VerfGH für das Land Baden-Württemberg, Beschluss vom 11.08.2020 - 1 VB 83/20
Fundstelle
openJur 2020, 68907
  • Rkr:

Fall einer schuldhaften Veräumung der Verfassungsbeschwerdefrist

Tenor

Die Ablehnungsgesuche werden als offensichtlich unzulässig zurückgewiesen.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgelehnt.

Die Verfassungsbeschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

Gründe

1. Die Ablehnungsgesuche sind offensichtlich unzulässig, da die diesbezüglichen Ausführungen des Beschwerdeführers gänzlich ungeeignet sind, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen (vgl. VerfGH, Beschluss vom 20.3.2017 - 1 VB 21/17 -, Juris Rn. 2; Beschluss vom 29.6.2020 - 1 VB 30/20 -, Juris Rn. 2). Es bedarf keiner Stellungnahme der abgelehnten Richter und diese sind auch bei der Entscheidung über die Ablehnungsgesuche nicht ausgeschlossen.

2. Die Verfassungsbeschwerde wurde nicht fristgerecht erhoben.

Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 56 Abs. 2 Satz 1 VerfGHG binnen eines Monats zu erheben. Die Frist beginnt nach § 56 Abs. 2 Satz 2 VerfGHG mit der Zustellung oder formlosen Mitteilung der in vollständiger Form abgefassten Entscheidung, wenn diese nach den maßgebenden verfahrensrechtlichen Vorschriften von Amts wegen vorzunehmen ist.

Bei Erhebung der Verfassungsbeschwerde am 15. Juli 2020 war die Monatsfrist abgelaufen. Der angegriffene Beschluss des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 4. Mai 2020 war dem Beschwerdeführer am 9. Mai 2020 zugestellt worden.

3. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat keinen Erfolg.

War ein Beschwerdeführer ohne Verschulden verhindert, die Frist des § 56 Abs. 2 Satz 1 VerfGHG einzuhalten, ist ihm nach § 56 Abs. 3 Satz 1 VerfGHG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 56 Abs. 3 Satz 2 VerfGHG). Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen (§ 56 Abs. 3 Satz 3 VerfGHG).

Einen Fall unverschuldeter Fristversäumnis konnte der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen; denn er liegt nicht vor.

Ein Verschulden liegt vor, wenn ein Beschwerdeführer diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden im Hinblick auf die Fristwahrung geboten und ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten ist (VerfGH, Beschluss vom 16.6.2017 - 1 VB 113/16 -, Juris Rn. 7). Die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht dürfen jedoch nicht überspannt werden; es kommt darauf an, ob dem Betroffenen nach den gesamten Umständen des Falls ein Vorwurf daraus gemacht werden kann, dass er die Frist versäumt oder nicht alle ihm zumutbaren Anstrengungen unternommen hat, damit das Hindernis baldmöglichst wegfällt.

Der Beschwerdeführer hat die Frist des § 56 Abs. 2 Satz 1 VerfGHG schuldhaft versäumt. Dem Beschwerdeführer ist aufgrund des ihm am 9. April 2020 zugestellten Beschlusses vom 1. April 2020 (1 VB 52/19) bekannt, dass der Verfassungsgerichtshof seine Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit der Begründung ablehnt, er sei in der Lage, seine Rechte selbst und ohne anwaltliche Hilfe wahrzunehmen (vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 6.11.2019 - 2 BvR 1105/19 -, Juris Rn. 4). In dem ihm am 12. Mai 2020 zugestellten Beschluss vom 7. Mai 2020 (1 VB 39/20) wurde dem Beschwerdeführer zudem der folgende Hinweis erteilt:

In Fällen, in denen [der Beschwerdeführer] nach Zustellung des Beschlusses vom 1. April 2020 im Verfahren 1 VB 52/19 am 9. April 2020 isolierte Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe stellt, muss er möglicherweise damit rechnen, dass bei einer späteren Verfassungsbeschwerde keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden kann. Es ist nämlich möglicherweise von einem schuldhaften Fristversäumnis auszugehen (vgl. § 56 Abs. 3 VerfGHG). [...]

Trotz dieses unmissverständlichen Hinweises hat der Beschwerdeführer in der vorliegenden Angelegenheit nicht - wie es ein gewissenhafter Prozessführender getan hätte - sofort Verfassungsbeschwerde erhoben, sondern am 9. Juni 2020 erneut einen isolierten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt. Soweit der Beschwerdeführer der Auffassung ist, er könne mittels isolierter Prozesskostenhilfe erreichen, dass der Verfassungsgerichtshof ihm Hinweise zur ordnungsgemäßen Begründung einer späteren Verfassungsbeschwerde erteilt, verkennt er den Grund, weshalb isolierte Prozesskostenhilfeanträge im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof anerkannt sind. Dieser besteht nur darin, Unbemittelte, die nicht in der Lage sind, ihre Rechte selbst und ohne anwaltliche Hilfe wahrzunehmen, Zugang zu anwaltlicher Vertretung zu verschaffen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.