LG Bayreuth, Endurteil vom 19.03.2020 - 1 HK O 28/19
Fundstelle
openJur 2020, 71205
  • Rkr:
Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 305.639,36 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 07.01.2019 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 3.260,90 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 07.01.2019 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 305.639,36 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um den Entschädigungssatz für Entschädigungsansprüche aus § 17 e Abs. 2 EnWG für den Zeitraum 1. Januar 2015 bis 31. März 2015.

Soweit Vorschriften des EnWG und des EEG nicht ausdrücklich mit "heutiger" oder einem anderen Zusatz zitiert werden, sind die im ersten Quartal 2015 geltenden Fassungen gemeint (EnWG in der ab 01.08.2014 bis 31.12.2015 geltenden Fassung, EEG bzw. EEG 2014 ab 01.08.2014 bis 31.12.2016).

Die Klägerin betreibt einen Offshore-Windpark in der D.B. mit (80 mal 3,6) 288 MW Nennleistung. Die Beklagte ist die anbindungsverpflichtete Übertragungsnetzbetreiberin im Sinn von § 17 e Abs. 2 EnWG.

Die Anbindung des klägerischen Windparks erfolgt über die Gleichrichter-Plattform S. alpha und die Gleichstrom-Kabelverbindung S. 1. Verbindlicher Fertigstellungstermin im Sinn von § 17 e Abs. 2 EnWG war der 30. September 2014.

Der nach dieser Vorschrift für die Herstellung der Betriebsbereitschaft der Windenergieanlagen auf See maßgebliche Zeitpunkt, für die einzelnen Anlagen unterschiedlich, liegt zwischen September 2014 und 25. März 2015.

Die Fertigstellung der Netzanbindung erfolgte teilweise ab dem 11. Februar 2015 und vollständig am 28. März 2015.

Die Klägerin hatte beabsichtigt, den Strom nach dem Marktprämienmodell gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 1, 34 EEG direkt zu vermarkten und bereits einen Direktvermarktungsvertrag abgeschlossen /22/. Die Option nach § 17 e Abs. 6 EnWG, § 50 Abs. 4 EEG hat die Klägerin nicht ausgeübt.

Die Parteien verhandelten über die Höhe der Entschädigung, zuletzt forderte die Klägerin am 10. November 2017 die Zahlung von 1.792.838,81 € (Anlagenkonvolut K 1) für Ansprüche im Zeitraum November 2014 bis März 2015.

Die Beklagte erfüllte den Anspruch für den Zeitraum 1. Januar 2015 bis 31. März 2015 bis auf einen Differenzbetrag von 305.639,36 € (Klageforderung in der Hauptsache), der ausschließlich daraus resultiert, dass die Klägerin in ihrer Berechnung einen Faktor von 19,4 Cent pro Kilowattstunde einsetzte, die Beklagte einen Faktor von 19,0 Cent.

Die übrigen Berechnungsgrundlagen sind nicht streitig. Ansprüche für das Jahr 2014 sind nicht Gegenstand der Klage.

Die Klägerin hat vorgerichtlich anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen, jedoch erfolglos.

Ein von der Klägerin erwirkter Mahnbescheid ist der Beklagten am 7. Januar 2019 zugestellt worden.

Die Klägerin meint:

Ihr Anspruch in Höhe von 19,4 Cent pro Kilowattstunde ergebe sich aus dem Wortlaut des § 50 EEG, Abs. 3 S. 1.

Die Änderung des EnWG ("abzüglich 0,4 Cent") zum 1. Januar 2017 sei nicht rückwirkend anzuwenden. Es handele sich nicht um eine Klarstellung, sondern um eine tatsächliche Änderung. Die Übergangsvorschrift des § 118 Abs. 21 EnWG vom 1.1.2017 lege im Gegenteil fest, dass für die klägerische Anlage § 17e EnWG in der am 31. Dezember 2016 geltenden Fassung weiter anzuwenden sei.

Die Klägerin beantragt,

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 305.639,36 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 07.01.2019 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 3.260,90 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 07.01.2019 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt

Klageabweisung.

Die Beklagte meint:

§ 50 Abs. 3 S. 1 EEG regle nicht die Vergütungshöhe, sondern einen Grundwert (den anzulegenden Wert). Daraus müssten erst Vergütung oder Marktprämie errechnet werden. Dies unter Anwendung des in § 37 Abs. 3 Z. 2 EEG vorgesehenen Abzugs von 0,4 Cent pro Kilowattstunde.

Die Änderung des § 17e Abs. 1 S. 1 EnWG zum 1.8.2014 (einhergehend mit der Änderung des EEG), insbesondere der Verweise auf die Vorschriften des EEG (§ 16 zu 19 und § 31 zur 50) habe nicht zum Ziel gehabt, den Entschädigungssatz für Windenergieanlagen auf See zu erhöhen:

Ursprünglich sei der Gesetzgeber im EEG vor 2012 davon ausgegangen, dass ein EEG-Anlagenbetreiber seinen Strom nicht vermarkten müsse, sondern zu gesetzlich festgelegten Sätzen einspeisen könne ("produce and forget"), für offshore-Windenergie ab dem EEG 2012 mit 19,0 Cent Vergütung pro Kilowattstunde (§§ 16 Abs. 1, 31 Abs. 3 S. 1 EEG 2012).

Bei der Einführung der optionalen Direktvermarktung mit dem EEG 2012 wurde für Direktvermarkter die Marktprämie eingeführt (§ 33 g EEG 2012 i.V.m. Anl. 4), berechnet aus der Differenz zwischen dem anzulegenden Wert (gleich der gesetzlichen Vergütung, § 33h EEG 2012) und dem Referenzmarktwert. Im Referenzmarktwert versteckt war noch als zusätzlicher Anreiz zum Umstieg auf die Direktvermarktung eine zeitlich degressiv ausgestaltete Managementprämie.

Bis zum 1.8.2014 (Inkrafttreten des EEG 2014) habe dies für das Entschädigungsregime nach § 17e EnWG keine Rolle gespielt, denn in der bis zum 31.7.2014 geltenden Fassung verwies § 17 e Abs. 1 EnWG auf §§ 16, 31 EEG 2012 (mit 19,0 Cent pro Kilowattstunde, siehe oben).

Mit dem EEG 2014 wurde die Managementprämie von zuletzt 0,4 Cent pro Kilowattstunde in den anzulegenden Wert eingepreist: Aus der Einspeisevergütung des § 31 Abs. 3 S. 1 EEG 2012 mit 19,0 Cent pro Kilowattstunde wurde der anzulegende Wert des § 50 Abs. 3 S. 1 EEG 2014 mit 19,4 Cent pro Kilowattstunde.

Die Direktvermarktung wurde obligatorisch, § 37 EEG regelte eine Ausnahme für Kleinanlagen und legte für (Klein-) Anlagen im Sinne der §§ 49-51, also auch für Windanlagen auf See, § 50, ausdrücklich fest, dass sich die Einspeisevergütung aus dem anzulegenden Wert abzüglich 0,4 Cent pro Kilowattstunde berechnet.

Aus dem zum 1.8.2014 stehenbleibenden Verweis auf § 19 des EEG in § 17 e Absatz 1 S. 1 EnWG folge, so die Beklagte, auch, dass § 37 EEG ungeachtet der Anlagengröße auf die Entschädigungshöhe Anwendung finden müsse. Ansonsten sei ein Verweis auf § 19 EEG unnötig gewesen, lediglich auf § 50 EEG hätte verwiesen werden müssen.

Mit der Neuregelung der Entschädigungshöhe zum 1.1.2017 in § 17e Abs. 1 und 2 EnWG habe der Gesetzgeber dies auch klargestellt. Weder zum 1.8.2015 noch zum 1.1.2017 habe der Gesetzgeber diese Entschädigung der Höhe nach ändern wollen.

Zur beanspruchten Höhe des Verzugszinses beruft sich die Beklagte weiter darauf, dass die Hauptsacheforderung nicht aus Rechtsgeschäft begründet ist.

Das Gericht hat keinen Beweis erhoben; zu entscheiden ist über eine reine Rechtsfrage. Auf den Akteninhalt wird Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist nur hinsichtlich eines Teils der Zinsforderung unbegründet.

§ 17 e Abs. 2 EnWG verweist zur Entschädigungshöhe auf Abs. 1, S. 1 und 2 der Vorschrift. Der Satz ergibt sich aus Abs. 1 S. 1, dieser gibt der Klägerin eine: "Entschädigung in Höhe von 90 Prozent der nach EEG § 19 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes in Verbindung mit EEG § 50 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes im Fall der Einspeisung erfolgenden Vergütung".

Dies waren nach § 50 Abs. 3 S. 1 EEG 19,4 Cent pro Kilowattstunde. So der Gesetzeswortlaut. Eine Kürzung nach § 37 EEG kommt nicht in Betracht, da dieser nach dem Wortlaut auf die klägerische Anlage nicht anzuwenden ist.

Das Gericht folgt in grammatikalischer Auslegung dem Wortlaut. Es hat in den von Beklagtenseite angeführten Umständen keine hinreichende Grundlage, eine andere Auslegung heranzuziehen, um vom Wortlaut abzuweichen.

a) Zwar spricht viel für die Argumentation der Beklagten, dass bei der Änderung der Vorschriften des EEG zum 1.8.2014 der Gesetzgeber eine Rückwirkung seiner Änderungen im EEG auf die Vorschrift des § 17e EnWG nicht bedacht hatte. Der Gesetzgeber ist offensichtlich davon ausgegangen, dass nach dem neuen Regime des EEG 2014 entweder direkt vermarktet wird oder - nur unter der Voraussetzung, dass § 37 EEG anwendbar ist - eine Einspeisevergütung verlangt wird. Dass die Höhe der Einspeisevergütung für Windenergieanlagen auf See systematisch auch an anderer Stelle maßgeblich ist, ist möglicherweise übersehen worden. Sicher kann man nicht sein, da für Gesetzesbegründungen nicht die Vermutung der Vollständigkeit spricht.

b) Dass dies auch bei der Änderung des EnWG nicht bedacht wurde, folgt einerseits aus der zitierten Gesetzesbegründung, wonach es sich nur um eine redaktionelle Anpassung handele, andererseits aus dem Umstand, dass andere Verweise in § 17 e EnWG gar nicht angepasst wurden; dies spricht dafür, dass die Änderung des EnWG zum 1.8.2014 hinsichtlich der gesetzgeberischen Motive überhaupt nicht belastbar ist.

c) Dies alles wird aber annulliert durch den Umstand, dass der Gesetzgeber zum 1.1.2017 nicht etwa im EEG eine klarstellende Formulierung zum Unterschied zwischen "anzulegendem Wert" und Einspeisevergütung eingefügt hat, sondern die ganze Materie wiederum in § 17e EnWG in der ab 1.1.2017 geltenden Fassung geregelt hat (wobei ganz offensichtlich davon ausgegangen wird, dass die Vergütung gleich dem "anzulegenden Wert" der jetzt in Bezug genommenen Vorschrift des § 47 Abs. 3 EEG 2017 ist, dass also zwischen dem Begriff Vergütung und "anzulegendem Wert" vor wie nach kein Unterschied besteht) und - entscheidend - in der Übergangsvorschrift des § 118 Abs. 21 EnWG in der ab 1.1.2017 geltenden Fassung nicht etwa eine Rückwirkung dieser "Korrektur" sondern im Gegenteil die Fortdauer der Anwendbarkeit der bis dahin geltenden EnWG-Vorschriften geregelt hat. Wäre der Gesetzgeber von einem Irrtum ausgegangen, hätte es nahegelegen, eine Korrektur rückwirkend anzuwenden. Dass der Gesetzgeber dies nicht getan hat, indiziert, dass es nicht um einen bloßen Irrtum ging. Wenn der Gesetzgeber eine Vorschrift bewusst in seine formenden Hände nimmt (anders als die EnWG-Änderung vom 1.8.2014, siehe oben b), muss das Gericht davon ausgehen, dass das Absehen von einer rückwirkenden Korrektur bedeutet, dass der Gesetzgeber eine - möglicherweise unbeabsichtigte - Änderung von 1.8.2014 jedenfalls bis 31.12.2016 stehen lassen wollte.

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