SG München, Urteil vom 31.03.2016 - S 1 U 5002/16
Fundstelle
openJur 2020, 68587
  • Rkr:
Tenor

I.

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger auch für die Zeit vom 18. Mai 2015 bis 20. Mai 2015 Betriebshilfe zu leisten.

II.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III.

Die Berufung wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger für weitere drei Tage (18. Mai 2015 bis 20. Mai 2015) einen Anspruch auf Betriebshilfe in Form einer Kostenerstattung hat.

Der am ... 1964 geborene Kläger erlitt am 27. März 2015 einen Arbeitsunfall. Er zog sich bei einem Sturz eine Schulterluxation rechts zu. Der Kläger bewirtschaftet 26,61 ha Ackerland sowie 8,61 ha Forst und besitzt 450 Mastschweine. Am 1. April 2015 teilte der Kläger der Beklagten mit, er dürfe laut ärztlicher Aussage das ganze Jahr nicht mit der Motorsäge schneiden, er benötige dringend jemanden, da ein Windwurf im Holz vorliege.

Aufgrund der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 24. April 2015 Betriebshilfe für die Dauer von längstens vier Wochen, wöchentlich bis zu 30 Stunden. Die Kostenzusage galt für im Bescheid konkret benannte, selbst beschaffte Ersatzkräfte. Auf den Antrag vom 24. April 2015 verlängerte die Beklagte mit Bescheid vom 30. April 2015 die Kostenübernahme bis zum 3. Mai 2015. Auf den weiteren Antrag vom 4. Mai 2015 verlängerte die Beklagte mit Bescheid vom 6. Mai 2015 die Kostenübernahme bis zum 17. Mai 2015 erneut, nun für wöchentlich 40 Stunden. Zugrunde lag die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Dr. C. , wonach der Kläger bis voraussichtlich 17. Mai 2015 arbeitsunfähig sei. Der Kläger legte eine Bescheinigung des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Rosenheim vom 6. Mai 2015 vor, wonach er in seinem Wald ca. 60 Festmeter Windwurfholz liegen habe, das in den nächsten drei Wochen dringend wegen Gefahr von Borkenkäferbefall aufgearbeitet werden müsse.

Am 21. Mai 2015 übermittelte der Kläger der Beklagten einen weiteren Antrag. Mit Bescheid vom 1. Juni 2015 verlängerte diese aufgrund besonderer betrieblicher bzw. häuslicher Verhältnisse die Kostenübernahme während der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit bis zum 31. Mai 2015; daran anschließend lehnte sie Betriebshilfe für die Zeit vom 18. Mai 2015 bis 20. Mai 2015 ab. Der Antrag sei verspätet erst am 21. Mai 2015 eingegangen, eine Kostenübernahme könne für diese Zeit nicht erfolgen. Betriebshilfe solle nur helfen, eine eingetretene Notlage zu überbrücken.

Im Widerspruchsverfahren trug der Kläger vor, er habe auch für die Zeit vom 18. Mai 2015 bis 20. Mai 2015 einen Anspruch auf Kostenübernahme. Betriebshilfe sei im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung von Amts wegen zu erbringen. Für die Nichtbewilligung der Kostenübernahme würde es keine Rechtsgrundlage geben. Das Gesetz würde keinen formellen Leistungsantrag fordern.

Die Beklagte gewährte Betriebshilfe im Umfang von 35 Stunden weiter, nämlich über den 31. Mai 2015 hinaus bis zum 10. Oktober 2015 (Abhilfebescheid vom 24. Oktober 2015; weiterer Bescheid vom 24. Oktober 2015; Abhilfebescheid vom 17. Dezember 2015). Am 9. Juni 2015 fragte die Beklagte beim Durchgangsarzt Dr. C. an, wann mit Arbeitsfähigkeit zu rechnen sei, worauf dieser als voraussichtlichen Zeitpunkt den 8. Juli 2015 angab.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Dezember 2015 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 1. Juni 2015 zurück. Die Bewilligung einer Betriebshilfe sei grundsätzlich erst ab dem Tag der Antragstellung möglich. Da die Betriebshilfegewährung wirksam und wirtschaftlich sein müsse und das Maß des Notwendigen nicht übersteigen dürfe, seien vor der Bewilligung entsprechende Datenerhebungen notwendig, damit festgestellt werden könne, dass die Betriebshilfegewährung diese Voraussetzungen erfülle und eine konforme Ermessensausübung erfolge. Habe die Beklagte keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass ein Verlängerungstatbestand vorliege, dann bestehe ein Anspruch auf Erstattung der für die Zeit nach der befristeten Bewilligung angefallenen Kosten für eine in Anspruch genommene selbstbeschaffte Ersatzkraft nur für die Zeit nach dem Zeitpunkt, zu dem die Beklagte Gelegenheit gehabt habe, über das Vorliegen der Verlängerungsvoraussetzungen und über die Art der Leistung zu entscheiden. Betriebshilfe solle nur eingetretene Notlagen überbrücken. Die Verlängerung über den vierwöchigen Grundanspruch hinaus setze besondere Verhältnisse voraus, die nur dann anzunehmen seien, wenn schwerwiegende Gründe den weiteren Einsatz einer Ersatzkraft tatsächlich erforderlich machen würden. Zur Prüfung der Leistungsvoraussetzungen müsse der Antrag daher vollständig ausgefüllt und vor Ablauf der genehmigten Leistungsdauer vorliegen. Die vorherige Mitteilung der Tatsachenangaben sei Anspruchsvoraussetzung, um über die Form der Leistungserbringung entscheiden zu können. Mit Bescheid vom 6. Mai 2015 habe die Beklagte die Kostenübernahme bis zum 17. Mai 2015 verlängert. Der Verwaltungsakt habe sich durch Fristablauf erledigt. Lasse der Kläger die selbst beschaffte Ersatzkraft weiter arbeiten, seien die anfallenden Kosten nicht mehr durch den ursprünglichen Bescheid gedeckt. Die Beklagte müsse erneut darüber entscheiden, in welcher Weise sie die Leistung erbringe. Für die Zwischenzeit sei somit eine Kostenerstattung nicht möglich. Der Kläger sei darüber informiert worden, dass zur Prüfung der Leistungsvoraussetzungen der Antrag vollständig ausgefüllt und vor Ablauf der genehmigten Leistungsdauer vorliegen müsse. Dass der Kläger den Verlängerungsantrag nicht rechtzeitig vorgelegt habe bzw. die Unterlagen nicht rechtzeitig eingegangen seien, falle in dessen Verantwortungsbereich. Konkrete Anhaltspunkte für einen Verlängerungstatbestand hätten nicht vorgelegen. Aus der Leistungserbringung der Beklagten von Amts wegen sei keine Verpflichtung zu Nachforschungen nach Verlängerungstatbeständen abzuleiten, wenn keine substanziellen Anhaltspunkte dafür bestünden. Weder aus den im Zusammenhang mit der Betriebshilfe eingereichten Unterlagen noch aus den Unfallakten würden sich Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Gestellung einer Betriebshilfe über den 17. Mai 2015 hinaus ergeben. Alle Versicherten seien gehalten, den Verlängerungsantrag rechtzeitig vorzulegen. Der Bescheid entspreche damit dem Gleichheitsgrundsatz.

Mit der zum Sozialgericht München (SG) erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und beantragt die Gewährung von Betriebshilfe auch für die Zeit vom 18. Mai 2015 bis 20. Mai 2015 mit der im Widerspruchsverfahren vorgetragenen Begründung. Er habe gemäß der Satzung einen Anspruch auf Kostenübernahme. Der Bescheid sei rechtswidrig und verletzt ihn in seinen Rechten.

Die Beklagte wiederholt die Gründe des Widerspruchsbescheides und führte zudem aus, Gegenstand des Rechtstreits sei ein Kostenerstattungsanspruch. Die Satzung (§ 35) regle nicht den Fall, in dem sich der Landwirt außerhalb des bewilligten Einsatzzeitraumes die Sozialleistung selbst beschaffte. Ob in derartigen Sachverhaltskonstellationen ein Anspruch auf Kostenerstattung bestehe, beurteile sich nach § 13 Abs. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), der im Recht der gesetzlichen Unterversicherung entsprechend Anwendung finde. Eine Kostenerstattung hinsichtlich einer selbstbeschafften Leistung komme dann in Betracht, wenn der Unfallversicherungsträger eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen könne oder er eine Leistung zu Unrecht abgelehnt habe. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Erforderlich sei, dass der Unfallversicherungsträger rechtzeitig von der Notwendigkeit einer Betriebshilfemaßnahme erfahre und die Anknüpfungstatsachen für die Beurteilung der besonderen Verhältnisse im Unternehmen sowie für die Ausübung des ihm zustehenden Ermessens einschließlich des Auswahlermessens ermitteln könne. Im Nachhinein könne der Unfallversicherungsträger seine Entscheidungsspielräume allenfalls noch theoretisch ausüben. Vom Versicherten sei zu erwarten, sich rechtzeitig an den zuständige Versicherungsträger zuwenden und dessen Entscheidung abzuwarten. Vor dem 21. Mai 2015 sei der Beklagten bekannt gewesen, dass die Arbeitsunfähigkeit des Klägers am 17. Mai 2015 enden würde, was auch der vom Durchgangsarzt zuvor gestellten Prognose zum Widereintritt der Arbeitsunfähigkeit entsprochen habe. Die Beklagte habe zur bundesweit einheitlichen Leistungserbringung Regelungen getroffen. Die Notwendigkeit gewisser Standards bezüglich einer ordnungsgemäßen Mitteilung ergebe sich unabwendbar daraus, dass anderenfalls überhaupt keine Formerfordernisse mehr durchsetzbar wären und das System der Betriebshilfe letztlich nicht mehr im Interesse aller Landwirte aufrechterhalten werden könne. Im Interesse der Gleichbehandlung sei es somit nicht möglich, von den Erfordernissen rechtzeitiger Antragstellung Ausnahmen zu machen. Die Beklagte nimmt Bezug auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Beschluss vom 15. April 1997, Az.: 1 BK 31/96; Urteil vom 20. Mai 2003, Az.: B 1 KR 9/03 R, Urteil vom 24. Februar 2000, Az.: 2 U 12/99 R) und des LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 21. Mai 2015, Az.: L 6 U 4698/14).

Im Zuge der mündlichen Verhandlung erklärten die Beteiligten einvernehmlich, dass die Gesamtforderung 248,00 € abzüglich der Selbstbeteiligung (10 € je Einsatztag) betrage.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 1. Juni 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Dezember 2015 zu verurteilen, ihm Betriebshilfe auch für die Zeit vom 18. Mai 2015 bis 20. Mai 2015 zu leisten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen und die Berufung zuzulassen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird im Übrigen auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Akte des SG sowie der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.

Gründe

Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig und begründet.

Gegenstand der Klage ist der Bescheid vom 1. Juni 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Dezember 2015 insoweit, als die Beklagte einen Anspruch auf Betriebshilfe für den Zeitraum vom 18. Mai 2015 bis 20. Mai 2015 ablehnt. Der Kläger hat, entsprechend den unmittelbar vor und nach diesem Zeitraum erfolgten Leistungen, einen Anspruch auf Gewährung von Betriebshilfe in Form der Kostenerstattung auch für den Zeitraum vom 18. Mai 2015 bis 20. Mai 2015.

Zulässig ist die Anfechtungs- und Leistungsklage, die im beantragten Ausmaß vollumfänglich zulässig und begründet ist. Zwar steht die Entscheidung über Leistungen, über die der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung eine Auswahlentscheidung hinsichtlich deren Art, Höhe und Dauer zu treffen hat, grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Trägers, mit der Folge, dass ein Begehren mit der Anfechtungs- und Vornahmeklage zu verfolgen wäre. Soweit sich jedoch ein der Beklagten eingeräumtes Ermessen aus besonderen Umständen im Sinne einer Ermessensreduzierung zu einem Anspruch auf eine bestimmte Leistung konkretisiert hat, ist die richtige Klageart die Anfechtungs- und Leistungsklage (vgl. BSG, Urteil vom 29. November 2011, Az.: B 2 U 21/10, Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 131 RdNr. 12 a m. w. N.).

Landwirtschaftliche Unternehmer erhalten gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) während einer stationären Behandlung Betriebshilfe, wenn ihnen wegen dieser Behandlung die Weiterführung des Unternehmens nicht möglich ist und in dem Unternehmen Arbeitnehmer und mitarbeitende Familienangehörige nicht ständig beschäftigt werden. Betriebshilfe wird nach § 54 Abs. 1 Satz 2 SGB VII für längstens drei Monate erbracht. Die Satzung kann bestimmen, unter welchen Voraussetzungen und für wie lange Betriebshilfe auch während einer nicht stationären Heilbehandlung erbracht wird (§ 54 Abs. 3 Nr. 2 SGB VII) und die Betriebshilfe länger als drei Monate erbracht wird (§ 54 Abs. 3 Nr. 5 SGB VII). Die Satzung der Beklagten regelt in § 30 Abs. 1, dass die Beklagte Betriebshilfe längstens bis zu vier Wochen erbringt, sofern die Arbeitsunfähigkeit ärztlich bescheinigt ist (Nr. 1), die Weiterführung des landwirtschaftlichen Unternehmens nicht möglich ist (Nr. 2) bzw. die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft Träger der nichtstationären Heilbehandlung ist (Nr. 3). Dauert die ärztlich bescheinigte Arbeitsunfähigkeit länger an, so kann gemäß § 30 Abs. 2 der Satzung die Betriebshilfe für einen längeren Zeitraum gewährt werden, sofern besondere Verhältnisse im Unternehmen dies erfordern. Gemäß § 55 Abs. 1 SGB VII wird Betriebshilfe in Form der Gestellung einer Ersatzkraft oder auch, wie hier vor und nach dem streitbefangenem Dreitageszeitraum, durch Erstattung der Kosten für eine selbst beschaffte betriebsfremde Ersatzkraft in angemessener Höhe gewährt. Die Satzung kann die Erstattungsfähigkeit der Kosten für selbst beschaffte Ersatzkräfte begrenzen (§ 55 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Gemäß § 34 Abs. 1 der Satzung wird als Betriebshilfe eine geeignete und ausreichend ausgebildete Ersatzkraft gestellt. Gemäß § 35 Abs. 1 der Satzung kann anstelle einer Ersatzkraft Betriebshilfe auch durch Erstattung der Kosten für eine selbstbeschaffte betriebsfremde Ersatzkraft in angemessener Höhe erbracht werden. Die Entscheidung, in welcher Form die Leistung erbracht wird, trifft die Berufsgenossenschaft; es besteht kein Wahlrecht (§ 35 Abs. 1 der Satzung). Die für den Einsatz erforderlichen Tatsachenangaben und Gründe sind der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft vor Beginn des Einsatzes mitzuteilen (§ 35 Abs. 1 Satz 3 der Satzung).

Der Kläger hat in der Zeit der durchgehenden Arbeitsunfähigkeit vom 1. Januar 2015 bis zum 10. Oktober 2015, mit Ausnahme der drei Tage vom 18. Mai 2015 bis 20. Mai 2015, Betriebshilfe in Form der Kostenerstattung erhalten. Die Beteiligten gehen offenbar übereinstimmend davon aus, dass die in § 30 Abs. 2 der Satzung genannten Tatbestandsvoraussetzungen für die Gewährung von Betriebshilfe für den Zeitraum bis 10. Oktober 2015 vorgelegen haben, also die ärztlich bescheinigte Arbeitsunfähigkeit des Klägers sowie die besonderen Verhältnisse im Unternehmen. Die Beklagte hat jedenfalls nicht vorgetragen, dass im streitigen Dreitageszeitraum die geforderten besonderen Verhältnisse nicht festzustellen gewesen wären. Eine entsprechende Argumentation wäre auch bei Berücksichtigung der Gewährung der Betriebshilfe für den an den Dreitageszeitraum anschließenden Zeitraum nicht widerspruchsfrei gewesen. Dies bedeutet, dass die Beklagte durchgehend, also ab dem Zeitpunkt der Gewährung (1. April 2015) bis zur Einstellung der Betriebshilfe (10. Oktober 2015) der Auffassung war, dass dem Kläger in dieser Zeit der ersten Not bei der Aufrechterhaltung des Betriebes geholfen werden musste.

Damit war ausschließlich die Frage zu beantworten, ob die Ablehnung der Gewährung von Betriebshilfe durch Kostenerstattung im Dreitageszeitraum rechtmäßig sein kann, nur weil der geforderte Verlängerungsantrag nicht drei Tage vor dem 21. Mai 2015 bei der Beklagten einging. Nach Auffassung des Gerichts ist der diese Ablehnung beinhaltende Ausgangsbescheid teilweise rechtswidrig, schon deshalb, weil der zweite, angefochtene Verfügungssatz dem ersten Verfügungssatz widerspricht. Zudem fehlt eine pflichtgemäße Ausübung des Ermessens. Im Übrigen liegen die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung vor, weil das Gericht von einer Ermessensreduzierung auf Null ausgeht, die Sache also zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung spruchreif war.

Der Bescheid vom 1. Juni 2015 ist widersprüchlich, weil die Beklagte zunächst die begehrte Leistung gewährt und sie unmittelbar danach ablehnt. Die Beklagte führt nämlich wörtlich aus, dass die Kostenzusage ergänzend zum Ausgangsbescheid vom 24. April 2015, in dem diese für die konkret genannten Ersatzkräfte erfolgte, verlängert wird. Verlängerung kann nur bedeuten, dass der Leistungszeitraum nahtlos ausgedehnt wird, also eine Leistungslücke nicht entsteht. Anschließend, nachdem die Kostenübernahme unter eine Bedingung gestellt wurde, nämlich die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall, entscheidet die Beklagte, entgegen den vorherigen Ausführungen zur Verlängerung, die Kostenübernahme könne für die Zeit vom 18. Mai 2015 bis 20. Mai 2015 nicht erfolgen. Schon aufgrund dieser logischen Unvereinbarkeit von zwei Aussagen des Bescheides ist dieser jedenfalls teilweise rechtswidrig.

Selbst wenn über diesen Umstand hinweggesehen wird, ist festzuhalten, dass die Beklagte auch den Anspruch des Klägers auf eine pflichtgemäße Ermessensausübung (§ 39 Abs. 1 Satz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB I) nicht beachtet hat. Zunächst legen die Ausführungen nahe, dass die Beklagte davon ausgeht, dass ein Ermessen nicht ausgeübt werden musste, weil der für erforderlich gehaltene Antrag nicht früher vorlag.

Nach § 30 Abs. 2 der Satzung kann die Betriebshilfe für einen längeren Zeitraum gewährt werden. Es handelt sich um ein echtes Gewährungsermessen, von dessen Einräumung durch den Normgeber regelmäßig bei Gebrauch z. B. des Wortes "kann" auszugehen ist (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 54 RdNr. 25 f. m. w. N.)). Das bedeutet, dass die Beklagte ihr Ermessen entsprechend dem Sinn und Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten hat (§ 39 Abs. 1 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB I; § 54 Abs. 2 Satz 2 Sozialgesetzbuch - SGG). Umgekehrt besteht grundsätzlich nur ein Anspruch auf pflichtgemäße Ermessensausübung (§ 39 Abs. 1 Satz 2 SGB I), wie hier ausnahmsweise aber ein Anspruch auf die beantragte Leistung.

Von der Vorschrift zum Gewährungsermessen des § 30 Abs. 2 der Satzung hat die Beklagte nicht bzw. fehlerhaft Gebrauch gemacht. Betriebshilfe kann nach dieser Vorschrift für einen längeren Zeitraum gewährt werden, solange besondere Voraussetzungen im Unternehmen vorliegen. Die Beklagte geht nicht mit sachlichen Argumenten auf den geltend gemachten Anspruch des Klägers ein. Sie begründet den die Gewährung von Betriebshilfe im genannten Dreitageszeitraum ablehnenden Verfügungssatz zunächst mit einer Verspätung. Hinzu kommt die jedenfalls an dieser Stelle widersprüchliche Anmerkung, Betriebshilfe sei nicht als Dauerleistung vorgesehen.

Die Beklagte gibt damit im Ausgangsbescheid nicht zu erkennen, dass ihr überhaupt ein Ermessensspielraum zusteht. Sie weist lediglich auf eine Verspätung hin und vermittelt den Eindruck einer gebundenen Entscheidung. Der zur Begründung gedachte Hinweis, Betriebshilfe solle nur helfen, eine Notlage zu überbrücken, ist nicht nachvollziehbar, nachdem ja gleichzeitig die Kostenzusage bis 31. Mai 2015 erfolgte. Von einer rechtmäßigen Ermessensausübung ist dann auszugehen, wenn die Entscheidung erkennen lässt, dass ein Ermessenspielraum zusteht sowie ein Ermessen ausgedrückt und in nachvollziehbarer Weise begründet wird. Daran ändert nicht, dass möglicherweise die Beklagte der Auffassung war, einer Ermessensentscheidung bedürfe es hier nicht. Selbst diese Meinung lässt sich der Entscheidung nicht entnehmen.

Die Ausführungen im Widerspruchsbescheid entsprechen ebenso nicht den Vorgaben für eine rechtmäßige Ermessensentscheidung. Dort wird zwar nun auf den Charakter der Ermessensnorm hingewiesen, eine Ermessensausübung fehlt jedoch auch hier. Im Grunde wird die Aussage des angefochtenen Bescheides bestätigt. Die Beklagte sah sich wegen eines nicht rechtzeitig eingegangenen Verlängerungsantrags veranlasst, die Betriebshilfe für den streitigen Dreitageszeitraum abzulehnen. Wie bereits im Ausgangsbescheid wird auch hier darauf hingewiesen, dass Betriebshilfe nur Notlagen überbrücken soll und die Verlängerung über den vierwöchigen Grundanspruch hinaus besondere Verhältnisse voraussetze, obwohl ja durch die Weitergewährung der Betriebshilfe die Notlage anerkannt und auch bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht bestritten wurde. Im Grunde lässt die Beklagte erkennen, dass für sie eine ihrer Ansicht nach verspätete Antragstellung der alleinige Grund für die Ablehnung war. Nicht im Ansatz werden etwaige Interessen des Klägers gesehen bzw. benannt. Vielmehr sah die Beklagte ausschließlich den Kläger in der Pflicht. Ausdrücklich meint die Beklagte, für den Dreitageszeitraum sei eine Kostenerstattung nicht möglich, dies falle einzig und allein in den Verantwortungsbereich des Klägers, und von Amts wegen sei keine Verpflichtung zu Nachforschungen nach Verlängerungstatbeständen abzuleiten. Im Übrigen wird trotz der verfassungsrechtlich unbedenklichen, hier anzuwendenden Bestimmungen mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) die aus Sicht der Beklagten unverrückbare, und damit nicht in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens erfolgte Entscheidung begründet.

Die Beklagte hat somit zwar im Zuge der Entscheidung über den Widerspruch erkannt, dass ihr bei der konkreten Entscheidung ein Ermessensspielraum zustand, aber nicht, ausgehend von Sinn und Zweck der besonderen Leistung der Betriebshilfe, geprüft, ob im Dreitageszeitraum besondere Verhältnisse im Unternehmen vorlagen, die die Gewährung von Betriebshilfe erforderlich machten, offenbar, weil sie ohnehin davon ausging.

Unzutreffend ist, dass der Beklagten keine Anhaltspunkte vorlagen, von Amts wegen tätig zu werden.

Unbeachtet blieb, dass der Kläger, neben nicht möglichen landwirtschaftlichen Tätigkeiten, keine Forstarbeiten verrichten konnte. Schon am 1. April 2015 teilte der Kläger der Beklagten mit, laut ärztlicher Aussage dürfe er das ganze Jahr nicht mit der Motorsäge schneiden, er benötige dringend jemanden, da ein Windwurf im Holz vorliege. Er legte eine Bescheinigung des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Rosenheim vom 6. Mai 2015 vor, wonach er in seinem Wald ca. 60 Festmeter Windwurfholz liegen habe, das in den nächsten drei Wochen, also auch über in der Zeit nach dem 17. Mai 2015, dringend wegen Gefahr von Borkenkäferbefall aufgearbeitet werden müsse, d. h. durch Ersatzkräfte. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zum Verlängerungsantrag vom 4. Mai 2015 zeigt auf, dass die Arbeitsunfähigkeit nur "vorerst" bis 17. Mai 2015 bestehen sollte. Darüber hinaus ergibt sich aus dem Durchgangsarztbericht des Dr. C. zur Nachuntersuchung am 12. Mai 2015, dass der Kläger über den 17. Mai 2015 hinaus, nämlich damals bis voraussichtlich 1. Juni 2015 arbeitsunfähig war. Trotz der Hinweise auf eine noch länger andauernde Arbeitsunfähigkeit hat die Beklagte, z. B. von einer fernmündlichen Anfrage beim Kläger oder Durchgangsarzt, Abstand genommen. Erst am 9. Juni 2015 hat sie dagegen eine Anfrage beim Durchgangsarzt für erforderlich erachtet.

Den Ausführungen der Beklagten ist offenbar die Auffassung zu entnehmen, dass für die Gewährung von Betriebshilfe die Vorlage des Verlängerungsantrags unverzichtbare materiell-rechtliche Voraussetzung sei. Sie gibt an, die Bewilligung sei grundsätzlich erst ab dem Tag der Antragstellung möglich. Im Zuge des Widerspruchs- und Klageverfahrens gibt sie dagegen durchaus zu erkennen, dass es sich bei der Betriebshilfe um eine Leistung von Amts wegen handelt. Der Beklagten ist vor allem entgegenzuhalten, dass sie bei ihrer Entscheidung rein formal argumentiert (vgl. BSG Urteil vom 25. Oktober 1984, Az.: 11 RK 3/83). Die Beklagte stützt sich ausschließlich auf das Datum des Verlängerungsantrages, verweist auf eine unabwendbare Notwendigkeit gewisser Standards bezüglich einer ordnungsgemäßen Mitteilung und sieht die Entscheidung vor dem Hintergrund, anderenfalls seien überhaupt keine Formerfordernisse mehr durchsetzbar. Sie gibt an, im Interesse der Gleichbehandlung sei es nicht möglich, von den Erfordernissen rechtzeitiger Antragstellung Ausnahmen zu machen. Die Beklagte verweist zur Begründung ihrer Vorgehensweise auf die alleinige Verantwortung ihres Versicherten. Dem Unfallversicherungsrecht ist allerdings eine solche rein formale Vorgehensweise, die wie eine Sanktion wirkt, fremd. Dem Unfallversicherungsrecht kann jedenfalls nicht entnommen werden, dass Leistungen wegen ausschließlich formal-prinzipieller Gründe, die unter Zugrundelegung der Argumentation der Beklagten offenbar mit Blick auf Ansprüche künftiger Versicherter insbesondere auch präventiven Charakter haben sollen, verweigert werden können.

Der Anspruch auf Betriebshilfe im Unfallversicherungsrecht setzt gerade keinen förmlichen Antrag voraus. Hier unterscheidet konsequent auch die Satzung der Beklagten. Betriebshilfeleistungen im Zuge der Alterssicherung und der Krankenversicherung setzen nach §§ 101, 119 der Satzung eine Antragstellung voraus, im Rahmen der Unfallversicherung fehlt eine entsprechende Vorschrift. Die Satzung entspricht somit den gesetzlichen Regeln des § 19 Viertes Buch Sozialgesetzbuch - SGB IV und § 20 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X, dass Unfallversicherungsleistungen grundsätzlich von Amts wegen zu erbringen sind. § 55 SGB VII macht hiervon keine Ausnahme (vgl. Keller in: Hauck/Nofts SGB VII § 55 RdNr. 6). Die Behörde hat immer dann ein Verfahren einzuleiten, wenn sie von Amts wegen tätig werden muss (§ 18 Satz 2 Nr. 1 SGB X). Von Amts wegen werden die Verwaltungsverfahren wegen Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung oder der Sozialhilfe eingeleitet, auf Antrag grundsätzlich die Leistungen der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung (vgl. hierzu auch KassKomm-Mutschler § 18 SGB X Rdnr. 6).

In ihrem Intranetauftritt (www.s...de) unterscheidet die Beklagte zutreffend zwischen den formalen Voraussetzungen je nach Sozialversicherungszweig. Danach müssen Anträge auf Betriebshilfe der landwirtschaftlichen Kranken- und Pflege- und Alterskasse vor Einsatzbeginn gestellt werden. Sie lässt auch zutreffend erkennen, dass Leistungen unter bestimmten Voraussetzungen auch für zurückliegende Tage möglich seien. Auch heißt es, dass bei verspäteter Vorlage eine Leistungsverweigerung nur drohe, nicht aber, wie die Beklagte im gegebenen Fall meint, stets ausgeschlossen sei.

Dementsprechend verlangt auch § 35 der Satzung, der die Erstattung der Kosten für eine selbstbeschaffte betriebsfremde Ersatzkraft regelt, keine Antragstellung. § 35 Abs. 1 Satz 3 der Satzung fordert eine Mitteilungspflicht der für eine entsprechende Leistungsgewährung erforderlichen Angaben. Bei einer Verletzung von Mitwirkungs- und Meldepflichten, wie sie die Beklagte offenbar unterstellt, gelten § 21 Abs. 2 SGB X; §§ 60 ff. SGB I, die von der Feststellungspflicht vom Amts wegen nicht gemindert werden (KassKomm-Zieglmeier § 19 SGB IV, RdNr. 21). Eine entsprechende Verletzung von Mitwirkungspflichten im Sinne dieser Vorschrift hat aber die Beklagte nicht festgestellt. § 35 Abs. 1 Satz 3 der Satzung, wonach für den Einsatz erforderliche Tatsachenangaben und Gründe der Beklagten vor Beginn des Einsatzes mitzuteilen sind, rechtfertigt nicht die Auffassung, dass eine Antragstellung materiell-rechtliche Voraussetzung eines Leistungsanspruchs sei. Vielmehr wird damit eine Mitteilungspflicht des Versicherten klargestellt, ohne die eine zusprechende Entscheidung nicht erfolgen kann. Außerdem kann hieraus abgeleitet werden, dass ein Einsatz selbstbeschaffter Betriebskräfte auf Risiko des Unternehmers erfolgen würde.

Besonders hinzuweisen ist auf den allgemeinen Grundsatz, dass den Leistungsträger aufgrund der sozialrechtlichen Beziehung zwischen ihm und dem Unfallversicherten eine Aufklärungsobliegenheit trifft, die in verschiedenen Vorschriften ihren Niederschlag finden, z. B. durch die Pflicht, darauf hinzuwirken, dass unvollständige Angaben ergänzt werden (§ 16 Abs. 3 SGB I). Aus § 66 Abs. 3 SGB I ist der Rechtsgedanke abzuleiten, dass ein Leistungsberechtigter nach Einleitung eines Verwaltungsverfahrens nach § 8 ff. SGB X auch darauf vertrauen kann, dass er gegebenenfalls sogar auf Mitwirkungsversäumnisse hingewiesen wird und zudem die Gelegenheit erhält, Versäumtes nachzuholen, so das Bundessozialgericht (BSG, Urteil vom 28. Oktober 2009, Az.: B 14 AS 56/08 R), das auf ein gehöriges Ausmaß einer Aufklärungsverpflichtung eines Sozialleistungsträgers mit Aufgaben nach SGB II hinweist. Erst recht muss dies zwischen Versicherten und einem Sozialversicherungsträger gelten.

Der Untersuchungsgrundsatz ist von maßgeblicher Bedeutung für das gesamte Verwaltungsverfahren, wonach alle erheblichen Tatsachen in eigener behördlicher Verantwortung zu erheben sind. Der Amtsermittlungsgrundsatz verlangt von den Behörden die eigenständige Ermittlung aller Umstände, die für die Entscheidung von Bedeutung sind. Die Beklagte wäre im gegebenen Fall gehalten gewesen, bei dem Kläger oder auch beim Durchgangsarzt nachzufragen. Die Angabe des Klägers, nach ärztlicher Aussage könne er die Motorsäge ein Jahr lang nicht bedienen, die Bestätigung des Maschinenrings über die Notwendigkeit der Arbeiten oder auch die vage Prognose des Durchgangsarztes zur Arbeitsunfähigkeit wären ausreichende Anlässe für weitere Ermittlungen gewesen.

Der Gesetzgeber bringt mit dem Prinzip der Leistung von Amts wegen in der gesetzlichen Unfallversicherung zum Ausdruck, dass nach Eintritt des Versicherungsfalls, wie hier eines Arbeitsunfalls, ein unverzügliches Handeln erforderlich ist. Gerade die Betriebshilfe ist eine Leistung, die, wie die Beklagte selbst betont, notfallmäßig zu leisten ist. Die Pflicht zum Tätigwerden setzt somit ein, sobald ein Leistungsträger von möglichen leistungserheblichen Tatsachen Kenntnis erhält. Die Art der Kenntnisnahme ist unerheblich, z. B. auch durch einen Arztbericht (KassKomm Zieglmeier § 19 SGB IV Rdnr. 20f. m. w. N.).

Der Hinweis auf Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz kann die Auffassung der Beklagten nicht stützen. Der Gleichheitssatz verbietet eine sachfremde Differenzierung. Für die Verwaltung ist der Gleichheitssatz vor allem im Bereich des Ermessens von Bedeutung. Er bindet die Verwaltungsbehörden insofern, als sie ihren Entscheidungen keine sachfremden oder willkürlichen Erwägungen zugrunde legen dürfen. Für einen Anspruchsteller kann deshalb eine langjährige Verwaltungsübung einen Rechtsanspruch auf unveränderte Fortführung im Sinne einer Selbstbindung begründen, sofern nicht sachliche Gründe eine Abweichung rechtfertigen. Der Gleichheitssatz rechtfertigt jedoch ganz selbstverständlich nicht eine mit Fehlern behaftete Entscheidung. Dessen ungeachtet hat die Beklagte in bereits abgeschlossenen Verfahren durchaus die hier vertretene Auffassung des Gerichts geteilt (vgl. S 1 U 5064/13; S 1 U 5026/14, S 1 U 5047/14).

Der Kläger hat beantragt, für die Lücke von drei Tagen Betriebshilfe zu leisten, ohne auf die konkrete Form der Leistung einzugehen. Der Hinweis der Beklagten, sie hätte vor Bewilligung der Betriebshilfe für den Dreitageszeitraum die Angaben des Klägers prüfen müssen, geht fehl. Im Zuge der Verlängerung der Betriebshilfe unter Hinweis auf den Erstbescheid gab es gerade keinen Aufklärungsbedarf bezüglich der für die Entscheidung maßgebenden Tatsachen und der Art der Leistung. Die Beteiligten waren sich in der mündlichen Verhandlung auch über den konkreten Umfang des Leistungsanspruchs einig, nämlich über den Betrag von 248.- € abzüglich der Selbstbeteiligung von 10.- € pro Tag. Ein Auswahlermessen, welches in einem gesonderten Verfahren durchzuführen wäre, ist deshalb obsolet geworden. Es stellte sich ohne einen inhaltlichen Wert als reine Formalie dar. Das Gericht sah sich deshalb veranlasst, von einem Bescheidungsurteil abzusehen. Es ist aufgrund der vorliegenden Sachlage nicht erkennbar, dass in einem neuen Bescheid unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts eine abweichende Regelung der Beklagten getroffen werden würde. Die Beklagte bestreitet nicht die Notwendigkeit der Betriebshilfe für den Kläger, was bereits aus den weiteren Bewilligungsbescheiden folgt.

Die von der Beklagten im Klageverfahren benannten Entscheidungen sind nicht geeignet, das hier verkündete Urteil zu entkräften. Die Beklagte verweist auf die Rechtsprechung zum SGB V zur Umwandlung eines Sachleistungs- in einen Kostenerstattungsanspruch, wonach die Versicherten grundsätzlich das nach den Umständen Erforderliche getan haben müssen, um sich die notwendige Hilfe innerhalb des (Sachleistungs-)Systems zu verschaffen. Vor Inanspruchnahme einer Leistung außerhalb des Systems seien sie daher jedenfalls grundsätzlich gehalten, sich von der Kasse über die (internen) Behandlungsmöglichkeiten beraten zu lassen oder einen entsprechenden Leistungsantrag zu stellen.

Diese Rechtsprechung stützt die hier angefochtene Entscheidung der Beklagten nicht. Zunächst ist festzustellen, dass in den von der Beklagten genannten Entscheidungen des BSG Ansprüche der gesetzlichen Krankenversicherung, z. B. in Form der Heilbehandlung, in Frage stehen. Die Beklagte stellt aber die inhaltlichen Voraussetzungen über die Art und den Umfang der Leistung nicht ansatzweise in Frage. Im angefochtenen Bescheid verlängert sie unter Bezugnahme auf den Ausgangsbescheid die konkrete Kostenzusage unter Angabe der Namen der Betriebshelfer. Im Einzelnen ist zu den genannten Urteilen Folgendes auszuführen:

Dem Urteil des BSG vom 15. April 1997 (Az.: 1 BK 31/96) lag der Sachverhalt zugrunde, dass ein Versicherter einer Krankenkasse die Erstattung von aufgewendeten Kosten für Kondome, verordnet durch Privatrezept, beantragt hat. Dieses Urteil verweist auf den Ausnahmecharakter der Kostenerstattung bei der Krankenversicherung. Den Krankenkassen müsse zur Vermeidung von Missbräuchen vorab eine Prüfung ermöglicht werden. Der Versicherte sei vor Inanspruchnahme außerhalb des Systems grundsätzlich gehalten, sich an seine Krankenkasse zu wenden. Er dürfe der Entscheidung nicht dadurch vorgreifen, dass er die erstrebte Behandlung bei einem Nichtkassenarzt vornehmen lasse. Dieser Fall zeigt keine Parallele zum hier vorliegenden Sachverhalt auf. Es handelt sich bei der hier zu beurteilenden Fallkonstellation um einen Notfall, es ging eine Bewilligung einer Kostenzusage voraus, ein Missbrauch war und ist nicht erkennbar, außerdem handelt es sich um eine Leistung innerhalb des Systems.

Dem Urteil des BSG vom 20. Mai 2003 (Az.: B 1 KR 9/03) lag der Sachverhalt zugrunde, dass eine Versicherte einer Krankenkasse von einem Geburtshaus die Freistellung einer Zahlungsverpflichtung forderte. Das BSG hat klargestellt, dass die bei und nach der Entbindung, einschließlich der Hebammenhilfe, erforderlichen Leistungen als Sachleistungen gewährt werden. Eine Prüfung durch die Kasse liege auch im Interesse des Versicherten. Es sei deshalb weder unzumutbar noch bloßer Formalismus, wenn eine Kostenerstattung davon abhängig gemacht würde, dass die Kasse zuvor Gelegenheit gehabt habe, über die Berechtigung der außervertraglichen Behandlung zu befinden. Auch dieser Fall kann die Auffassung der Beklagten nicht untermauern. Im Leitsatz des BSG-Urteils wird sogar darauf hingewiesen, dass im Sachleistungssystem der Krankenversicherung die Erstattung möglich ist, wenn es sich, bei einem wie hier zu beurteilenden Sachverhalt, um einen Notfall handelt.

Im Urteil des BSG vom 24. Februar 2000 (Az.: B 2 U 12/99 R) wird zur Frage der Kostenerstattung für eine Umschulungsmaßnahme einer Versicherten zur Ergotherapeutin im Rahmen der Berufshilfe darauf hingewiesen. In den Gründen heißt es, ein Abwarten der Entscheidung sei besonders deshalb erforderlich gewesen, weil die Beschaffung dem Versicherten regelmäßig zur Verfügung stehender Kenntnisse der verschiedenen in Erwägung zu ziehenden Berufsfelder, um eine sinnvolle Auswahl treffen zu können, notwendig gewesen sei. Auch bestünde die Gefahr, dass der Versicherte anderweitigen Vorschlägen nicht mehr mit der erforderlichen Offenheit gegenüberstehe, weil er sich durch den Antritt der selbstorganisierten Maßnahme bereits selbst gebunden habe. Keines dieser Argumente kann auf den vorliegenden Sachverhalt übertragen werden.

Das LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 21. Mai 2015, Az.: L 6 U 4698/14) hatte darüber zu entscheiden, ob der Kläger anlässlich eines stationären Klinikaufenthaltes einen Kostenerstattungsanspruch hat. Bereits in erster Instanz wurde hier darauf hingewiesen, dass die Wahlleistungen in Form einer Chefarztbehandlung in Anspruch genommen wurden, die über den Umfang der gewöhnlichen Dienst- oder Sachleistungen hinausgegangen seien. In den Gründen des LSG-Urteils heißt es, die Kostenerstattung habe den Zweck, Versicherte so zu stellen, wie sie bei Gewährung einer Sach- oder Dienstleistung stehen würden. Sie erfasse nur Kosten, die Versicherten bei systemischer Leistungserbringung nicht entstanden wären. Ein Kostenerstattungsanspruch sei ausgeschlossen, wenn Leistungserbringende versuchen, die Unsicherheit über die Leistungserbringung zu unterlaufen. Auch aufgrund dieser Ausführungen erhellt, dass das in Bezug genommene Urteil eine vom vorliegenden Fall völlig abweichende Konstellation betrifft, in der die Erstattung stationärer Mehrkosten begehrt wird. Die Beklagte hat zu keinem Zeitpunkt des Verwaltungs- und Klageverfahrens behauptet, dass aufgrund des Einsatzes der Betriebshelfer zusätzliche Kosten angefallen wären, d. h. Kosten, die den Umfang bei unterstellter gewährter Leistung überschritten hätten. Der Hinweis, wonach ein Anspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V auch im Rahmen der gesetzlichen Unterversicherung voraussetze, dass der zuständige Versicherungsträger rechtzeitig von der Notwendigkeit einer Maßnahme erfahre, greift jedenfalls dann nicht, wenn im Grunde eine Entscheidung über die für die Frage, ob die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung der Betriebshilfe nicht (mehr) zu treffen ist bzw. nur rein formalen Charakter hat. Darüber hinaus ist nicht vorstellbar, dass z. B. eine über Monate gewährte Heilbehandlungsmaßnahme nach dem SGB V aus rein formalen Gründen für einen relativ nur sehr kurzen Zeitraum von, wie hier, drei Tagen nicht gewährt würde.

Das Gericht teilt somit die auch in der Literatur vertretene Auffassung, dass für eine selbstbeschaffte betriebsfremde Arbeitskraft Kosten auch ohne einen formellen Leistungsantrag in angemessener Höhe erstattet werden können und für die Erforderlichkeit einer vorherigen Zustimmung des Leistungsträgers der Gesetzeswortlauf keinen Anhalt bietet (Keller in: Hauck/Noftz, SGB VII K § 55 Rndr. 6).

Die Motivation der Beklagten zu der hier verteidigten Verwaltungspraxis ist offenbar, zu vermeiden, trotz nicht geprüfter sachlicher Voraussetzungen einem Kostenrisiko ausgesetzt zu werden. Der Beklagten ist sicherlich zuzugestehen, dass die Mitteilung der Tatsachen und Gründe entsprechend der Regelung in § 35 Abs. 1 Satz 3 der Satzung durchaus sinnvoll ist, und gerade bei einem Erstantrag erforderlich sein kann, damit eine sachgerechte Entscheidung überhaupt möglich ist. Ein entsprechendes Vorgehen empfiehlt sich auch für den Versicherten, damit er Sicherheit über die Kostenerstattung hat (Keller in: Hauck/Noftz, a. a. O.). Für eine Leistungsgewährung maßgebend sollte jedoch in erster Linie sein, wie grundsätzlich im Unfallversicherungsrecht, ob die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Betriebshilfe im jeweiligen Notfall gegeben sind. Die Beklagte ist jedenfalls nicht gehindert, auch noch zu einem späteren Zeitpunkt über einen Anspruch als solchen bzw. die Art und den Umfang zu entscheiden. Ein entsprechendes Vorgehen der Verwaltung im Interesse der Unfallversicherten könnte die Beklagte nach Auffassung des Gerichts durchaus leisten. Sofern ein Versicherter die Tatsachen und die Gründe zur Prüfung der Leistungsvoraussetzungen nicht bzw. nicht ausreichend darlegt bzw. nicht darlegen kann, hat er dementsprechend das Kostenrisiko zu tragen. Die Beklagte kann insofern auf die Mitwirkungspflichten im Sozialversicherungsrecht und deren mögliche Folgen bei Nichterfüllung hinweisen und gegebenenfalls zurückgreifen (vgl. § 60 SGB I).

Die Kostenentscheidung gemäß § 193 SGG folgt der Entscheidung in der Hauptsache.

Die Berufungssumme wird nicht erreicht (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Gründe für eine Zulassung der Berufung gemäß § 144 Abs. 2 SGG liegen nicht vor, insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Die angefochtene Entscheidung war wegen einer nach Auffassung des Gerichts fehlerhaften Rechtsanwendung bzw. einer fehlerhaften Ausübung des Ermessens aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, für den geltend gemachten Dreitageszeitraum Betriebshilfe zu leisten, wobei das Gericht aufgrund der Spruchreife eine Ermessensreduzierung auf Null annahm, weil das Gericht zu dem Ergebnis kam, dass durch ein Bescheidungsurteil ein abweichendes Ergebnis unter keinem Gesichtspunkt zu erwarten wäre.

Zitiert0
Referenzen0
Schlagworte