LG Aachen, Beschluss vom 03.01.1991 - 3 T 323/90
Fundstelle
openJur 2012, 73125
  • Rkr:
Tenor

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

Das Grundbuchamt wird angewiesen, den Löschungsantrag der Beteiligten nicht aus den im angefochtenen Beschluß ausgeführten Gründen zurückzuweisen.

Gründe

Im Grundbuch von xxx waren ursprünglich als Eigentümer des eingangs bezeichneten Grundstücks Frau xxx Frau xxx und Herr xxx in Erbengemeinschaft eingetragen. Der Erbanteil der Frau xxx wurde aufgrund Erbfolge auf Frau xxx und Herrn xxx in Erbengemeinschaft umgeschrieben. Der Anteil der Frau xxx ist auf die Erbengemeinschaft, bestehend aus Herrn xxx und Herrn xxx umgeschrieben worden. Der Anteil des xxx an der ursprünglichen Erbengemeinschaft wurde am 05.09.1989 aufgrund Erbfolge auf xxx umgeschrieben. Bezüglich dieses Anteils des xxx ist in Abt. II des Grundbuchs unter laufender Nummer 3 ein Nacherbenvermerk eingetragen. Wegen seines Inhalts wird auf die entsprechende Grundbucheintragung Bezug genommen.

Die Beteiligten zu 1) - 5) haben das Grundstück am 27.04.1990 an den Beteiligten zu 6) verkauft (UR.-Nr. xxx des Notars xxx; zugunsten des Beteiligten zu 6) ist in Abt. II des Grundbuchs unter laufender Nummer 4 eine Eigentumsvormerkung eingetragen worden.

Mit Schriftsatz vom 19.10.1990 hat der Notar die Löschung des Nacherbenvermerks wegen Unrichtigkeit beantragt und zur Begründung ausgeführt: Unter Hinweis auf die Kommentierung bei Palandt und im Münchener Kommentar zu § 2113 BGB halte er die Eintragung eines Nacherbenvermerks nicht für zulässig, wenn durch diesen Vermerk die übrigen Miteigentümer bei einer Gesamthandsgemeinschaft in ihren Verfügungen beeinträchtigt würden. Es könne nicht angehen, daß einer der Miteigentümer durch die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft die übrigen Miteigentümer in ihren Verfügungen über Grundbesitz einschränken oder ihnen die Verfügung sogar unmöglich machen könne.

Die Rechtspflegerin hat den Antrag durch Beschluß vom 05.11.1990 zurückgewiesen. Auf die Begründung wird Bezug genommen.

Gegen diesen Beschluß hat der Notar mit Schriftsatz vom 20.11.1990 (Bl. 165 d.A.) Erinnerung eingelegt. Zur Begründung trägt er vor: Wenn schon nach der Rechtsprechung des BGH die Ehefrau als Vorerbin berechtigt sei, auch insoweit über den Gesamtgutsgegenstand ohne Einschränkung zu verfügen, als hinsichtlich des Anteils des Ehemanns Vor- und Nacherbschaft angeordnet sei, dann sei in dem hier zu entscheidenden Fall das Schutzbedürfnis der übrigen Miterben noch erhöht, da nicht nur eine Person, die in einem engen Eheverband stehe, von der willkürlichen Beschränkung eines einzelnen Miterben betroffen wurde, sondern vier weitere Mitglieder einer Erbengemeinschaft. Wenn der BGH selbst im Eheverband das Verfügungsrecht des überlebenden Ehegatten höher stelle als das Schutzbedürfnis des Nacherben, so müsse das erst recht in einer vielköpfigen Erbengemeinschaft gelten. Es könne nicht richtig sein, daß ein einzelner Miterbe durch die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft für seinen Erbteil das Verfügungsrecht aller übrigen Miterben ausschließe.

Rechtspflegerin und Richterin haben der Erinnerung nicht abgeholfen. Die Richterin hat die Sache unter Benachrichtigung des Notars dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Die gemäß § 11 Abs. 1 RPflG statthafte Erinnerung war nach der Nichtabhilfe gemäß §§ 11 Abs. 2 RPflG, 71 Abs. 1 GBO als Beschwerde zu behandeln. Diese ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Ein im Grundbuch eingetragener Nacherbenvermerk kann nur dann gelöscht werden, wenn entweder die Nacherben die Löschung bewilligt haben oder die Unrichtigkeit des Grundbuchs nachgewiesen ist (§§ 19, 22 Abs. 1 GBO).

Da die Nacherben nach xxx die Löschung nicht bewilligt haben, setzt diese den Nachweis der Unrichtigkeit voraus; der Nachweis ist in der Form des § 29 GBO zu führen.

Das Grundbuch ist unrichtig, weil der Nacherbenvermerk an dem eingangs bezeichneten Grundstück nicht einzutragen ist. Gemäß § 51 GBO ist bei der Eintragung eines Vorerben zugleich das Recht des Nacherben (Nacherbenvermerk) im Grundbuch einzutragen. Diese Schutzvorschrift gilt jedoch nicht, wenn - wie im vorliegenden Fall - bei einer ungeteilten Erbengemeinschaft ein Miterbe durch einen Vorerben mit Nacherbfolge beerbt wird.

Im Grundbuch war die ungeteilte Erbengemeinschaft, bestehend aus xxx eingetragen. Einer der Gesamthandsberechtigten, xxx ist durch einen Vorerben, xxx beerbt worden. Bezüglich des Anteils des xxx an der oben genannten Erbengemeinschaft ist Nacherbfolge angeordnet. Diese Anordnung erstreckt sich nicht auf einen ideellen Anteil am Grundstück, sondern auf den Erbanteil des xxx am Nachlaß des von xxx und ihm selbst beerbten Erblassers, also auf einen Gesamthandsanteil. Zu dem Gesamthandsvermögen gehört das eingangs bezeichnete Grundstück.

Die Kammer vertritt die Auffassung, daß im Interesse der Verfügungsfreiheit der übrigen im Grundbuch eingetragenen Mitglieder der ungeteilten Erbengemeinschaft in Anlehnung an die Rechtsprechung des BGH (NJW 1976, 893 und NJW 1978, 698) die Vorschrift des § 2113 BGB auf den Gesamthandsanteil des Vorerben xxx am Nachlaß nicht anwendbar ist (vgl. OLG Köln Rechtspfleger 1987, 60, 61; MünchKomm/Grunsky, § 2113 BGB Rdnr. 3; Haegele, Rechtspfleger 1977, 50 zu dem Fall, daß eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit dem Vorerben eines Gesellschafters fortgesetzt wird; offen gelassen von BayObLG Rechtspfleger 1988, 525, 526).

Eine unmittelbare Anwendung des § 2113 BGB im Falle einer Verfügung über das eingangs bezeichnete Grundstück scheidet aus, weil dieses Grundstück selbst nicht zum Nachlaß des vom Vorerben xxx beerbten xxx gehört. Zu dem Nachlaß gehört vielmehr - wie oben ausgeführt - dessen Erbanteil am Nachlaß des von ihm zusammen von xxx und xxx beerbten Erblassers.

Eine analoge Anwendung des § 2113 BGB scheidet ebenfalls aus. Hierfür läßt sich zwar das Schutzbedürfnis des Nacherben anführen, dem die Vorschrift dient. Dagegen sprechen aber die Belange der nicht von der Vorerbschaft betroffenen Gesamthänder. Da die im Grundbuch eingetragenen Erben über das Grundstück nur gemeinschaftlich verfügen können (§ 2040 Abs. 1 BGB) und der Vorerbe gemäß § 2033 Abs. 2 BGB nicht über seinen Anteil am Grundstück verfügen kann, führt eine entsprechende Anwendung des § 2113 BGB auch auf Gesamthandsgegenstände dazu, daß nicht nur der zum Nachlaß gehörende Gesamthandsanteil des Vorerben den Verfügungsbeschränkungen des § 2113 BGB unterworfen würde, sondern der zum Gesamthandsvermögen gehörende Gegenstand insgesamt. Davon würden auch die übrigen Mitglieder der Erbengemeinschaft, die nach dem von xxx, xxx und xxx beerbten Erblasser weiterhin besteht, betroffen.

Der BGH hat in einem Fall, in dem bei einer Gütergemeinschaft der überlebende Ehegatte den anderen als Vorerben beerbt hat, unter Hinweis auf die ähnliche Problematik im Recht der Personenhandelsgesellschaften (§§ 719 Abs. 1 BGB, 105 Abs. 2, 161 Abs. 2 HGB) im Hinblick darauf, daß die Flexibilität der Geschäftsführung und der Verkehrsschutz bei einem solchen Ergebnis leiden können, die mit der Verfügungsfreiheit des Vorerben verbundene Schmälerung der Rechtsstellung des Nacherben in Kauf genommen (vgl. BGH NJW 1976, 893, 894). Er hat seine Auffassung bestätigt auch für den Fall einer aus ursprünglich zwei Miterben bestehenden Erbengemeinschaft, in der ein Miterbe Vorerbe des anderen Miterben wird (BGH NJW 1978, 698) und auch in diesem Fall für angezeigt gehalten, die Erbengemeinschaft in ihrer gesamthänderischen Bindung und den damit verbundenen etwaigen Beschränkungen des Vorerben nicht anders zu behandeln als die allgemeine Gütergemeinschaft zwischen Ehegatten. Die Kammer schließt sich dieser auch von einem Teil der Literatur (MünchKomm/Grunsky, § 2113 BGB Rdnr. 3; Palandt-Edenhofer, § 2113 BGB Anm. 1 a, Horber, § 51 GBO Anm. 1 b; Haegele, Rechtspfleger 1977, 50) geteilten Auffassung an und hält aus den vom BGH genannten Gründen § 2113 BGB auch im vorliegenden Fall der nicht befreiten Vorerbschaft nicht für entsprechend anwendbar (a.A. OLG Hamm Rechtspfleger 1985, 21; Ludwig, Rechtspfleger 1987, 155 in Anmerkung zu OLG Köln, a.a.O.).

Die von Ludwig (a.a.O.) geforderte Berücksichtigung des Erblasserwillens, der durch die Lösung des BGH verfälscht werde und dem eine höhere Priorität zukommen solle als dem "Interessenausgleich" zwischen Vorerbe und Nacherbe, kann nach Auffassung der Kammer jedenfalls dann nicht entscheidend sein, wenn es nicht allein um das Verhältnis Vorerbe/Nacherbe geht, sondern wenn durch eine entsprechende Anwendung des § 2113 BGB in die Rechte Dritter - hier der übrigen Mitglieder der Erbengemeinschaft, in die der Vorerbe eingetreten ist, - eingegriffen wird. Wären auch diese Mitglieder auf eine Zustimmung des Nacherben zur Verfügung über das Grundstück angewiesen, so würde eine derart weitgehende Beschränkung nicht nur die Rechte des Nacherben im Verhältnis zum Vorerben sichern, sondern die Rechte der übrigen Mitglieder der Erbengemeinschaft beeinträchtigen, obwohl sie mit der testamentarischen Regelung durch den eingetragenen Miterben nichts zu tun haben und auch keinen Einfluß darauf haben, wie die jeweiligen Miterben ihre erbrechtlichen Verhältnisse regeln. Gibt der BGH aber dem Vorerben, der infolge Erbfalls alleiniger Eigentümer des Grundstücks geworden ist, im Hinblick auf seine mitgesamthänderischen Rechte vor dem Erbfall (BGH NJW 1976, 893: Rechte des überlebenden Ehegatten aus der Gütergemeinschaft; BGH NJW 1978, 698: Rechte des überlebenden Miterben aus der Erbengemeinschaft) den Vorzug vor der Sicherung des Nacherben, so muß dies nach Auffassung der Kammer auch gelten, wenn durch eine entsprechende Anwendung des § 2113 BGB Dritte -nämlich andere Mitglieder der Erbengemeinschaft - beeinträchtigt würden. Wollte der BGH vermeiden, daß ein zum Gesamtgut einer Gesamthandsgemeinschaft gehörender Gegenstand insgesamt - also auch der Anteil, der dem überlebenden Mitglied der Gesamthandsgemeinschaft schon vor dem Erbfall zustand - den Verfügungsbeschränkungen des § 2113 BGB unterworfen wird, so vermag die Kammer den Grund hierfür nicht allein darin zu sehen, daß nach dem Erbfall eine einzige Person Rechtsträger der gesamten Vermögensmasse geworden ist und daß zwangsläufig ihr bisheriges freies Verfügungsrecht über ihren Eigenanteil an dem Vermögen entfallen wäre (so aber OLG Hamm Rechtspfleger 1985, 21, 22). Vielmehr sieht sie die anderen Mitglieder der früheren Gesamthandsgemeinschaft, die zwar nur gemeinschaftlich über das Grundstück verfügen konnten, aber nicht von der Zustimmung eines nicht zur Gesamthandsgemeinschaft gehörenden Nacherben abhängig waren, als ebenso schutzwürdig an. Die Schutzwürdigkeit entfällt auch nicht dadurch, daß jeder der übrigen Mitglieder der Erbengemeinschaft gemäß § 2042 BGB die Auseinandersetzung verlangen kann. Dieses Recht stand auch dem Vorerben in dem vom BGH (NJW 1978, 698) entschiedenen Fall zu. Zwar ist die Erbengemeinschaft vom Gesetz als Auseinandersetzungsgemeinschaft konzipiert, im Rechtsleben aber nicht auf diesen bloßen Zweck beschränkt. Fraglich ist daher, ob den Miterben eine Auseinandersetzung zugemutet werden kann, nach deren Vollzug nur noch einzelne Gegenstände des Nachlasses der Vorerbschaft unterstehen und damit unter § 2113 BGB fallen. Eine Erbengemeinschaft kann beachtenswerte Gründe dafür haben, vor einer Auseinandersetzung oder auch im Rahmen einer Auseinandersetzung einen Nachlaßgegenstand an einen Dritten zu veräußern und dabei nicht der Beschränkung des § 2113 BGB zu unterliegen. Auch ihr Interesse daran, den Zeitpunkt und die Art und Weise der Auseinandersetzung zu bestimmen, ist daher schutzwürdig (a.A. Schmidt, FamRZ 1976, 683, 689).

Ist somit § 2113 BGB im vorliegenden Fall der Veräußerung eines Grundstücks durch die Erbengemeinschaft nicht anwendbar und folglich die Verfügung über das Grundstück den Nacherben gegenüber wirksam, so besteht kein Grund, daß zur Sicherung von Nacherbenrechten weiterhin ein Nacherbenvermerk im Grundbuch eingetragen ist.

Der angefochtene Beschluß war daher aufzuheben. Das Grundbuchamt wird unter Beachtung der Auffassung der Kammer den Löschungsantrag des Notars neu zu bescheiden haben.

Eine Kostenentscheidung nach § 13 a Abs. 1 FGG war nicht veranlaßt.

U1 U2 U3