Bayerischer VGH, Beschluss vom 26.10.2016 - 9 NE 16.1860
Fundstelle
openJur 2020, 68130
  • Rkr:
Tenor

I.

Die Anhörungsrüge wird zurückgewiesen.

II.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die Anhörungsrüge ist unbegründet, weil der Senat den Anspruch des Antragstellers auf rechtliches Gehör im Zusammenhang mit dem Beschluss vom 19. August 2016 (Az. 9 NE 16.1512) nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat (§ 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

Das rechtliche Gehör als prozessuales Grundrecht gemäß Art. 103 Abs. 1 GG sichert den Beteiligten im gerichtlichen Verfahren ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können, insbesondere sie mit ihren Ausführungen und Anträgen gehört werden. Das Gericht hat die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Es ist aber nicht verpflichtet, auf sämtliche Tatsachen und Rechtsansichten einzugehen, die im Laufe des Verfahrens vorgebracht worden sind. Nur wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvorbringens eines Beteiligten zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht eingeht, lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (vgl. BVerfG, B. v. 29.10.2015 - 2 BvR 1493/11 - juris Rn. 45; BVerwG, B. v. 8.6.2016 - 8 B 14.15 - juris Rn. 2 m. w. N.). Art. 103 Abs. 1 GG enthält darüber hinaus ein Verbot von Überraschungsentscheidungen (BVerfG, B. v. 12.9.2016 - 1 BvR 1311/16 - juris Rn. 3).

1. Soweit der Antragsteller der Ansicht ist, ihm sei nach Beiziehung der Planunterlagen der Antragsgegnerin die vorläufige rechtliche Einschätzung des Senats nicht mitgeteilt worden und er habe keine Gelegenheit mehr zur Äußerung erhalten, kann dies der Anhörungsrüge nicht zum Erfolg verhelfen.

Gegenstand des Verfahrens nach § 47 Abs. 6 VwGO ist der Bebauungsplan, gegen den sich der Antragsteller auch im Hauptsacheverfahren wendet. Es ist damit offensichtlich, dass der Hinweis des Senats auf die beigezogenen Planakten sich nur auf diesen Bebauungsplan beziehen kann. Die Vorlage der Planunterlagen im Normenkontrollverfahren (Az. 9 N 16.824) durch die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 7. Juli 2016 wurde dem Antragsteller zur Kenntnis gegeben; ein Akteneinsichtsgesuch wurde bis zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf einstweilige Anordnung am 19. August 2016 jedoch weder im Normenkontrollverfahren, noch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gestellt. Damit hat der Antragsteller nicht sämtliche verfahrensrechtlichen und nach Lage der Dinge tauglichen Möglichkeiten ausgeschöpft, sich rechtliches Gehör zu verschaffen (vgl. BVerwG, B. v. 19.8.2014 - 7 BN 1.145 - juris Rn. 7).

Die Antragsgegnerin hat in der Antragserwiderung auch im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO unter anderem auf die fehlende Antragsbefugnis des Antragstellers, die zudem als Zulässigkeitsvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist, hingewiesen. Dieser Schriftsatz wurde dem Antragsteller zur Kenntnis gegeben. Soweit der Senat die Antragsbefugnis des Antragstellers verneint hat, liegt auch keine Überraschungsentscheidung vor, weil er damit keinen nicht erörterten und thematisierten Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben hat, mit der ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchte (vgl. BVerwG, B. v. 9.9.2016 - 9 B 78.15 - juris Rn. 4 m. w. N. und BVerwG, B. v. 18.3.2016 - 1 A 1.16 - juris Rn. 2). Eine Pflicht, vor der Entscheidung auf die (vorläufige) Rechtsauffassung des Gerichts hinzuweisen, besteht nicht (vgl. BVerwG, B. v. 4.8.2016 - 8 B 31.15 - juris Rn. 9).

2. Soweit der Antragsteller darüber hinaus die inhaltliche Unrichtigkeit des Beschlusses des Senats vom 19. August 2016 (Az. 9 NE 16.1512) bemängelt, kann er mit diesem Vortrag keinen Erfolg haben.

Das Gebot rechtlichen Gehörs gem. Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO verpflichtet das Gericht nicht, dem Tatsachenvortrag oder der Rechtsansicht eines Beteiligten inhaltlich zu folgen. Dementsprechend stellt die Anhörungsrüge keinen Rechtsbehelf zur Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit einer gerichtlichen Entscheidung dar (vgl. BVerwG, B. v. 18.3.2016 - 1 A 1.16 - juris Rn. 2).

Die vom Antragsteller behauptete Einzelbetrachtung durch den Senat bei der Beurteilung der ihm zumutbaren (Lärm-) Belastung durch den Bebauungsplan "H." der Antragsgegnerin lässt sich dem Beschluss vom 19. August 2016 (Az. 9 NE 16.1512) nicht entnehmen und stellt zudem eine mit der Anhörungsrüge nicht überprüfbare Entscheidungskritik dar. Gleiches gilt für den Vortrag, der Senat habe bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt, dass die abwägungserheblichen Belange des Antragstellers beim Satzungsbeschluss nicht einbezogen worden seien, die Alternativenprüfung keine Rolle gespielt habe und die Abwägung des Bebauungsplans insgesamt fehlerhaft sei, zumal es sich insoweit im Rahmen der Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO und der Beurteilung der dringenden Gebotenheit zur Abwehr schwerer Nachteile oder anderer wichtiger Gründe nach § 47 Abs. 6 VwGO nach der Entscheidung vom 19. August 2016 (Az. 9 NE 16.1512) um nicht entscheidungserheblichen Vortrag handelt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152a Abs. 4 Satz 3 VwGO).