AG Neu-Ulm, Endurteil vom 23.02.2015 - 8 C 1563/14
Fundstelle
openJur 2020, 69425
  • Rkr:
Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 90,70 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 14.01.2015 zu bezahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.

Die von der Klägerin aus abgetretenem Recht geltendgemachte restliche Forderung von Sachverständigenhonorar ist begründet. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach für das Verkehrsunfallereignis im Bezirk des AG Neu-Ulm ist ebenso unstreitig, wie die Tatsache, dass die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Schadensbeurteilung und -behebung erforderlich war.

I.

Die Klägerin ist aktivlegitimiert.

1.

Die Abtretung ist wirksam.

Die abgetretene Forderung ist nach Maßgabe der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH, VersR 2011,1008) hinreichend genau bestimmt bzw. bestimmbar. Aus der Abtretung des Geschädigten an den Sachverständigen und aus der Weiterabtretung an die Klägerin, die in dem vorgelegten Gutachtensauftrag gemäß Anlage K3 enthalten ist, ergibt sich der Umfang der von der Abtretung erfassten Forderung der Höhe und der Reihenfolge nach. Insbesondere ist klar, dass und in welcher Reihenfolge die Forderungen des Geschädigten bis zur Höhe des Sachverständigenhonorars herangezogen werden. Es bleibt also insoweit nicht unklar, welche Einzelforderung in welcher Höhe zur Erfüllung des klägerischen Anspruchs dient.

2.

Die Abtretungen verstoßen auch nicht gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG). Soweit die Abtretung des Geschädigten an den Sachverständigen betroffen ist, handelt es sich -auch wenn man vom Vorliegen einer Rechtsdienstleistung ausgeht- jedenfalls um eine nach § 5 11 RDG erlaubte Nebenleistung, da vorliegend die Haftung dem Grunde nach unstreitig ist und insoweit ein Zusammenhang der Forderungseinziehung mit der Haupttätigkeit des Sachverständigen besteht (vgl. insoweit zur Einziehung von Mietwagenkosten durch Mietwagenunternehmen: BGH, VersR 2012, 458). Hinsichtlich der Weiterabtretung hat die Klägerin unstreitig eine entsprechende Inkassoerlaubnis.

II.

Die Beklagte dringt mit den Einwendungen gegen die zwischen dem Geschädigten und dem Sachverständigen werkvertraglich vereinbarten Honorarpositionen im vorliegenden Prozess nicht durch.

1.

Dem Grunde nach sind Kosten eines eingeholten Sachverständigengutachtens, allgemeiner Meinung nach, erstattungsfähig. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtssprechung sind Sachverständigenkosten vom Schädiger gemäß § 249 Abs. 2 Satz. 1 BGB zu ersetzen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen erforderlich und zweckmäßig ist (Vgl. BGHZ 115, 364, 367). Das ist auch vorliegend nicht im Streit.

Der erforderliche Herstellungsaufwand, zu dem auch die Sachverständigenkosten zählen, wird dabei nicht nur durch Art und Ausmaß des Schadens, sondern auch von den Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten mitbestimmt. In diesem Sinn ist der Schaden subjektbezogen zu bestimmen. Es kommt mithin für die Frage der Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit der Begutachtung auf die Sicht des Geschädigten zum Zeitpunkt der Beauftragung des Sachverständigen an.

Solange für den Geschädigten als Laien nicht erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar geradezu willkürlich festsetzt, Preis und Leistung in einem auffälligen Mißverhältnis stehen, oder dem Geschädigten selbst ein Auswahlverschulden zu Last fällt, kann der Geschädigte vom Schädiger, bzw. dessen Haftpflichtversicherung Ausgleich gezahlter Aufwendungen oder Freistellung hiervon verlangen (so: OLG Naumburg, NZV 2006, Seite 546, 548 m. w. N.). Eine "Markterforschung" vor Erteilung des Gutachtensauftrags an den Sachverständigen ist dem Geschädigten nicht zumutbar und auch praktisch nicht durchführbar. Es fehlt - anders als etwa im Mietwagengeschäft - bei Kraftfahrzeugsachverständigen an einheitlichen Abrechnungsmodalitäten oder Preislisten, an den sich ein Geschädigter hinsichtlich der Frage der Angemessenheit der vereinbarten /üblichen Honorarforderung orientieren könnte.

Auf die Frage, ob die Sachverständigenhonorarforderung überhöht ist, kommt es im Verhältnis zum Geschädigten daher nicht an, soweit nicht ein oben angeführter Fall der für den Geschädigten erkennbar überhöhten Abrechnung vorliegt, da die vorgelegte Rechnung dann -aber auch nur dann- hinsichtlich der Erforderlichkeit des Rechnungsbetrages zur Schadensbehebung keine Indizwirkung für eine Schätzung des Schadensaufwands gem. § 287 ZPO mehr entfaltet. Nicht entscheidend kann es nach Dafürhalten des Gerichts darauf ankommen (wie wohl die Beklagtenseite unter Bezug auf die Entscheidung des BGH v. 22.07.2014, VI ZR 357/13, veröffentlicht in r+s 2014, 630ff. [dort vermutlich Tz. 20] meint), ob der Geschädigte die Rechnung bereits bezahlt hat oder nicht.

Wenn kein solcher Fall der für den Geschädigten erkennbar überhöhten Honorarvereinbarung vorliegt (womit wie dargestellt die Rechnung des Sachverständigen dann auch keine Indizwirkung für die Erforderlichkeit der geltend gemachten Aufwendungen im Rahmen der subjektbezogenen Schadensbetrachtung hätte, vgl. hierzu: BGH v. 11.02.2014, VI ZR 225/13, NJW2014, 1947 und BGH v. 22.07.2014, VI ZR 357/13, r+s 2014, 630 ff.), muß im Rahmen der Feststellung des erforderlichen Betrages zur Schadensbehebung gem. § 249 II 1 BGB die Frage der Angemessenheit der Höhe des Sachverständigenhonorars außen vor bleiben und es kann von Schädigerseite allenfalls eingewendet werden, dass der Geschädigte seiner Schadensminderungspflicht nicht nachgekommen ist.

Weder trägt die Beklagtenseite substantiiert vor, dass für den Geschädigten von vornherein erkennbar dieser sich auf überhöhte Preise eingelassen hat, noch bestehen für einen Verstoß des Geschädigten gegen seine Schadensminderungspflicht greifbare Anhaltspunkte. Der Vortrag der Beklagtenseite geht im Kern dahin, dass die in Rechnung gestellten Preise in einzelnen Positionen zum Teil überhöht sind.

Damit ist dem erforderlichen Vortrag zu einem möglichen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht nach Ansicht des Gerichts nicht genügt, da insbesondere Vortrag erforderlich wäre, dass die in Rechnung gestellten Gesamtkosten des beauftragten Sachverständigengutachtens über den üblicherweise verlangten Honorarsätzen vergleichbarer Sachverständigengutachten liegen.

Nach Ansicht des Gerichts käme es bei der Frage des Schadensminderungseinwands nämlich entscheidend darauf an, dass die Gesamtkosten des Sachverständigengutachtens noch angemessen sind und diese sich in vernünftigem Rahmen halten (vgl. hierzu auch Heßeler, Erforderlichkeit von Sachverständigenhonoraren, NJW2014, 1916).

2.

Im Übrigen ist festzustellen, dass dieser Einwand zum Teil überhöhter Abrechnungspositionen in der Honorarrechnung Einwendungen aus dem Vertragsverhältnis zwischen Geschädigtem und Sachverständigen betrifft.

Diese Einwendungen der Beklagten, die dahin gehen, dass die werkvertraglich vereinbarten Positionen überhöht seien, gehen im vorliegenden Verfahren ins Leere, weil sie nur das Vertragsverhältnis Geschädigter und Sachverständiger betreffen.

Die Beklagte könnte sich zwar etwaige Rechte des Geschädigten aus dem Werkvertragsverhältnis gegen den Sachverständigen wegen möglicher überhöhter Abrechnung (etwa aus §§ 280, 631 Abs. 1 BGB) gemäß § 255 BGB abtreten lassen, was sie dann auch im Falle einer Zession dem neuen Zessionar entgegenhalten könnte, § 404 BGB. Die Beklagte würde dann insoweit bei einer etwaigen Rückforderung/Aufrechnung gegenüber dem Sachverständigen darlegen und beweisen können, dass und aus welchen Gründen das Honorar zu hoch bemessen sein soll.

Dass eine Abtretung erfolgt ist, ist allerdings nicht ersichtlich, so dass Einwendungen aus dem Gutachtensauftragsverhältnis unberücksichtigt bleiben müssen.

Der Einwand der Beklagten unter Verweis auf die Entscheidungen des OLG Dresden vom 19.02.2014 (7 U 111/12) und BGH v. 13.01.2009 (VI ZR 205/08), dass die beklagte Versicherung in den Schutzbereich des zwischen dem Sachverständigen und Geschädigten abgeschlossenen Vertrags einbezogen ist und die Versicherung deshalb direkt gegenüber dem Sachverständigen Schadensersatz beanspruchen kann, bzw. Einwendungen aus dem Gutachterauftragsverhältnis zwischen Geschädigtem und Sachverständigem direkt vorbringen könnte, greift nach Ansicht des Gerichts vorliegend nicht durch.

Denn anders als die gutachterlichen Sorgfaltspflichten bei der Ermittlung zur Schadenshöhe bestehen die (vor-)vertraglichen (Aufklärungs-)Pflichten des Gutachters gegenüber dem Geschädigten anlässlich der Gutachtensauftragserteilung nicht zugunsten der Versicherung. Ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten der Beklagten liegt insoweit nicht vor.

3.

Auch unter dem beklagtenseits angeführten Gesichtspunkt der erfolgten Abtretung/Abtretungskette ergibt sich nichts anderes. In dem Umfang, in dem die Forderung entstanden ist, kann sie auch abgetreten werden. Durch die Abtretung wandelt sich der der Ersatzanspruch des Geschädigten auch weder um, noch verändert er sich in seinem Rechtsgrund als Schadensersatzanspruch.

Damit ist nach Einschätzung des Gerichts die Rechnung vom 14.11.2014 (Anlage K2) als geeignete Schadensschätzgrundlage heranziehbar und das Gericht setzt gem. § 287 ZPO diesen dort abgerechneten Betrag von 630,70 € als ersatzfähigen Schaden an. Nachdem bereits 540,00 € ausgeglichen wurden, ergibt sich der in Ziff. 1 tenorierte Betrag von 90,70 €.

III.

Die Verurteilung zur Zahlung der Nebenforderung gründet sich auf §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

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