LG Hof, Endurteil vom 01.06.2017 - 22 S 59/16
Fundstelle
openJur 2020, 69968
  • Rkr:
Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Hof vom 04.10.2016, Az. 17 C 1496/15, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Hinsichtlich der Tatsachenfeststellung wird zunächst Bezug genommen auf das angefochtene Endurteil der Amtsgerichts Hof vom 04.10.2016 (§ 540 I Nr. 1 ZPO). Das Erstgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer eingelegten Berufung und beantragt

den Beklagten unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Hof vom 04.10.2016 - 17 C 1496/15 - zu verurteilen, an die Klägerin 2.028,36 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen

hilfsweise

das Urteil des Amtsgerichts Hof vom 04.10.2016 - 17 C 1496/15 - und das Verfahren gemäß § 538 Abs. 2 ZPO aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung an das Amtsgericht Hof zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf die Niederschrift der öffentlichen Sitzung vom 04.04.2017 Bezug genommen.

Gründe

Gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung von den vom Erstgericht festgestellten Tatsachen auszugehen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten.

I.

Wie das Amtsgericht bereits ausgeführt hat, kann offengelassen werden, ob ein bedingter oder ein unbedingter Auftrag erteilt wurde bzw. ob ggfs. die Bedingung eingetreten ist. Gleiches gilt für die Frage, in welcher Höhe bei Annahme eines Auftrages sich die Vergütung konkret berechnet und ob der Güteantrag zur Verjährungsunterbrechung geeignet war bzw. welche Folgen ein evtl. ungeeigneter Antrag hervorrufen würde.

Einem Anspruch der Klägerin - in welcher Höhe auch immer - kann durch den Beklagten jedenfalls rechtsvernichtend ein Freihaltungsanspruch entgegengehalten werden, §§ 280 I, 249 BGB, der zur Unbegründetheit der Klage führt.

a. Der Umstand, dass trotz aufgetretener "Probleme" ohne Rücksprache mit dem Beklagten ein Güteantrag eingereicht und hierdurch grds. ein Gebührentatbestand geschaffen wurde, stellt eine Pflichtverletzung i.S.d. § 280 I BGB dar.

(1) Die Klägerin hat im Schreiben vom 14.11.2011 (Anlage K53, Bl. 360 d.A.) ggü. dem Beklagten, der in der Folge eine Vollmacht (Anlage K31, Bl. 183 d.A.) ausgestellt hat, erklärt, dass sie für den Fall von "Problemen" Rücksprache mit diesem halten werde.

Konkret wurde ausgeführt:

"Wegen der Neuregelung der Verjährung im Jahr 2001 müssen Ihre Ansprüche gegen die Wirtschaftsprüfer noch in diesem Jahr geltend gemacht werden. Wir bitten Sie daher, die beigefügte Vollmacht unterschrieben im Original alsbald zurückzusenden.

Hinsichtlich der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die Wirtschaftsprüfer ist Ihre Rechtsschutzversicherung eintrittspflichtig. Die Stellung der Deckungsanfrage erfolgt durch unsere Kanzlei. Die anfallenden Kosten, welche von Ihrer Rechtsschutzversicherung zu übernehmen sind, richten sich nach dem Gegenstandswert in Verbindung mit dem Vergütungsverzeichnis des Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) und den gesetzlichen Vergütungstabellen. Sollten sich bei der Einholung von Kostenschutz Probleme ergeben, werden wir Rücksprache mit Ihnen nehmen, so dass mit unserer Tätigkeit keine Risiken finanzieller Art für Sie verbunden sind."

(Hervorhebung nicht im Original)

Hieraus folgt, dass für den Fall von auftretenden Problemen dem Beklagten die Möglichkeit offenstehen sollte, vor Tätigkeiten, die grds. zum Anfall von Gebühren führen - hier einem Antrag auf Streitschlichtung - (nochmals) zu entscheiden, ob dieser Weg gegangen werden soll.

Auch wenn eine Verpflichtung der Klägerin, einen entsprechenden Hinweis bzw. ein entsprechendes Angebot auf Rücksprache im Schreiben vom 14.11.2011 aufzunehmen, nicht gegeben ist, ist eine Aufnahme erfolgt. Hieran muss sich die Klägerin nun festhalten lassen.

(2) Entgegen dem Vortrag der Klägerin ist es im Rahmen der Abklärung mit der Rechtsschutzversicherung zu "Problemen" gekommen. Eine im Zeitpunkt der Einreichung des Güteantrages sichere Deckungszusage durch die Rechtsschutzversicherung - in welcher Form auch immer - war nicht gegeben.

Ohne eine Kostenzusage durch die Rechtsschutzversicherung ist es dem Anwalt trotz erteilter Vollmacht regelmäßig verwehrt, kostenverursachende Schritte zu veranlassen (hier die Einreichung des Antrags auf Streitschlichtung), ohne dies zuvor mit dem Mandanten abzuklären. Zutreffend ist zwar, dass Uneinigkeiten bzgl. Gebühren zwischen Rechtsanwalt und Rechtsschutzversicherung verbindlich nur in einem Verfahren zwischen Rechtsanwalt und Mandant - wie hier - geklärt werden können. Dennoch war und ist es Entscheidung des Mandanten, ob er es auf eine entsprechende Klärung überhaupt ankommen lassen möchte, ob eine konkrete Maßnahme also veranlasst werden soll oder nicht.

So kann das Schreiben vom 14.11.2011 (Anlage K53) so verstanden werden, dass bzgl. der Kostendeckung bereits Kontakt mit der Rechtsschutzversicherung aufgenommen wurde (vgl. "Die Stellung der Deckungsanfrage erfolgt durch unsere Kanzlei."). Dem war jedoch nicht so, eine Kontaktaufnahme erfolgte erst mit Schreiben vom 15.11.11 (vgl. Anlage K6, Bl. 19 d.A.). In der Folge kam es auch zu Rückfragen der Rechtsschutzversicherung (vgl. Anlage K11, Bl. 27 d.A.). Dass keine - sichere, endgültige - Kostenzusage gegeben war, ergibt sich weiter aus dem nochmaligen Schreiben vom 21.06.2012 (Anlage K14, Bl. 40 d.A.), in dem "nochmals um Erteilung von Kostenschutz" gebeten wird. Auch im Juni 2012 war folglich die Frage der Kostendeckung nicht befriedigend geklärt.

(3) Entgegengehalten werden kann dem nicht die Entscheidung des BGH vom 21.10.2015, Az. IV ZR 266/14. Unter Zugrundelegung der dortigen Ausführungen ist im Nachgang zwar ggfs. davon auszugehen, dass in einem der Anlage K59 (Bl. 461 d.A.) entsprechendem Schreiben die Gewährung von Abwehrdeckung gesehen werden kann, die den vertraglichen Ansprüchen im Versicherungsverhältnis entspricht und damit mit einer Kostenschutzzusage gleichzusetzen ist, doch ist diese Entscheidung erst im Jahr 2015 ergangen. Auch musste die hier im Streit stehende Sachlage, die von den Instanzgerichten jeweils konträr gesehen wurden, erst durch den BGH geklärt werden. Im hier relevanten Jahr 2011 war die Rechtslage daher keineswegs klar, "Probleme" standen im Raum. Die nachträgliche Kenntnis, die sich aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs ergibt, kann nicht in die Vergangenheit verlagert werden.

(4) Damit stand im Dezember 2011 ein finanzielles Risiko im Raum.

Für die Frage des Risikos ist nicht von Relevanz, ob sich dieses in der Folge realisiert hat. Für die Annahme eines Risikos genügt zunächst die Möglichkeit des entsprechenden Eintritts.

Ein finanziellen Risikos in 2011 sollte jedoch durch eine dann notwendige Rücksprache ausgeschlossen bzw. aufgezeigt werden ("so dass").

(5) Die Klägerin hätte sich folglich entsprechend der von ihr gemachten Zusage an den Beklagten wenden müssen. Sie muss sich an ihren Ausführungen im Schreiben vom 14.11.2011 festhalten lassen.

Dem ist die Klägerin nicht nachgekommen, sie hat den Güteantrag vielmehr ohne Rücksprache direkt eingereicht. Die Klägerin hat letztlich für sich entschieden, dass keine Probleme bzw. kein Risiko gegeben ist, und sodann durch die Einreichung des Antrags (Gebühren-)Tatsachen geschaffen. Diese Entscheidung oblag jedoch, wie ausgeführt, dem Beklagten.

b. Diese Pflichtverletzung hat die Klägerin auch zu vertreten. Es ist nicht ersichtlich, weshalb zwischen dem Anschreiben vom 14.11.2011, der unterschriebenen Vollmacht vom 15.11.2011 und der Einreichung des Antrags auf Streitschlichtung vom 19.12.2011 (Anlage K13, Bl. 30 d.A.) eine vereinbarte Kontaktaufnahme zum Beklagte nicht möglich gewesen sein sollte.

c. Hierdurch wurde der Beklagte auch mit einer Verbindlichkeit, eben der aus der Einreichung des Antrags auf Streitschlichtung entstehenden Gebühr, belastet.

Hiervon ist er im Rahmen der Naturalrestitution gem. § 249 BGB freizuhalten (vgl. Palandt/Grüneberg, 76. Aufl., § 249 Rn. 4 m.w.N.). Aufgrund der rechtsvernichtenden Wirkung des Freihaltungsanspruchs lebt ein eventueller Gebührenanspruch nicht wieder auf, entscheidend ist der Zeitpunkt des Schadenseintritts (vgl. MüKoBGB/Oetker, 7. Aufl., § 249 Rn. 309, 355 m.w.N.). Damit ist der Klägerin die Geltendmachung einer Gebührenforderung - egal in welcher Höhe und egal aus welchem Rechtsgrund - verwehrt.

Für die Frage eines Freihaltungsanspruchs ist der Umstand, dass im Rückblick ggfs. Rechtsschutzdeckung bestand (vgl. BGH, Urteil vom 21.10.2015, Az. IV ZR 266/14), irrelevant.

Die Entscheidung, eine entsprechende Versicherung abzuschließen, oblag dem Beklagten und erfolgte nicht zugunsten der Klägerin. Aus dem Umstand, dass eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen wurde, folgt insbesondere nicht, dass jeder denkbare Prozess tatsächlich geführt werden soll. An der Belastung mit einer Verbindlichkeit ändert die Versicherung daher nichts. Dass die Belastung zumindest nunmehr aufgrund des zwischen dem Beklagten und der Versicherung geschlossenen Vergleichs diesen wirtschaftlich nicht (mehr) belastet, geht ebenfalls auf die Entscheidung des Beklagten, auf seine Kosten eine entsprechende Versicherung abzuschließen, zurück, nicht auf die Klägerin. Auch bei dem Vergleich handelt es sich um eine Vereinbarung zwischen unabhängigen Parteien, die jedenfalls i.E. nicht der Klägerin zugutekommen sollte.

Der Umstand, dass sich die Sachlage für den Beklagten nunmehr ggfs. geändert hat, ändert am bestehenden Freihaltungsanspruch nichts (mehr).

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

III.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

IV.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen nach § 543 ZPO nicht vorliegen. Entscheidend war nicht die Auslegung einzelner Begriffe (z.B. der Abwehrdeckung) sondern alleine die Frage, ob sich die Klägerin an eigene Erklärungen festhalten lassen muss oder nicht.