VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 28.07.2020 - 4 S 1777/20
Fundstelle
openJur 2020, 68927
  • Rkr:

Zur Option der Ausblendung eines eventuellen Bewährungsvorsprungs im Konkurrentenstreit um einen förderlichen Dienstposten.

Tenor

Nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache hinsichtlich des dem Beigeladenen zu 2 kommissarisch übertragenen Dienstpostens wird das Verfahren insoweit eingestellt. Insoweit ist der Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 20. Mai 2020 - 3 K 4801/19 - unwirksam.

Im Übrigen wird die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 20. Mai 2020 - 3 K 4801/19 - zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese jeweils selbst tragen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Nachdem die Hauptbeteiligten hinsichtlich des dem Beigeladenen zu 2 kommissarisch übertragenen Dienstpostens übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen und die Entscheidung des Verwaltungsgerichts im ersten Rechtszug insoweit für unwirksam zu erklären.

II.

Die hinsichtlich des dem Beigeladenen zu 1 kommissarisch übertragenen Dienstpostens weiter zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte (§ 147 Abs. 1 VwGO) und begründete (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) sowie inhaltlich den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO entsprechende Beschwerde hat keinen Erfolg. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend entschieden hat, fehlt es in vorliegender Konstellation am gemäß § 123 Abs. 1 VwGO für den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsgrund, sodass vom Senat keine Entscheidung zum Anordnungsanspruch zu treffen ist. Bezüglich der insoweit vom Verwaltungsgericht geäußerten Bedenken ist der Antragsteller auf das Widerspruchs- bzw. ein etwaiges Hauptsacheverfahren zu verweisen.

1. Nach der im Anschluss an das Bundesverwaltungsgericht entwickelten und zwischenzeitlich in ständiger Rechtsprechung gefestigten Dogmatik des Senats ist beim Konkurrentenrechtsstreit grundsätzlich zwischen "ämtergleichen Dienstposten", "förderlichen Dienstposten", "Erprobungsdienstposten" sowie dem "Statusamt" zu unterscheiden (vgl. NVwZ 2018, 110, m.w.N.). Während beim Streit um "ämtergleiche Dienstposten" Prüfungsmaßstab allein Art. 3 Abs. 1 GG ist, d.h. dem Dienstherrn ein weiter Gestaltungsraum zukommt und regelmäßig ein Anordnungsgrund zu verneinen ist, ist bei "Erprobungsdienstposten", auf denen sich vor Aufstieg bzw. Beförderung rechtlich zwingend bewährt werden muss (für Bundesbeamte vgl. § 22 Abs. 2 BBG), sowie erst recht dem "Statusamt" Prüfungsmaßstab immer Art. 33 Abs. 2 GG und damit wegen gegebenenfalls qualifizierter Vorwirkung ein Anordnungsgrund regelmäßig zu bejahen.

Bei "förderlichen Dienstposten" hingegen, d.h. höherwertigen Dienstposten etwa zur (einaktigen) Durchbeförderung, zur Bewährung, zur Erfahrungssammlung oder zur Erprobung mit "kommissarischer Besetzung", kommt es auf den konkreten Einzelfall an. Kann auf einem solchen Dienstposten zumindest faktisch ein Bewährungsvorsprung erworben werden, wird die rechtmäßige Auswahl regelmäßig ebenfalls am Maßstab des Art. 33 Abs. 2 GG zu prüfen sein. Hier kann der Dienstherr allerdings zur Vermeidung einer ansonsten drohenden Stellenblockade die Option der Ausblendung nutzen, wonach dann gegebenenfalls auch hier ein Anordnungsgrund verneint werden kann. Die Option der Ausblendung ist dem Dienstherrn jedenfalls dann zuzugestehen, wenn sie durch klare und eindeutige Zusage erfolgt, sich personell auf sämtliche Mitbewerber der späteren Auswahlentscheidung um das höherwertige Statusamt erstreckt und sachlich kein Fall der "Durchbeförderung" vorliegt. Zudem kann diese Option nur bei förderlichen Dienstposten genutzt werden, die nicht wesentlich andersartig sind, sodass bei einem Einsatz hierauf weiterhin ein Urteil möglich bleibt bezüglich der Leistungen auf einem dem aktuellen Statusamt entsprechenden Dienstposten, was typischerweise der Fall ist, wenn zu den bisherigen Dienstaufgaben Führungs- oder andere Aufgaben hinzukommen, es also nicht um ein Aliud, sondern ein Mehr an Dienstaufgaben geht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12.12.2017 - 2 VR 2.16 -; Senatsbeschlüsse vom 01.02.2019 - 4 S 2770/18 - und vom 09.09.2019 - 4 S 2000/19 -; alle Juris und m.w.N.).

2. Gemessen hieran durfte der Antragsgegner im vorliegenden Fall zur Vermeidung einer Stellenblockade und zur Wahrung der Funktionsfähigkeit des Polizeipräsidiums die Option der Ausblendung nutzen. Der im Streit stehende, nach A 13 (gD) bewertete Dienstposten "Polizeiführer/in vom Dienst im Führungs- und Einsatzstab" ist entsprechend der Dogmatik des Senats ein "förderlicher Dienstposten", weil eine Bewährung hierauf weder für eine Beförderung gemäß § 20 LBG zwingende Voraussetzung ist noch hierdurch eine Laufbahnbefähigung für den höheren Dienst erworben wird. Zudem bleiben bei kommissarischer Wahrnehmung dieses Dienstpostens bei dem am 01.10.2019 nach A 12 beförderten Beigeladenen zu 1 seine bisherigen Dienstaufgaben bezüglich des letzten Dienstpostens "Polizeiführer vom Dienst" im Wesentlichen gleich; hinzukommen allerdings Führungsaufgaben gegenüber den unterstellten Einsatzsachbearbeitern. Ausdrücklich wird mit der Vergabe des förderlichen Dienstpostens laut Ausschreibung "nicht gleichzeitig über eine Beförderung entschieden", d.h. es besteht für den seit 13.02.2019 im Statusamt A 12 befindlichen Antragsteller keine Gefahr des Rechtsverlustes wegen "Durchbeförderung" des Beigeladenen zu 1 nach A 13.

Der Antragsgegner hat zudem klar und eindeutig und bezüglich sämtlicher Mitbewerber eines künftigen Beförderungsverfahrens, bei dem die Auswahlentscheidung dann anhand auf das Statusamt und nicht den Dienstposten bezogener, aktueller dienstlicher Beurteilungen getroffen werden muss, zugesagt, einen gegebenenfalls vom Beigeladenen zu 1 als kommissarischer Polizeiführer vom Dienst im Führungs- und Einsatzstab erarbeiteten Bewährungsvorsprung, soweit es um seine auf dem neuen Dienstposten hinzukommenden Führungsaufgaben geht, auszublenden. Durch die kommissarische Besetzung des im Streit stehenden förderlichen Dienstpostens mit dem Beigeladenen zu 1, die im Hinblick auf eine spätere Beförderung keine rechtserheblichen Vorwirkungen entfaltet, kann der aus Art. 33 Abs. 2 GG folgende Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers mithin derzeit nicht verletzt werden, weshalb der für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO erforderliche Anordnungsgrund nicht gegeben ist. Dies alles hat das Verwaltungsgericht zutreffend entschieden und überzeugend dargelegt.

3. Das ergänzende Vorbringen des Antragstellers im Beschwerdeverfahren kann seinem Begehren ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen. Insbesondere musste die Option der Ausblendung vom Antragsgegner nicht schon bei der Auswahlentscheidung selbst angeführt werden. Maßgeblich ist hier die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Auch der Senat hat mithin zu berücksichtigen, wenn nach der Auswahlentscheidung vom Dienstherrn die Option der Ausblendungszusage genutzt wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21.12.2016 - 2 VR 1.16 -, Juris Rn. 14). Vorliegend hat der Antragsgegner am 28.02.2020 zugesagt, von der Option der Ausblendung Gebrauch zu machen; zu diesem Zeitpunkt hatte der Antragsteller den streitbefangenen Eilrechtsschutzantrag bereits erstinstanzlich gestellt. Der damit anfänglich glaubhaft gemachte Anordnungsgrund ist mit der Ausblendungszusage entfallen, worauf der Antragsteller prozessual durch die Abgabe einer Erledigungserklärung hätte reagieren können, um keinem Kostenrisiko ausgesetzt zu sein.

Da im vorliegenden Fall ein "förderlicher Dienstposten" im Streit steht, auf dem ein Bewährungsvorsprung erarbeitet werden kann, kann es auch nicht als rechtswidrig eingestuft werden, wenn der Antragsgegner die Auswahlentscheidung anhand der Maßstäbe des Art. 33 Abs. 2 GG getroffen hat. Dies hat jedoch keinen Einfluss auf die Option der Ausblendung, die, anders als beim "Erprobungsdienstposten", im vorliegenden Fall aufgrund der dargelegten Umstände des Einzelfalles möglich bleibt.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und 3 sowie § 162 Abs. 3 VwGO. Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt. Da dem Antragsteller bereits im Zeitpunkt der Erledigung des Rechtsstreits hinsichtlich des dem Beigeladenen zu 2 kommissarisch übertragenen Dienstpostens kein Anordnungsgrund zur Seite stand, hat er nach billigem Ermessen gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO die Kosten des Beschwerdeverfahrens auch insoweit zu tragen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1 und § 52 Abs. 1 und 2 GKG.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).