AG Erding, Endurteil vom 24.07.2019 - 3 C 5140/18
Fundstelle
openJur 2020, 70280
  • Rkr:
Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.138,62 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 22.05.2019 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 1.138,62 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Rückzahlungsansprüche nach der Kündigung eines Luftbeförderungsvertrages.

Der Reisende J. F. buchte unter den Buchungsnummern UZ2AT8/TS4LES/KLBT1C bei der Beklagten für sich und seine Mitreisenden folgende Flüge:

TK 1636 am 18.05.2018;

TK 183 am 19.05.2018

TK 183 am 02.06.2018;

TK 1633 am 03.06.2018

für die Strecke von München nach Havanna.

Der Reisende bezahlte Steuern und Gebühren. In der Folgezeit wurde der Flug jedoch nicht angetreten. Der Reisende wandte sich an die Klägerin und unterzeichnete am 07.05.2018 eine Abtretungsvereinbarung. Mit Schreiben vom 07.05.2018 zeigte die Klägerin der Beklagten die Abtretung der Ansprüche an. Mit gleichem Schreiben verlangte die Klägerin von der Beklagten eine Rückzahlung der mit der Buchung vereinnahmten Steuern und Gebühren und forcierte die Beklagte zur Offenlegung der konkreten Summe auf, sofern die von der Klägerin ermittelten Zahlen nicht zutreffen sollten. Die Klägerin setzte der Beklagten zur Offenlegung und Leistung eine Frist bis zum 10.05.2018. Eine Erstattung durch die Beklagte erfolgte nicht.

Die Klagepartei ist der Ansicht, dass die Abtretung wirksam erfolgt sei. Die Vorlage der Abtretungsurkunde in Kopie sei ausreichend. Für die Kündigung des Luftbeförderungsvertrages sei der Nichtantritt des Fluges durch den Passagier ausreichend. Die Klägerin begehre nicht die Rückerstattung des Ticketpreises, sondern die Erstattung von Steuern und Gebühren. Die Forderungshöhe ergebe sich aus einer Schätzung, welche auf dem IATA-Matrix beruhe. Die beklagte Partei sei verpflichtet, die Steuern und Gebühren offen zu legen. Wenn sie andere als die von der Klagepartei geschätzten Summen annehmen wolle, müsse sie das substantiiert darlegen.

Die Klagepartei beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, 1.138,62 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 11.05.2018 zu zahlen.

Die beklagte Partei beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bestreitet die Abtretung der vermeintlichen Ansprüche des Reisenden an die Klägerin mit Nichtwissen und verlangt die Vorlage der Original-Abtretungsurkunde. Sie beruft sich ferner darauf, dass Erstattungs- und Rückforderungsanspüche nicht gegenüber der Rechtsabteilung Deutschland der Beklagten bestehen können. Die von der Klagepartei behaupteten Stornierungen bestreitet die Beklagte mit Nichtwissen. Nach Aktenlage seien wirksam zugegangene Kündigungserklärungen nicht ersichtlich. Sie bestreitet ferner auch den Zugang der Kündigungserklärungen. Eine wirksame Stellvertretung für andere Mitreisende wird bestritten. Die Rückzahlungsansprüche seien ohnehin ausgeschlossen, da ein nicht erstattungsfähiges Ticket gebucht worden sei. Bei rechtzeitiger Kündigungserklärung beliefe sich der erstattbare Betrag auf 103,59 € pro Person, d.h. 310,77 € für 3 Personen. Der Kerosinzuschlag zähle zu den nicht erstattungsfähigen Gebühren.

Wegen weiterer Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Mit Zustimmung der Parteien ist die Entscheidung gem. § 128 ZPO ohne mündliche Verhandlung ergangen.

Gründe

Die zulässige Klage ist überwiegend begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Rückforderungsanspruch in Höhe von 1.138,62 € aus §§ 398, 648 S. 2, 812 Abs. 1 S. 1, S. 2 Alt. 2 BGB.

Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Die Ansprüche des Passagiers J. F. wurden wirksam an Klägerin abgetreten. Der Vorlage einer Originalurkunde bedurfte es nicht, da - spätestens im Prozess - eine Ablichtung der Abtretungsurkunde vorgelegt wurde. Dies erachtet das Gericht als ausreichend. Es ist für das Gericht kein Grund ersichtlich, warum das Original der Abtretungsurkunde vorgelegt werden sollte. Es ist in diesem Zusammengang auch von einer wirksamen Stellvertretung der Mitreisenden auszugehen. Denn die vorliegende Buchungsbestätigung weist den Passagier Jens Feix als Vertragspartner auf.

Die Beklagte ist passivlegitmiert. Es kann dahinstehen, ob die außergerichtliche Korrespondenz über die in Deutschland ansässige Rechtsabteilung der Beklagten geführt wurde. Denn jedenfalls ist die Klage ausweislich des Rubrums gegen die deutsche Niederlassung der Beklagten gerichtet.

Die im Flugpreis enthaltenen Steuern, Gebühren und Entgelte einschließlich eines Treibstoffzuschlages sind von der Fluggesellschaft zu erstatten, wenn der Flug vom Passagier nicht angetreten wird. Auf den Zugang der Kündigungserklärungen kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Denn zur Kündigung des Luftbeförderungsvertrages ist es nicht erforderlich, dass der Flug im Vorfeld der Reise vom Passagier storniert wird. Vielmehr ist es ausreichend, dass der Passagier zum geplanten Abflug nicht erscheint ("no show") und hierdurch zum Ausdruck bringt, dass er die gebuchte Beförderung nicht wünscht.

Ausweislich der von der Klägerin vorgelegten bestätigten Buchung vom 15.11.2017 über das Internetportal "seat24.de", die von der Beklagten unstreitig akzeptiert wurde, sind für die vom Zedenten gebuchten Flüge Steuern in Höhe von 379,54 € pro Person ausgewiesen, wobei diese für insgesamt 3 Personen berechnet wurden. Daran muss sich die Beklagte festhalten lassen. Die Ticketpreisaufschlüsselung der Reisevermittlerin ist der Beklagten unter den gegebenen Umständen entsprechend §§ 54, 55, 91 HGB zuzurechnen, vgl. LG Düsseldorf, Beschluss vom 13.02.2017 - 22 S 307/16, IBRRS 2017, 3479, RRa 2017, 186. Die Beklagte kann sich nicht nachträglich darauf berufen, dass in den ausgewiesenen Steuern ein Kerosinzuschlag enthalten sei, der noch als zusätzliche Gegenleistung für die Beförderung eigentlich dem Ticketpreis zuzurechnen wäre, vgl. LG Frankfurt a.M., Urteil vom 29.03.2017 - 2 24 S 138/16, RRa 2017, 302.

Der Anspruch auf Rückerstattung des Kerosinzuschlages ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht wirksam durch ihre allgemeinen Ticketbedingungen für den vom Passagier gewählten Tarif ausgeschlossen.

Es ist schon zweifelhaft, ob der Ausschluss durch die Formulierung "YQ/YR wird nicht erstattet", als allgemeine Beförderungsbedingung vertraglich einbezogen wurden, weil sehr fraglich erscheint, ob diese Ticketbedingungen, falls sie denn tatsächlich in deutscher Sprache zur Verfügung gestanden haben sollten, mit zahlreichen Abkürzungen und unübersichtlichen Verweisungen für einen Durchschnittskunden noch mühelos lesbar sind, vgl. hierzu Palandt-Grüneberg, 77. Auflage 2018, § 305 Rn. 37 m.w.N.

Jedenfalls verstoßen diese Ticketbedingungen gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB, weil sie den Flugpassagier durch den umfassenden Ausschluss eines Rückerstattungsanspruchs einschließlich Positionen, die ausschließlich im Falle seiner tatsächlichen Beförderung anfallen, unangemessen benachteiligen, vgl. Schmid/Puschkarski: Die Abrechnung beim Luftbeförderungsvertrag nach Kündigung durch den Fluggast, NJW 2018, 657, unter IV. 2 und mit überzeugender Begründung bereits AG Erding, Urteil vom 12.07.2016, 7 C 2752/15. "Kerosinzuschläge" sind schon ihrer Begrifflichkeit nach keine Gegenleistung für die Flugbeförderung, sondern Zuschläge für den gewichtsabhängigen Treibstoffverbrauch, mit welchen z.B. auf Schwankungen der Preise auf den Rohölmärkten reagiert wird. Da diese Zuschläge von jedem Passagier erhoben werden und ein entsprechender gewichtsabhängiger Kerosinverbrauch durch den einzelnen Passagier aber nur dann eintreten kann, wenn dieser tatsächlich mitfliegt, ist ein berechtigtes Interesse des Flugunternehmens für einen Ausschluss eines Rückerstattungsanspruchs für den Kerosinzuschlag im Falle einer Flugstornierung nicht erkennbar.

Die Verurteilung zur Zahlung der Zinsen gründet sich auf §§ 286, 288 BGB. Das Gericht ist jedoch der Auffassung, dass die der Beklagten mit Schreiben vom 07.05.2018 gesetzte Frist zur Zahlung bis 10.05.2018 unangemessen kurz war. Das Gericht erachtet eine Frist von mindestens 14 Tagen für erforderlich, um der im Ausland ansässigen Beklagten die Möglichkeit zur Prüfung und ggf. zum Ausgleich zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO. Das Unterliegen der Klagepartei war gering, da es lediglich eine geringe Zinsforderung betrifft.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.