OLG München, Endurteil vom 25.01.2017 - 20 U 2648/16
Fundstelle
openJur 2020, 69635
  • Rkr:
Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 18. Mai 2016, Az. 29 O 21868/14, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

– Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 20.500,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche wegen behaupteter Beratungs- und Aufklärungspflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Vermittlung einer Fondsbeteiligung.

Der Kläger beteiligte sich mit Beitrittserklärung vom 2. August 2004 nach Beratung durch Herrn Ralph S. mittelbar über die SHB F.treuhand GmbH an der SHB I. F.konzepte GmbH & Co. C. G. KG in Höhe von nominal € 20.000,00 zzgl. 5% Agio (K 1). Die Treuhänderin nahm den Beitritt am 2. August 2004 an. Der Kläger wählte die Beteiligungsvariante "KAPITAL 4". Die Beteiligungssumme und die Abwicklungsgebühr sollten durch ca. 168 monatliche Raten in Höhe von € 90,00 und die versprochenen Ausschüttungen geleistet werden. Bisher hat der Kläger insgesamt € 10.800,00 auf die Beteiligung bezahlt.

Der Kläger hat am 1. August 2014 (K 13) einen Güteantrag gestellt, der am selben Tag bei der Gütestelle eingegangen ist (K 14). Die Beklagte hat die Durchführung eines Güteverfahrens abgelehnt (K 15).

Der Kläger hat vor dem Landgericht vorgetragen, dass die Anlageberatung ausschließlich am Tag der Zeichnung stattgefunden habe, wobei der Prospekt zwar vorgelegen habe, allerdings nur kurz aufgeschlagen worden sei. Der Kläger habe dem Berater mitgeteilt, dass nur Interesse an sicheren Anlagen bestehe, ihm der Kapitalerhalt wichtig sei und die Gelder hauptsächlich der Altersvorsorge dienen sollten. Der Berater habe die Beteiligung als sichere, jederzeit veräußerbare und zur Altersvorsorge geeignete Beteiligung empfohlen. Er habe fälschlich behauptet, dass das Kapital garantiert zurückgezahlt werde und dass die Anlage wie bei einem Rentensparen funktioniere. Eine Aufklärung über das Vorliegen einer unternehmerischen Beteiligung, der Haftung als Treuhänder, die eingeschränkte Fungibilität und das Total- und Insolvenzrisiko der Fondsgesellschaft sei nicht erfolgt. Ebensowenig sei darüber aufgeklärt worden, dass die Beteiligung nicht der Einlagensicherung von Banken unterliege, dass das Anlagekonzept unschlüssig sei, die Beklagte mehr als 15% Provision erhalten habe, die Rückzahlung des Kapitals ausschließlich von der Bonität der Emittentin abhänge und die BaFin mit Schreiben vom 7. Oktober 2005 aufsichtsrechtliche Bedenken geäußert habe. Der Prospekt sei erst mehrere Tage nach Zeichnung übergeben worden. Auch dieser sei fehlerhaft und zur Aufklärung nicht geeignet. Der Kläger hat deshalb die Auffassung vertreten, dass die Beklagte wegen des auf fehlerhafte Beratung zurückzuführenden Erwerbs der Beteiligung zur Leistung von Schadensersatz verpflichtet sei und ihre Verurteilung zur Rückzahlung der geleisteten Einlage Zug um Zug gegen Abtretung der Rechte aus der streitgegenständlichen Beteiligung begehrt sowie den Ausspruch ihrer Verpflichtung, ihn von allen Verbindlichkeiten aus der Beteiligung freizustellen. Darüber hinaus hat der Kläger die Feststellung begehrt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Gegenleistung in Verzug befinde und den Ersatz entgangenen Gewinns.

Die Beklagte hat Beratungs- und Aufklärungspflichtverletzungen bestritten und Klageabweisung beantragt. Die Beratung habe 14 Tage vor der Zeichnung stattgefunden, dabei sei der Prospekt übergeben und der Kläger umfassend anhand des Prospektes aufgeklärt worden. Der Kläger habe den Erhalt des Prospekts auch auf seiner Beitrittserklärung bestätigt. Ihm sei es um hohe Rendite gegangen; die Provision der Beklagten habe nur 7% betragen. Im Übrigen sei ein klägerischer Anspruch jedenfalls verjährt.

Auf die tatsächlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils und die dort gestellten Anträge wird ergänzend Bezug genommen.

Mit Endurteil vom 18. Mai 2016 hat das Landgericht die Beklagte nach informatorischer Anhörung des Klägers im Wesentlichen antragsgemäß verurteilt und die Klage lediglich hinsichtlich des begehrten Ersatzes entgangenen Gewinns abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass zwischen den Parteien ein Beratungsvertrag zustande gekommen sei. Da nach dem Vortrag des Klägers eines seiner Anlageziele die Altersvorsorge gewesen und eine Anlage wie die streitgegenständliche für diesen Zweck ungeeignet sei, sei der Kläger jedenfalls fehlerhaft beraten worden. Auch durch den Emissionsprospekt sei keine hinreichende Aufklärung über die Ungeeignetheit des Produkts zur Altersvorsorge erfolgt. Damit stehe eine Pflichtverletzung der Beklagten fest; auf etwaige Prospektfehler und sonstige Beratungsmängel komme es im Ergebnis nicht an. Die Kausalität der Pflichtverletzung werde vermutet und sei nicht widerlegt. Verjährung sei nicht eingetreten. Positive Kenntnis von der Aufklärungspflichtverletzung im Hinblick auf die Ungeeignetheit der Anlage für die Altersvorsorge oder grobe Fahrlässigkeit diesbezüglich liege nicht vor. Der Eintritt der absoluten Verjährung sei durch Stellung des Güteantrags wirksam gehemmt worden.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung erstrebt die Beklagte die Aufhebung des landgerichtlichen Urteils im Umfang ihrer Verurteilung und die Abweisung der gesamten Klage. Sie rügt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags insbesondere, dass das Landgericht es versäumt habe, den Berater S. zu laden und zu vernehmen. Hierdurch hätte die von der Beklagten behauptete rechtzeitige Übergabe des Prospekts nachgewiesen werden können. Zu Unrecht sei das Landgericht auch von einem Anlageziel der zusätzlichen Altersvorsorge ausgegangen; hiervon sei im Beratungsgespräch nie die Rede gewesen. Im Übrigen sei der Fonds nach der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung zur ergänzenden Altersvorsorge geeignet. Fehlerhaft habe das Landgericht Verjährung verkannt.

Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt die Zurückweisung der Berufung. Er weist insbesondere auf ein Schreiben des Beraters S. (K 19) hin, aus dem sich ergebe, dass der Prospekt erst am 16. August 2014, und damit deutlich nach Zeichnung, übergeben werden sollte.

Der Senat hat mit Verfügung vom 20. Oktober 2016 (Bl. 125 f.) Hinweise erteilt. Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze sowie - auch zum Ergebnis der Vernehmung des Zeugen S.- auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 14. Dezember 2016 (Bl. 133 ff.) Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg. Der Kläger konnte keine Beratungs- oder Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten im Zusammenhang mit dem Erwerb der streitgegenständlichen Beteiligung nachweisen. Das Urteil des Landgerichts war deshalb im Umfang der Verurteilung der Beklagten aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

1. Auch wenn - wovon das Landgericht ausgeht - die Altersvorsorge eines der Anlageziele des Klägers gewesen sein sollte, war die streitgegenständliche Anlage aufgrund der unstreitigen weiteren Altersvorsorgemaßnahmen des Klägers und der im Emissionsprospekt dargestellten Konzeption des Produkts hierzu geeignet (vgl. BGH, Urteile vom 24. April 2014, III ZR 389/12, juris und vom 11. Dezember 2014, III ZR 365/13, juris; OLG München, 15 U 4459/14, 2673/15, 20 U 3807/15). Soweit der Kläger die Entscheidung des Oberlandesgerichts München zum Aktenzeichen 15 U 2919/14 vorlegt, ist diese zu einem anderen Fonds ("SHB I. F. K. GmbH & Co. A. KG") ergangen und für die hiesige Entscheidung nicht heranzuziehen. Allein die - nach dem Fondskonzept lediglich anfängliche und später durch die Ratenzahlungen zurückzuführende - Fremdkapitalquote von ca. 80% für das Carré G. (vgl. Prospekt Seite 30/31) führt nicht zu einer bereits konzeptionell angelegten völligen dauerhaften Wertlosigkeit der Beteiligung (ebenso OLG München 17 U 482/15, 23 U 4322/14). Denn mit der Erbringung der Raten für die gezeichnete Beteiligung wächst auch der Anteil des Anlegers am Fondsvermögen. Dies folgt zwingend aus dem gesellschaftsrechtlichen Charakter seiner mittelbaren Beteiligung. Die Beteiligung des Fonds an einer Objektgesellschaft bzw. Objektgesellschaften, die Immobilien erwerben (sollen), stellt grundsätzlich einen Vermögenswert dar, an dem der einzelne Anleger partizipiert. Warum dieses Konzept zur ergänzenden Altersvorsorge ungeeignet sein soll, wird vom Kläger nicht schlüssig dargelegt.

2. Nach ständiger Rechtsprechung des Oberlandesgerichts München weist der Prospekt des streitgegenständlichen Fonds keine Fehler auf (vgl. OLG München, 15 U 4459/14, 2673/15, 20 U 3807/15). Zu den insoweit erhobenen Rügen des Klägers im Einzelnen:

a) Dass die Anlage eine sichere Altersvorsorge sei, wird im Prospekt in dieser Form nicht behauptet. Auf Seite 13 des Prospekts wird unter Ziffer 1 lediglich ausgeführt, dass es mit dem Angebot gelungen sei, die (unterschiedlichen) Interessen von Großanlegern (möglichst steuerlich optimierte und hoch rentierliche Investitionen mit optimaler Chancenauswertung und "vergleichsweise geringem Risiko") und "Immobilieneinsteigern" ("sicherer Vermögensaufbau") "aufeinander abzustimmen". Auf Seite 18 des Prospekts wird die vom Kläger gewählte Anlageform "Immorente Plus" als ideale Anlageform für den Aufbau einer zusätzlichen Altersvorsorge beschrieben. Durch die (prognostizierten) Barausschüttungen nach Volleinzahlung würden sich "ein sinnvolles Zusatzeinkommen und ein respektables Polster für den Ruhestand" ergeben. Diese Aussagen relativieren oder verharmlosen die vorausgegangenen Risikohinweise nicht.

b) Soweit die Klagepartei meint, das Anlagekonzept sei bereits deshalb unschlüssig, weil die Weichkostenquote die Schwelle von 15% deutlich überschritten habe und ein entsprechender Hinweis auf die Unschlüssigkeit im Prospekt fehle, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Insbesondere ergibt sich ein derartiger Rechtsgrundsatz auch nicht aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12. Februar 2004 (III ZR 359/02, NJW 2004, 1732). Dort hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass in einem Emissionsprospekt Vergütungen, die der Veräußerer an eine von ihm beauftragte Vertriebsgesellschaft zahlt, offengelegt werden müssen, wenn sie 15% des vermittelten Kommanditkapitals überschreiten; weitergehende Forderungen hinsichtlich der Schlüssigkeit des Anlagekonzepts ergeben sich aus der zitierten Entscheidung nicht.

Im Übrigen lässt sich aus einer Weichkostenquote von über 15% auch nicht zwingend auf eine Unschlüssigkeit des Anlagekonzepts schließen. Auch wenn zuzugestehen ist, dass sich aus der Existenz und der Höhe solcher Innenprovisionen - die als solche nicht die Gegenleistung für die Schaffung von Sachwerten darstellen - Rückschlüsse auf eine geringere Werthaltigkeit des Objekts und Rentabilität der Anlage ergeben können, müssen für die Annahme der Unschlüssigkeit des Anlagekonzeptes weitere Umstände vorliegen. Der Bundesgerichtshof hat dies in der zitierten Entscheidung für den Fall bejaht, dass nicht nur Provisionszahlungen der Objektgesellschaft an die Vertriebsfirma als Teil des "Gesamtaufwands" fließen, sondern auch Provisionszahlungen an ein in das Anlagemodell einbezogenes Unternehmen, das seinerseits das betreffende Objekt (Grundstück und Bauvorhaben) an die Objektgesellschaft veräußert hat, wobei bei diesem Veräußerungsvorgang keine eigentliche geldwerte "Vermittlung" stattfindet (BGH, aaO, juris Rn. 28) . Für ein vergleichbares Konstrukt besteht hier kein Anhaltspunkt. Zudem hängt letztlich die Rentabilität des Anlagekonzepts bei einem geschlossenen Immobilienfonds vorrangig von der Qualität der Immobilie, insbesondere von deren dauerhafter Vermietung zu auskömmlichen Mieten ab und unterliegt damit einer Einzelfallbewertung.

Die Angaben zu den sog. Weichkosten sind auch nicht unzureichend oder irreführend. Ein Prospekt ist fehlerhaft, wenn der Anleger dem Prospekt den für seine Anlageentscheidung wesentlichen Umstand, in welchem Umfang seine Beteiligung nicht in das Anlageobjekt fließt, sondern für Aufwendungen außerhalb der Anschaffungs- und Herstellungskosten verwendet wird, nicht ohne weiteres entnehmen kann. Mit den Anforderungen an einen wahrheitsgemäßen, vollständigen und verständlichen Prospekt ist es nicht zu vereinbaren, wenn der Anleger zur Ermittlung des Anteils der Weichkosten erst verschiedene Prospektangaben abgleichen und anschließend eine Reihe von Rechengängen durchführen muss. Nicht erforderlich ist andererseits, dass der Anteil der Weichkosten im Prospekt mit einer Prozentzahl vom Anlagebetrag angegeben wird. Vielmehr genügt es, wenn der Anleger diesen Anteil mittels eines einfachen Rechenschritts feststellen kann (BGH, Beschluss vom 23. September 2014, II ZR 319/13, juris Rn. 37). Dem genügt die Darstellung auf den Seiten 29 - 31 des Prospekts (ebenso OLG München 8 U 4495/14 und 18 U 4493/14). Dort sind die anfallenden Vergütungen für Dienstleistungen und Garantien aufgelistet und ergeben eine Gesamtsumme von € 20.301.00,00. Ins Verhältnis gesetzt zur Gesamtinvestitionssumme von € 237.999.262,00, die auf Seite 29 des Prospekts aufgeschlüsselt ist, ergibt sich ein Anteil von 8,53%, wie auf Seite 30 des Prospekts zutreffend ausgewiesen. Auf Seite 69 des Prospekts, auf welchen verwiesen wird ("Zu den Einzelheiten wird auf den Prospektteil "rechtliche Grundlagen" verwiesen"), ist erläutert, dass für die auf Seite 30 genannten Posten Kapitalbeschaffung und Abwicklungsgebühr insgesamt 15% des von den Anlegern gezeichneten Eigenkapitals verwendet wird. Für die Vermittlung und Einwerbung der stillen Beteiligungen wird eine Vergütung in Höhe von 8% der von den stillen Gesellschaftern gezeichneten Beteiligungen fällig. Ferner wird der Anleger darauf hingewiesen, dass weitere 1,5% des von den Anlegern einzuwerbenden Beteiligungskapitals bzw. 0,5% der Beteiligungssumme der stillen Gesellschafter auf die auf Seite 30 genannte Platzierungsgarantiegebühr entfällt. Ein nur überschlägiger Blick auf die Punkte 5. und 10. der Prospektseite 30 macht deutlich, dass - auch ohne genaue Differenzierung zwischen Anlegern und stillen Gesellschaftern - mit einer Weichkostenquote von ca. 20% zu rechnen ist. Die - bezogen auf die Soforteinzahlungen - hohe Weichkostenquote wird damit erkennbar. Wird sie aufgedeckt, liegt aber gerade kein Prospektfehler vor.

c) Ein Prospektfehler ist auch nicht darin zu sehen, dass in dem Prospekt nicht auf Bedenken der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hingewiesen wurde, insbesondere, dass das Anlagemodell im Hinblick auf die Regelung in § 27 Nr. 4 des Gesellschaftsvertrages von der BaFin als erlaubnispflichtiges Einlagengeschäft im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG eingestuft werden könnte. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss zwar auf bankenrechtliche Bedenken in Bezug auf in Anlageverträgen vereinbarte Regelungen nicht nur dann hingewiesen werden, wenn diese Bedenken objektiv begründet sind. Es reicht vielmehr aus, dass an der Rechtmäßigkeit ernsthafte Zweifel bestehen, da schon diese Zweifel für eine Anlageentscheidung von Bedeutung sein können (BGH, Urteil vom 3. Dezember 2007, II ZR 21/06, juris Rn. 9). Ernsthafte Zweifel an der Vereinbarkeit der Regelung in § 27 Nr. 4 des Gesellschaftsvertrages mit § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG waren indes ex ante, also zu der Zeit, zu der der Kläger für seine Beteiligung geworben wurde, d.h. am 2. August 2004 nicht begründet. Eine Beanstandung durch die BaFin erfolgte zum einen erst mit Schreiben vom 7. Oktober 2005 (K 6, K 10). Zum anderen mussten die Beanstandungen der BaFin in Bezug auf Fonds der Göttinger Gruppe auf Seiten der Beklagten ebenfalls nicht zu ernsthaften Zweifeln führen, nachdem dort die ratierliche Auszahlung eines Auseinandersetzungsguthabens beanstandet wurde, während die hier inmitten stehende Auszahlung in einer Summe von der BaFin im Rahmen des anschließenden verwaltungsgerichtlichen Prozesses dort gerade nicht beanstandet, sondern eine entsprechende Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens in einer Summe vergleichsweise vereinbart wurde (vgl. BGH, Urteil vom 21. März 2005, II ZR 140/03, juris Rn. 5).

3. Dass der Prospekt dem Kläger nicht rechtzeitig vor der Zeichnung übergeben worden wäre, konnte der insoweit beweisbelastete Kläger nicht nachweisen. Der Zeuge S. hat ausgesagt, er habe dem Kläger - wie ausnahmslos sämtlichen Kunden - den Emissionsprospekt am Ende des ersten Beratungsgesprächs entweder per pdf, Stick oder zum Herunterladen zur Verfügung gestellt. Die Aussage des Zeugen war glaubhaft, der Zeuge hat in seiner Vernehmung auch einen glaubwürdigen, insbesondere äußerst pflicht- und verantwortungsbewussten Eindruck hinterlassen. Auch der Kläger hat - entgegen seinem schriftsätzlichen Vortrag - die Aussage des Zeugen bestätigt, dass mehrere Beratungsgespräche über die streitgegenständliche Anlage stattgefunden haben. Der eigenen Erklärung des Klägers außerhalb eines Beratungsgesprächs in dem ihm postalisch zugesandten Beitrittsformular, den Prospekt vor der Zeichnung erhalten zu haben, kommt zusätzliches Gewicht zu und bestätigt die Angaben des Zeugen. Dass der Kläger - wie vom Zeugen angegeben - das Beitrittsformular nach der Beratung per Post erhalten hat, wird durch die vom Kläger selbst vorgelegte Anlage K 19 bestätigt.

4. Darüber hinaus hat der Zeuge S. glaubhaft und glaubwürdig bekundet, den Kläger strikt auf der Grundlage des Prospekts beraten und auch auf Risiken der Anlage hingewiesen zu haben. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die gebotene Risikoaufklärung auch in der Form erfolgen, dass der Anlagevermittler den Anlageinteressenten über die für die Anlageentscheidung bedeutsamen Umstände mündlich auf Grundlage des Prospekts unterrichtet. In diesem Fall fließt der Prospektinhalt in das einzelne Werbegespräch ein. Die Prospektaussagen setzen sich damit in das Beratungsgespräch hinein fort und wirken genauso, wie wenn dem Kläger der Prospekt rechtzeitig übergeben worden wäre und er kein Gespräch mit dem Anlagevermittler geführt, sondern sich allein aus dem Prospekt informiert hätte (BGH, Urteil vom 3. Dezember 2007, II ZR 21/06, juris Rn. 18).

Eine - hier schon nicht nachgewiesene - verspätete Prospektübergabe könnte folglich nur dann zu einer Aufklärungspflichtverletzung führen, wenn der Kläger konkret dargelegt und bewiesen hätte, dass die mündliche Risikoaufklärung an Hand des Prospektes unvollständig gewesen sei, also wesentliche Gesichtspunkte, auf die im Prospekt hingewiesen wird, in dem Vermittlungsgespräch nicht erörtert wurden. Hier hat der Kläger in seiner Anhörung vor dem Landgericht mitgeteilt, er könne sich nicht erinnern, ob über andere Risiken als das Risiko von Wertschwankungen der Beteiligung und der mangelnden Bezifferbarkeit der Rendite gesprochen worden sei, hat dies also nicht ausgeschlossen. Soweit er eine Aufklärung über das im Prospekt zu Beginn auf Seiten 9 ff. in einer Übersicht und in dem Kapitel "Chancen und Risiken" auf Seiten 72 ff. behandelten Totalverlustrisiko verneint hat, steht Aussage gegen Aussage. Eine Überzeugung dahingehend, dass die Einlassung des Klägers glaubhafter wäre als die des Zeugen konnte der Senat sich nicht bilden. Dass die Provision der Beklagten bei - aufklärungspflichtigen - 15% lag, hat diese bestritten und wurde vom Kläger nicht nachgewiesen. Damit kann der hierfür beweisbelastete Kläger eine fehlerhafte Beratung jedenfalls nicht nachweisen.

5. Auf die - hier wohl nicht eingetretene - Verjährung etwaiger klägerischer Ansprüche kommt es mithin nicht an.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Der Streitwert ergibt sich aus dem Wert der im Streit stehenden Beteiligung.

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