SG Berlin, Urteil vom 16.09.2020 - S 83 KA 11/18
Fundstelle
openJur 2020, 71110
  • Rkr:

Die GOP 30920 und 30922 EBM-Ä sind nur von einem Arzt abrechenbar, auch wenn mehrere Ärzte nach der Qualitätssicherungsvereinbarung HIV/Aids als behandlungsführend gelten.

Die auf Landesebene vereinbarte Bagatellgrenze hinsichtlich der Durchführung von sachlich-rechnerischen Richtigstellungen ist rechtmäßig.

Tenor

Der Bescheid vom 24.08.2016 in der Fassung der Teilabhilfe vom 27.09.2017, in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.12.2017, geändert durch den Teilabhilfebescheid vom 16.01.2020 und das Teilanerkenntnis vom 28.08.2020 wird hinsichtlich der Fallnummern 23, 48, 96, 109, 229, 261 und 276 aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, die Fallnummern 23, 48, 96, 109, 229, 261 und 276 gezielt, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts auf die Erfüllung der Voraussetzungen für die Abrechnung der in Ansatz gebrachten GOP-Nrn. 30920 und 30922 EBM zu prüfen und die sachlich-rechnerische Richtigstellung vorzunehmen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens zu 75 % und die Klägerin zu 25 %.

Die Berufung wird zugelassen.

Der Streitwert wird auf 998,07 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die teilweise Ablehnung der Beklagten, auf Antrag der Klägerin eine Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit durchzuführen. Konkret geht es um die Frage, ob die GOP 30920 und 30922 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) durch zwei Ärzte abgerechnet werden können und die Wirksamkeit einer auf Landesebene vereinbarten Bagatellgrenze.

Mit Schreiben vom 16.07.2014 beantragte die Klägerin bei der Beklagten u.a. die sachlich-rechnerische Richtigstellung für das Quartal II/2013 hinsichtlich der Mehrfachabrechnung der GOP 30920, 20922 und 30924 EBM-Ä.

Mit Bescheid vom 24.08.2016 lehnte die Beklagte den Antrag hinsichtlich der sachlich-rechnerischen Richtigstellung ab. Mit Bescheid vom 27.09.2017 half die Beklagte dem Widerspruch der Klägerin teilweise ab. In den Fällen, hinsichtlich derer die Abhilfe erfolgte, hätten die Praxen jeweils angegeben, nicht der behandlungsführende Arzt gewesen zu sein. In den verbleibenden Fällen habe entweder innerhalb eines Quartals ein Arztwechsel stattgefunden, so dass zum Zeitpunkt der Behandlung der jeweils behandelnde Arzt auch als der behandlungsführende Arzt anzusehen sei. Oder beide Ärzte hätten angegeben, jeweils der behandlungsführende Arzt gewesen zu sein. Gegenteiliges könne die Beklagte den Ärzten nicht nachweisen. In zwei Fällen sei der beanstandete Arzt zwar nicht behandlungsführend gewesen. Die Forderung überschreite jedoch die Geringfügigkeitsgrenze nach § 17 Abs. 3 der Plausibilitätsvereinbarung nicht.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.12.2017 gab die Beklagte dem Widerspruch zu einem weiteren Teil statt. Im Übrigen wies sie den Widerspruch zurück. Sie wiederholt insoweit die Ausführungen aus dem Bescheid vom 29.07.2017. Sie - die Beklagte - habe ihre Möglichkeiten zur Prüfung mit der Befragung der beteiligten Ärzte ausgeschöpft. Ohne entsprechende Hinweise seitens der Krankenkassen, z.B. zum Verordnungsverhalten des entsprechenden Arztes, anhand derer eventuell ein Arzt als behandlungsführender Arzt bestimmt werden könne, lasse sich keine Klärung herbeiführen. Den Ärzten könne ansonsten - auch im Fall eines Arztwechsels - kein Fehlverhalten vorgeworfen werden, so dass die Abrechnungen nicht zu beanstanden seien.

Am 16.01.2018 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie habe hinsichtlich der im einzelnen aufgeführten Fälle einen Anspruch darauf, dass die Beklagte eine Prüfung und eine entsprechende sachlich-rechnerische Richtigstellung durchführe. Der EBM-Ä führe unter 30.10 eindeutig aus, dass der abrechnende Arzt gegenüber der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung zu erklären habe, dass er der alleinige behandlungsführende und abrechnende Arzt nach der Qualitätssicherungsvereinbarung HIV/Aids im jeweiligen Fall sei. Rechneten mehrere Ärzte die GOP 30920 und 30922 ab, obliege es der Beklagten zu prüfen, welcher Vertragsarzt die Abrechnungsvoraussetzungen nach EBM-Ä nachgewiesen habe. Auch angesichts der komplexen und mit einigem Koordinierungsaufwand versehenen Behandlungsstruktur, die der behandlungsführende Arzt nach der Qualitätssicherungsvereinbarung HIV/Aids zu gewährleisten habe, sei eine gleichzeitige Behandlungsführerschaft mehrerer Ärzte ausgeschlossen. Erklärten zwei Vertragsärzte, sie seien alleinig behandlungsführender Arzt gewesen, sei offensichtlich, dass die Erklärung über das Vorliegen der Abrechnungsvoraussetzungen nach 30.10 Nr. 2 EBM-Ä - zumindest für einen Arzt - nicht richtig sein könne. Die Schlussfolgerung der Beklagten, es seien in diesen Fällen beide Ärzte abrechnungsberechtigt, da gegenüber keinem Arzt der Nachweis geführt werden könne, nicht der behandlungsführende Arzt gewesen zu sein, entbehre jeder Grundlage: Bei der Abrechnungsprüfung gehe es nicht um den Nachweis, dass Abrechnungsvoraussetzungen nicht vorgelegen haben, sondern im Gegenteil um deren positive Feststellung, zu der die Prüfung der Übereinstimmung mit dem Regelwerk (EBM-Ä) gehöre. In Bezug auf die GOP 30920 und 30922 EBM-Ä sei die Erklärung über die alleinige Behandlungsführerschaft zwingende Abrechnungsvoraussetzung. In Zweifelsfragen sei diese von der Beklagten zu ermitteln. Die Beklagte könne die sachlich-rechnerische Richtigstellung im Übrigen auch nicht mit dem Hinweis auf die in § 17 Abs. 3 der Plausibilitätsvereinbarung verweigern. Die Regelung dieser Bagatellgrenze sei von der Ermächtigung des § 106a Abs. 5 SGB V a.F. (bzw. jetzt § 106d Abs. 5 SGB V) nicht umfasst. § 106a Abs. 2 SGB V a.F. (bzw. § 106d Abs. 2 SGB V) regele eine Plicht der Beklagten zur Durchführung der sachlich-rechnerischen Richtigstellung und begrenze damit die Ermächtigung nach Abs. 5. Ein Verzicht auf die Durchführung der sachlich-rechnerischen Richtigstellung sei von der Ermächtigung nicht umfasst. Dies werde auch durch die neue Richtlinie auf Landesebene bestätigt. Die darin geregelte Bagatellgrenze beziehe sich nur noch auf die Frage, ob auf Antrag der Krankenkasse eine Prüfung durchzuführen sei und nicht mehr darauf, ob nach erfolgter Prüfung eine sachlich-rechnerische Richtigstellung zu durchzuführen sei. Auch das Obiter Dictum des BSG in seiner Entscheidung zur Bagatellgrenze (Verweis auf BSG, Urteil vom 23. März 2016 - B 6 KA 8/15 R) sei in diesem Sinne zu verstehen. Danach habe das BSG keine Bedenken, Bagatellgrenzen als Bestandteil von "Inhalt" und "Durchführung" der Prüfungen zu regeln. Die nach erfolgter Prüfung durchzuführende sachlich-rechnerische Richtigstellung sei jedoch nicht mehr Bestandteil von "Inhalt" und "Durchführung" der Prüfung. Doch auch wenn man von der Rechtmäßigkeit der Bagatellgrenze ausgehe, seien bei der Frage, ob diese überschritten sei, jegliche gegenüber dem Arzt festgesetzten sachlich-rechnerischen Richtigstellungen mit zu berücksichtigen.

Die Klägerin beantragt, nach Annahme der Teilanerkenntnisse vom 16.01.2020 und vom 28.08.2020,

der Bescheid vom 24.08.2016 in der Fassung der Teilabhilfe vom 27.09.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.12.2017, geändert durch den Teilabhilfebescheid vom 16.01.2020 und das Teilanerkenntnis vom 28.08.2020 wird hinsichtlich der Fallnummern 23, 27, 40, 48, 84, 96, 109, 157, 210, 229, 242, 261, 276 aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, die Fallnummern 23, 27, 40, 48, 84, 96, 109, 157, 210, 229, 242, 261, 276 gezielt, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts auf die Erfüllung der Voraussetzungen für die Abrechnung der in Ansatz gebrachten GOPs 30920 und 30922 zu prüfen und die sachlich-rechnerische Richtigstellung vorzunehmen.

Die Berufung wird zugelassen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen und die Berufung zuzulassen.

Zur Begründung verweis sie auf ihr Vorbringen im Widerspruchsbescheid. Es sei an der Klägerin gewesen, ihren Antrag weitergehend zu begründen und konkret darzulegen, warum gerade bei einem der bestimmten beiden Ärzte, die die streitgegenständlichen Leistungen abgerechnet hätten, eine Korrektur erfolgen solle. Dies sei der Klägerin auch möglich gewesen, in dem sie die ihr vorliegenden Abrechnungsdaten z.B. im Hinblick auf die Anzahl der Arzt-Patientenkontakte sowie die abgerechneten Leistungen der Laboruntersuchungen auswerte. Daraus dürften sich konkrete Rückschlüsse auf die Behandlungsführung durch den einen oder anderen Arzt ergeben. Die geregelte Bagatellgrenze sei rechtmäßig, wie sich auch aus dem Urteil des BSG (Verweis auf BSG, Urteil vom 23. März 2016 - B 6 KA 8/15 R) ergebe. Bei der Anwendung der Bagatellgrenze seien nur die sachlich-rechnerischen Richtigstellungen zu berücksichtigen, die von dem Prüfantrag der Klägerin umfasst gewesen seien.

Mit Teilabhilfebescheiden vom 16.01.2020 und vom 28.08.2020 hat die Beklagte hinsichtlich einiger streitiger Fälle ein Teilanerkenntnis abgegeben, welches die Klägerin angenommen hat.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Verwaltungsakte und die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Gründe

Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten und einer ehrenamtlichen Richterin aus den Kreisen der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

Die zulässige Anfechtungs- und Neubescheidungsklage ist in dem tenorierten Umfang begründet. Insoweit ist der angefochtene Bescheid in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid und die Teilanerkenntnisse erhalten hat rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Es verblieben als streitige Fälle zum einen die Fälle, in denen die Beklagte sich nicht in der Lage sah zu ermitteln, welche der Praxen als behandlungsführend anzusehen ist (Fallnummern 23. 48, 96, 261, 276) und zum anderen die Fälle, in denen auch die Beklagte von einer zu Unrecht erfolgten Abrechnung der streitgegenständlichen GOP ausgeht, die Vornahme einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung aber mit Blick auf die Bagatellgrenze verneint (Fallnummern: 27, 40, 84, 109, 157, 210, 229 und 242).

Nach § 106a Abs. 2 SGB V in der bis zum 22.07.2015 geltenden Fassung (a.F., heute § 106d Abs. 2 SGB V) stellt die Kassenärztliche Vereinigung die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte fest; dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten. Nach § 106a Abs. 4 SGB V a.F. (heute § 106d Abs. 4 SGB V) können die Krankenkassen oder ihre Verbände, sofern dazu Veranlassung besteht, gezielte Prüfungen durch die Kassenärztliche Vereinigung nach § 106a Abs. 2 SGB V (bzw. heute § 106d Abs. 2 SGB V) beantragen. Dieser Verpflichtung ist die Beklagte nicht vollständig nachgekommen. Entgegen der Auffassung der Beklagten können nicht zwei Vertragsärzte innerhalb eines Quartals die GOP 309220 und 30922 EBM-Ä abrechnen. Es ist deshalb insoweit eine sachlich-rechnerische Richtigstellung durchzuführen (vgl. hierzu unter 1.). Der Durchführung der sachlich-rechnerischen Richtigstellung steht jedoch teilweise die auf Landesebene in der "Vereinbarung über die Durchführung der Prüfung der Abrechnung auf Rechtmäßigkeit und Plausibilität gemäß § 106a SGB V" (in der Fassung vom 05.09.2007, Plausibilitätsvereinbarung a.F.) geregelte Bagatellgrenze entgegen (vgl. hierzu unter 2.).

1.) Den seit dem 01.07.2009 geltenden Abrechnungspositionen für Leistungen der spezialisierten Versorgung HIV-infizierter Patienten gemäß der Qualitätssicherungsvereinbarung nach § 135 Abs. 2 SGB V sind unter Ziff. 30.10 des EBM-Ä folgende Anforderungen vorangestellt:

1. "Voraussetzung für die Berechnung der Gebührenordnungspositionen 30920, 30922 und 30924 ist die Genehmigung der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung gemäß Qualitätssicherungsvereinbarung zur spezialisierten Versorgung von Patienten mit HIV-Infektion (Qualitätssicherungsvereinbarung HIV gemäß § 135 Abs. 2 SGB V).

2. Die Gebührenordnungspositionen 30920, 30922 und 30924 sind nur vom behandlungsführenden Arzt berechnungsfähig. Der behandlungsführende HIV-Schwerpunktarzt erklärt gegenüber der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung mit der Abrechnung, dass er der alleinige behandlungsführende und abrechnende Arzt im jeweiligen Fall ist."

Unstreitig erfüllen die jeweiligen Praxen in den Fällen (Fallnummern 23. 48, 96, 261, 276), in denen zwei Ärzte die streitgegenständlichen GOP abrechneten, die in Nr. 1 genannte Voraussetzung. Zudem hat die Beklagte durch die Qualitätssicherungskommission vortragen lassen, dass die die GOP 30920 und 30922 EBM-Ä abrechnenden Ärzte auch "behandlungsführend" i.S.d. Ziff. 30.10 Nr. 2 EBM-Ä waren. Die Anforderungen, die ein Arzt erfüllen muss, um die Behandlungsführung für sich zu beanspruchen, ergeben sich aus § 4 Qualitätssicherungsvereinbarung HIV/Aids:

(1) Der behandlungsführende Arzt ist verpflichtet, HIV- / Aids-Patienten umfassend leitliniengerecht ärztlich zu versorgen. Die spezialisierte Behandlung und Betreuung nach den Vorgaben dieser Vereinbarung umfasst dabei insbesondere

- die regelmäßige Anamnese und Untersuchung des Patienten,

- die Steuerung und Koordination der Behandlung,

- die Beratung des Patienten,

- die Durchführung eines Recall-Systems,

- die aktive Beteiligung des Patienten sowie

- die Dokumentation.

(2) Die regelmäßige und leitliniengerechte Untersuchung des Patienten umfasst insbesondere folgende Maßnahmen:

- Klinische Untersuchung,

- Bestimmung der CD4-Zellen,

- Bestimmung der Viruslast unter Beachtung der Anlage I Nr. 6 "Anerkannte Untersuchungs- und Behandlungsmethoden" der "Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung" nach § 135 Abs. 1 SGB V,

- Veranlassung sowie Bewertung der erforderlichen Laboruntersuchungen,

- Untersuchung auf sexuell übertragbare Krankheiten sowie Beratung zur Prävention sexuell übertragbarer Krankheiten einschließlich Hinweis auf das weiterführende Beratungsangebot spezialisierter Einrichtungen,

- Sicherstellung von Screening-Maßnahmen hinsichtlich Tuberkulose, Hepatitis, CMV-Retinitis, Analkarzinom, Hautkrebs, Zervixkarzinom, eventuell Durchführung von Schwangerschaftsdiagnostik, jeweils gegebenenfalls durch Überweisung, sowie

- Überprüfung der Indikation zur Impfung.

(3) Die Steuerung und Koordination der Behandlung umfasst auch Aspekte der psychosozialen Versorgung und die Information über geeignete Beratungsangebote und Kontakte zu Selbsthilfeeinrichtungen für HIV- / Aids-Patienten und ihre Bezugspersonen. Insbesondere informiert der Arzt den Patienten über das Krankheitsbild, die notwendige Compliance, die Prävention von Folgeerkrankungen, über den Schutz von Sexualpartnern, über Gesundheitstrainings zur Krankheitsverarbeitung und spezialisierte Pflegedienste und Hospize. Qualitätssicherungsvereinbarung HIV/Aids 6

(4) Die Beratung der Patienten umfasst u. a. Präventionsgespräche zur Infektionsprophylaxe oder die Einführung in die Injektionstherapie.

(5) Im Rahmen eines Recall-Systems informiert der behandlungsführende Arzt den Patienten unabhängig von bestehenden Terminvereinbarungen aktiv über wichtige neue Befunde u. ä. Darüber hinaus erinnert er den Patienten an die Vereinbarung von Terminen für regelmäßige Routineuntersuchungen.

(6) Der behandlungsführende Arzt beteiligt die Patienten aktiv an ihrer Behandlung. Dies geschieht insbesondere durch die Bestimmung individueller Therapieziele.

Die Kammer hat keinen Anlass, die Einschätzung der Qualitätssicherungskommission insoweit anzuzweifeln. Nach Auffassung der Kammer ist es aber nach den deutlichen Vorgaben im EBM-Ä nicht möglich, dass zwei Ärzte innerhalb desselben Quartals jeweils die GOP 30920 und 30922 EBM-Ä abrechnen. Wie oben dargestellt, muss behandlungsführende HIV-Schwerpunktarzt gegenüber der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung mit der Abrechnung erklären, "dass er der alleinige behandlungsführende und abrechnende Arzt im jeweiligen Fall ist". Daraus ergibt sich deutlich, dass es nur einen behandlungsführenden Arzt geben kann, bzw. nur ein Arzt die GOP abrechnen kann. Dies gilt auch dann, wenn zwei Ärzte vollständig die Voraussetzungen nach § 4 Qualitätssicherungsvereinbarung HIV/Aid erfüllen und damit grundsätzlich als behandlungsführend anzusehen sind. In diesem Fall gibt es keine alleinige Behandlungsführerschaft i.S.d. EBM-Ä, so dass keiner der Ärzte die GOP 30920 und 30922 EBM-Ä abrechnen kann.

Eine andere Auslegung würde dem Wortlaut des EBM-Ä nicht gerecht. Für die Auslegung vertragsärztlicher Vergütungsbestimmungen ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG in erster Linie der Wortlaut der Regelungen maßgeblich. Dies gründet sich zum einen darauf, dass das vertragliche Regelwerk dem Ausgleich der unterschiedlichen Interessen von Ärzten und Krankenkassen dient und es vorrangig Aufgabe des Normgebers des EBM-Ä - des Bewertungsausschusses gemäß § 87 Abs. 1 SGB V - ist, Unklarheiten zu beseitigen. Zum anderen folgt die primäre Bindung an den Wortlaut aus dem Gesamtkonzept des EBM-Ä als einer abschließenden Regelung, die keine Ergänzung oder Lückenfüllung durch Rückgriff auf andere Leistungsverzeichnisse bzw. Gebührenordnungen oder durch analoge Anwendung zulässt. Raum für eine systematische Interpretation i.S. einer Gesamtschau der im Zusammenhang stehenden vergleichbaren und ähnlichen Leistungstatbestände ist nur dann, wenn der Wortlaut einer Leistungslegende zweifelhaft ist und es der Klarstellung bedarf. Eine entstehungsgeschichtliche Auslegung kommt bei unklaren oder mehrdeutigen Regelungen ebenfalls in Betracht, kann allerdings nur anhand von Dokumenten erfolgen, in denen die Urheber der Bestimmungen diese in der Zeit ihrer Entstehung selbst erläutert haben. Leistungsbeschreibungen dürfen weder ausdehnend ausgelegt noch analog angewandt (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 15. Juli 2020 - B 6 KA 24/19 R -, Rn. 21, m.w.N.). Vorliegend ist der Wortlaut ("alleinig" behandlungsführend) eindeutig. Unzweifelhaft ist dem Wortlaut zu entnehmen, dass nur ein Arzt die GOP abrechnen kann.

Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die alleinige Behandlungsführerschaft nicht in der Leistungslegende der GOP 30920 und 30922 EBM-Ä direkt geregelt ist. Insoweit weist die Beklagte zwar zutreffend darauf hin, dass sich Unterschiede zu der Komplexleistung für die Betreuung einer Schwangeren nach der GOP 01770 EBM-Ä ergeben. Anders als bei den streitgegenständlichen GOP ist bei der GOP 01770 EBM-Ä in den Anmerkungen ausdrücklich geregelt, dass die GOP "für die Betreuung einer Schwangeren im Laufe eines Quartals nur von einem Vertragsarzt abgerechnet werden. Dies gilt auch, wenn mehrere Vertragsärzte in die Betreuung der Schwangeren eingebunden sind (z. B. bei Vertretung, im Notfall oder bei Mit- bzw. Weiterbehandlung)". Dies gilt nach der Rechtsprechung des BSG unabhängig von der Kenntnis des Vertragsarztes hinsichtlich der Abrechnung der GOP durch andere Ärzte (BSG, Urteil vom 11. Februar 2015 - B 6 KA 15/14 R, Rn. 29). Nach Auffassung der Kammer steht aber die Tatsache, dass die "alleinige" Behandlungsführung nicht in der Leistungslegende der GOP direkt geregelt ist, sondern vor die Klammer gezogen wurde, eine strikten Auslegung am Wortlaut nicht entgegen.

Die Kammer verkennt nicht, dass es zu einer - wie die Beklage es formuliert - ungerechtfertigten Behandlung kommen kann, wenn zwei Ärzte alle Leistungsvoraussetzungen des § 4 Qualitätssicherungsvereinbarung HIV/Aids erfüllen, also als behandlungsführend anzusehen sind, aber dann beide Ärzte, ohne jeweils vom anderen zu wissen, die streitgegenständlichen GOP abrechnen. Nach Auffassung der Kammer obliegt es aber dem abrechnenden Arzt, sich im Rahmen seiner Mittel zu erkundigen, ob weitere Ärzte in die Behandlung des Patienten in der intensiven Form eingebunden sind, dass sie ebenfalls behandlungsführend sind. Den nach dem eindeutigen Wortlaut der Ziff. 30.10 Nr. 2 EBM-Ä "erklärt" der abrechnende Arzt gegenüber der KV, dass er der alleinige behandlungsführende und abrechnende Arzt im jeweiligen Fall ist. Eine solche Erklärung kann er nur abgeben, wenn er sich dessen zuvor vergewissert hat. Hier mögen die Mittel und Wege, die dem Arzt zur Verfügung stehen, begrenzt sein. Wenn der Patient ihm einen anderen Arzt verschweigt und die Weitergabe der Dokumente verweigert, kann es durchaus vorkommen, dass der abrechnende Arzt keine Kenntnis davon hat, dass es neben ihm einen weiteren Arzt gibt, der sich als behandlungsführend ansieht. Die Kammer bezweifelt jedoch, dass dies sehr oft vorkommt. Denn der Arzt muss u.a. die "Steuerung und Koordination der Behandlung" und die "Durchführung eines Recall-Systems" (§ 4 Abs. 1 Qualitätssicherungsvereinbarung HIV/Aids) übernehmen, um überhaupt als behandlungsführend angesehen werden zu können. Es ist kaum denkbar, dass allein mit Blick auf diesen Teil der Behandlungsführung es dem einen Arzt entgeht, dass ein anderer ebenfalls steuert und koordiniert. Ob tatsächlich eine Koordination der Behandlung ohne jeglichen Kontakt zu den mitbehandelnden Ärzten möglich ist, erscheint fraglich. Indem der Arzt die alleinige Behandlungsführung und Abrechnung gegenüber der KV erklären muss, trägt er auch das Risiko, dass er eine weitere Behandlungsführung und Abrechnung durch einen anderen Arzt nicht kannte. Die (zutreffende) Erklärung nach Ziff. 30.10 Nr. 3 EBM-Ä stellt eine Abrechnungsvoraussetzung dar. Die Konstellation, dass tatsächlich zwei Ärzte behandlungsführend sind und die streitgegenständlichen GOP beide abrechnen, führt dazu, dass beide eine fehlerhafte Erklärung abgegeben haben. Dieses Risiko tragen die Ärzte und nicht die Krankenkassen.

Anderes ergibt sich auch nicht hinsichtlich der Fälle, bei denen ein Arztwechsel stattgefunden hat. Zwar stellt sich die Situation hier insoweit anders dar, als ggf. eine Behandlungsführung innerhalb eines Quartal von einem Arzt auf den anderen übergangen ist. Doch der Wortlaut der Norm regelt hier keine Ausnahme. Die Regelung einer solchen Ausnahme würde den Normgebern des EBM-Ä obliegen. Ungeachtet dessen dürfte es auch nicht so häufig vorkommen, dass bei einem Arztwechsel z.B. eher zu Beginn oder zum Ende des Quartals wirklich beide Ärzte alle in § 4 der Qualitätssicherungsvereinbarung HIV/Aids genannten Voraussetzungen erfüllen. Doch auch wenn dies der Fall ist, ändert das nichts an dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Norm.

Der Abrechnungsausschluss in den Fällen, in denen zwei Ärzte alle Voraussetzungen für eine Behandlungsführung nach § 4 Qualitätssicherungsvereinbarung HIV/Aids erfüllen, hat zudem nicht zur Folge, dass die in § 4 Qualitätssicherungsvereinbarung HIV/Aids genannten Leistungen von dem diese Leistung erbringenden Arzt nicht abgerechnet werden können. Bei den GOP 30920 und 30922 EBM-Ä handelt es sich um eine Zusatzpauschale bzw. um einen Zuschlag. So umfasst die hausärztliche Versichertenpauschale im Rahmen des fakultativen Leistungsinhalts u.a. die "Koordination diagnostischer, therapeutischer und pflegerischer Maßnahmen, insbesondere auch mit anderen behandelnden Ärzten, nichtärztlichen Hilfen und flankierenden Diensten".

Unabhängig von dem Umstand, dass in Anwendung der eingangs genannten Grundsätze wegen des eindeutigen Wortlauts kein Raum mehr für eine historische oder systematische Auslegung ist, spricht auch für die vorgenommene Auslegung, dass es für die Behandlung des Patienten keinen Sinn macht, wenn mehrere Ärzte z.B. die Behandlung koordinieren und z.B. die Bestimmung der CD4-Zellen im Quartal durch mehrere Ärzte und damit mehrfach erfolgt. Die Tatsache, dass die die streitgegenständliche GOP abrechnenden Ärzte versichern müssen, "alleinig" behandlungsführend zu sein, zwingt die Ärzte, mit den mitbehandelnden Ärzten so weit wie möglich Kontakt aufzunehmen und ggf. von anderen Ärzten durchgeführte Maßnahmen nicht nochmals durchzuführen.

Soweit die Beklagte einwendet, für sie sei die Prüfung, wer von den beiden Ärzten tatsächlich behandlungsführend war, teilweise nicht zu realisieren, kann dies zu keinem anderen Ergebnis führen. Wenn sich begründete Zweifel daran ergeben, ob der Tatbestand einer GOP erfüllt ist, obliegt es nach der Rechtsprechung des BSG auch dem Arzt, an der Beseitigung dieser Zweifel durch sachdienliche Angaben mitzuwirken, da ihn als Anspruchsteller grundsätzlich die Feststellungslast hinsichtlich der Voraussetzungen für seinen Vergütungsanspruch trifft. Dabei ist der Arzt bei der Prüfung der Richtigkeit der Honorarabrechnung zur Mitwirkung verpflichtet, indem er bei entsprechenden Zweifeln die allein ihm bekannten Tatsachen aus seiner Sphäre vorträgt. Wenn der Arzt diesen Anforderungen nicht entspricht und wenn Voraussetzungen für die Abrechnung von Leistungen aus diesem Grunde nicht festzustellen sind, dann geht dies zu Lasten des Arztes (BSG, Urteil vom 13. Mai 2020 - B 6 KA 6/19 R, Rn. 27, m.w.N.). Die Abrechnung der GOP 30920 und 30922 EBM-Ä durch mehr als einen Arzt im Quartal spricht nach Auffassung der Kammer für begründet Zweifel an der rechtmäßigen Abrechnung der GOP. Dies gilt sowohl für die Frage, ob einer der Ärzte überhaupt behandlungsführend ist, also die Voraussetzungen nach § 4 Qualitätssicherungsvereinbarung HIV/Aids erfüllt, als auch dafür, ob er tatsächlich "alleinig" behandlungsführend war. Können hier die Ärzte nicht darlegen, dass sie alleinig behandlungsführend waren, ist die Abrechnung der streitgegenständlichen GOP nicht richtig.

In den Fällen, in denen nach Auffassung der Beklagten beide abrechnenden Ärzte die Voraussetzungen nach § 4 Qualitätssicherungsvereinbarung HIV/Aids erfüllt haben, waren die jeweiligen Erklärungen der Ärzte, "alleinig" behandlungsführend zu sein, unrichtig, so dass keiner der Ärzte die streitgegenständlichen GOP abrechnen konnte. Es handelt sich dabei um die Fallnummern 23, 48, 96, 261 und 276.

2.) Zutreffend weist die Beklagte aber darauf hin, dass einigen eigentlich erforderlichen sachlich-rechnerischen Richtigstellungen die Bagatellgrenze nach § 17 Abs. 3 der Plausibilitätsvereinbarung a.F. entgegensteht. Dabei handelt es sich um die Fallnummern 27, 40, 84, 157, 210 und 242. Die Bagatellgrenze ist rechtmäßig (vgl. hierzu unter a.) und hinsichtlich er genannten Fallnummern auch einschlägig (vgl. hierzu unter b.).

a.) Nach § 17 Abs. 3 der Plausibilitätsvereinbarung a.F. ist bei der Auswahl der zu ergreifenden Maßnahmen stets das Gebot der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Bei Abrechnungsfehlern ist in den Fällen, in denen eine sachlich-rechnerische Richtigstellung möglich ist, eine solche vorzunehmen. In den übrigen Fällen ist der festgesetzte Schaden auf andere Weise auszugleichen. Als Bagatellgrenze für die Vornahme der sachlich-rechnerischen Richtigstellung pro Arzt gilt ein Euro-Betrag von 50 Euro für die Vornahme der sachlich-rechnerischen Richtigstellung pro Arzt und Quartal.

Diese Bagatellgrenze ist rechtmäßig. Dies ergibt sich nach Auffassung der Kammer deutlich aus der Rechtsprechung des BSG. Wörtlich führt das BSG insoweit aus:

Gegen die vertragliche Normierung einer Bagatellgrenze bestehen allerdings keine grundsätzlichen Bedenken. Die Auffassung der Klägerin, § 106a SGB V ordne eine ausnahmslose Korrektur von Abrechnungsfehlern an, überzeugt nicht. Derartiges lässt sich den maßgeblichen Bestimmungen nicht entnehmen. Nach der gesetzlichen Konzeption werden die Vorgaben des § 106a SGB V zum einen durch die gemäß § 106a Abs 6 Satz 1 SGB V auf Bundesebene zu vereinbarenden Richtlinien, zum anderen durch die nach § 106a Abs 5 SGB V auf regionaler Ebene zu vereinbarenden Prüfvereinbarungen ergänzt und vervollständigt: Gemäß § 106a Abs 5 Satz 1 SGB V haben die KÄVen und die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich Inhalt und Durchführung der Prüfungen nach § 106a Abs 2 bis 4 SGB V zu vereinbaren; gemäß § 106a Abs 6 Satz 1 1. Halbsatz SGB V vereinbaren die KÄBVen und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen Richtlinien zum Inhalt und zur Durchführung der Prüfungen nach § 106a Abs 2 und 3 SGB V.

Gegenstand beider untergesetzlicher Normwerke ist der "Inhalt" und die "Durchführung" der Prüfungen. Der Senat hat keine Bedenken dagegen, hiervon auch die Bestimmung von Bagatell- bzw Geringfügigkeitsgrenzen mitumfasst zu sehen. Im Übrigen ist die Normierung von Bagatellgrenzen der Rechtsordnung keineswegs fremd. So sieht § 110 Satz 2 SGB X ("Pauschalierung") eine - vorliegend allerdings nicht einschlägige (siehe hierzu BSG Urteil vom 25.10.1989 - 6 RKa 20/88 - USK 89131) - Bagatellgrenze vor, indem dort bestimmt wird, dass Leistungsträger untereinander keine Erstattung begehren können, wenn ein Erstattungsanspruch im Einzelfall voraussichtlich weniger als 50 Euro beträgt. (BSG, Urteil vom 23. März 2016 - B 6 KA 8/15 R, Rn. 44 - 45).

Danach sind die Vertragspartner auf Landesebene sowohl berechtigt, hinsichtlich der Durchführung der von der Krankenkasse beantragten Prüfung eine Bagatellgrenze einzuführen (vgl. § 16 Abs. 4 der Plausibilitätsvereinbarung a.F.), als auch hinsichtlich der durchzuführenden sachlich-rechnerischen Richtigstellung. Hier ist das BSG in der o.g. Entscheidung deutlich: "Die Auffassung der Klägerin, § 106a SGB V ordne eine ausnahmslose Korrektur von Abrechnungsfehlern an, überzeugt nicht". Nach Auffassung der Kammer ist dieser Passus so zu verstehen, dass § 106a Abs. 2 SGB V a.F. (bzw. § 106d Abs. 2 SGB V) der Regelung einer Bagatellgrenze hinsichtlich der Durchführung der sachlich-rechnerischen Richtigstellung nicht entgegensteht. Dass dies in dieser Form in der aktuellen Plausibilitätsvereinbarung so nicht mehr geregelt ist, steht der Rechtmäßigkeit des § 17 Abs. 3 S. 4 Plausibilitätsvereinbarung a.F. nicht entgegen. Auch die Formulierung des BSG (""Inhalt" und die "Durchführung" der Prüfungen") spricht nicht gegen die Rechtmäßigkeit der Bagatellgrenze. Denn nach Auffassung der Kammer ist auch die Durchführung der erforderlichen Maßnahme (die sachlich-rechnerische Richtigstellung) noch Bestandteil der Prüfung.

b.) Die Bagatellgrenze greift nach Auffassung der Kammer nicht in allen Fällen. Hinsichtlich der Fallnummern, in denen die Beklagte keine Entscheidung treffen konnte, welcher Arzt alleinig behandlungsführend ist und deshalb keiner der Ärzte die streitgegenständlichen GOP abrechnen kann (Fallnummern 23, 48, 96, 261, 276) ist bei jedem der abrechnenden Ärzte die Bagatellgrenze überschritten:

Fallnummer 23: Hier haben die BSNR 72 83932 und die BSNR 72 19845 die streitgegenständlichen GOP abgerechnet. Hinsichtlich der ersten BSNR kommen die Berichtigungen aus dem Bescheid vom 16.01.2020, hinsichtlich der zweiten BSNR die der Fallnummer 261 hinzu, sodass jeweils die Bagatellgrenze überschritten ist.

Fallnummer 48: Hier haben die BSNR 72 83936 und die BSNR 72 32078 die streitgegenständlichen GOP abgerechnet. Hinsichtlich der ersten BSNR kommen die Berichtigungen aus dem Bescheid vom 16.01.2020, hinsichtlich der zweiten BSNR die der Fallnummern 106, 109 hinzu, sodass jeweils die Bagatellgrenze überschritten ist.

Fallnummer 96: Hier haben die BSNR 72 84207 und die BSNR 72 84207 die streitgegenständlichen GOP abgerechnet. Hinsichtlich der ersten BSNR kommen die Berichtigungen aus der Fallnummer 229 und 276, hinsichtlich der zweiten BSNR die der Fallnummer 276 hinzu, sodass jeweils die Bagatellgrenze überschritten ist.

Fallnummer 261: Hier haben die BSNR 72 83932 und die BSNR 72 19845 die streitgegenständlichen GOP abgerechnet. Hinsichtlich der ersten BSNR kommen die Berichtigungen aus dem Bescheid vom 16.01.2020 sowie aus der Fallnummer 23, hinsichtlich der zweiten BSNR ebenfalls die der Fallnummer 23 hinzu, sodass jeweils die Bagatellgrenze überschritten ist.

Fallnummer 261: Hier haben die BSNR 72 84207 und die BSNR 72 19945 die streitgegenständlichen GOP abgerechnet. Hinsichtlich der ersten BSNR kommen die Berichtigungen aus den Fallnummern 229 und 96, hinsichtlich der zweiten BSNR die der Fallnummer 96 hinzu, sodass jeweils die Bagatellgrenze überschritten ist.

Bei den Fallnummern, bei denen die Beklagte die Vornahme einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung aufgrund des Unterschreitens der Bagatellgrenze abgelehnt hat (27, 40, 84, 109, 157, 210, 229 und 242), war dies nach Auffassung der Kammer nur hinsichtlich der Fallnummern 109 und 229 zu beanstanden. Die im Fall 109 die GOP zu Unrecht abrechnende Praxis (BSNR 72 32078) hat ebenfalls bei der Fallnummer 48 die Leistung zu Unrecht abgerechnet. Die im Fall 229 zu Unrecht abrechnende Praxis (BSNR 72 84207) hat ebenfalls bei der Fallnummer 276 die Leistung zu Unrecht abgerechnet.

Nach Auffassung der Kammer sind auch bei der Bagatellgrenze nach § 17 Abs. 3 der Plausibilitätsvereinbarung a.F. nur die sachlich-rechnerischen Richtigstellungen zu berücksichtigen, die von dem Prüfantrag der Krankenkassen nach § 106a Abs. 4 SGB V a.F. (bzw, § 106d Abs. 4 SGB V) umfasst waren. Eine andere Auffassung würde die Bagatellgrenze letztlich leelaufen lassen. Denn schon vor Erlass der Honorarbescheide stellte die Beklagten bei fast allen Ärzten einzelne Abrechnungsziffern richtig. Und auch später kommt es im Rahmen der nachträglichen sachlich-rechnerischen Richtigstellung noch zu Kürzungen. Dass es zu überhaupt keinen Richtigstellungen kommt, dürfte äußerst selten sein. Zudem würde die von der Klägerin geforderte Auslegung der Bagatellgrenze diese in der Praxis auch kaum handhabbar machen. Denn die Beklagte könnte dann immer erst Jahre später - zumindest nach Ablauf der Ausschlussfrist von jetzt zwei Jahren (§ 106d Abs. 5 S. 3 SGB V) - prüfen, ob die Bagatellgrenze überschritten ist. Hinzu kommt, dass in Ausnahmefällen auch noch nach Ablauf der Ausschlussfrist sachlich-rechnerische Richtigstellungen möglich sind. Vor diesem Hintergrund könnte die Beklagte letztlich nie mit Sicherheit sagen, ob die Bagatellgrenze überschritten ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Dabei hat die Kammer bei der Bildung der Kostenquote berücksichtigt, dass die Klägerin bei insgesamt 24 Fällen mit 18 Fällen erfolgreich war (teilweise durch Teilanerkenntnis).

Die Berufung wird gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Der jeweilige Beschwerdegegenstand unterschreitet 750 Euro. Die Streitsache hat grundsätzliche Bedeutung, weil sie eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, 13. Aufl. 2020, SGG § 144 Rn. 28). Sowohl die Frage hinsichtlich der Abrechenbarkeit der GOP 30920 und 30922 EBM-Ä, wenn zwei Ärzte die Voraussetzungen für die Behandlungsführung erfüllen, als auch die Frage der Rechtmäßigkeit der Bagatellgrenze betreffen eine Vielzahl von Fallgruppen. Es bedarf diesbezüglich für die Beteiligten der Rechtssicherheit.

Die Festsetzung des Streitwerts erfolgt nach den §§ 52 Abs. 1 und 3, 63 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG).

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