FG München, Urteil vom 06.07.2016 - 3 K 1211/13
Fundstelle
openJur 2020, 68835
  • Rkr:
Gründe

Finanzgericht München

Az.: 3 K 1211/13

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

In der Streitsache

...

Kläger

prozessbevollmächtigt: ...

gegen

...

Beklagter

vertreten durch den Amtsleiter ...

wegen Umsatzsteuer 2007, 2008 und 2009

hat der 3. Senat des Finanzgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht ..., den Richter am Finanzgericht ... und den Richter am Finanzgericht ... sowie den ehrenamtlichen Richter ... und die ehrenamtliche Richterin ... aufgrund der mündlichen Verhandlung

vom 6. Juli 2016

für Recht erkannt:

1. Die Umsatzsteuerbescheide für 2007, 2008 und 2009, jeweils vom 4. April 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. März 2013 werden dahingehend geändert, dass der ermäßigte Steuersatz auf diejenigen Mahl- und Mischleistungen des Klägers angewendet wird, in denen die vom Kläger selbst beschafften und beigemischten Zusatzstoffe Bestandteile im Sinne der Tz. II.1.b.ee der Urteilsgründe dieser Leistungen waren. Eine Ausnahme hiervon ist zu machen, soweit der Kläger eine höhere Steuer gesondert ausgewiesen hat.

Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten nach Maßgabe der in Tz. II.1.b.ee der Urteilsgründe dargelegten Grundsätze und der vom Kläger im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Auszüge aus seiner Buchhaltung übertragen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Rechtsmittelbelehrung

Die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil kann durch Beschwerde angefochten werden.

Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Abschrift oder Ausfertigung des angefochtenen Urteils beigefügt werden. Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Auch die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen.

Rechtsmittel können auch über den elektronischen Gerichtsbriefkasten des Bundesfinanzhofs eingelegt und begründet werden, der über die vom Bundesfinanzhof zur Verfügung gestellte Zugangs- und Übertragungssoftware erreichbar ist. Die Software kann über die Internetseite "www...de" lizenzkostenfrei heruntergeladen werden. Hier befinden sich auch weitere Informationen über die Einzelheiten des Verfahrens, das nach der Verordnung der Bundesregierung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesfinanzhof vom 26. November 2004 (BGBl. I S. 3091) einzuhalten ist.

Vor dem Bundesfinanzhof müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesfinanzhof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer zugelassen; zur Vertretung berechtigt sind auch Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften sowie Partnerschaftsgesellschaften, deren Partner ausschließlich Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer sind. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe des vorhergehenden Satzes zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

Der Bundesfinanzhof hat die Postanschrift: Postfach 86 02 40, 81629 München, und die Hausanschrift: Ismaninger Str. 109, 81675 München, sowie den Telefax-Anschluss: 089/9231-201.

Lässt der Bundesfinanzhof aufgrund der Beschwerde die Revision zu, so wird das Verfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses des Bundesfinanzhofs über die Zulassung der Revision ist jedoch bei dem Bundesfinanzhof eine Begründung der Revision einzureichen. Die Beteiligten müssen sich auch im Revisionsverfahren nach Maßgabe des vierten Absatzes dieser Belehrung vertreten lassen.

Gründe:

I.

Streitig ist, ob und inwieweit bestimmte Leistungen des Klägers dem ermäßigten Steuersatz unterliegen.

Der Kläger betreibt einen Getränkemarkt sowie einen Mahl- und Mischbetrieb für Tierfutter als Einzelunternehmen. Mit seiner mobilen Mahl- und Mischanlage bearbeitete er auf landwirtschaftlichen Betrieben das von den Landwirten bereitgestellt Getreide. In der überwiegenden Anzahl der Fälle wurden vom Kläger im Rahmen des Mahl- und Mischvorgangs selbst mitgebrachtes Raps- oder Sojaöl und Zusatzstoffe entsprechend dem Auftrag und den Bedürfnissen des jeweiligen Landwirts dem Getreide beigemischt. Umsatzsteuerrechtlich behandelte der Kläger dies als Materiallieferung und unterwarf diese dem ermäßigten Steuersatz; die Mahl- und Mischleistung wurde auf derselben Rechnung separat ausgewiesen und dem Regelsteuersatz unterworfen.

Im Einzelnen führte der Kläger in den Streitjahren vier verschiedene Leistungen aus, dies waren:

(1) die reine Mahl- und Mischtätigkeit von Getreide ohne Beifügung weiterer Zutaten;

(2) die Mahl- und Mischtätigkeit nur unter Beifügung von Raps- und Sojaöl (Pflanzenöl);

(3) die Mahl- und Mischtätigkeit unter Beifügung (i.d.R. neben Pflanzenölen) von als Goldhefe, FM-Spezial, BM-Mix, Super-Mix, Legehennenmineral, Na-Bi-Plus, N-SE-Extra, E-SE Extra, Profimast-Phytase, Acidomix-Phos, Amino-Trio Ferkel, Probi Lac Zucht, Zuchtkraft, EF Bio Plus 64, Dextrose (Traubenzucker), KombiHefe, MK-Hefe, ADE-18 E-SE, Caro-Vit, BoviSan 5000, Schafmineralfutter SL-B, Gala-Nährmilch, Amino Trio Zucht Phytase, Quattro Speed, Pig Plus (Schweinemineral), Naturmine Viereins, Basis-S-Bio und Power Drink bezeichneten weiteren Zutaten sowie

(4) der reine Verkauf von Futterzusätzen.

In seinen Umsatzsteuererklärungen für 2007, 2008 und 2009 errechnete der Kläger eine Umsatzsteuer

- von € (für 2007), Leistungen zum ermäßigten Steuersatz erklärte er dabei in Höhe von €,

- von (für 2008), Leistungen zum ermäßigten Steuersatz erklärte er dabei in Höhe von € und

- von € (2009), Leistungen zum ermäßigten Steuersatz erklärte er dabei in Höhe von €.

Nach der Durchführung einer Außenprüfung (Bericht vom 13. Februar 2012) setzte der Beklagte (das ...; im Folgenden: ...) die Umsatzsteuer mit Änderungsbescheiden jeweils vom 4. April 2012 für 2007 auf €, für 2008 auf € und für 2009 auf € fest. Leistungen zum ermäßigten Steuersatz erkannte das ... nur noch in Höhe von:

- € (2007),

- € (2008) und

- € (2009)

an und unterwarf die übrigen Leistungen des Klägers (vorgenannte Fallgruppen 1 bis 3) dem Regelsteuersatz, weil es sich bei den Mahl- und Mischvorgängen unter der Beifügung von Pflanzenöl und Zusatzstoffen um einheitliche Werkleistungen handele, die als sonstige Leistungen dem Regelsteuersatz zu unterwerfen seien.

Gegen die Umsatzsteuerbescheide vom 4. April 2012 war der am 3. Mai 2012 beim ... eingegangene Einspruch gerichtet.

Mit Einspruchsentscheidung vom 20. März 2013 wies das ... den Einspruch als unbegründet zurück.

Dagegen ist die Klage vom 19. April 2013 gerichtet.

Zur Begründung trägt der Kläger im Wesentlichen vor, dass die Umsatzsteuerbescheide insoweit rechtsfehlerhaft seien, als in ihnen Umsätze aus der Lieferung von Rapsöl und anderen Futtermitteln den Umsätzen aus Mahl- und Mischtätigkeit zugeordnet worden seien. Bei den im Rahmen der Mahl- und Mischtätigkeit verwendeten Stoffen handele es sich um lieferbare Gegenstände, welche getrennt vom eigentlichen Mahl- und Mischvorgang geliefert werden könnten, denn die fraglichen Stoffe seien mess- und lieferbar und damit in Konsequenz auch separat abrechenbar. Nach der Rechtsprechung könne bei der Herstellung von Mischfutter sogar eine dem ermäßigten Steuersatz unterliegende einheitliche Werklieferung vorliegen. Nur in den Fällen, in denen beim Mahl- und Mischvorgang nur Soja- oder Rapsöl bei gemischt werde, liege eine einheitliche sonstige Leistung vor, die dem Regelsteuersatz zu unterwerfen sei.

Zu dem weiteren Vorbringen des Klägers wird auf seine Schriftsätze vom 17. April 2013, vom 13. September 2013, vom 14. Dezember 2015 und vom 23. Februar 2016 nebst Anlagen verwiesen.

Der Kläger beantragt,

unter Änderung der Umsatzsteuerbescheide vom 4. April 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. März 2013 die Umsatzsteuer für 2007 auf €, die Umsatzsteuer für 2008 auf € und die Umsatzsteuer für 2009 auf € festzusetzen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Das ... beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt das ... im Wesentlichen vor, dass der Kläger mit seiner Mahl- und Mischtätigkeit eine sonstige Leistung erbringe, die dem Regelsteuersatz unterliege. Die vom Kläger mitgebrachten und verarbeiteten Hilfsmittel würden einzeln verkauft zwar dem ermäßigten Steuersatz unterliegen. Vorliegend stellten sie aber lediglich eine Nebenleistung dar, die das Schicksal der Hauptleistung teilen müsste; die leistungsbestimmende Bedeutung liege hier im Mahlen und Mischen. Aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers handele es sich bei den Leistungen des Klägers um sonstige Leistungen. Der Streitfall sei auch nicht mit einer Entscheidung des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 20. November 2013 (Az.: 14 K 98/12, EFG 2015, 168) vergleichbar, in dem dieses Gericht eine dem ermäßigten Steuersatz unterliegende einheitliche Leistung angenommen hatte, weil in diesem Fall der überwiegende Teil der erzielten Einnahmen auf die mitgelieferten Zusatzstoffe entfallen sei. Vorliegend seien die mitverarbeiteten Zusatzstoffe aber wesentlich geringwertiger gegenüber den Mahl- und Mischkosten.

Zu dem weiteren Vorbringen des ... wird auf seine Stellungnahmen vom 15. Oktober 2013, vom 14. Dezember 2015, vom 7. März 2016 und vom 4. Juli 2016 nebst Anlagen verwiesen.

Mit Schriftsatz vom 12. November 2015 forderte der Berichterstatter den Kläger auf, dem Gericht diejenigen Rechnungen vorzulegen, welche den Prüfungsfeststellungen des ... zugrunde liegen. Mit Schreiben vom 14. Dezember 2015 übersandte der Kläger drei Ordner mit Unterlagen über die Ausgangsleistungen des Klägers in den Streitjahren mit dem Hinweis, dass "es sich um die angeforderten Rechnungen in Kopie handele". Inhalt dieser Unterlagen sind aber lediglich einige Rechnungen, im Wesentlichen handelt es sich um Auszüge aus der Buchhaltung des Klägers zu den einzelnen Geschäftsvorfällen, in denen sich neben dem Namen des Leistungsempfängers, der Rechnungsnummer, dem Rechnungsbetrag und dem Datum durchweg Angaben zu den vom Kläger jeweils erbrachten Leistungen finden. Hierin ist insbesondere der Preis der Mahl- und Mischleistung, die Menge und der Preis der jeweils beigegebenen Zutaten sowie der angewendete Steuersatz in jedem Einzelfall aufgeführt.

Eine vom Berichterstatter in einem am 27. Januar 2016 durchgeführten Erörterungstermin vorgeschlagene Lösungsmöglichkeit zur einvernehmlichen Beendigung des Rechtsstreits kam nicht zustande. Auf die Protokolle des Erörterungstermins und der mündlichen Verhandlung wird verwiesen.

II.

Die Klage ist zum Teil begründet. Das ... hat die Mahl- und Mischtätigkeit des Klägers unter der Beifügung von Zutaten zutreffend als einheitliche Leistungen gewürdigt. Das ... hat allerdings zu Unrecht den Regelsteuersatz auf diejenigen einheitlichen Mahl- und Mischleistungen des Klägers angewendet, in denen die von ihm selbst beschafften und beigemischten Zusatzstoffe wesensbestimmende Bestandteile waren.

1. Gemäß § 12 Abs. 1 UStG beträgt die Steuer für jeden steuerpflichtigen Umsatz 19 Prozent der Bemessungsgrundlage (= Regelsteuersatz). Die Steuer ermäßigt sich nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i. V. m. der Anlage 2 zu § 12 UStG auf 7 Prozent (= ermäßigter Steuersatz). Diese Steuerermäßigung gilt nach der Nr. 37 der Anlage 2 zu § 12 UStG unter anderem für die Lieferung von "zubereitetem Futter".

a) Gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG setzt die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes zunächst eine Lieferung voraus. Eine Lieferung ist eine Leistung, durch die ein Unternehmer einem anderem die Verfügungsmacht über einen Gegenstand verschafft, so dass dieser im eigenen Namen über den Gegenstand verfügen kann (§ 3 Abs. 1 UStG); Substanz, Wert und Ertrag müssen dem Abnehmer endgültig übertragen werden (Bundesfinanzhof - BFH-Urteil vom 8. November 1995 XI R 63/94, BStBl II 1996, 114, Rz. 20). Hat der Unternehmer die Bearbeitung oder Verarbeitung eines Gegenstandes übernommen und verwendet er hierbei Stoffe, die er selbst beschafft, so ist auch diese Leistung als Lieferung anzusehen (Werklieferung), wenn es sich bei den Stoffen nicht nur um Zutaten oder sonstige Nebensachen handelt (§ 3 Abs. 4 Satz 1 UStG). Sonstige Leistungen sind Leistungen, die keine Lieferungen sind (§ 3 Abs. 9 S. 1 UStG).

Bei einer sogenannten einheitlichen Leistung, die sowohl Lieferungselemente als auch Dienstleistungselemente beinhaltet, ist bei einer Gesamtbetrachtung das Wesen des Umsatzes zu ermitteln (Gerichtshof der Europäischen Union - EuGH-Urteile vom 25. Februar 1999 Rs. C-349/96, Card Protection Plan Ltd. -CPP-, Slg. 1999, I-973, ECLI:ECLI:EU:C:1999:93, Rz. 28 und vom 2. Mai 1996 Rs. C-231/94, Faaborg-Gelting Linien, Slg 1996, I-2395, E-CLI:ECLI:EU:C:1996:184, Rz. 12 sowie BFH-Urteil vom 31. Mai 2001 V R 97/98, BStBl II 2001, 658, Rz. 30 ff.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass zum einen jede Leistung in der Regel als eigene, selbstständige Leistung zu betrachten ist und dass zum anderen eine wirtschaftlich einheitliche Leistung im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich aufgespalten werden kann. Deshalb ist jeweils das Wesen des fraglichen Umsatzes im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu ermitteln, um festzustellen, ob der Steuerpflichtige dem Leistungsempfänger mehrere selbstständige Hauptleistungen oder eine einheitliche Leistung erbringt; maßgebend ist dabei die Sicht eines Durchschnittsverbrauchers (BFH-Urteil vom 9. Juni 2005 V R 50/02, BStBl II 2006, 98, Rz. 17 und 23 m. w. N.).

Die deutsche Regelung des § 3 Abs. 4 Satz 1 UStG betrifft solche einheitlichen Leistungen, die aus Liefer- und Dienstleistungselementen bestehenden Leistungen in Form der Be- oder Verarbeitung eines nicht dem Leistenden gehörenden Gegenstandes zum Inhalt haben. Für die Abgrenzung einer Lieferung (Werklieferung) zu einer Leistung (Werkleistung) stellt diese Vorschrift darauf ab, ob die bei der Be- oder Verarbeitung verwendeten Gegenstände des Leistenden lediglich "Zutaten" und "sonstige Nebensachen" sind (= sonstige Leistung) oder nicht (= Lieferung; BFH-Urteil vom 9. Juni 2005 V R 50/02, BStBl II 2006, 98, Rz. 25). Eine Leistung ist insbesondere dann eine Neben- und nicht Hauptleistung, wenn sie für die Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen (EuGH-Urteil vom 3. Juli 2001 Rs. C-380/99, Bertelsmann, Slg. 2001, I-5163, ECLI:ECLI:EU:C:2001:372, Rz. 20 und BFH-EuGH-Vorlage vom 28. Oktober 2010 V R 9/10, BStBl II 2011, 306, Rz. 47).

b) Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall unterliegen die vom Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit erbrachten vier verschiedenen Leistungen (vgl. in Tz. I) im Rahmen einer Gesamtbetrachtung deshalb einer unterschiedlichen umsatzsteuerrechtlichen Einordnung.

aa) Zunächst ist die umsatzsteuerrechtliche Behandlung der ersten und vierten Fallgruppe -also die reine Mahl- und Mischleistung ohne Beifügung von Zutaten und der reine Verkauf von Futterzusätzen - zwischen den Beteiligten unstreitig, denn hierbei handelt es sich schon nicht um "einheitliche Leistungen", die jeweils aus einem Liefer- und einem Dienstleistungselement bestehen. Deshalb unterliegt die reine Mahl- und Mischtätigkeit als sonstige Leistung dem Regelsteuersatz und der Verkauf von Tierfutterzusätzen als Lieferung dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i. V. m. der Anlage 2 Nr. 37 zu § 12 UStG.

bb) Bei den Leistungen der zweiten und der dritten Fallgruppe - also der Mahl- und Mischleistung unter der bloßen Beifügung von Pflanzenöl oder unter der Beifügung weiterer Zusatzstoffe - hat der Kläger zunächst durchweg einheitliche Leistungen erbracht.

Hier liegen deshalb einheitliche Leistungen vor, weil der Kläger zwei Handlungen vornahm, die so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Im Streitfall ist aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers weder die Abgabe des Pflanzenöls, der Mineral- und Zusatzstoffe noch das Mahlen und Mischen jeweils als eine eigene, selbstständige Leistung anzusehen (so auch Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 20. November 2013 14 K 98/12, EFG 2015, 168, Rz. 28), jedenfalls soweit diese Zutaten im Rahmen des Mischvorgangs beigefügt wurden.

cc) Dabei unterliegen allerdings nur diejenigen einheitlichen Mahl- und Mischtätigkeiten des Klägers unter Beifügung von Zutaten nach der zweiten und dritten Fallgruppe der Leistungen des Klägers (vgl. in Tz. I) dem ermäßigten Steuersatz, in denen das Lieferelement der Leistungen das Dienstleistungselement jeweils übersteigt. Diese Voraussetzung ist zunächst bei den Leistungen der zweiten Fallgruppe durchgängig nicht gegeben, denn bei der bloßen Beifügung von Pflanzenöl handelt es sich nur um die Nebenleistung zu der Dienstleistung (Hauptleistung) des Mahlens und Mischens. Die Beifügung des Pflanzenöls stellt hier lediglich das Mittel dar, um die Hauptleistung unter optimalen Bedingungen in Anspruch nehmen zu können; sie bestimmt aber nicht das Wesen der Leistung (BFH-Urteil vom 9. Juni 2005 V R 50/02, BStBl II 2006, 98, Rz. 26).

In der mündlichen Verhandlung erklärte der Kläger insoweit, dass er nunmehr auch in den Fällen der zweiten Fallgruppe - also der Mahl- und Mischleistung unter der isolierten Beifügung von Pflanzenöl - der Auffassung des ... folge, dass es sich bei der bloßen Beifügung dieser Öle zu dem Mahl- und Mischvorgang um eine einheitliche Leistung handele, bei der das Dienstleistungselement überwiege und deshalb der Regelsteuersatz anzuwenden sei.

Der Kläger führte dazu ausdrücklich aus, dass dieses Öl lediglich zur Durchführung des Mahl- und Mischvorgangs diene, insbesondere, weil es den dabei entstehenden Staub binde.

dd) Anderes gilt im Streitfall aber zum Teil in der dritten Fallgruppe (Tz. I), also bei der Mahl- und Mischtätigkeit unter Beifügung von nicht nur aus Pflanzenölen bestehenden Zutaten. Das Lieferelement der einheitlichen Leistungen übersteigt das Dienstleistungselement hier dann, wenn bei der Mahl- und Mischtätigkeit wesensbestimmende Futtermittelzusätze beigefügt wurden; in diesen Fällen liegt jeweils eine Werklieferung vor. Das ... hat diese Leistungen zwar zutreffend als einheitliche Leistungen angesehen, es hat sie jedoch zu Unrecht insgesamt - also ohne Unterscheidung nach dem Wesen der Umsätze - dem Regelsteuersatz unterworfen.

Hat ein Unternehmer die Bearbeitung oder Verarbeitung eines Gegenstandes übernommen -wie im Streitfall der Kläger bei dem Getreide der Landwirte - und verwendet er hierbei "Stoffe", die er selbst beschafft - wie vorliegend die Futterzusätze -, so ist diese Leistung gemäß § 3 Abs. 4 Satz 1 UStG nur dann als eine Lieferung (Werklieferung) anzusehen, wenn es sich bei diesen Stoffen nicht nur um "Zutaten" oder "sonstige Nebensachen" handelt. Konkret handelt es sich bei diesen einheitlichen Leistungen des Klägers dann um Werklieferungen i. S. d. § 3 Abs. 4 Satz 1 UStG, wenn er bei dem Mahlen und Mischen des von den Kunden (Landwirten) beigestellten Getreides eigene wesensbestimmende Stoffe untergemischt hatte. Nur bei einer solchen "wesensbestimmenden Hinzugabe" geben die Lieferungen von Mineral- und Zusatzstoffen an die Kunden der einheitlichen Leistung das "Gepräge", da durch deren Zugabe das von den Kunden bestellte Tiermischfuttermittel entsteht (Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 20. November 2013 14 K 98/12, EFG 2015, 168, Rz. 29).

Entscheidungserheblich ist deshalb, in welchen konkreten Fällen davon ausgegangen werden kann, dass die Beifügung von Mineral- und Zusatzstoffen an die Kunden wesensbestimmend für diese Leistungen als Werklieferung waren.

aaa) Dabei kommt es nach Überzeugung des Gerichts zunächst nicht auf die Menge oder das Gewicht des von den Landwirten bereitgestellten Getreides an, welches zwar mengenmäßig durchweg den Hauptbestandteil des zu produzierenden Mischfutters darstellte. Dieser Maßstab ist aber bereits deshalb untauglich, weil der Wert des eingesetzten Getreides im Verhältnis zum Wert der beigemengten Zutaten eher gering ist. So beträgt der Großhandelspreis einer Tonne (= 1.000 kg) Futterweizen im Mai 2016 circa 150 € und der Großhandelspreis einer Tonne Mais circa 160 € (Abfrage vom 31. Mai 2016 unter: http://www...de/...html), während zum Beispiel nur 50 kg BM-Mix im Jahr 2009 schon 24,50 € (= 490 € die Tonne) beim Kläger kostete. Im Übrigen stellt dieses Getreide auch gerade denjenigen "Gegenstand" dar, dessen Bearbeitung oder Verarbeitung der Kläger übernommen hatte. Letztlich hatte der Kläger hier durch die Beifügung von Futterzusätzen aus dem Getreide der Landwirte Mischfutter hergestellt, welches auf Wunsch der Landwirte als Nahrung für jeweils spezielle Tierarten geeignet war. Allgemein erhält man Mischfutter durch das Vermischen von Einzelfuttermitteln. Dadurch entsteht ein Produkt, das durch seine Rezeptur optimal auf den Bedarf der Tiere, für die es entwickelt wurde, abgestimmt ist (Quelle: Wikipedia).

bbb) Im Streitfall ist nach Überzeugung des Gerichts zu einer sachgerechten Beurteilung der Frage, ob die beigefügten Materialen des Klägers als wesensbestimmende Zutaten den einheitlichen Leistungen ein eigenes Gepräge gegeben haben und es sich deshalb um Werklieferungen handelte, jeweils darauf abzustellen, ob der Wert der beigefügten Zutaten (außer Pflanzenöl) - mithin der Nettopreis der Lieferung - den Nettopreis der reinen Mahl- und Mischtätigkeit (einschließlich Pflanzenöl) - mithin den der Dienstleistung - überschritten hat, denn nur dann überwiegen die Lieferungselemente die der jeweiligen sonstigen Leistung. Dies entspricht auch der Auffassung der Finanzverwaltung in Abschnitt 3.8 Abs. 6 Satz 6 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses zu den vergleichbaren Abgrenzungsfragen bei der Qualifizierung einer Reparaturleistung als Werklieferung. Vorliegend können einzelne Futterzusätze bereits für sich allein wegen ihrer Art oder Menge den Leistungen des Klägers nicht das charakteristische Merkmal einer Werklieferung verleihen.

ee) Bei einem Abstellen auf den Wert der einzelnen Bestandteile der Leistungen des Klägers müssen daher von dem Nettogesamtentgelt für seine Leistung im jeweiligen Fall mehr als 50 Prozent auf die hinzugegebenen Zutaten entfallen (so im Ergebnis auch das Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 20. November 2013 14 K 98/12, EFG 2015, 168, Rz. 30). Dabei darf der Preis des jeweils eingesetzten Pflanzenöls konsequenter Weise nicht bei den zu berücksichtigen Zutaten einberechnet werden, denn diese Zutat ist gerade nicht wesensbestimmend, sondern erleichtert lediglich den Mahl- und Mischvorgang (vgl. oben in Tz. .. b.cc). Nur in den Fällen, in denen der Nettopreis der vom Kläger hinzugefügten Zutaten - ohne dem Pflanzenöl - mehr als 50 Prozent des Nettogesamtentgelts beträgt, kann hier demnach von einer einheitlichen Leistung im Form einer Werklieferung ausgegangen werden; nur dann überwiegen die Lieferungselemente der einheitlichen Leistung die gleichfalls vorhandenen Dienstleistungselemente. In diesen Fällen ist dann der ermäßigte Steuersatz auf die gesamte Leistung anzuwenden. Eine derartige Aufteilung ist im Streitfall deshalb möglich, weil der Kläger in seinen Rechnungen jeden Leistungsinhalt einzeln aufgeführt hatte.

Konkret sei die danach gebotene umsatzsteuerrechtliche Würdigung an Hand von drei Beispielen von einem Rechnungstag aus dem Jahr 2009 dargestellt:

- In der Rechnung vom 2. Februar 2009 (Nr. ) berechnet der Kläger (jeweils netto) 96 € für seine Mahl- und Mischtätigkeit und 27 € für Rapsöl. Hier handelt es sich lediglich um die Zugabe einer nicht wesensbestimmenden Zutat und diese unterliegt als einheitliche sonstige Leistung insgesamt dem Regelsteuersatz (= zweite Fallgruppe).

- In der Rechnung vom 2. Februar 2009 (Nr. ) berechnet der Kläger (jeweils netto) 80 € für seine Mahl- und Mischtätigkeit, 27 € für Rapsöl und 80 € für den Zusatz FM-Spezial (= dritte Fallgruppe). Von dem Nettorechnungsgesamtbetrag von 187 € entfallen hier nur 80 € - und damit weniger als 50 Prozent - auf den Futtermittelzusatz. Bei dieser Leistung überwiegt daher das Dienstleistungselement und sie unterliegt deshalb als einheitliche sonstige Leistung insgesamt dem Regelsteuersatz.

- In der Rechnung vom 2. Februar 2009 (Nr. ) berechnet der Kläger (jeweils netto) 80 € für seine Mahl- und Mischtätigkeit, 22,50 € für Rapsöl, 80 € für den Zusatz FM-Spezial und 24,50 € für den Zusatz BM-Mix (= dritte Fallgruppe). Von dem Nettorechnungsgesamtbetrag von 207 € entfallen hier 104,50 € - und damit mehr als 50 Prozent - auf den Futtermittelzusatz, bei dieser Leistung überwiegt daher das Lieferungselement und sie unterliegt deshalb als Werklieferung insgesamt dem ermäßigten Steuersatz.

Der Kläger schuldet allerdings - soweit das Mahlen und Mischen hier jeweils mit dem Regelsteuersatz abgerechnet worden ist - die insoweit zu hoch ausgewiesene Steuer nach § 14c Abs. 1 UStG. Nach dem Satz 1 dieser Vorschrift schuldet ein Unternehmer den Mehrbetrag, wenn er in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen höheren Steuerbetrag, als er nach diesem Gesetz für den Umsatz schuldet, gesondert ausgewiesen hat (unrichtiger Steuerausweis). Im Beispielsfall sind das 9,60 €, denn der Kläger hat auf die Mahl- und Mischtätigkeit zum Preis von netto 80 € eine Umsatzsteuer zu 19 Prozent in Höhe von 15,20 € ausgewiesen, richtig wären aber 5,60 € gewesen (= 7 Prozent aus 80 €).

c) Letztlich schließt sich das Gericht im Ergebnis der Auffassung des Finanzgerichts Baden-Württemberg in seiner Entscheidung vom 20. November 2013 (14 K 98/12, EFG 2015, 168 in Abgrenzung zum Beschluss des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 26. November 2011 9 V 3231/12, EFG 2013, 1360) an, wonach der Unterschied bei der Mahl- und Mischtätigkeit zwischen einer Werklieferung und der reinen sonstigen Leistung darin besteht, ob der Unternehmer zur Herstellung des Mischfutters dem Getreide der Kunden nicht nur Soja- oder Rapsöl beifügt, das Staub bindet, der besseren Mischbarkeit des Futters dient und in allen Futtermitteln vorkommen kann oder ob er Stoffe mit speziellen Funktionen für die Nahrung von Tieren beifügt. Nur im letzten Fall kann von einer einheitlichen Leistung in Form einer Werklieferung ausgegangen werden.

d) Aufgrund der Vielzahl der hier einzeln zu beurteilenden Umsätze des Klägers in den drei Streitjahren erfordert es einen erheblichen Rechenaufwand, den Betrag zu errechnen, auf den die Umsatzsteuer jeweils festzusetzen ist. Daher wird dem ... gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aufgegeben, die Steuer für die Streitjahre nach Maßgabe der Urteilsgründe und der vom Kläger im gerichtlichen Verfahren vorgelegten drei Ordnern mit den Angaben zu den einzelnen Leistungen neu zu berechnen und entsprechend neu festzusetzen.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 und 2 FGO. Die Revision wird nicht zugelassen, weil kein Zulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 FGO vorliegt.

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