LG München I, Endurteil vom 30.10.2015 - 9 O 5780/15
Fundstelle
openJur 2020, 69115
  • Rkr:
Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Unterlassungsansprüche im Zusammenhang mit der Veröffentlichung der Presseveröffentlichung eines Fotos mit Titel.

Der Kläger ist Gründungsgesellschafter und Beiratsvorsitzender der ... die im August 2014 Unternehmen des ..., namentlich die Firmen ... und ... erwarb.

Die Beklagte verlegt das wöchentlich erscheinende Wirtschaftsmagazin .... In dessen Ausgabe ...om ... eröffentlichte die Beklagte auf der Titelseite eine Fotomontage, die den im Vordergrund stehenden Kläger zusammen mit den versetzt hinter ihm stehenden Herren ... dem ... und ... dem früheren Vorstandsvorsitzenden der zeigt. Das Bild ist unterlegt mit der Titelschlagzeile:

Der talentierte ...

Dubiose Deals, windige Pläne:

Wie Karstadt immer an die falschen "Retter" gerät

Für die Einzelheiten wird auf die nachfolgend im Antrag wiedergegebene Titelgestaltung und den Umschlag der als Anlage B1 vorgelegten Ausgabe der Zeitschrift Bezug genommen. Der Artikel im Heftinnern befasst sich kritisch mit den geschäftlichen Aktivitäten des Klägers und ist hier nicht streitgegenständlich.

Der Titel stellt - insoweit unstreitig - eine bewusste Anlehnung an den Romantitel "Der talentierte ... der US-amerikanischen Schriftstellerin ... dar. Der Roman wurde in jüngerer Zeit (erneut) verfilmt mit dem bekannten USamerikanischen Schauspieler ... in der Titelrolle des Mörders ....

Mit anwaltlichem Schreiben vom 06.03.2015 ließ der Kläger die Beklagte abmahnen und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auffordern. Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 09.03.2015 ab.

Der Kläger trägt vor, das Foto auf dem Titelbild erwecke den falschen Eindruck, es habe ein reales Zusammentreffen der drei abgebildeten Personen gegeben. Tatsächlich handele es sich aber um eine Fotomontage, die dadurch eine unrichtige Behauptung über den Kläger aufstelle. So werde dem Leser, der die Manipulation nicht erkennen könne, suggeriert, der Kläger wirke mit den beiden anderen bei "dubiosen Deals und windigen Plänen" zusammen. Das verletze den Kläger in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht.

Weiterhin stelle der Titel mit dem dazugehörigen Untertitel eine grobe Verunglimpfung des Klägers dar. Der Vergleich mit dem - durch den Roman, aber auch die Verfilmung bekannten - ... sei ehrverletzend und beleidigend. Denn der Kläger werde einem Kriminellen und Schwerverbrecher gleichgesetzt, der - anders als andere literarische "Hochstapler" - völlig skrupellos zur Erreichung seiner Ziele jedes Mittel, auch das des Mordes, in Kauf nehme. Dabei mache es auch keinen Unterschied, dass es sich bei ...um eine literarische Figur ohne reales Vorbild handele. Selbst unter der Annahme, dass es sich bei dem gewählten Titel um eine satirische Zuspitzung handele, bedeute dies einen Wertungsexzess, den der Kläger nicht hinnehmen müsse.

Auf Grund dessen werde der Kläger in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt und habe einen Unterlassungsanspruch im Hinblick auf die Veröffentlichung Titelbildes mit der Bildunterschrift.

Der Kläger beantragt,

der Beklagten bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an der Geschäftsführung, zu untersagen,

das nachfolgend widergegebene Titelbild mit der Bildunterschrift ... zu veröffentlichen und/oder veröffentlichen zu lassen und/oder zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, das Titelbild stelle eine für den durchschnittlich verständigen Leser eindeutig erkennbare Fotomontage dar. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Abbildung des Klägers selbst von einer Bildagentur bezogen und nicht fototechnisch verändert worden sei.

Die Titelzeile - auch und gerade in Verbindung mit dem Untertitel - enthalte eine zulässige Meinungsäußerung. Denn ... sei vor allem als Hochstapler bekannt, vergleichbar anderen literarischen Figuren wie ... und dem Hauptmann ... als ein junger Arbeitsloser, dem es allein durch Kleidung, Auftreten und Täuschung anderer gelinge, in die sogenannte "beste Gesellschaft" vorzudringen. Dass er sich dann im weiteren Verlauf so sehr mit seiner Rolle identifiziere, dass er dafür sogar einen Mord begehe, trete demgegenüber in den Hintergrund. Das gelte umso mehr, als in nahezu jedem heutigen Film ein Mord passiere. Dass die Wahrnehmung als Hochstapler im Vordergrund stehe, zeige sich auch daran, dass vergleichbare Formulierungen in verschiedenen Medien über verschiedene Persönlichkeiten verwendet worden seien, ohne dass dabei naheläge, dass diese Persönlichkeiten mit einem Mord in Verbindung gebracht würden.

Der Untertitel stelle für sich genommen eine zulässige Meinungsäußerung, und zwar eine kritische Bewertung des Geschehens und der Eignung des Klägers als Retter für den wirtschaftlich angeschlagenen Kaufhauskonzern Karstadt, dar. Vor allem aber biete er die Anknüpfungspunkte für die pointierte und kritische Zuspitzung des Titels ... und unterstreiche dadurch zugleich, dass das Geschäftsgebaren, nicht ein Mordvorwurf zu dem Vergleich des Klägers mit der literarischen Figur geführt hätten. Zu berücksichtigen sei dabei auch, dass der Inhalt des Artikels, auf den der Umschlagtitel verweise, in der Sache nicht angegriffen werde.

Mit Zustimmung der Parteien ist eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren angeordnet und als abschließende Schriftsatzfrist der 09.10.2015 bestimmt worden. Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Parteivorbringen wird auf die gewechselten Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 09.09.2015 (Bl. 34/36 d.A.) Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage erweist sich als unbegründet. Denn der Kläger wird weder durch das Titelbild noch durch den Titel mit Untertitel in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt. Entsprechend hat er auch keinen Anspruch auf Unterlassung gem. §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 22 KunstUrhG, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG.

1. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung des streitgegenständlichen Titelbildes gem. §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB, i.V.m. § 22 KunstUrhG, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG. Denn bei der Abbildung des Klägers zusammen mit den beiden ... und ... handelt es sich um eine für den durchschnittlichen Betrachter erkennbare Fotomontage, die auch keine unrichtige Tatsachenbehauptung über den Kläger aufstellt. Damit verletzt sie den Kläger nicht in seinem Recht am eigenen Bild gem. § 22 Satz 1 KunstUrhG und auch nicht in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht i.S.v. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG.

1.1 Das Recht am eigenen Bild ist ein unter den Sonderschutz des § 22 Satz 1 KunstUrhG gestellter besonderer Ausdruck des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (BGH v. 12.12.1995 - Az. VI ZR 223/94 - Rz. 7; alle Entscheidungen sind, soweit nicht anders gekennzeichnet, zitiert nach juris-Datenbank). Das Bild einer Person ist eines der wichtigsten Elemente ihrer Persönlichkeit, denn es zeigt ihre besonderen Eigenschaften und unterscheidet sie von ihresgleichen (EGMR v. 16.01.2014 - NJW 2014, S. 3291/3292). Aus dem Wesen dieses Rechts folgt, dass die Verfügung über das eigene Bild nur dem Abgebildeten als Rechtsträger zusteht; nur er soll darüber befinden dürfen, ob, wann und wie er sich gegenüber Dritten oder der Öffentlichkeit im Bild darstellen will (BGH v. 05.12.1995 - Az. VI ZR 332/94 - Rz. 12;). Deshalb ist grundsätzlich gem. § 22 Satz 1 KunstUrhG - mit den Ausnahmen des § 23 Abs. 1 KunstUrhG - die Einwilligung der betroffenen Person in die Veröffentlichung erforderlich. Und das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt - insofern weitergehend - grundsätzlich auch vor der Verbreitung eines technisch manipulierten Bildes, das den Anschein erweckt, ein authentisches Abbild einer Person zu sein (BVerfG v. 14.02.2005 - Az: 1 BvR 240/04 - Rz. 11).

1.2 Vorliegend hat der Kläger nicht vorgetragen, dass die Voraussetzungen für eine Veröffentlichung des für das Titelbild verwendete Ausgangsbild des Klägers nicht vorlägen; insoweit steht die grundsätzliche Zulässigkeit einer Veröffentlichung dieses Fotos gem. §§ 22, 23 KunstUrhG nicht im Streit. Vielmehr sieht der Kläger in der Gestaltung des Titelbildes, das unstreitig eine Fotomontage ist, eine Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts dadurch, dass es die Aussage beinhalte, es sei tatsächlich zu einem Treffen zwischen ihm und den Herren ... und ... gekommen, wie dort abgebildet. Dadurch werde zudem der Eindruck erweckt, dass die drei Herren bei den - im Untertitel genannten - ... und ... zusammenwirkten.

1.3 Dem vermag sich die Kammer jedoch nicht anzuschließen. Dabei ist zwischen zwei Aspekten der Fotomontage zu unterscheiden.

1.3.1 Der eine Aspekt der Fotomontage - und damit befasste sich das Bundesverfassungsgericht in seiner von beiden Parteien ausführlich zitierten Entscheidung vom 14.02.2005 (Az. 1 BvR 240/40) - betrifft eine Veränderung des Abbildes des Klägers durch technische. Manipulation. Dieser in der mündlichen Verhandlung kurzfristig diskutierte Aspekt ist vom Kläger nicht näher vorgetragen und auch nicht unter Beweis gestellt worden; vielmehr hat er in der Klagebegründung sogar ausdrücklich vortragen lassen, das Foto des Klägers auf dem angegriffenen Titelbild enthalte durch die Fotomontage eine unrichtige Aussage, "auch wenn das Bild des Klägers selbst frei von Manipulationen ist" (Schriftsatz vom 02.04.2015, S. 5). Die Beklagte ihrerseits hat zudem ausdrücklich zu der Authentizität des Klägerfotos vorgetragen. Insoweit ist also eine technische Manipulation bereits nicht gegeben.

1.3.2 Der andere Aspekt der Fotomontage ist die Komposition des Titelbildes durch Zusammenführen der Fotos der drei Herren vor einem roten Bühnenvorhang. Dass es sich insoweit um eine Fotomontage handelt, ist ebenso unstreitig wie der Umstand, dass dies nicht ausdrücklich gekennzeichnet ist.

Gleichwohl für den durchschnittlichen Leser zur Überzeugung der Kammer deutlich erkennbar, dass es sich nicht um ein Originalbild eines Zusammentreffens der drei Personen handelt, sondern um eine Fotomontage. Zum einen ist eine Bildkomposition von mehreren Personen durch Fotomontage auf dem Titelblatt einer Zeitschrift eine gängige und übliche Vorgehensweise, wie der Kammer nicht zuletzt aus vielen im Zusammenhang mit hier anhängigen presserechtlichen Verfahren vorgelegten Titelblättern verschiedener Zeitschriften bekannt ist. Dass Titelblätter montiert bzw. komponiert werden, ist damit dem Leser nicht nur bekannt, sondern entspricht gewissermaßen dem Erwartungshorizont.

Zum andern ist in der konkreten Ausgestaltung das Montagehafte gut erkennbar: Die drei abgebildeten Personen sind von unterschiedlicher Größe, was - in Anbetracht des Raumes und Abstandes, den sie zueinander einnehmen - zu einer Disproportion führte, wollte man tatsächlich von einem Originalbild ausgehen. Die drei abgebildeten Personen stehen in ihrer Körperhaltung in keinem Bezug zueinander und blicken zudem noch in die gleiche Richtung, was gleichfalls erkennbar gegen die Annahme eines Originalbildes spricht. Schließlich verstärkt der rote, ausgeleuchtete Vorhang das Bühnenhafte und Inszenierte; erkennbar würden sich drei im Wirtschaftsleben prominent agierende Personen tatsächlich nicht zum Zwecke einer solchen bühnenhaften Inszenierung zusammenfinden. Damit verstehen auch der durchschnittliche Leser und selbst der flüchtige Betrachter, dass es sich nicht um das Originalbild eines tatsächlichen Zusammentreffens handelt, sondern um eine Fotomontage.

Das Titelbild erweckt also tatsächlich - und insoweit entgegen der Ansicht des Klägers - nicht den Anschein, ein authentisches Abbild zu liefern. Ihm ist gerade nicht die Aussage zu entnehmen, die drei Abgebildeten seien tatsächlich in dieser Form zusammengetroffen.

1.3.3 Entgegen der Ansicht des Klägers ist dem Titelbild in Zusammenschau mit der Bildunterschrift auch nicht die Tatsachenbehauptung zu entnehmen, die drei Abgebildeten hätten bei ... und ... zusammengewirkt. Diese Aussage wird weder ausdrücklich getroffen, noch wird sie zwingend erweckt. Vielmehr deutet der Untertitel ... Wie ... immer an die falschen ‚Retter‘ gerät" - und hier insbesondere durch die Verwendung des Wortes "immer" - auf die allgemein bekannte, tatsächliche Abfolge im Tätigwerden der drei Personen hin: Zunächst ... als früherer Vorstand der ... als zwischenzeitlich medial sehr stark beachteter Investor und nun der Kläger selbst, der deshalb auf dem Titelbild in den Vordergrund rückt. Ein Zusammenwirken dieser drei Personen ist daraus weder ersichtlich noch wird es zwischen den Zeilen bzw. zwischen Bild und Text angedeutet.

1.4 Auf Grund dessen enthält das Titelbild keine unrichtige Tatsachenbehauptung, sondern stellt vielmehr eine satirische Bewertung und Zuspitzung dar, die den Kläger nicht in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt und die er als zulässige Meinungsäußerung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 GG hinnehmen muss.

2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung der Titelzeile mit dem Untertitel gem. §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG. Denn insoweit handelt es sich um eine gem. Art. 5 Abs. 1 BGB noch zulässige Meinungsäußerung, die den Kläger gleichfalls nicht in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt.

2.1 Bei der Titelzeile ..., handelt es sich um eine Meinungsäußerung.

2.1.1 Zunächst ist zwischen Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung zu unterscheiden. Tatsachenbehauptungen sind durch eine objektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Realität gekennzeichnet, sie beziehen sich entweder auf konkrete, nach Raum und Zeit bestimmte, der Vergangenheit oder Gegenwart angehörige Geschehen oder Zustände der Außenwelt oder des menschlichen Seelenlebens (Brose/Grau in Gersdorf/Paal, Informations- und Medienrecht, München 2014, § 1004 BGB, Rz. 6 m.w.N.). Wesentlich für die Einstufung als Tatsachenbehauptung ist es, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist (BGH v. 30.01.1996 - Az. VI ZR 386/94 - Rz. 24; BGH v. 16.12.2014 - Az. VI ZR 39/14 - Rz. 8). Unwahre Tatsachenbehauptungen werden nicht von Art. 5 Abs. 1 GG geschützt.

Meinungsäußerungen sind demgegenüber von der subjektiven Beziehung des Äußernden zu dem Inhalt des Geäußerten geprägt (BGH v. 16.12.2014 - Az. VI ZR 39/14 - Rz. 8; Brose/Grau, a.a.O. § 1004 BGB, Rz. 6 m.w.N.) und können dementsprechend nicht "wahr" oder "unwahr", "richtig" oder "falsch" sein. Sie können allenfalls nachvollziehbar oder unverständlich sein, geteilt, verstanden oder abgelehnt werden. Ihr durch Art. 5 Abs. 1 GG vermittelter Schutz reicht daher weiter und findet seine Grenzen nur in dem oben dargelegten allgemeinen Persönlichkeitsrecht desjenigen, über den die Meinung geäußert wird. Daher ist hier stets eine Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen einerseits und dem gleichfalls in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG garantierten Recht auf Meinungsfreiheit des Äußernden andererseits vorzunehmen (BVerfG v. 14.02.1973 - Az. 1 BvR 112/65 - Rz. 28; BVerfG v. 08.12.2011 - Az. 1 BvR 927/08 - Rz. 18; BGH v. 15.11.1994 - Az. VI ZR 56/94 - Rz. 64).

Im Hinblick auf Presseveröffentlichungen erfordert das eine Würdigung des Aussagegehalts der Veröffentlichung in ihrem Gesamtzusammenhang. Auszugehen ist von dem Verständnis eines unbefangenen Durchschnittslesers und dem allgemeinen Sprachgebrauch (BGH v. 15.11.1994 - Az. VI ZR 56/94 - Rz. 59). Maßgeblich für die Deutung ist weder die subjektive Absicht des sich Äußernden noch das - gleichfalls subjektive - Verständnis des von der Äußerung betroffenen, sondern der Sinn, den die Äußerung nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittspublikums hat (BVerfG v. 25.10.2005 - Az. 1 BvR 1696/98 - Rz. 31). Dabei kann sich einerseits eine Äußerung, die auf Werturteilen beruht, als Tatsachenbehauptung erweisen, wenn und soweit bei dem Adressaten zugleich die Vorstellung von konkreten, in die Wertung eingekleideten Vorgängen hervorgerufen wird (BGH v. 28.06.1994 - Az. VI ZR 273/93; BGH v. 30.01.1996 - Az. VI ZR 386/94). Enthält eine Äußerung andererseits in nicht trennbarer Weise sowohl tatsächliche als auch wertende Elemente, so ist sie insgesamt als Meinungsäußerung zu behandeln, wenn sie durch diese wertenden Elemente geprägt ist (BVerfG v, 21.03.2007 - Az. 1 BvR 2231/03 - Rz. 21; Soehring in Soehring/Hoene, Presserecht, 5. Aufl, Köln 2014, § 14, Rz. 13). Gleiches gilt, wenn sie Voraussetzung für die Bildung der Meinung ist (BVerfG v. 25.10.2012 - Az. 1 BvR 901/11, Rz. 20).

2.1.2 Vorliegend sind sowohl der Titel ... selbst als auch die Titelunterschrift ... nach dem eben Gesagten als Meinungsäußerungen einzuordnen. Denn der Titel selbst stellt schon durch die Anlehnung an den Romantitel ... eine Wertung dergestalt dar, dass eine Parallele zwischen dem real existierenden Kläger und der ausschließlich fiktiven literarischen Figur gezogen wird. Auch der Untertitel ist von dem Element des Meinens und Dafürhaltens geprägt: Die Beklagte hält die Deals für dubios, die Pläne für windig und die drei auf dem Foto abgebildeten Herren für die falschen Retter des .... Auch die Parteien selbst gingen - in diesem Punkt übereinstimmend - von einer Einordnung als Meinungsäußerung aus.

2.2 Diese Meinungsäußerung stellt sich inhaltlich nicht als eine den Kläger herabwürdigende Ehrverletzung oder Schmähkritik dar.

2.2.1 Grundsätzlich werden Meinungsäußerungen von dem durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG vermittelten Schutz der Meinungsfreiheit erfasst, und zwar auch dann, wenn sie in scharfer und abwertender Kritik bestehen, mit übersteigerter Polemik vorgetragen werden oder ironisch formuliert sind, Die Grenzen des Rechts auf freie Meinungsäußerung werden dagegen überschritten, wenn die geäußerte Meinung den anderen in der interessierten Öffentlichkeit herabwürdigen soll, wenn es also dem sich Äußernden nicht in erster Linie um ein sachliches Anliegen als vielmehr um die vorsätzliche Kränkung, persönliche Herabsetzung oder Diffamierung des Betroffenen geht (BGH v. 28.06.1994 - Az. VI ZR 274/93 - Rz. 20 m.w.N.; BGH v. 16.12.2014 - Az. VI ZR 39/14 - Rz. 18). Wesentliches Merkmal der Schmähung ist mithin eine das sachliche Anliegen völlig in den Hintergrund drängende persönliche Kränkung; nur dann kann im Sinne einer Regelvermutung ausnahmsweise auf eine Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls verzichtet werden (BVerfG v. 28.07.2014 - Az. BvR 482/13 - Rz. 11). Das ist insbesondere bei Schmähungen, Formalbeleidigungen oder Verletzungen der Menschenwürde anzusehen (BVerfG v. 25.10.2005 - Az. 1 BvR 1696/98 - Rz. 34). Dabei ist der Begriff der Schmähung eng auszulegen und nicht bereits wegen der herabsetzenden Wirkung einer Äußerung für Dritte anzunehmen, selbst wenn es sich um eine überzogene oder ausfällige Kritik handelt (BVerfG v. 26.06.1990 - Az. 1 BvR 1165/89 - Rz. 41; BVerfG v. 31.08.2000 - Az. 1 BvR 826/00 - Rz. 4; BVerfG v. 12.05.2009 - Az. 1 BvR 2272/04 - Rz. 28). Vielmehr nimmt eine herabsetzende Äußerung erst dann den Charakter einer Schmähung an, "wenn in ihr nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik die Diffamierung der Person im Vordergrund steht" (BVerfG v. 31.08.2000 - Az. 1 BvR 826/00 - Rz. 4). Maßgeblich ist dabei stets die Abwägung im konkreten Einzelfall, so dass selbst bei äußerlich gleichen Formulierungen die Einordnung - Schmähkritik oder hinzunehmende Sachkritik - unterschiedlich ausfallen kann (vgl. dazu BVerfG v. 12.05.2009 - Az. 1 BvR 2272/04 - "durchgeknallter Staatsanwalt" - einerseits und BVerfG v. 11.12.2013 - Az. 1 BvR 194/13 - "durchgeknallte Frau" - andererseits).

2.2.2 Ausgangspunkt für die Beurteilung im konkreten Fall ist, wie ein durchschnittlicher Leser die Titelschlagzeile in Verbindung mit dem Untertitel wahrnimmt.

Der Text stellt - unstreitig bewusst - eine Parallele zwischen dem Kläger und der literarischen Figur des ... her. Dieser ist - jedenfalls im ersten ... denn auf dessen Titel nimmt die Schlagzeile ja Bezug - ein junger Arbeitsloser, der sich durch Charme, Verwandlungsfähigkeit, Täuschung und Betrug zunächst in das Leben eines wohlhabenden Unternehmersohnes drängt und es sich schließlich aneignet, wobei er auch vor einem Mord nicht zurückschreckt. ... wird damit einerseits als ein talentierter Täuscher und andererseits als ein Mörder gezeigt.

Es ist aus Sicht der Kammer fernliegend anzunehmen, dass ein durchschnittlicher Leser die Titelzeile als eine direkte Parallele dergestalt verstehen könnte, dass behauptet würde, der Kläger selbst habe (zwei) Morde begangen. Gerade durch den Untertitel, der die wirtschaftlichen Entwicklungen um den ... in den Fokus rückt, wird deutlich, dass sich die in dem Titel gezogene Parallele auf das Geschäftsgebaren bezieht, dass also ein Vergleich zwischen dem realen Wirtschaftsleben des Klägers und dem fiktiven "privaten" Leben der Romanfigur erfolgt.

Damit ist der Titel so zu verstehen, dass der Kläger als eine Person skizziert wird, die - wie ... - ihre geschäftlichen Ziele durch Täuschung und Blendung (Charme, Verwandlungskunst) verfolgt und dabei im übertragenen Sinne auch "über Leichen geht".

2.2.3 Das stellt zweifellos eine harte und polemische Kritik an dem Kläger dar und setzt ihn auch herab. Gleichwohl erfüllt dies nach den oben dargestellten Maßstäben noch nicht die Voraussetzungen einer Schmähkritik. Dabei sind mehrere Aspekte zu berücksichtigen:

Zum einen ist die Anlehnung an den Romantitel - worauf auch die Beklagte hingewiesen hat - inzwischen wenn nicht allgemeiner Sprachgebrauch, so doch ein gängiges Stilmittel geworden und wird auf verschiedene real existierende Personen bezogen, um deren Hochstaplertum, nicht aber ihre Mordbereitschaft zu betonen.

Zum andern unterstreicht der Vergleich mit einer literarischen Figur deutlicher, als dies bei einem Vergleich mit einer historisch verbürgten Person der Fall wäre, dass es sich um eine Parallele im übertragenen Sinne handelt und dass es sich also nicht um einen eins-zu-eins-Vergleich handeln kann.

Vor allem aber wird die in dem Vergleich zum Ausdruck gebrachte Kritik nicht gänzlich von der Sache gelöst und vorrangig zur Herabwürdigung der Person verwendet. Gerade durch den Untertitel wird deutlich, dass es sich um eine Kritik im Zusammenhang mit der Entwicklung des ... handelt, dass das Geschäftsgebaren des Klägers und nicht er als Person im Zentrum der Auseinandersetzung steht. Es sind die Deals, die als dubios, die Pläne, die als windig angesehen werden und die Parallele zu ... begründen.

2.2.4 Auf Grund dessen ist die Titelschlagzeile eine harte, zugespitzte und polemische Kritik, die jedoch noch nicht die Grenzen zu einer Schmähkritik überschreitet und deshalb vom Kläger in Abwägung zwischen seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht einerseits und dem Recht auf freie Meinungsäußerung andererseits hinzunehmen ist.

2.3 Damit hat der Kläger keinen Anspruch auf Unterlassung, so dass die Klage als unbegründet abzuweisen ist.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit für die Beklagte - hinsichtlich der Kosten - beruht auf § 709 ZPO.

Verkündet am 30.10.2015