LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 13.07.2020 - 6 Ta 67/20
Fundstelle
openJur 2020, 69052
  • Rkr:
Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Kiel vom 04.03.2020 - 3 Ca 227 b/19 - wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I. Im Beschwerdeverfahren streiten die Parteien über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen.

Im noch rechtshängigen Hauptsacheverfahren macht die klagende Partei Entschädigungsansprüche wegen einer vermeintlichen Diskriminierung, einen Anspruch auf Einstellung sowie einen Anspruch auf Offenlegung der Qualifikation des eingestellten Mitbewerbers geltend.

Die klagende Partei bewarb sich im November 2018 auf eine vom Beklagten ausgeschriebene Stelle als "Jurist*in". Die Stelle war bezeichnet als Referent*in im Referat L 20 wissenschaftlicher Dienst, Wissensmanagement". Die Stellenausschreibung (Anlage B 1= Bl. 22 d. A.) lautet auszugsweise wie folgt:

"[...] zur Einstellung als Referent*in [...] unbefristet in Vollzeit zum nächstmöglichen Zeitpunkt.[...]Bei Vorliegen der laufbahnrechtlichen Voraussetzungen bieten wir eine Besoldung bis zur Besoldungsgruppe A 15 SHBesO."

In einer weiteren Ausschreibung für dieselbe Stelle (Anlage K 65 = Bl. 209 f) heißt es:

"Bei Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen bieten wir eine Besoldung nach Besoldungsgruppe A 13 LG 2.2 SHBesO zunächst im Beamtenverhältnis auf Probe. Es bestehen Entwicklungsmöglichkeiten bis zur Besoldungsgruppe A 15 SHBesO."

Die klagende Partei gab in ihrem Bewerbungsschreiben nicht an, ob sie eine Anstellung im privatrechtlichen Rechtsverhältnis oder Beamtenverhältnis anstrebte.

Der Beklagte lud die klagende Partei nicht zu einem Vorstellungsgespräch ein und erteilte ihr mit Schreiben vom 19.12.2018, das der klagenden Partei drei Tage später zuging, eine Absage. Die klagende Partei erhob am 21.02.2019 Klage vor dem Arbeitsgericht.

Die Beklagte besetzte die streitgegenständliche Stelle zwischenzeitlich anderweitig.

Die klagende Partei vertritt im Hauptsacheverfahren die Auffassung, sie sei mit der unterbliebenen Einladung zum Bewerbungsgespräch und der Stellenausschreibung des Beklagten im Hinblick auf die Merkmale Geschlecht, Schwerbehinderung und Rasse diskriminiert worden. Im Laufe des Verfahrens hat die klagende Partei geltend gemacht, die Verwaltungsgerichte seien für ihre Klage zuständig, denn bei der ausgeschriebenen Stelle handele es sich um eine Beamtenstelle.

Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, bei der streitgegenständlichen Stelle handele es sich nicht um eine Beamtenstelle. Das ergebe sich bereits aus der Ausschreibung, in der ein expliziter Hinweis auf eine Beamtenstelle fehle. Der Verweis auf die Besoldungsgruppe A 15 SHBesO sei als Möglichkeit bzw. Chance zu verstehen. Schließlich sei die Stelle mit einer Mitarbeiterin im Angestelltenverhältnis besetzt worden.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 04.03.2019 den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Schleswig verwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es liege kein Streit aus dem Arbeitsverhältnis vor. Für Entschädigungsklagen nach § 15 AGG seien die Arbeitsgerichte nur dann zuständig, wenn das einzugehende bzw. angestrebte Rechtsverhältnis ein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes sei. Handele es sich dagegen um eine Beamtenstelle, seien die Verwaltungsgerichte zuständig. Die streitgegenständlichen Ausschreibungen verwiesen alleine auf beamtenrechtliche Regelungen, so dass die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte begründet sei.

Gegen diesen ihm am 01.04.2020 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts hat der Beklagte am 15.04.2020 sofortige Beschwerde eingelegt. Er rügt, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass es sich um eine beamtenrechtliche Streitigkeit handele. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts lasse der Verweis auf die mögliche Besoldung nach A 13 bzw. A 15 nicht darauf schließen, dass eine Einstellung im Beamtenverhältnis gemeint sei. Dagegen spreche der einschränkend formulierte Ausschreibungstext. Ein Anspruch auf Verbeamtung bestehe danach nicht, sondern werde nur als Möglichkeit aufgezeigt. Der Beklagte habe es offengelassen, ob eine Beschäftigung auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages oder ob eine Einstellung ins Beamtenverhältnis erfolge.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 23.06.2020 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die nach § 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG statthafte und gemäß § 78 ArbGG, §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 Abs. 1 und 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Beklagten ist unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten verneint und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Schleswig verwiesen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses sowie des Nichtabhilfebeschlusses Bezug genommen. Lediglich ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:

1. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 a und c ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für "bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern" aus dem Arbeitsverhältnis und aus Verhandlungen über die Eingehung eines Arbeitsverhältnisses und aus dessen Nachwirkung. Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes sind gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Nach § 5 Abs. 2 sind Beamte dagegen keine Arbeitnehmer im Sinne des ArbGG. Für Streitigkeiten aus dem Beamtenverhältnis sind die Verwaltungsgerichte ausschließlich zuständig. Bei Klagen aus dem Beamtenverhältnis handelt es sich im Regelfall um öffentlich-rechtliche Streitigkeiten. Der Streitgegenstand ist dem öffentliche Recht zugewiesen.

Für das Bewerbungsverfahren bedeutet dies, dass der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht eröffnet ist, wenn sich der Bewerber auf eine Stelle bewirbt, die nicht im Rahmen eines Angestelltenverhältnisses, sondern um Rahmen eines Beamtenverhältnisses besetzt werden soll. Für solche Streitigkeiten sind die Verwaltungsgerichte zuständig. Das gilt auch dann, wenn der Bewerber Entschädigungs- bzw. Schadensersatzansprüche nach § 15 AGG geltend macht (LAG Hamm, 14.11.2012 - 2 Ta 398/12 -, Rn 12 mwN; Ostrowicz/Künzl/Scholz, Handbuch des Arbeitsgerichtlichen Verfahrens, 6. Auflage, Rn 18; Schwab/Weth/Kliemt, § 5 Rn 122).

2. Der Beklagte hat die streitgegenständliche Stelle im Rahmen eines Beamtenverhältnisses ausgeschrieben. Die Beschwerdekammer folgt der zutreffenden Auslegung des Arbeitsgerichts. Die Stellenausschreibung ist nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen potentiellen Bewerbern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden wird, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Bewerbers zugrunde zu legen sind (BAG, 29.06.2017 - 8 AZR 402/15 - Rn 51; BAG, 15.12.2016 - 8 AZR 454/15 - Rn 29 mwN).

Richtig ist, dass die zu besetzende Stelle im Ausschreibungstext nicht ausdrücklich als Beamtenstelle bezeichnet worden ist. Aus dem Text wird aber auch an keiner Stelle deutlich, dass die Position (alternativ) mit einer Angestellten oder einem Angestellten besetzt werden soll. Deshalb kommen den Angaben zur Besoldung Bedeutung zu. Im Ausschreibungstext finden sich durch den Verweis auf die Besoldung sowie auf ein zunächst zu begründendes Beamtenverhältnis auf Probe einzig Hinweise auf ein solches Rechtsverhältnis. Das konnte und musste ein verständiger und redlicher potentieller Bewerber so verstehen, dass es um eine Stelle im Beamtenverhältnis ging. Daran ändert der Umstand nichts, dass die Vergütung kein zwingender Bestandteil der Ausschreibung ist. Denn wenn allein auf die beamtenrechtliche Vergütung hingewiesen wird, nicht aber auf etwa ebenfalls in Frage kommende tarifliche Vergütungsvorschriften, so kann ein durchschnittlicher Bewerber dies nur so verstehen, dass es um eine Stelle im Beamtenverhältnis geht. Wäre alternativ eine Besetzung im Angestelltenverhältnis angedacht gewesen, hätte der Hinweis auf die beamtenrechtliche Vergütung unterbleiben oder auf beide Vergütungsstrukturen hingewiesen werden können. Ein Blick in die aktuell in das Stellenportal des Landes Schleswig-Holstein eingestellten Ausschreibungen belegt, dass bei den Angaben zur Vergütung durchaus differenziert wird. So werden einzelne Stellen allein unter Hinweis auf die tariflichen Vergütungsvorschriften ausgeschrieben (Beispiel 1: Bauzeichnerin/Bauzeichner (m/w/d)), andere allein unter Hinweis auf die beamtenrechtliche Vergütung (Beispiel 2: Leitung des Studienkollegs (m/w/d)) und in wiederum anderen finden sich beide Vergütungsstrukturen nebeneinander (Beispiel 3: Vertriebs- und Anwendungsingenieur/in (m/w/d) für Geobasisdaten). Der Auslegung des Arbeitsgerichts steht auch nicht entgegen, dass der fragliche Absatz mit den Worten "bei Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen" eingeleitet wird. Denn es bleibt völlig offen, was geschehen soll, wenn diese Voraussetzungen nicht vorliegen.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht darauf hingewiesen, dass für die Entscheidung über den Rechtsweg nicht maßgebend ist, dass die Stelle tatsächlich im Angestelltenverhältnis besetzt worden ist und die klagende Partei zunächst selbst vor dem Arbeitsgericht Klage erhoben hatte.

III. Der Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen sofortigen Beschwerde zu tragen.

Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

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