I.
Die einstweilige Verfügung des Landgerichts München I vom 09.05.2016, Az.: 33 O 7366/16, wird aufgehoben und der Antrag auf deren Erlass zurückgewiesen.
II.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Das Urteil ist in Ziffer II. vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Antragstellerin macht gegen die Antragsgegnerin einen urheberrechtlichen Unterlassungsanspruch im einstweiligen Verfügungsverfahren geltend.
Die Antragstellern ist ein Medienunternehmen und nach ihrem eigenen, von der Antragsgegnerin nicht ausdrücklich bestrittenen Sachvortrag Inhaberin des ausschließlichen Rechts zur öffentlichen Zugänglichmachung im Internet bezüglich der Dokumentation "..." der Produzentin ... (vgl. Rahmenlizenzvertrag nebst Anlage, Anlagen ASt 1 und ASt 2 sowie eidesstattliche Versicherung, Anlage ASt 5).
Die Antragsgegnerin betreibt unter der Bezeichnung "..." im Internet unter https//... einen Streaming-Dienst, über den sie ihren Nutzern in mehreren europäischen Ländern den Empfang von Fernsehprogrammen, u. a. am PC, ermöglicht. Zu den empfangbaren Fernsehprogrammen gehört u. a. auch der Empfang des Senders ...
Mit anwaltlichem Schreiben vom 25.04.2016 ließ die Antragstellerin die Antragsgegnerin abmahnen und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auffordern (vgl. Abmahnung, Anlage ASt 7). Mit anwaltlichem Schreiben vom 02.05.2016 ließ die Antragsgegnerin die Abmahnung der Antragstellerin vom 25.04.2016 beantworten (vgl. Schreiben, Anlage AG 1). Das Schreiben wurde dem Antragstellervertreter noch am selben Tag per Fax übermittelt (vgl. Sendebericht, Anlage AG 2), welcher mit Schreiben vom 02.05.2016 den Empfang des Schreibens bestätigte (vgl. Schreiben, Anlage AG 3 und nachfolgende Korrespondenz, Anlagen AG 4 und AG 5). Auf telefonischen Hinweis des Kammervorsitzenden vom 04.05.2016, dass mitzuteilen sei, ob und welche Reaktion der Antragsgegnerin auf die Abmahnung erfolgt sei (vgl. Telefonvermerk, Bl. 12 d. A.), teilte der Antragstellervertreter mit Schriftsatz vom 04.05.2016 mit: "Es erfolgte auf die Abmahnung vom 25.04.2016 keine Reaktion der Antragsgegnerin." Auf einen entsprechenden richterlichen Hinweis in der mündlichen Verhandlung vom 24.01.2017 auf ein möglicherweise rechtsmissbräuchliches Verhalten erklärte der Antragstellervertreter, dass aus seiner Sicht seinerzeit tatsächlich keine geeignete Reaktion der Antragsgegnerin auf die Abmahnung vorgelegen habe (Bl. 74 d. A.).
Auf Antrag der Antragstellern vom 02.05.2016 hat die Kammer am 09.05.2016 die auf Blatt 17/19 der Akte befindliche Beschlussverfügung erlassen und mit dieser der Antragsgegnerin bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel
"verboten, die Dokumentation "..." gegenüber Internetnutzern in Deutschland im Internet zeitgleich mit einer Sendung im frei empfangbaren Fernsehen öffentlich wiederzugeben, wie geschehen über den Dienst "..." am 16.04.2016, 20:15 Uhr im Programm des Senders ... und mittels Anlage ASt 4 dokumentiert;"
Hiergegen richtet sich der Widerspruch der Antragsgegnerin:
Die Antragsgegnerin meint, die einstweilige Verfügung des Landgerichts München I sei zu Unrecht ergangen. Es habe zu keinem Zeitpunkt ein Verfügungsanspruch bestanden. Die Antragstellerin habe keinen Anspruch auf Unterlassung und trage teilweise unvollständig bzw. unwahr vor. Sie vergesse darzustellen, dass bereits Verhandlungen zwischen den Parteien stattgefunden hätten und seit mehr als zwei Jahren verschiedene außergerichtliche und gerichtliche Streitigkeiten zwischen den Parteien ausgetragen worden seien bzw. ausgetragen würden (vgl. dazu im Einzelnen S. 2/21 des Schriftsatzes vom 31.10.2016, Bl. 36/55 d. A.). Darüber hinaus habe die Antragsgegnerin die streitgegenständliche Sendung nicht weiterverbreitet. Entgegen den Behauptungen der Antragstellerin habe die Antragsgegnerin die Sendung zu den vorgegebenen Sendezeiten geschwärzt. Da der behauptete Unterlassungsanspruch bereits am Vorliegen einer Rechtsverletzung scheitere, komme es auf die Frage der Rechteinhaberschaft hier nicht an; ebenso wenig auf die Frage des einschlägigen Nutzungsrechts. Maßgeblich sei allein die Tatsache, dass die streitgegenständliche Sendung von der Antragsgegnerin innerhalb der angegebenen Sendezeit nicht weiterverbreitet worden sei (vgl. dazu im Einzelnen S. 22/32 des Schriftsatzes vom 31.10.2016, Bl. 56/66 d. A.).
Die Antragsgegnerin beantragt daher:
Aufhebung der einstweiligen Verfügung des Landgerichts München I vom 09.05.2016 und Zurückweisung des Antrags der Antragstellerin vom 02.05.2016 auf Erlass der einstweiligen Verfügung
Die Antragstellerin beantragt:
Aufrechterhaltung der einstweiligen Verfügung
Die Antragstellerin behauptet, sie habe die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 27.01.2014 vollumfänglich über ihren Rechtekatalog informiert. Gleichwohl habe die Antragsgegnerin das streitgegenständliche Werk nicht geschwärzt, vielmehr sei die Dokumentation "..." am 16.04.2016 um 20:15 Uhr im Programm des Senders ... ausgestrahlt und zeitgleich über den von der Antragsgegnerin betriebenen Dienst "..." im Internet wiedergegeben worden (vgl. Programmankündigung, Anlage ASt 3 sowie Screenshots, Anlage ASt 4). Die Übertragung des Programmes des Senders ... sei gleichzeitig mit der Ausstrahlung im frei empfangbaren Fernsehen erfolgt. Unstreitig habe die Antragsgegnerin jedoch bei der Antragstellerin bezüglich des monierten Werks zu keiner Zeit die erforderlichen Nutzungsrechte zur öffentlichen Zugänglichmachung im Internet eingeholt. Eine Einholung dieser Rechte zur Verbreitung über das Internet wäre seitens der Antragsgegnerin aber zwingend notwendig, da eine Kabelweitersendung im Sinne von § 20b UrhG gerade nicht gegeben sei. Der Antragstellerin stehe danach gegen die Antragsgegnerin ein Unterlassungsanspruch aus §§ 97 Abs. 1, 2 Abs. 1 Nr. 6 und Abs. 2, 15 Abs. 2 UrhG wegen der streitgegenständlichen Nutzung der Dokumentation zu. Die Wiederholungsgefahr werde aufgrund der bereits begangenen Rechtsverletzungen durch die Antragsgegnerin vermutet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die wechselseitigen Schriftsätze samt Anlagen und die Sitzungsniederschrift vom 24.01.2017 Bezug genommen.
Die einstweilige Verfügung war auf den Widerspruch der Antragsgegnerin hin aufzuheben.
I.
Ungeachtet der Frage, ob im vorliegenden Fall das Bestehen eines Verfügungsanspruchs angesichts der substantiierten Einwendungen der Antragsgegnerin überhaupt noch als hinreichend glaubhaft gemacht angesehen werden kann, ist die Beschlussverfügung schon deshalb aufzuheben, weil sie durch den Antragstellervertreter, dessen Verhalten der Antragstellerin zuzurechnen ist, rechtsmissbräuchlich unter Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) erwirkt worden ist.
1. Mit Verfügungsantrag vom 02.05.2016 hat der Antragstellervertreter für die Antragstellerin beantragt, die Verbotsverfügung wegen besonderer Dringlichkeit ohne vorherige mündliche Verhandlung zu erlassen. Diesem Antrag hat die Kammer in pflichtgemäßer Ermessensausübung mit Beschlussverfügung vom 09.05.2016 unter Zugrundelegung des Antragstellervortrags nach Abwägung der beiderseitigen Interessen entsprochen.
2. In § 937 Abs. 2 ZPO geht das Gesetz davon aus, dass die Entscheidung über den Verfügungsantrag aufgrund einer mündlichen Verhandlung den Regelfall darstellt und hiervon in besonders dringenden Fällen, in denen für den Antragsteller nach seinem glaubhaft gemachten Vorbringen die mit der Terminsanberaumung verbundene Verzögerung nicht hinnehmbar ist, abgewichen werden kann. Dem sind die Fallgestaltungen gleich zu steilen, in denen die Gefahr besteht, dass durch eine vorherige Zustellung des Verfügungsantrags der Zweck des einstweiligen Rechtsschutzes in Frage gestellt wird. Die gerichtliche Praxis im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes negiert diesen Grundsatz weitgehend, da die Beschlussverfügung in diesem Bereich den Regelfall darstellt und eine mündliche Verhandlung meist nur dann anberaumt wird, wenn es sich um einen umfangreichen oder komplex gelagerten Sachverhalt handelt, eine Zurückweisung des Antrags im Beschlusswege nicht in Betracht kommt oder aus sonstigen Gründen eine mündliche Verhandlung angezeigt erscheint. Das gesetzliche Regel-Ausnahmeverhältnis wird damit umgekehrt, wobei im Rahmen des dem Gericht zustehenden Ermessens eine Interessenabwägung für erforderlich gehalten wird, welche Nachteile und Beeinträchtigungen der Antragsgegner erleiden kann, wenn ohne mündliche Verhandlung entschieden wird und sein Anspruch auf rechtliches Gehör nur in einem nachfolgenden Widerspruchsverfahren gewahrt werden kann. Ebenso sei zu berücksichtigen, ob aufgrund der eindeutigen Sachlage hinsichtlich der Beurteilung des Verfügungsanspruchs damit gerechnet werden kann, dass die Beschlussverfügung mangels erheblicher Einwendungen des Antragsgegners voraussichtlich Bestand haben wird und deshalb die mit einer Terminierung verbundene Zeitverzögerung den Erlass des erstrebten Verbots somit nur hinauszögern würde. Bei der Frage, ob die Interessenlage der Parteien eine Entscheidung im Beschlusswege -insbesondere eine solche ohne Anhörung des Antragsgegners - erfordert bzw. sachgerecht erscheinen lässt, ist auch zu berücksichtigen, ob zuvor eine Abmahnung erfolgt ist und der Antragsgegner daher die Möglichkeit hatte, sich gegenüber dem Abmahnenden zu äußern (vgl. Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Refzer, UWG, 4. Auflage, § 12 Rdnr. 374 ff.).
3. Vorliegend hat die Kammer dem Umstand, ob und gegebenenfalls welche Reaktion der Antragsgegnerin auf die Abmahnung erfolgt ist, maßgebliche Bedeutung zugemessen, was sich nicht zuletzt daran zeigt, dass der Kammervorsitzende beim Antragstellervertreter vor der Entscheidung ausdrücklich nachgefragt hat, ob die Antragsgegnerin auf die Abmahnung reagiert habe. Es kann in diesem Zusammenhang offen bleiben, ob schon die Nichtvorlage der Abmahnungsbeantwortung in der Antragsschrift entgegen den üblichen Gepflogenheiten und entgegen der ausdrücklichen Bitte der Antragsgegnervertreter in dem genannten Schreiben als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist. Denn ein klarer Fall des Rechtsmissbrauchs liegt jedenfalls in der Titelerschleichung unter Umgehung der prozessualen Wahrheitspflicht (vgl. zur Titelerschleichung MüKo/Braun, ZPO, 5. Auflage, Vor § 578 Rdnr. 12): Indem der Antragstellervertreter die gerichtliche Nachfrage nach einer Reaktion der Antragsgegnerin wahrheitswidrig verneint hat, hat er die von der Kammer als relevant angesehene Beteiligung der Antragsgegnerin an der Entscheidungsfindung vereitelt (vgl. auch KG, Urteil vom 11.10.2016, Az.: 5 U 139/15 = BeckRS 2016, 20975 sowie OLG Hamburg, GRUR 2007, 614 - forum-shopping). Wäre der Kammer die Abmahnungsbeantwortung der Antragsgegnerin zur Kenntnis gelangt, hätte sie vor einer Entscheidung jedenfalls eine weitergehende Glaubhaftmachung der Aktivlegitimation und der behaupteten öffentlichen Wiedergabe verlangt. Dies wollte der Antragstellervertreter - wohl nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund der bereits gegen die Antragstellerin ergangenen Entscheidungen in den gegen die Antragsgegnerin an anderen Gerichtsständen geführten Parallelverfahren - ersichtlich vermeiden. Das aber ist rechtsmissbräuchlich, weshalb die Beschlussverfügung der Kammer vom 09.05.2016 keinen Bestand haben kann.
Ob der Antragstellervertreter die Antwort auf die Abmahnung als "nicht geeignet" angesehen hat, ist unerheblich. Zum einen obliegt die Beurteilung der Relevanz tatsächlicher und rechtlicher Ausführungen nicht dem Antragstellervertreter, sondern dem Gericht. Zum anderen rechtfertigt dies nicht den schlicht falschen Vortrag, es sei keine Reaktion der Antragsgegnerin erfolgt.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO (vgl. Musielak/Voit/Huber, ZPO, 13. Auflage, § 925 Rdnr. 7). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.