AG Garmisch-Partenkirchen, Endurteil vom 17.10.2016 - 5 C 449/16
Fundstelle
openJur 2020, 69271
  • Rkr:
Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 1.173,82 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 537,03 € seit 07.06.2016 und aus weiteren 636,79 € seit 01.07.2016 sowie weitere vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 270,13 € zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leisten.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 1.173,82 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Umlegbarkeit von Baumfällkosten.

Zwischen den Klägern und der Beklagten besteht ein Wohnraummietverhältnis, wobei die Kläger Mieter und die Beklagte Vermieterin ist.

Im Rahmen der mietvertraglichen Vereinbarung haben die Streitparteien die Umlage der Betriebskosten gemäß Betriebskostenverordnung vereinbart.

Mit Abrechnung vom 30.05.2016 hat die Beklagten die Betriebskosten für den Zeitraum vom 01.01.2015 bis zum 31.12.2015 abgerechnet. Hierbei hat die Beklagte Baumfällkosten in Hohe von insgesamt 2.225,50 € in Ansatz gebracht, wobei auf die Kläger anteilig umgerechnet auf die Wohnfläche 1.173,82 € entfielen.

Hierbei wurde ein Teilbetrag in Höhe von 537,03 € seitens der Beklagten mit einem ansonsten vorhanden Restguthaben aus Vorauszahlungen verrechnet und ein weiterer Teilbetrag in Höhe von 636,79 € mit dem Mietzins für Juli 2016 zum 01.07.2016 € aufgrund bestehender Einzugsermächtigung vom Konto der Kläger abgebucht.

Die Baumfällkosten, welche der Höhe nach unstreitig sind, wurden von der Beklagten für das Fällen einer ca. 65 Jahre alten Esche aufgewendet, wobei diese Arbeiten durch die Marktgemeinde Garmisch-Partenkirchen bei gleichzeitiger Vornahme einer Ersatzbepflanzung auf Grund der bestehenden Baumschutzverordnung vorgeschrieben wurde.

Nachdem die Kläger der Einstellung der Baumfällkosten in die Betriebskostenabrechnung widersprochen haben, hat die Beklagte mit Schreiben vom 07.06.2016 ihren Rechtsstandpunkt abschließend dargelegt und dabei die Auffassung vertreten, dass es sich um umlegbare Kosten der Gartenpflege nach § 2 Nr. 10 der Betriebskostenverordnung handeln würde.

Die Kläger hingegen vertreten die Auffassung, dass die Kosten für das Fällen eines 65 Jahre alten Baumes keine laufenden Kosten seien, sondern vielmehr nicht umlagefähige Instandhaltungskosten nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 der Betriebskostenverordnung.

Die Kläger beantragen,

Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 1.173,82 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 07.06.2016 sowie weitere vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten In Höhe von 338,56 € zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

Die Klage wird abgewiesen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist nahezu vollumfänglich begründet.

Den Klägern steht ein Anspruch auf Rückzahlung von den seitens der Beklagten in Rechnung gestellten Kosten für Baumfällarbeiten in Höhe von 1.173,82 € aus ungerechtfertigter Bereicherung nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB zu, da es sich hierbei nicht um umlagefähige Kosten der Gartenpflege i.S.d. § 2 Nr. 10 BetrKV handelt.

Die Frage der Umlagefähigkeit von Kosten für Baumfällarbeiten wird in der Rechtsprechung nicht einheitlich beurteilt, wobei eine obergerichtliche Entscheidung betreffend die Thematik bisher nicht existiert.

Das Gericht vertritt dabei der Auffassung an, dass im konkreten Fall diese Kosten nicht umlagefähig sind und lässt sich dabei von folgenden Erwägungen leiten:

Gem. § 1 Abs. 1 BetrKV unterfallen u.a. solche Kosten den Betriebskosten, die dem Eigentümer durch das Eigentum am Grundstück oder durch den bestimmungsmäßigen Gebrauch des Grundstücks laufend entstehen. Nicht zu den Betriebskosten gehören gem. § 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrKV die Kosten, die während der Nutzungsdauer zur Erhaltung des bestimmungsmäßigen Gebrauchs aufgewendet werden müssen, um die durch Abnutzung, Alterung und Witterungseinwirkung entstehenden baulichen oder sonstigen Mängel ordnungsgemäß zu beseitigen, sog. Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten.

Durch das Fällen eines morschen und kranken Baumes beabsichtigt der Grundstückseigentümer, seiner Verkehrssicherungspflicht nachzukommen, wobei gleichzeitig ein unter die Vorschrift des § 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrKV bestehender "sonstiger Mangel" beseitigt werden soll. Darüber hinaus regelt § 1 Abs. 1 BetrKV, dass nur die "laufend" entstehenden Kosten den umlagefähigen Betriebskosten zuzurechnen sind. Gerade um solche handelt es sich bei den Kosten für das Baumfällen indes nicht Hierfür spricht bereits die regelmäßig lange Lebensdauer von Bäumen, die derjenigen von Gebäuden kaum nachsteht, was sich auch im vorliegenden Fall beim Fällen eines ca. 65 Jahre alten Baumes deutlich zeigt.

Hieran ändert sich auch im Ergebnis durch die Vorschrift des § 1 Abs. 2 Nr. 10 BetrKV nichts, wonach die Kosten der Pflege gärtnerisch angelegter Flächen den Betriebskosten unterfallen. Denn § 2 Nr. 10 BetrKV ist nicht allein anhand seines Wortlauts, sondern insbesondere auch im Zusammenhang mit § 1 BetrKV auszulegen. Danach kann es sich bei den Pflegekosten i.S. des § 2 Nr. 10 BetrKV lediglich um laufend entstehende Kosten für den bestimmungsmäßigen Grundstücksgebrauch handeln. § 2 Nr. 10 BetrKV stellt sich insoweit nämlich lediglich als Konkretisierung von § 1 Abs. 1 BetrKV dar. Da Baumfällkosten aber offenkundig nicht laufend entstehen, lässt sich für deren Umlagefähigkeit auch nach § 2 Nr. 10 BetrKV folglich kein von § 1 BetrKV abweichendes Ergebnis herleiten.

Die Verneinung der Umlagefähigkeit von Baumfällkosten auf den Mieter ist schließlich auch aus einem weiteren Grund gerechtfertigt Den Mietverhältnissen über Wohnraum, denen die Rechtsstreitigkeiten über die Umlagefähigkeit ganz überwiegend entspringen, liegt ein soziales Mietrecht zu Grunde. Dieses ist nicht nur durch den Bestandsschutz, sondern insbesondere auch den Preisschutz gekennzeichnet, der verhindern will, dass der Mieter plötzlich und überraschend mit für ihn nicht kalkulierbaren und vorhersehbaren Forderungen des Vermieters überzogen wird. Mit diesem Grundsatz ist es nicht vereinbar, wenn dem Vermieter zum Schütze des Mieters zwar für Mieterhöhungen enge Grenzen gesetzt sind, andererseits aber der Vermieter durch die Umlage von Kosten für das Fällen altersschwacher Bäume die Mieter unvorhersehbar mit einem nicht unerheblichen Geldbetrag belastet, der vorliegend die Höhe einer Monatsmiete sogar noch überschreitet.

Darüber hinaus steht den Klägern ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 270,13 € unter Verzugsgesichtspunkten zu. Die Beklagte befand sich mit endgültiger Ablehnung der streitgegenständlichen Rückzahlungsforderung durch Schreiben vom 07.06.2015 ab diesem Zeitpunkt in Verzug mit der Rückzahlung eines Betrages in Höhe von 537,03 € (Guthaben aus der Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2015) und seit 01.07.2016 nach Einziehung eines weiteren Betrages in Höhe von 636,79 € auch mit diesem Teil der geltend gemachten Forderung.

Den Klägern stehen daher die für seinen Prozessbevollmächtigten getätigten Aufwendungen, namentlich die Geschäftsgebühr nach Ziffer 2300 VV RVG zzgl. Post- und Telekommunikationspauschale sowie Mehrwertsteuer, erhöht um die Gebühr nach Ziffer 1008 VV RVG zu.

Allerdings hält das Gericht lediglich den Ansatz einer 1,5 Geschäftsgebühr nach Ziffer 2300 VV RVG für angemessen. Der Ansatz einer noch höheren 2,0 Geschäftsgebühr ist vorliegend nicht angezeigt Zuzugeben ist dabei den Ausführungen des Klägervertreters, dass die Angelegenheit insoweit als rechtlich schwierig einzustufen war, weil es für die Frage der Umlegbarkeit von Kosten für Baumfällarbeiten keine einheitliche obergerichtliche Rechtsprechung gibt und diesbezüglich erkennbar umfangreiche Recherchearbeiten des Klägervertreters erfolgten.

Andererseits beschränkt sich die vorliegende Angelegenheit, auf lediglich einen einzelnen Streitpunkt im Rahmen einer Nebenkostenabrechnung und ist daher was, den Umfang betrifft, eher im unterdurchschnittlichen Bereich anzusiedeln, sodass lediglich eine geringfügige Erhöhung der 1,3 Mittelgebühr nach Ziffer 2300 VV RVG vertretbar erscheint.

Ein Gutachten der Rechtsanwaltskammer nach § 14 Abs. 2 RVG musste hierbei nicht eingeholt werden, da die Vorschrift lediglich im Rechtsstreit zwischen Rechtsanwalt und eigenem Mandanten Anwendung findet.

Die Zinsforderung ergibt sich ebenfalls unter Verzugsgesichtspunkten, wobei hinsichtlich eines Teilbetrags in Höhe von 636,79 € Verzug erst mit dessen Abbuchung am 01.07.2016 eintrat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 11, 711, 709 S. 2 ZPO.

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