang der Ausgangsentscheidung. Der Begriff des gerichtlichen Rechtsbehelfs wird deshalb in der KDSGO nicht einheitlich verwendet, sondern meint einerseits die gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen einer einzelnen betroffenen Person gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. KDSGO im Gegensatz zur Überprüfung von Entscheidungen der Datenschutzaufsichten im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt., Abs. 2 KDSGO. Dieser prozessualen Differenzierung entspricht auch die Regelung in § 49 KDG, wonach in Absatz 1 der gerichtliche Rechtsbehelf gegen Bescheide der Datenschutzaufsicht und in Absatz 2 unbeschadet eines Rechts auf Beschwerde bei der Datenschutzaufsicht das Recht auf einen gerichtlichen Rechtsbehelf aufgrund eines Verstoßes gegen die im KDG geregelten Rechte des Betroffenen vorgesehen ist.

Diese Regelungen sind von Verfassungs wegen gemäß Art. 140 GG, 137 Abs. 3 WRV zulässig, denn staatliches Rechts ist aufgrund der auch europarechtlich wegen Art. 91 DSGVO zulässigen umfassenden kirchenrechtlichen Regelung des Datenschutzrechts nicht berührt.

Der Rechtsstreit war deshalb gemäß §§ 17 a Abs. 2 und 4 GVG ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss der Kammer des Arbeitsgerichts an das zuständige interdiözesane Datenschutzgericht in Köln zu verweisen. Die §§ 17 ff. GVG gelten auch im Verhältnis zwischen der Arbeitsgerichtsbarkeit und einer besonderen Gerichtsbarkeit wie der kirchlichen Datenschutzgerichtsbarkeit (vgl. Zöller/Lückemann, ZPO, 33. Aufl., vor § 17 GVG Rn. 11 für das Verhältnis zwischen der freiwilligen Gerichtsbarkeit und dem Anwaltsgerichtshof).

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