LG Amberg, Endurteil vom 21.11.2016 - 41 HK O 755/16
Fundstelle
openJur 2020, 69237
  • Rkr:
Tenor

I. Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr wesentliche Tätigkeiten des Maurer- und Betonbauer- und/oder des Maler- und Lackiererhandwerks zu bewerben, ohne mit dem jeweiligen Handwerk in die Handwerksrolle der zuständigen Handwerkskammer eingetragen zu sein.

II. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 246,10 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 19.08.2016 zu bezahlen.

III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

IV. Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte 2/3, der Kläger 1/3 zu tragen.

V. Das Urteil ist für den Kläger hinsichtlich der Unterlassungsverpflichtung in I. dieses Endurteils gegen Sicherheitsleistung in Höhe 10.000 € vorläufig vollstreckbar.

Im übrigen ist das Urteil für die Parteien gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird auf 10.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche und die Erstattung von Abmahnkosten.

Der Beklagte betreibt in ... Auf dem Schaufenster, vor dem Schaufenster und im Schaufenster befinden sich Beschilderungen, auf denen der Beklagte u.a. wie folgt wirbt:

"Uhren-Batteriewechsel-Schlüsselanfertigung

Nähmaschinen-Reparatur-Hörgerätebatterien

Schlüsselanfertigung

Wartung und Reparatur von Nähmaschinen

Uhren-, Schlüssel- und Nähmaschinenservice"

Ein vom Beklagten eingesetztes Firmenfahrzeug war wie folgt beschriftet:

"Maurer- u. Estricharbeiten

Maler- u. Verputzarbeiten

komplette Bausanierung

Brandschadensbehebung und vieles mehr

Schlüsseldienst

Uhrenreparaturen"

Der Beklagte ist weder für das Maurer- und Betonbauer-, noch das Maler- und Lackierer- oder das Feinwerkmechanikerhandwerk in die Handwerksrolle eingetragen. Er ist auch nicht im Besitz einer Ausnahmebewilligung nach § 7 b HwO.

Der Kläger ist der Ansicht, der Beklagte berühme sich Qualifikationen, über die er gar nicht verfüge. Der durchschnittliche Verbraucher erwarte bei den Werbungen des Beklagten einen Meisterbetrieb mit entsprechender wirtschaftlicher und technischer Qualifikation. Er werbe auch wettbewerbswidrig mit Tätigkeiten des Feinmechanikerhandwerks, da der angesprochene Verbraucher hinter den Werbeankündigungen des Beklagten eine umfängliche Tätigkeit im Bereich des Feinmechanikerhandwerks verstehe und diese Vorstellung nicht auf einige wenige Handgriffe wie das Auswechseln von Batterien und, bezogen auf Nähmaschinen, Reinigungs- und Servicearbeiten, die jeder Besitzer selbst erledigen könne, reduziere. Es sei rechtlich unerheblich, ob sich das fragliche Firmenfahrzeug noch im Besitz des Beklagten befinde und im Einsatz sei. Die Wiederholungsgefahr bestünde fort, da dieses Fahrzeug jedenfalls auf öffentlichen Straßen als Werbeträger eingesetzt gewesen sei.

Der Kläger beantragt

1. Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr wesentliche Tätigkeiten des Maurer- und Betonbauer- und/oder des Maler- und Lackierer- und/oder des Feinwerkmechanikerhandwerks zu bewerben, ohne mit dem jeweiligen Handwerk in die Handwerksrolle der zuständigen Handwerkskammer eingetragen zu sein.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 246,10 € nebst 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Zustellung der Klage zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt die Klage abzuweisen.

Er hält die Klage für unsubstantiiert, da klägerseits nicht vorgetragen werde, um welches konkrete Fahrzeug es sich handle, insbesondere Angaben zum amtlichen Kennzeichen fehlten.

Zum Zeitpunkt der Beschriftung des Fahrzeuges hätte er verschiedene Meister in seinem Betrieb gehabt, die die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt hätten. Ein Meister sei auch in der Handwerksrolle eingetragen gewesen. Die eingestellten Meister hätten jedoch keine Aufträge beschafft. Derartige Arbeiten seien deshalb auch nicht ausgeführt worden. Da der Wagen nicht mehr im Bestand des Beklagten sei, sei auch keine Wiederholungsgefahr mehr gegeben.

Eine Eintragung in die Handwerksrolle sei erst bei Ausführung des entsprechenden Handwerks erforderlich.

Auch hinsichtlich der Bewerbung feinmechanischer Tätigkeiten habe der Kläger keinen Unterlassungsanspruch:

Hinsichtlich der angebotenen Uhrenreparaturen würden lediglich die Uhren gereinigt oder ein neues Glas eingesetzt. Bei Uhren mit einem Verkaufspreis mit Wechsel zwischen 5,00 € und 25,00 € werde ggf. auch das komplette Uhrwerk ausgetauscht. Teure Uhren würden ins Werk, ggf. über ein weiteres Unternehmen, welches den Kontakt besitze, eingesandt. All diese Tätigkeiten benötigten keine Anlernzeit von einer Stunde und seien deshalb kein Handwerk. Diese Tätigkeiten seien von jeder Person die handwerklich einigermaßen geschickt sei, selbst ausführbar. Diese Tätigkeiten wären im Betrieb des Beklagten reine Nebentätigkeiten, welche nicht einmal 2% des Jahresumsatzes erfüllten.

Hinsichtlich der Nähmaschinenreparaturen sei es so, dass die meisten Nähmaschinen lediglich verdreckt, verstellt oder trocken seien. Sie würden dann im Betrieb des Beklagten gereinigt, eingeölt und neu justiert, was jeder Besitzer der Nähmaschine ausführen könne. Auch hier beliefe sich der Umsatz des Beklagten nicht einmal auf 1% vom Gesamtumsatz.

Diese Tätigkeiten des "Feinmechanikerhandwerks" würden im Betrieb des Beklagten eine äußerst untergeordnete Rolle darstellen.

Der geltend gemachte Aufwendungsanspruch sei überhöht.

Wegen der Einzelheiten des gegenseitigen Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden.

Gründe

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

Hinsichtlich des Maurer- und Betonbauerhandwerks sowie des Maler- und Lackiererhandwerks steht dem Kläger gegen den Beklagten ein Unterlassunganspruch gem. § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG i.V.m. §§ 3, 3 a, 5 UWG zu. Die diesbezügliche handwerkliche Betätigung des nicht in die Handwerksrolle eingetragenen Beklagten ist wettbewerbswidrig und zwar sowohl unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs (§ 3 a UWG) als auch unter dem der Irreführung nach § 5 UWG.

Der Kläger ist unbestrittenermaßen gem. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugt.

Der Beklagte handelte unlauter im Sinne der §§ 3 Abs. 1, 3 a UWG, da er selbständig das Maurer- und Betonbauersowie das Maler- und Lackiererhandwerk als stehendes Gewerbe selbständig betrieb, ohne in die Handwerksrolle eingetragen zu sein (§ 1 Abs. 1 Satz 1 HwO).

Ob der Beklagte dabei tatsächlich bereits eintragungspflichtige Tätigkeiten vorgenommen hat oder nicht, kann dahinstehen, da er diese jedenfalls durch die Aufschriften auf seinem Firmenfahrzeug beworben hat. Diese Bewerbung umfasste das vollständige Gewerbe des Maurer- und Betonbauersowie des Maler- und Lackiererhandwerks, nach dem ganz apodiktisch von "Maurer u. Estricharbeiten" sowie "Maleru. Verputzarbeiten" die Rede ist. Eine Einschränkung auf nichtwesentliche Tätigkeiten dieser Handwerke im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 2 HwO ist aus dieser Bewerbung nicht ersichtlich. Bei beiden Handwerken handelt es sich um Zulassungspflichtige Handwerke gem. Anlage A zu § 1 Abs. 2 HwO (Nr. 1 und Nr. 10 der Anlage A).

Es kann auch keine Rede davon sein, dass es sich bei diesen Tätigkeiten um handwerkliche Nebenbetriebe im Sinne der §§ 2 Nr. 3, 3 HwO handelt. Hierfür fehlt es jedenfalls an der fachlichen Verbundenheit des Haupt- und Nebenbetriebs (vgl. Nomos-BR/Detterbeck, HwO, § 3, Rn. 5 ff. mit weiteren Nachweisen). Es ist in keiner Weise ersichtlich, wieso das Betriebsprogramm des vom Beklagten beworbenen Maurer- und Betonbauerhandwerks oder und/oder des Maler- und Lackiererhandwerks bei Berücksichtigung der technischen und wirtschaftlichen Entwicklung und der Interessen der Verbraucher eine vom fachlichen Standpunkt aus sinnvolle Ergänzung oder Erweiterung des Betriebsprogramms des vom Beklagten als Hauptunternehmen geführten Preisbrechermarktes darstellen könnte.

Das Vorbringen des Beklagten, die Beschriftung des Firmenfahrzeugs habe zu einem Zeitpunkt bestanden, als er noch verschiedene Meister in seinem Betrieb beschäftigt hätte, von denen einer auch in die Handwerksrolle eingetragen gewesen sei, ist mangels Substantiierung unbeachtlich. Da es für die Beurteilung dieser Werbeangabe auf innerbetriebliche Vorgänge des Beklagten ankommt, trifft ihn die Darlegungs- und Beweislast (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Auflage, § 12 Rn. 2.92). Das diesbezügliche Vorbringen des Beklagten ist aber vollkommen unsubstantiiert und daher unbeachtlich.

Ebenso wenig kann sich der Beklagte darauf berufen, dass das fragliche Fahrzeug nicht mehr "in seinem Bestand" sei und der Kläger keine konkreten Angaben, insbesondere keine zum amtlichen Kennzeichen, zu diesem Fahrzeugs gemacht habe. Auch ohne die Angabe des amtlichen Kennzeichens ist das diesbezügliche Vorbringen des Klägers substantiiert, nachdem unbestritten ist, dass dieses Fahrzeug jedenfalls zum Fuhrpark des Beklagten gehörte. Ob dies auch jetzt noch der Fall ist, kann dahinstehen, da die Wiederholungsgefahr vermutet wird, nachdem es bereits zu einem Wettbewerbsverstoß durch die besagte Beschriftung des Firmenfahrzeugs des Beklagten gekommen war (vgl. Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 8 Rn. 1.33 ff.). Der bloße Wegfall der Störung, hier der Verkauf des Fahrzeugs oder die Entfernung der beanstandeten Werbung, beseitigt die Wiederholungsgefahr nicht (vgl. Köhler/Bornkamm, a.a.O., Rn. 1.39 mit weiteren Nachweisen).

§ 1 HwO stellt auch eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3 a UWG dar (vgl. Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 3 a, Rn. 1.143 mit weiteren Nachweisen).

Der Unterlassungsanspruch des Klägers ist im Hinblick auf das Maurer- und Betonbauersowie das Maler- und Lackiererhandwerk auch gem. §§ 8 Abs. 1 Satz 1, 5 UWG begründet, da die auf dem Firmenfahrzeug des Beklagten enthaltene Werbung darauf hindeutet, dass er als Maurer und Betonbauer und als Maler und Lackierer in die Handwerksrolle eingetragen ist und daher geeignet ist, Nachfragen über seine Qualifikation zu täuschen (vgl. Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 5, Rn. 5.132 mit weiteren Nachweisen). Die Aufschriften auf dem Firmenfahrzeug "Maureru. Estricharbeiten" und "Maleru. Verputzarbeiten" deuten zweifelsfrei auf die entsprechenden Handwerke hin und sind geeignet, Nachfrager über die Qualifikation des Beklagten zu täuschen. Der Beklagte hat durch die streitgegenständliche Werbung auf dem Firmenfahrzeug den Eindruck erweckt, er dürfe alle Tätigkeiten ausführen, die ein in die Handwerksrolle eingetragener Maurer- und Betonbauerbetrieb bzw. ein Maler- und Lackiererbetrieb ausführen dürfe. Irgendeine Differenzierung dahingehend, dass bestimmte Tätigkeiten dieser Handwerke nicht angeboten würden, lässt die fragliche Werbung nicht erkennen und ist daher irreführend und unzulässig, nachdem der Beklagte eben gerade nicht in die Handwerksrolle für diese beiden Handwerke eingetragen ist.

Diese Werbung war zweifelsfrei auch geeignet, den angesprochenen Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

Hinsichtlich des Feinwerkmechanikerhandwerks (Nr. 16 der Anlage A zu § 1 Abs. 2 HwO) war demgegenüber die Klage abzuweisen. Bei der diesbezüglichen Tätigkeit des Beklagten handelt es sich um einen nicht handwerksrollenpflichtigen Nebenbetrieb, da ein A-Handwerk nur in unerheblichem Umfang ausgeübt wird.

Bei den Feinwerkmechanikertätigkeiten handelt es sich um einen handwerklichen Nebenbetrieb im Sinne der §§ 2 Nr. 3, 3 HwO. Insbesondere geht das Gericht insoweit von der erforderlichen wirtschaftlichen und organisatorischen sowie fachlichen Verbundenheit des Fachwerkmechanikerbetriebs mit dem Preisbrechermarkt des Beklagten aus. Der erforderliche Zusammenhang mit der Batteriewechseltätigkeit, der Schlüsselanfertigung etc. im Preisbrechermarkt des Beklagten ist gegeben.

Diese feinwerkmechanischen Tätigkeiten werden jedoch nur in unerheblichem Umfang im Sinne des § 3 Abs. 1, Abs. 2 HwO ausgeübt. Das diesbezügliche konkrete und substantiierte Vorbringen des Beklagten (Uhrenreparaturen würden nicht einmal 2% des Jahresumsatzes im Betrieb des Beklagten erfüllen bzw. Nähmaschinenreparaturen würden nicht einmal 1% des Gesamtumsatzes des Beklagten ausmachen) ist klägerseits unbestritten geblieben und war deshalb der Entscheidung zugrundezulegen. Das pauschale Bestreiten des Klägers im Schriftsatz der Klägervertreter vom 09.11.2016 ist unbeachtlich (vgl. Zöller, ZPO, 31. Auflage, § 138, Rn. 10 a mit weiteren Nachweisen).

Gem. § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG hat der Kläger Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten. Der Kläger kann diese in Gestalt einer Kostenpauschale in Höhe von 230,00 € zuzüglich 7% Mehrwertsteuer geltend machen (vgl. Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 12, Rn. 1.98 mit weiteren Nachweisen).

Diese Kostenpauschale ist auch dann in voller Höhe zu zahlen, wenn die Abmahnung, wie hier im Hinblick auf das Feinwerkmechanikerhandwerk, teilweise unberechtigt war (vgl. Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 12, Rn. 1.99).

Der Zinsanspruch beruht auf §§ 291, 288 Abs. 2 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 709 ZPO.