VG Frankfurt am Main, Urteil vom 07.03.2012 - 1 K 3783/11.F
Fundstelle
openJur 2020, 70924
  • Rkr:

Die Verwaltungspraxis, derzufolge für Solarkollektoranlagen mit mehr als 40 qm Bruttokollektorfläche auch für die ersten 40 qm keine Innovationsförderung nach den Richtlinien des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zur Förderung der Nutzung erneuerbarer Energien im Wärmemarkt gewährt wird, ist rechtmäßig.

Die rechtlichen Bedenken, die insoweit gegen die Verweigerung der Basisförderung erhoben worden sind (vgl. Urt. VG Frankfurt v. 10.06.2011 - 1 K 1149/11.F -) sind für die Innovationsförderung nicht einschlägig.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn die Beklagte nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Randnummer1Der Kläger stellte am 01.09.2009 (Eingang) bei der Beklagten einen Antrag auf Innovationsförderung der Errichtung einer solarthermischen Anlage mit einer Bruttokollektorfläche von 38,6 m2auf einem Gebäude mit drei Wohneinheiten nach den Richtlinien des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zur Förderung von Maßnahmen zur Nutzung erneuerbarer Energien im Wärmemarkt. Dem war u.a. ein Angebot des Installateurs beigefügt, das sich u.a. auf 15 Stück Aufdachkollektoren SK500N mit einer Bruttofläche von je 2,57 m2(=38,55 m2) bezog. Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Zuwendungsbescheid vom 21.09.2009 einen Zuschuss in Höhe von 8.190 EUR. Der Bescheid sah vor, dass der Zuschuss nach Vorlage und Prüfung der erforderlichen Verwendungsnachweise nach Durchführung der Maßnahme ausgezahlt werden sollte. Die Verwendungsnachweise sollten u.a. auch den Nachweis der errichteten Kollektorfläche umfassen. Der Kläger legte fristgerecht mit den übrigen Verwendungsnachweisen auch eine Rechnung eines Installateurs vor, die sich u.a. auf 20 Stück CLIMA Flatline BE-Kollektoren mit einer Bruttokollektorfläche von je 2,1 m2bezog (= 42 m2). Die Beklagte gab dem Kläger darauf Gelegenheit, sich zu dem Umstand zu äußern, dass die Bruttokollektorfläche mehr als 40 m2betrage, unter Berücksichtigung des Umstandes, dass Solarkollektoranlagen nur dann gefördert würden, wenn diese Fläche nicht überschritten sei. Der Kläger bestätigte darauf, dass die Bruttokollektorfläche 42 m2betrage und machte geltend, dass für die eigentliche Wärmegewinnung jedoch nur 38,20 m2zur Verfügung stünden, während der Rest durch den Befestigungsrahmen abgedeckt werde.

Randnummer2Mit Bescheid vom 12.08.2010 widerrief die Beklagte darauf den Zuwendungsbescheid. In den Gründen ist ausgeführt, dass nach den Förderrichtlinien nur solche Vorhaben gefördert würden, bei denen die zu installierende Bruttokollektorfläche maximal 40 m2betrage. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und trug vor, es seien nur 19 Kollektoren installiert worden. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28.09.2011 zurück. In den Gründen ist ergänzend ausgeführt, es sei von der Installation von 20 Kollektoren auszugehen, weil dies bereits mit den Verwendungsnachweisen und dem Schreiben, mit dem der Kläger auf die Anhörung reagiert habe, bestätigt worden sei. Die nachträgliche Demontage eines Kollektors führe nach der Verwaltungspraxis der Beklagten zu keinem anderen Ergebnis.

Randnummer3Am 28.10.2011 hat der Kläger Klage erhoben, mit dem er sein Begehren weiterverfolgt. Er macht jetzt geltend, er habe 40 Kollektoren gekauft, aber nur 39 installiert. Das könne durch Lichtbilder nachgewiesen werden. Ein Kollektor diene nur als Reserve für den Schadensfall. Im Übrigen würden auch 40 Kollektoren keine Nettokollektorfläche von 40 m2ergeben. Es sei auch ermessensfehlerhaft, die Förderung wegen der geringfügigen Überschreitung der Kollektorflächen zu widerrufen, weil für größere Anlagen nach anderen Förderprogrammen Fördermöglichkeiten bestünden.

Randnummer4Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 12.08.2010 und den Widerspruchsbescheid vom 28.09.2011 aufzuheben.

Randnummer5Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Randnummer6Die Beklagte beruft sich auf die Gründe der angefochtenen Bescheide.

Randnummer7Die Beteiligten haben einer Entscheidung durch den Berichterstatter im schriftlichen Verfahren zugestimmt. Das Gericht hat einen Hefter Behördenakten beigezogen.

Gründe

Randnummer8Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Die Beklagte durfte den Zuwendungsbescheid auf der Ermächtigungsgrundlage des § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG widerrufen. Danach darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn die Behörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen und ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet wäre. Dieser Tatbestand ist erfüllt.

Randnummer9Nach Erlass des Zuwendungsbescheides ist insofern eine neue Tatsache eingetreten als der Kläger entgegen seinen Angaben im Förderantrag eine Solarkollektoranlage errichtet hat, deren Bruttokollektorfläche größer als 40 m2ist. Der Kläger kann sich insoweit nicht darauf berufen, die Kollektorfläche, welche für Wärmeerzeugung zur Verfügung stünde, liege unter 40 m2. Damit stellt er nämlich auf die Nettokollektorfläche ab und nicht auf die Bruttokollektorfläche, auf die allein sowohl im Antragsformular als auch in den Richtlinien abgestellt wird. Er kann sich auch nicht darauf berufen, dass sich auf seinem Dach nur 39 statt 40 Kollektoren befinden. Denn auch bei 39 Kollektoren à 2,1 m2liegt die Bruttokollektorfläche der Anlage weit über 40 m2. Sollte die Angabe von 40 bzw. 39 Kollektoren jedoch auf einem Irrtum des Bevollmächtigten beruhen und es tatsächlich nur um 20 bzw. 19 Kollektoren gehen, wie dies den vorgelegten Verwendungsnachweisen entspricht, so kommt es insoweit auf die Bruttokollektorfläche zum Zeitpunkt der erstmaligen Inbetriebnahme der Anlage an und nicht darauf, was später passiert ist. Zum Zeitpunkt der erstmaligen Inbetriebnahme umfasste die Anlage aber 42 m2Bruttokollektorfläche und nicht weniger. Das ergibt sich aus den vom Kläger selbst vorgelegten Verwendungsnachweisen als auch aus seiner Stellungnahme im Rahmen der Anhörung. Sollte die Anlage inzwischen reduziert worden sein, so ist dies für den nachträglichen Eintritt einer neuen Tatsache unerheblich.

Randnummer10Die Änderung der tatsächlichen Verhältnisse vermag den Widerruf zu rechtfertigen, weil sie eine Änderung jener Verhältnisse darstellen, die den Erlass des Zuwendungsbescheides getragen haben. Zu diesen tragenden Verhältnissen gehört nicht, dass es zum Zeitpunkt des Erlasses des Zuwendungsbescheides noch überhaupt keine Solaranlage gab und diese erst später errichtet wurde - das war sogar Voraussetzung für den Erlass -, sondern vielmehr, dass eine Anlage errichtet wurde, die eine Bruttokollektorfläche von mehr als 40 m2umfasst. Wäre der Beklagten schon zum Zeitpunkt des Erlasses des Zuwendungsbescheides bekannt gewesen, dass die Errichtung einer Anlage dieses Umfangs geplant ist, hätte sie nämlich aufgrund ihrer ständigen Verwaltungspraxis die Bewilligung des Zuschusses abgelehnt.

Randnummer11Die Beklagte bewilligt die Zuwendungen allein aufgrund eines entsprechenden Haushaltstitels im Bundeshaushalt. Das Ob und Wie der Bewilligung steht in ihrem Ermessen, wobei sie sich zumindest überwiegend an den Richtlinien orientiert. Ein gesetzlicher Anspruch auf die Zuwendung besteht deshalb nicht, was die Richtlinien in Nr. 1.3 auch ausdrücklich klarstellen. Bei den Richtlinien handelt es sich um interne Verwaltungsvorschriften, die keine rechtliche Außenwirkung entfalten. Sie haben also keine Auswirkungen auf die rechtliche Position der Kläger. Das einzige Recht, auf das sich die Kläger berufen können, ist das Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz (Art. 3 GG). Das Gericht ist deshalb darauf beschränkt die angefochtenen Bescheide unter zwei Aspekten einer Rechtskontrolle zu unterziehen: Zunächst ist zu prüfen, ob die Behörde bei der Entscheidung über die Gewährung von Zuwendungen das Gleichbehandlungsgebot beachtet hat, also in allen Fällen die gleichen Kriterien zugrundelegt und auch im Einzelfall davon nicht abweicht (BVerwG, Urt. v. 08.04.1997 - 3 C 6/95-, BVerwGE 104, 220). Wenn die Behörde die Zuschüsse stets nach den gleichen Kriterien bewilligt, kommt eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebots nicht in Betracht, wobei es nicht darauf ankommt, ob diese Kriterien in den Richtlinien genannt sind oder nicht. Das Gericht ist deshalb auch nicht befugt zu prüfen, ob sich die Behörde an die Richtlinien hält und wie diese auszulegen sind. Soweit es um die Feststellung der maßgeblichen Kriterien geht, haben die Richtlinien allenfalls eine gewisse Indizwirkung. Zweitens ist zu prüfen, ob die maßgeblichen Kriterien mit dem ebenfalls aus Art. 3 GG folgenden Willkürverbot vereinbar sind. Eine Verletzung des Willkürverbotes liegt nur dann vor, wenn die maßgeblichen Kriterien unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar sind und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhen (BVerfG Urt. v. 08.07.1997 - 1 BvR 1934/93-, BVerfGE 96, 198 TZ 49).

Randnummer12Der ständigen und gleichförmig angewandten Verwaltungspraxis der Beklagten entspricht es, für Solaranlagen mit einer Bruttokollektorfläche von mehr als 40 m2keine Innovationsförderung zu gewähren, und zwar auch nicht für die ersten 40 m2Kollektorfläche. Diese Praxis ist durch die Überlegung motiviert, dass die Errichtung größerer innovativer Solaranlagen nicht durch Investitionszuschüsse der Beklagten, sondern durch zinsgünstige Kredite und Tilgungszuschüsse der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) gefördert werden sollen (vgl. Nr. 14.1.3 der Richtlinien vom 20.02.2009). Gegen diese Praxis ist rechtlich nichts zu erinnern. Insbesondere begegnet sie nicht den rechtlichen Bedenken, die insoweit gegen die Verwaltungspraxis der Beklagten bestehen als diese auch auf die Basisförderung von Solaranlagen angewandt wird (vgl. dazu Urteil VG Frankfurt vom 10.06.2011 - 1 K 1149/11.F -).

Randnummer13Die Verweigerung der Basisförderung von großen, aber nicht besonders innovativen Solaranlagen (> 40 m2) auch für die ersten 40 m2verletzt das Willkürverbot deshalb, weil dies dazu führt, dass solche Anlagen überhaupt nicht gefördert werden, obwohl es dafür keinen sachlichen Grund gibt. Die KfW gewährt nämlich keine Basisförderung, sondern nur eine Innovationsförderung. Die setzt aber nicht nur eine gewisse Mindestgröße der Anlage voraus, sondern vor allem, dass bestimmte Qualitätsmerkmale erfüllt sind, welche für die Basisförderung nicht erfüllt sein müssen. Im vorliegenden Fall geht es jedoch nicht um den Ausschluss der Basisförderung der Beklagten, sondern um den Ausschluss der Innovationsförderung durch die Beklagte. Das ist sachlich vertretbar, weil insoweit die Innovationsförderung durch die KfW Platz greift.

Randnummer14Ohne den Widerruf wäre auch das öffentliche Interesse gefährdet. Es würde nämlich dazu führen, dass der Kläger im Verhältnis zu all jenen Antragstellern, die schon im Antrag angeben, eine Anlage von mehr als 40 m2Bruttokollektorfläche errichten zu wollen, gleichheitswidrig privilegiert wird. Das öffentliche Interesse wäre auch insofern gefährdet als ein Anreiz dafür geschaffen würde, im Antragsverfahren die wahren Absichten zu verschweigen und damit die Förderpraxis der Beklagten zu unterlaufen.

Randnummer15Der Widerruf nach § 49 Abs. 2 VwVfG steht im Ermessen der Beklagten. Die Gründe des Widerspruchsbescheides weisen aus, dass die Beklagte sich ihres Ermessensspielraums bewusst war und Ermessenserwägungen angestellt hat. Gesichtspunkte zugunsten des Klägers, die sie in die Abwägung hätte einstellen müssen, aber nicht eingestellt hat, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Randnummer16Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Berufungszulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO nicht vorliegen (§ 124a Abs. 1 S. 1 VwGO).

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