OLG München, Urteil vom 08.10.2015 - 6 U 1509/15
Fundstelle
openJur 2020, 63737
  • Rkr:
Tenor

I.

Die Berufung der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

II.

Die Berufung der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.

III.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Gründe

I. Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens wegen behaupteter wettbewerbswidriger Handlung unter dem Gesichtspunkt des Verstoßes gegen § 7 der Berufsordnungen der Landesärztekammern gem. § 4 Nr. 11 UWG auf Unterlassung in Anspruch.

Die Antragstellerin bietet niedergelassenen Ärzten ein softwareunterstütztes Netzhautscreening unter Einbindung eines spezialisierten Ärztenetzwerks an. Ziel ist es dabei, den betreffenden Ärzten für den Patienten eine fundierte "Zweitmeinung" eines spezialisierten Netzhautexperten entgeltlich zur Verfügung zu stellen.

Die Antragsgegnerin ist eine in Spanien ansässige Gesellschaft, die auf ihrer Website unter Beteiligung von selbstständigen Augenoptikern die augenärztliche Beurteilung der Netzhaut anbietet. Sie definiert auf ihrer Website eins ihrer Ziele wie folgt: "Flächendeckende augenärztliche Versorgung der Bevölkerung: Screening per Telemedizin, die Optometristen und Augenärzte miteinander verbindet." Nach dem auf der Website beschriebenen Geschäftsmodell soll durch den jeweiligen Augenoptiker, der Mitglied in einem von der Antragsgegnerin kreierten Netzwerk sein soll, mittels einer speziellen Kamera bei dem jeweiligen Kunden des Augenoptikers ein Foto der Netzhaut hergestellt werden. Dieses Foto soll dann elektronisch an einen für die Antragsgegnerin an einem unbekannten Aufenthaltsort tätigen Arzt übermittelt werden. Die schriftliche Beurteilung soll dann dem niedergelassenen Augenoptiker wieder ausgehändigt werden, der seinem Kunden wiederum das Ergebnis der medizinischen Beurteilung übergibt. Hierzu soll der als Anlage EVK 5 vorgelegte "0. S.L. Kundenvertrag" zwischen der Antragsgegnerin und dem Kunden geschlossen werden. Ziel dieses Vertrags ist ein "Bericht zur Vorbeugung von Blindheit', wie er von der Antragstellerin in erster Instanz als Demo-Version als Anlage EVK 6 vorgelegt wurde. Eine zweite vertragliche Beziehung besteht zwischen der Antragsgegnerin und den teilnehmenden Optikern bzw. Optometristen, welche die Erstellung der Netzhautfotos, die Übermittlung der Fotos sowie die Erläuterung des Berichts vornehmen. Eine dritte vertragliche Beziehung besteht zwischen der Antragsgegnerin und den teilnehmenden Netzhautspezialisten, welche von dieser mit der Begutachtung der an sie in anonymisierter Form übermittelten Fotos beauftragt werden. Dieses Geschäftsmodell der Antragsgegnerin, von dem der Geschäftsführer der Antragstellerin am 16.01.2015 erstmals Kenntnis erlangt hat, befindet sich noch im Aufbau, so dass auf ihrer Internetseite sich im Augenblick noch kein Optiker in Deutschland befindet, der das entsprechende Foto vom Augenhintergrund aufnimmt und kein Arzt in Deutschland, der die entsprechende Begutachtung des Augenhintergrundes vornimmt. Das Geschäftsmodell ist in der Bundesrepublik Deutschland jedoch im unmittelbaren Aufbau und die entsprechenden Kooperationspartner werden derzeit gesucht und vertraglich gebunden.

Die Antragstellerin hat erstinstanzlich beantragt, die Antragsgegnerin dazu zu verpflichten, es bei Meidung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken die medizinische Beurteilung möglicher Erkrankungen der Augenhintergründe anzubieten und/oder zu erstellen, wenn dies wie in dem als Anlage EVK 5 beigefügten Vertragsentwurf beschrieben dergestalt geschieht, dass bei einem in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Augenoptiker ein Foto der Augenhintergründe des Kunden des Augenoptikers gefertigt wird, dieses Foto elektronisch an einen Arzt übermittelt wird und das durch den Arzt ermittelte Ergebnis der Beurteilung der Augenhintergründe von dem Augenoptiker wieder an den Kunden des Augenoptikers ausgehändigt wird.

Hilfsweise hat die Antragstellerin den Hauptantrag mit der Maßgabe gestellt, dass die in dem Antrag benannten Ärzte in Deutschland tätig sind.

Das Landgericht hat mit Endurteil vom 13.04.2015 dem Antragsbegehren vom 13.02.2015 entsprechend dem Hilfsantrag stattgegeben ("[...] dieses Foto elektronisch an einen in Deutschland tätigen Arzt übermittelt wird und das durch den in Deutschland tätigen Arzt ermittelte Ergebnis [...]''). Zur Begründung ist im Ersturteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, u. a. ausgeführt:

Das von der Antragstellerin angegriffene Konstrukt sei zwar zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch nicht in Deutschland implementiert gewesen, d. h. es habe noch keine Optiker und Augenärzte gegeben, die die anvisierten Leistungen für die Antragsgegnerin erbracht hätten; nach dem eigenen Vortrag der Antragsgegnerin stünde dies jedoch unmittelbar bevor, so dass von einer qualifizierten Erstbegehungsgefahr diesbezüglich ausgegangen werden müsse.

Betrachte man den als Anlage EVK 6 vorgelegten "Bericht zur Vorbeugung von Blindheit', so handele es sich hierbei nicht nur um eine Begutachtung, die nicht unter § 7 der Berufsordnung für Ärzte falle, sondern um eine Beratung, die in Deutschland nicht ausschließlich über Print- und Kommunikationsmedien durchgeführt werden dürfe. Es handele sich dabei um ein sog. "telemedizinisches Verfahren", bei dem gewährleistet werden müsse, dass ein Arzt den Patienten unmittelbar behandele. Von einer reinen Information des Patienten im Sinne einer Begutachtung könne nicht ausgegangen werden. Der Bericht enthalte zunächst konkrete Patienteninformationen sowie als weitere Rubriken einen Sehtest, eine Anamnese, eine Krankengeschichte, die Bilder der Netzhaut, den Bericht der augenärztlichen Auswertung der Netzhautfotos, einen Befund der Bilder, einen Hinweis, wonach bei den Retinografien kein pathologischer Befund gefunden wurde sowie eine generelle Empfehlung, der Augenarzt solle regelmäßig besucht werden. Wie der Geschäftsführer der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung ausgeführt habe, hänge insbesondere die letzte Empfehlung in ihrer Formulierung davon ab, ob ein auffälliger Befund vorliege oder nicht; bei Patienten, bei denen das Erscheinungsbild nicht normal sei, enthalte die Empfehlung einen Hinweis darauf, dass möglichst bald ein Augenarzt besucht werden müsse. Aus Sicht des objektiven Empfängers bzw. des Patienten, der den Bericht gemäß Anlage EVK 6 vom Augenoptiker überreicht bekomme, handele es sich hierbei nicht um eine reine Informationsbeschaffung, sondern um den mit üblichen Patienteninformationen sowie der Anamnese, Krankengeschichte, Ergebnis der Untersuchung, Befund der Bilder und Hinweis und Empfehlungen ausgestatteten Arztbericht, der gem. § 7 der Berufsordnung der Ärzte nicht rein telemedizinisch durchgeführt werden dürfe, sondern bei dem zu gewährleisten sei, dass ein Arzt den Patienten unmittelbar behandele. Die Antragsgegnerin mache sich dieses berufsordnungswidrige Handeln bewusst zu Eigen und vermarkte es an Endverbraucher. Damit sei sie selbst vorsätzliche Teilnehmerin an dem berufsrechtswidrigen Verhalten des von ihr eingebundenen Arztes und handele dabei sittenwidrig (gemeint wohl: wettbewerbswidrig) i. S. d. § 3 UWG.

Dem Hauptantrag der Antragstellerin, der auch die in Spanien tätigen Ärzte mit umfasse, habe dagegen nicht stattgegeben werden können, da die deutsche Berufsordnung der Ärzte bzw. die landesrechtlichen Bestimmungen nicht für Ärzte in Spanien gelten würden. Letztere hätten auch nicht dadurch, dass sie ihre Befunde an Optiker in Deutschland schicken, eine faktische Niederlassung in Deutschland. Da sie ihre Tätigkeit auch nur in Spanien und nicht in Deutschland ausübten, würden sie auch nicht grenzüberschreitend tätig.

Gegen diese Entscheidung, dem Vertreter der Antragsgegnerin am 17.04.2015 und dem Vertreter der Antragstellerin am 20.04.2015 zugestellt, richtet sich die am 27.04.2015 bei Gericht eingegangene und mit selbem Schriftsatz vom 24.04.2015 (Bl. 54 ff. d. A.), begründete Berufung der Antragstellerin, mit welcher diese den erstinstanzlich gestellten Hauptantrag weiter verfolgt, sowie die am 15.05.2015 bei Gericht eingegangene und mit Schriftsatz vom 15.06.2015 begründete Berufung der Antragsgegnerin, mit welcher diese die vollumfängliche Antragszurückweisung begehrt.

Unter Verweis auf ihr erstinstanzliches Vorbringen macht die Antragsgegnerin folgendes geltend:

Das Landgericht habe bei der Begründung des Urteils maßgeblich auf den von der Antragstellerin als Anlage EVK 6 vorgelegten "Bericht zur Vorbeugung von Blindheit" abgestellt, ohne darauf in der mündlichen Verhandlung hinzuweisen. Dies greife aber zu kurz: Zum einen handele es sich bei diesem Bericht um einen aus Spanien stammenden und ins Deutsche übersetzten Demobericht, der weder juristisch überprüft oder sprachlich in allen Feinheiten an die deutsche Sprache angepasst worden sei, noch sei er jemals nach außen gegenüber einem Kunden zum Einsatz gekommen oder hätte dies auch nur sollen. Wenn das Landgericht meine, dass dieser Bericht aus Sicht des Empfängers einem Arztbericht gleiche, verkenne es, dass für die Bewertung des Geschäftsmodells der Antragsgegnerin nicht nur dieser Bericht, sondern zumindest auch der Kundenvertrag, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Hinweise durch den jeweiligen Optiker herangezogen werden müssten. Zum anderen beinhalte der dem Kunden überreichte Bericht entgegen der Auffassung des Landgerichts keineswegs die üblichen in einem Arztbericht zusammengefassten Informationen und er gleiche auch nicht einem solchen Bericht. Das Erstgericht stelle nur auf die in diesem Bericht verwendeten Überschriften ab, ohne sich näher mit den unter diesen Überschriften gesammelten Informationen auseinanderzusetzen. Während sich beispielsweise unter der Überschrift "Empfehlungen" lediglich der allgemeine Hinweis finde, dass der Kunde regelmäßig zum Augenarzt gehen solle, fänden sich in einem Arztbericht hierunter hingegen typischerweise Therapievorschläge. Dass an einigen Stellen Begrifflichkeiten verwendet würden, welche sich auch in einem Arztbericht fänden, liege allein daran, dass es sich zum Großteil keineswegs um medizinisches Fachvokabular, sondern um Alltagsvokabular handele, welches beispielsweise genauso von Optikern oder Optometristen gebraucht werde. Schließlich fänden sich in dem Bericht gerade nicht die für einen Arztbericht typischen Bestandteile wie eine Diagnose oder Vorschläge zur Medikation. Da der Bericht gem. Anlage EVK 6 in der mündlichen Verhandlung weder gesondert angesprochen noch auf seine Relevanz für die Entscheidung des Gerichts hingewiesen worden sei, habe die Antragsgegnerin keine Möglichkeit gehabt, die Hintergründe dieses Berichts zu erläutern und deutlich zu machen, dass er mitnichten dazu geeignet sei, das Geschäftsmodell der Antragsgegnerin korrekt wiederzugeben, und dass es sich um kein tatsächlich von ihr gegenüber Kunden verwendetes Dokument handele. Wäre das Gericht seiner Hinweispflicht gem. § 139 ZPO nachgekommen, hätte die Antragsgegnerin die nun erst möglichen Klarstellungen zu der Anlage EVK 6 und der Bedeutung dieser Dokumente bereits im Rahmen der vorbereitenden Schriftsätze bzw. der mündlichen Verhandlung vortragen können; der nunmehrige Vortrag sei daher gem. § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO zulässig. Der aktuell von der Antragsgegnerin verwendete Bericht (Demobericht in Anlage AG 9) führe dem Kunden noch eindeutiger vor Augen, dass dieser lediglich eine vorbereitende Information für die nachfolgende konkretdiagnostische Abklärung beim Augenarzt bzw. Allgemeinarzt darstellen solle und könne; entsprechend seien auch die Übersetzungen an einigen Stellen noch besser an die deutsche Sprache angepasst worden. Die Verwendung der genannten Berichte erfolge derzeit nur durch spanische Augenärzte, da deutsche Augenärzte aktuell entsprechend der Verurteilung durch das Landgericht keine Begutachtungen für die Antragsgegnerin vornähmen.

Weiterhin sei hinsichtlich der Tätigkeit der deutschen Ärzte kein Verstoß gegen § 7 Abs. 4 Musterberufsordnung (MBO) gegeben, da vorliegend keine Behandlung der Kunden stattfinde, gegen die sich diese Vorschrift wende. Bei der von der Antragsgegnerin angebotenen Leistung handele es sich gerade nicht um eine individuell ärztliche Leistung, sondern um ein Mittel der Früherkennung, welches lediglich eine Vorstufe einer späteren Behandlung durch einen Arzt inklusive Diagnose und Therapievorschläge bzw. ein Hilfsmittel einer Diagnose in Form eines einzelnen Befundes darstelle; dies gelte unabhängig davon, ob im Rahmen der Begutachtung Auffälligkeiten an der Netzhaut festgestellt würden oder nicht. Eine Fernbehandlung i. S. v. § 7 Abs. 4 MBO läge nämlich nur dann vor, wenn der Behandelnde alleine aufgrund der schriftlichen, fernmündlichen, über andere Medien oder durch Dritte auf Distanz vermittelten Informationen eine eigene Diagnose erstelle oder Behandlungsvorschläge unterbreite. Wesentlich sei dabei, dass sich der Behandelnde ohne eigene Wahrnehmung der zu behandelnden, kranken Person konkret und individuell zu dieser Person diagnostisch und therapeutisch äußere. Das Vorliegen einer Fernbehandlung setze also bereits nach dem Wortlaut einen konkreten Krankheitsfall voraus. Zudem liege eine Behandlung immer nur dann vor, wenn auf diese Krankheit oder krankhafte Beschwerden mit dem Ziel der Linderung oder Heilung eingewirkt werde, indem ohne persönliche Wahrnehmung des Behandelnden aus der Entfernung individuell gezielte Therapievorschläge unterbreitet würden. Dieses Verständnis werde auch unterstützt von einer teleologischen Auslegung der Norm, da Hintergrund der Regelung in § 7 Abs. 4 MBO der Schutz des Patienten sowie der Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patienten sei. Das Verbot der Fernbehandlung und Ferndiagnose solle verhindern, dass eine Diagnose und ein Therapievorschlag erfolgten, ohne dass der behandelnde Arzt den Patienten im Zusammenhang mit der konkreten Behandlung wenigstens einmal persönlich untersucht habe, und diene daher dem Schutz vor konkreten Gesundheitsgefährdungen. Das OLG Düsseldorf (Urt. v. 04.06.2013, Az. I-20 U 137/12) stelle im Rahmen der Beurteilung, ob eine verbotene Fernbehandlung vorliege, darauf ab, ob der Betroffene durch die Äußerungen des Arztes dazu verleitet werde, dessen Ausführungen als ernstgemeinte seriöse ärztliche Diagnose aufzufassen, sich dann mit der erteilten Auskunft zufrieden gebe und von einem gebotenen Arztbesuch absehe. Die beiden grundlegenden Merkmale einer Fernbehandlung i. S. d. § 7 Abs. 4 MBO, nämlich das Vorliegen eines Krankheitsfalles und ein sich darauf beziehender konkreter Therapievorschlag, lägen aber gerade offensichtlich nicht vor, da im Falle des Geschäftsmodells der Antragsgegnerin weder ein konkreter Krankheitsfall Anlass für die Vornahme eines Netzhautscreenings geben solle noch der aufgrund des Netzhautscreenings verfasste Bericht einen auf eine abschließende Diagnose gestützten Therapievorschlag enthalte. Das Angebot der Antragsgegnerin richte sich gerade nicht an Betroffene, die bereits unter bestimmten Beschwerden leiden, sondern es ziele als Vorsorgemaßnahme auf die Erkennung von Auffälligkeiten an der Netzhaut ab, bevor überhaupt Beschwerden auftreten; der Kunde lasse hier im Vorfeld und in Vorbereitung eines späteren Arztbesuchs seine Netzhaut rein vorbeugend und gerade unabhängig von einem Krankheitsbild begutachten. Darüber hinaus werde dem Kunden mit dem deutlichen Hinweis auf das Erfordernis eines persönlichen Arztbesuchs lediglich mitgeteilt, ob sich auf den Bildern gewisse Auffälligkeiten an der Retina gezeigt haben oder nicht; somit bestehe von vornherein keine Gefahr, dass ein entsprechendes Netzhautscreening den Betroffenen von einem Arztbesuch abhalten könnte, denn der Betroffene werde umfassend und wiederholt sowohl in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen als auch in dem Kundenvertrag selbst und zusätzlich im persönlichen Gespräch mit dem Optiker darauf hingewiesen, dass eine persönliche Abklärung durch den Augenarzt im Anschluss zu erfolgen habe. Darüber hinaus würden die Ergebnisse des Screenings ohnehin nicht vom Eindruck einer persönlichen Untersuchung abhängen, sondern - wie das Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 21.01.2003, Az. 6 A 11210/02 (= MedR 2003, 352 ff.), für den vergleichbaren Fall der teleradiologischen Begutachtung zeige - allein von der Bildqualität und der Erfahrung des begutachtenden Netzhautspezialisten.

Letztlich wäre es nach Auffassung der Antragsgegnerin im Gefolge des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 08.12.2010 - 1 BvR 1287/08 (GRUR 2011, 530 -Zahnarzt-Preisvergleich) auch nicht mit Art. 12 GG zu vereinbaren, § 7 Abs. 4 MBO dahingehend auszulegen, dass das Fehlen einer persönlichen Untersuchung im Vorfeld einer späteren persönlichen Abklärung durch einen behandelnden Arzt die Verletzung einer Berufspflicht darstelle, ohne dass Gründe des Allgemeinwohls vorlägen, die einen persönlichen Kontakt im konkreten Fall bereits zu diesem Zeitpunkt erforderten. Gründe des Allgemeinwohls sprächen aber vorliegend gerade für die Zulässigkeit des Geschäftsmodells der Antragsgegnerin, denn hierdurch werde der Einzelne dazu ermutigt, vorsorglich seine Netzhaut untersuchen zu lassen und sich mit den Ergebnissen des Netzhautscreenings zu einer umfassenden Untersuchung an einen Augenarzt seines Vertrauens zu wenden. Es bestehe hingegen keinerlei Gefahr, dass der Kunde den Bericht als abschließende ärztliche Behandlung sehe. Die streitentscheidende Norm sei daher verfassungskonform auszulegen.

Schließlich macht die Antragsgegnerin den Einwand der "unclean hands" geltend, weil die Antragstellerin ebenfalls gegen § 7 Abs. 4 MBO verstoße: Ihrer Internetseite (Anlagenkonvolut AG 10) sei an keiner Stelle zu entnehmen, dass bei ihrem Geschäftsmodell unter dem Namen "e." der jeweilige Optiker ausschließlich im Auftrag eines Augenarztes und nach dessen persönlicher Inaugenscheinnahme des Patienten tätig werde. Ebenso wenig werde auf den Internetseiten der teilnehmenden Optiker darauf hingewiesen, dass der jeweilige Optiker ausschließlich im Auftrag eines Augenarztes nach einer persönlichen Inaugenscheinnahme des Patienten tätig werde. Auch aus dem vorgelegten Musterbericht (Anlagenkonvolut AG 11) ergebe sich kein Hinweis darauf, dass die Untersuchung von einem Arzt veranlasst worden sei.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung unter Abänderung des Urteils des Landgerichts München I vom 13.04.2015, Az. 4 HK O 2613/15, zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Berufung der Antragsgegnerin zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Ersturteil im Umfang der Verurteilung und führt hierzu ergänzend aus:

Es sei unwahr, dass die Anlage EVK 6, welche bereits Gegenstand der Antragsschrift gewesen sei, in der mündlichen Verhandlung nicht ausreichend besprochen worden sei, so dass sich auch keine Verletzung der Hinweispflicht gem. § 139 ZPO ergebe; richtigerweise sei mehrfach aus der betreffenden Anlage vorgelesen und der Inhalt mit dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin und ihrem Geschäftsführer Herrn D. besprochen worden. Der neue Vortrag der Antragsgegnerin, wonach der als Anlage EVK 6 vorgelegte "Bericht zur Vorbeugung von Blindheit" nicht zum Einsatz gekommen sein solle, werde bestritten und sei als prozessual verspätet zurückzuweisen. Es sei in der ersten Instanz unstreitig gewesen, dass die als Anlage EVK 6 vorgelegte Fassung dem Geschäftsmodell zugrunde gelegen habe und auch so eingesetzt werden sollte.

Unabhängig hiervon seien die zu treffenden Aussagen der von der Antragsgegnerin beauftragten Augenärzte, in welche Form auch immer gegossen, sowohl in der Zielsetzung als auch in den Inhalten diagnostischer Natur. Die meisten Arztbriefe in Deutschland seien einfache "Überweisungen" oder "Konsiliaranfragen" an andere Ärzte mit e inem sehr kurzen Verdacht einer Auffälligkeit ohne jegliche Therapieempfehlung; man könne sogar formulieren, dass das die zentrale Aufgabe von Allgemeinärzten sei. Alleine die Unterscheidung, ob und wie dringlich ein Patient zum Augenarzt gehen sollte, sei eine wesentliche ärztliche Aufgabe; Gleiches gelte für die Feststellung entsprechender Auffälligkeiten. Nichts anderes stellten daher die Aussagen in dem jeweiligen Screeningbericht dar, wie auch immer im Einzelnen dort formuliert werde. Bereits nach den Feststellungen des Erstgerichts schließe die angegriffene Fernbehandlung auch gerade die Beratung des Patienten ein. Im Übrigen müsse für diese Beratung auch gar keine Krankheit vorliegen. Überdies könne man an der Netzhaut viele Veränderungen sehen, so dass die Auswahl, zu welchem Arzt man gehen müsse, zu den großen Herausforderungen in der Medizin gehöre. Treffe man die falsche Entscheidung oder überlasse es sogar dem Patienten, einen Arzt aufzusuchen, könne hierdurch mindestens ein genauso großer Schaden angerichtet werden wie durch eine Fehldiagnose, insbesondere durch "Nichtstun" des Patienten.

Die zitierte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sei nicht einschlägig; es sei nicht erkennbar, inwieweit hier durch die betreffenden Bestimmungen der Berufsordnungen ein Verstoß gegen Art. 12 GG vorliegen solle.

Außerdem greife der Einwand der "unclean hands" nicht, da beim Geschäftsmodell der Antragstellerin der jeweilige Optiker ausschließlich im Auftrag eines Augenarztes nach einer persönlichen Inaugenscheinnahme des Patienten tätig werde. Der Patient werde gezielt von einem Arzt zu einem Optiker geschickt, um dort eine Untersuchung vornehmen zu lassen, die der Arzt dann selbst auswerte.

Soweit das Landgericht lediglich dem Hilfsantrag stattgegeben habe, trägt die Antragstellerin vor, dass nach richtiger Auffassung der spanische Arzt nach dem hier in Rede stehenden Geschäftsmodell in der Bundesrepublik Deutschland (wenn auch ohne personale Bewegung, aber immerhin "kommunikativ") "telemedizinisch" tätig werde. Zur ärztlichen Behandlung gehöre - wie im vorliegenden Fall der Augenoptiker oder sonstige Mitarbeiter im Optikergeschäft - auch die Hilfeleistung anderer Personen; dies ergebe sich für die Behandlung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung aus § 28 Abs. 1 S. 2 SGB V, sei aber darüber hinaus allgemein anerkannt. Es handele sich damit, was das Erstgericht verkenne, um eine - wenn auch grenzüberschreitende - inländische Tätigkeit des vielleicht in Spanien oder anderswo niedergelassenen Arztes und damit um eine Berufsausübung innerhalb des Anwendungsbereichs inländischer Berufsausübungsregeln.

Zu beachten sei außerdem, dass gem. § 2 Abs. 3 Bundesärzteordnung (BÄO) EU-Ärzte den ärztlichen Beruf im Geltungsbereich der Bundesärzteordnung ohne Approbation als Arzt oder ohne Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs ausüben dürften, sofern sie vorübergehend und gelegentlich als Erbringer von Dienstleistungen i. S. d. Art. 50 des EG-Vertrags im Geltungsbereich der Bundesärzteordnung tätig würden. § 10b Abs. 3 S. 1 BÄO besage weiter, dass der auf diesem Wege Dienstleistung erbringende ausländische Arzt beim Erbringen dieser Dienstleistung die Rechte und Pflichten eines Arztes innehabe. Hierauf fußend verlange § 2 Abs. 7 der Musterberufsordnung der Ärzte und ihr nachfolgend die Berufsordnungen der meisten Landesärztekammern (Anlagenkonvolut EVK 12), dass Ärzte, die in einem anderen Mitgliedsstaat der europäischen Union niedergelassen seien oder dort ihre berufliche Tätigkeit entfalteten und die vorübergehend und gelegentlich im Geltungsbereich dieser Berufsordnung grenzüberschreitend ärztlich tätig würden, ohne eine Niederlassung zu begründen, die Vorschriften dieser Berufsordnung zu beachten hätten. Vor diesem Hintergrund unterlägen damit auch im EU-Ausland ansässige Ärzte ebenfalls den Vorschriften der Berufsordnungen und damit ebenfalls der hier relevanten Bestimmung über die "Telemedizin" wie in § 7 Abs. 4 der Musterberufsordnung. Ärzte aus sogenannten Drittstaaten ohne deutsche Approbation (mit einer solchen unterlägen sie ohnehin dem deutschen Berufsrecht) oder spezielle deutsche Berufsausübungserlaubnis dürften grundsätzlich überhaupt nicht - auch nicht "telemedizinisch" - tätig werden. Aus diesem Grund hätte das Erstgericht im Tenor nicht die Beschränkung auf in der Bundesrepublik Deutschland tätige Ärzte vornehmen dürfen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Antragsgegnerin unter Abänderung des Urteils des Landgerichts München I vom 13.04.2015, Az. 4 HK O 2613/15, zu verurteilen, es bei Meidung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken die medizinische Beurteilung möglicher Erkrankungen der Augenhintergründe anzubieten und/oder zu erstellen, wenn dies wie in dem als Anlage EVK 5 beigefügten Vertragsentwurf beschrieben dergestalt geschieht, dass bei einem in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Augenoptiker ein Foto der Augenhintergründe des Kunden des Augenoptikers gefertigt wird, dieses Foto elektronisch an einen Arzt übermittelt wird und das durch den Arzt ermittelte Ergebnis der Beurteilung der Augenhintergründe von dem Augenoptiker wieder an den Kunden des Augenoptikers ausgehändigt wird.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Berufung der Antragstellerin zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin macht insofern geltend, dass § 7 MBO keine Anwendung auf spanische Ärzte finde, welche im Rahmen ihres Geschäftsmodells für sie tätig würden. Die Antragstellerin gehe in ihrer Ansicht fehl, dass die Regelung des § 10b Abs. 3 S. 1 BÄO, nach der der Dienstleistungserbringer beim Erbringen der Dienstleistung im Geltungsbereich dieses Gesetzes die Rechten und Pflichten eines Arztes habe, auf die für die Antragsgegnerin tätigen spanischen Ärzte Anwendung fände, da sowohl § 10b Abs. 3 S. 1 BÄO als auch die entsprechenden Vorschriften der Berufsordnungen der 17 Landesärztekammern voraussetzten, dass der betroffene Arzt die Dienstleistung im Geltungsbereich des jeweiligen Gesetzes erbringe; dies sei aber nach dem Geschäftsmodell der Antragsgegnerin gerade nicht der Fall. Es sei in Deutschland nämlich rechtlich unstreitig, dass medizinische Internetangebote aus anderen EU-Ländern immer an dem Ort erbracht würden, an dem der Arzt ansässig sei. In Artikel 3 d) der Richtlinie 2011/24/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 09.03.2011 über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung sei hierzu ausdrücklich geregelt, dass "Behandlungsmitgliedsstaat" der Mitgliedsstaat sei, in dessen Hoheitsgebiet Gesundheitsdienstleistungen erbracht werden und im Fall der Telemedizin danach die Gesundheitsversorgung als in dem Mitgliedsstaat erbracht gelte, in dem der Gesundheitsdienstleister ansässig ist. Die für die Antragsgegnerin in Spanien tätigen Netzhautspezialisten erbrächten danach ihre Leistung gerade nicht im Geltungsbereich der deutschen Gesetze, sondern in Spanien und somit im Geltungsbereich der spanischen Gesetze. Zudem erfolge die Leistungserbringung gerade nicht im Verhältnis zwischen dem Kunden und dem begutachtenden Arzt; eine Leistungsbeziehung liege nach dem Geschäftsmodell der Antragsgegnerin vielmehr ausschließlich zwischen dem begutachtenden Arzt und der Antragsgegnerin vor. Der Kunde in Deutschland habe weder einen Einfluss auf die Auswahl des begutachtenden Arztes noch sei ihm dieser vor der Übermittlung des Berichts bekannt.

Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der von der Antragstellerin angeführten Einschaltung des Optikers bzw. Optometristen zur Aufnahme des jeweiligen Fotos. Wenn die Antragstellerin für ihre Argumentation die Regelung in § 28 Abs. 1 S. 2 SGB V heranziehe, wonach zu einer ärztlichen Behandlung auch die Hilfeleistung anderer Personen, die von dem Arzt angeordnet und von ihm zu verantworten ist, gehöre, verkenne sie, dass Regelungen des SGB V auf den vorliegenden Fall überhaupt keine Anwendung fänden: Das SGB V regle einzig und allein die Einzelheiten des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung; die herangezogene Regelung diene aber mitnichten dazu, den Anwendungsbereich der berufsrechtlichen Vorschriften für Ärzte festzulegen und sei daher vorliegend irrelevant. Überdies gehöre nach dieser Vorschrift eine Hilfeleistung anderer Personen nur dann zur ärztlichen Behandlung, wenn diese von dem Arzt angeordnet und von ihm zu verantworten sei; beide Kriterien seien vorliegend aber nicht erfüllt, da vertragliche Beziehungen lediglich zwischen dem Kunden und dem Optiker bzw. dem Augenarzt und der Antragsgegnerin bestünden. Der Augenarzt wüsste nicht einmal, welcher Optiker die Aufnahme getätigt habe, eine direkte Beziehung zwischen diesen beiden Personen bestehe zu keinem Zeitpunkt. Außerdem handelten die teilnehmenden Optiker bzw. Optometristen als selbstständige Personen und seien in keiner Weise in die Organisation der Antragsgegnerin eingegliedert.

Die Antragstellerin entgegnet hierauf, dass die von der Antragsgegnerin vorgenommene Auslegung der EU-Richtlinie nicht zutreffe und die Antragsgegnerin verkenne, dass der dort beschriebene Fall mit dem hiesigen Fall nichts zu tun habe. Das Auslegungsergebnis möge stimmig sein für eine Leistung, die ausschließlich an dem Ort erbracht werde, an dem der Arzt ansässig sei, also in solchen Fällen, in denen es sich um reine Internetangebote aus einem anderen EU-Land handele und sich z. B. ein potentieller Patient aus Deutschland via Telekommunikation an einen in Spanien ansässigen Arzt wenden würde. Dieser Fall sei aber hier nicht gegeben, da das Geschäftsmodell der Antragsgegnerin völlig anders konstruiert sei und der spanische Anbieter ärztlicher Leistungen vorliegend ja sogar mit dem Optikergeschäft über eigene "Dependancen" verfüge. Inwieweit vor diesem Hintergrund daher die ärztliche Leistung "ausschließlich" im Königreich Spanien erbracht werden solle, sei nicht nachvollziehbar.

Wegen des Parteivorbringens im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie des Weiteren auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24.09.2015 (Bl. 109 ff. d. A.) Bezug genommen.

II. Die nach § 511 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO statthaften, gem. §§ 519 Abs. 1, Abs. 2, 517 ZPO form- und fristgerecht eingelegten sowie gem. § 520 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 1 ZPO begründeten Berufungen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin sind jeweils unbegründet, da das Landgericht zu Recht die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte und die Anwendbarkeit deutschen Rechts angenommen (A.) sowie in der Sache zutreffend entschieden hat: Das Geschäftsmodell der Antragsgegnerin, wie es in dem Verfügungsantrag beschrieben ist, fußt auf einem Verstoß der daran teilnehmenden, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Ärzte gegen die jeweiligen, der Regelung in § 7 Abs. 4 MBO entsprechenden Vorschriften der Landesberufsordnungen für Ärzte, so dass die Antragsgegnerin als vorsätzliche Teilnehmerin hierzu gem. §§ 4 Nr. 11, 8 Abs. 1 S. 2 UWG auf Unterlassung haftet (B.). Dagegen ist es der Antragsgegnerin nicht verwehrt, im Rahmen ihres Geschäftsmodells nicht in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Ärzte als Gutachter heranzuziehen, da die Vorschriften der Bundesärzteordnung bzw. der Landesberufsordnungen für Ärzte keine Anwendung auf diese finden (C.). Die hiergegen von den Streitparteien jeweils erhobenen Einwände verhelfen ihren Berufungen nicht zum Erfolg. Im Einzelnen:

A. Internationale Zuständigkeit und Anwendbarkeit deutschen Rechts

Das Landgericht ist zutreffend von der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte (Art. 66 Abs. 1, Art. 7 Nr. 2 Alt. 2 EuGVVO) und der Anwendbarkeit von deutschem Recht (Art. 6 Abs. 1 Rom-II-VO) ausgegangen. Hiergegen werden auch von den Berufungen keine Einwendungen vorgebracht.

B. Berufung der Antragsgegnerin

Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass das sich im unmittelbaren Aufbau befindliche Geschäftsmodell der Antragsgegnerin, wie es im Vertragsentwurf gem. Anlage EVK 5 beschrieben ist, gegen diejenigen Vorschriften der Landesberufsordnungen für Ärzte verstößt, die der Regelung in § 7 Abs. 4 MBO entsprechen. Der Antragstellerin steht daher als Mitbewerberin i. S.v. § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG als Verfügungsanspruch ein vorbeugender Unterlassungsanspruch gem. §§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 1 S. 2 UWG gegen die Antragsgegnerin zu, welche wegen vorsätzlicher Teilnahme zum genannten Verstoß durch in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Ärzte haftet. Aufgrund gegebener Dringlichkeit als Verfügungsgrund konnte der Anspruch auch im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens geltend gemacht werden.

1. Das Vorliegen der gem. § 12 Abs. 2 UWG zu vermutenden Dringlichkeit als Verfügungsgrund i. S. v. §§ 940, 935, 936, 920 Abs. 2 ZPO wurde mit der Berufung durch die Antragsgegnerin zu Recht nicht angegriffen. Eine verzögerte Antragstellung am 13.02.2015 durch Verstreichenlassen der im Oberlandesgerichtsbezirk München angewandten Monatsfrist lag nicht vor, nachdem der Geschäftsführer der Antragstellerin unstreitig erst am 16.01.2015 vom konkreten Geschäftsmodell der Antragsgegnerin erfahren hatte.

2. Die im Rahmen des Geschäftsmodells der Antragsgegnerin tätigen, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Ärzte würden durch ihre Begutachtung der Fotos der Augenhintergründe der Vertragspartner der Antragsgegnerin gegen diejenigen, das Marktverhalten i. S.v. §§ 3, 4 Nr. 11 UWG regelnden Bestimmungen der Landesberufsordnungen für Ärzte, die der in § 7 Abs. 4 MBO enthaltenen Regelung entsprechen, verstoßen, da es an einer unmittelbaren ärztlichen Behandlung dieser Personen fehlen würde. Die Antragsgegnerin haftet als Teilnehmerin an diesem Verstoß, so dass zugunsten der Antragstellerin ein vorbeugender Unterlassungsanspruch i. S. v. § 8 Abs. 1 S. 2 UWG als Verfügungsanspruch gegeben ist. Der "unclean hands"-Einwand der Antragsgegnerin ist demgegenüber unbegründet.

a. Die geplante Tätigkeit der in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Ärzte für die Antragsgegnerin würde gegen die in § 7 Abs. 4 MBO enthaltene und in den Landesberufsordnungen für Ärzte umgesetzte Regelung verstoßen, wonach Ärztinnen und Ärzte individuelle ärztliche Behandlung, insbesondere auch Beratung, nicht ausschließlich über Print- und Kommunikationsmedien durchführen dürfen; es ist gerade nicht gewährleistet (was aber auch für telemedizinische Verfahren zu gelten hat), dass eine Ärztin oder ein Arzt die Patientin oder den Patienten unmittelbar behandelt.

aa. Grundlage für die Beurteilung, ob vorliegend ein berufsordnungswidriges Verhalten der Ärzte gegeben ist, ist nicht die Musterberufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte, da sie keine Rechtsqualität besitzt, sondern sind die 17 Berufsordnungen der einzelnen Landesärztekammern (vgl. Anlagenkonvolut EVK 8); diese stimmen aber sämtlich mit der hier maßgeblichen Regelung in § 7 Abs. 4 MBO inhaltlich überein, so dass von der dortigen Formulierung ausgegangen werden kann (vgl. BGH GRUR 2002, 1080, 1081 f. -Verkürzter Versorgungsweg).

bb. Bei den Vorschriften der Berufsordnungen für deutsche Ärzte, die deren berufliches Verhalten regeln, handelt es sich um Normen, die i. S. d. § 4 Nr. 11 UWG auch dazu bestimmt sind, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln (vgl. OLG Köln GRUR 2006, 600, 601 - HörgeräteAktien; OLG Düsseldorf, Urt. v. 04.06.2013, Az. I-20 U 137/12 Tz. 18 - zitiert nach juris = BeckRS 2013, 11225).

cc. Das Geschäftsmodell der Antragsgegnerin umfasst eine Tätigkeit des eingebundenen Arztes, welche als "individuelle, ausschließlich über Print- und Kommunikationsmedien durchgeführte ärztliche Behandlung, insbesondere auch Beratung" i. S. v. § 7 Abs. 4 MBO einzuordnen ist.

(1) Abzustellen ist hierfür nicht auf den als Anlage EVK 6 vorgelegten "Bericht zur Vorbeugung von Blindheit" bzw. den angeblich aktuellen "Demoberichf in Anlage AG 9, sondern - entsprechend der Formulierung des Verfügungsantrags, auf den es für das begehrte Verbot alleine ankommt und in dem das unlautere Verhalten zu beschreiben ist - auf die konkrete Ausgestaltung des Geschäftsmodells der Antragsgegnerin, wie es in ihrem als Anlage EVK 5 vorgelegten "Kundenvertrag" beschrieben ist. Vor diesem Hintergrund kann der mit ihrer Berufung geltend gemachte Angriff der Antragsgegnerin gegen das erstinstanzliche Urteil, wonach das Landgericht unter Verstoß gegen die Hinweispflicht i. S.v. § 139 ZPO nicht auf die Relevanz des Berichts gem. Anlage EVK 6 hingewiesen habe, ebenso wenig verfangen wie die Verspätungsrüge der Antragstellerin hinsichtlich des erst in der Berufungsinstanz von der Antragsgegnerin vorgelegten Berichts gem. Anlage AG 9.

(2) Der Kundenvertrag beschreibt in Ziffer I. 1. als "Vertragsgegenstand" eine "medizinische Begutachtung möglicher Erkrankungen des Augenhintergrundes [...] mit Unterstützung eines Augenarztes", wobei gem. Ziffer I. 2. das durch einen Optiker angefertigte Foto der Augenhintergründe "über das Internet an einen Facharzt für Augenheilkunde übermittelt" wird und dieser "anhand des übermittelten Fotos fest [-stellt], ob auf dem übermittelten Foto etwaige krankhafte Veränderungen zu sehen sind. Das Ergebnis des Gutachters wird dem/r Auftraggeber(in) innerhalb 2 Werktagen von dem Optiker ausgehändigt."

(3) Ein dergestalt handelnder Augenarzt führt eine "Behandlung" i. S. v. § 7 Abs. 4 MBO durch, welche aufgrund der Übersendung des Fotos der Augenhintergründe per Internet sowie der schriftlichen Fixierung des Gutachtens, ohne dass der Augenarzt zu irgendeinem Zeitpunkt vor oder nach seiner Gutachtenserstellung den Kunden der Antragsgegnerin im Rahmen eines persönlichen Kontakts "vor Ort" sieht, "ausschließlich über Print- und Kommunikationsmedien durch[geführt]" wird.

(4) Die Antragsgegnerin kann sich in diesem Zusammenhang nicht erfolgreich auf die Definition einer "(Fern-)Behandlung" berufen, wie sie etwa dem Werbeverbot gem. § 9 HWG zugrunde liegt und einen "konkreten Krankheitsfall" voraussetzt (vgl. Dr. Pelchen/Anders in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 175. Erg.Lfg. Mai 2009, § 9 HWG Rn. 2), wohingegen nach ihrem Geschäftsmodell das Gutachten ihrer Augenärzte lediglich eine Vorstufe einer Behandlung bzw. ein Hilfsmittel einer Diagnose darstellen würde: Während nämlich im Wortlaut des § 9 HWG ausdrücklich auf die Erkennung oder Behandlung von "Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden" abgestellt wird, ist der Wortlaut des § 7 Abs. 4 MBO weiter, wenn er die "ärztliche Behandlung, insbesondere auch Beratung" ins Auge fasst und durch die ausdrückliche Bezugnahme einer (bloßen) Beratung offensichtlich auch Patienten erfassen will, die ohne konkrete Beschwerden einen Arzt konsultieren, um etwa eine Routine- oder Vorsorgeuntersuchung durchführen lassen oder sich sonst fachkundig in medizinischen Angelegenheiten fachlich beraten lassen zu wollen. Entsprechendes gilt, wenn man die Definition einer "Behandlung" i. S. v. § 630a BGB heranzieht: Nach dem Willen des Gesetzgebers (vgl. BT-Dr. 17/10488, S. 17, unter Bezugnahme auf Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, 4. Aufl. 2010, § 29 Rn. 4 ff.) ist darunter grundsätzlich die Heilbehandlung zu verstehen, welche neben der Diagnose die Therapie und damit sämtliche Maßnahmen und Eingriffe am Körper eines Menschen umfasst, um Krankheiten, Leiden, Körperschäden, körperliche Beschwerden oder seelische Störungen nicht krankhafter Natur zu verhüten, zu erkennen, zu heilen oder zu lindern. Wenn aber demnach auch Maßnahmen unter den Begriff der Behandlung fallen, die Krankheiten etc. lediglich "erkennen" sollen, so können dazu zwanglos auch Handlungen wie diejenigen der Ärzte im Geschäftsmodell der Antragsgegnerin zählen, die im Rahmen einer Vorsorge oder Kontrolle den Augenhintergrund von insofern gesunden Menschen begutachten, ohne dass ein konkreter Krankheitsfall die Begutachtung veranlasst hat. Im Übrigen würde auch die Behandlungsdefinition i. S. v. § 9 HWG das "Erkennen" von Krankheiten etc. erfassen, s. o. Und auch die mögliche gutachterliche Stellungnahme (unabhängig von ihrer konkreten Ausformulierung in dem schriftlichen, an den Kunden auszuhändigenden Bericht), derzufolge die Augenhintergründe keine Auffälligkeiten aufweisen, ist bereits als (Negativ-)Diagnose bzw. Befund zu verstehen bzw. kann jedenfalls von Kunden als solche(r) verstanden werden. Unbehelflich ist in diesem Zusammenhang daher der Hinweis der Antragsgegnerin am Ende von Ziffer IV. des "Kundenvertrags" ("Eine konkrete individuelle Diagnose findet nicht statt'): Wenn tatsächlich eine Diagnose stattfindet, kann dieser Umstand nicht durch eine entgegenstehende Feststellung im Vertrag hinweggeschrieben werden ("protestatio facto contraria non valet').

Unabhängig hiervon ist jedoch festzustellen, dass das Geschäftsmodell der Antragsgegnerin tatsächlich nicht nur - wie sie jedoch behauptet -Kunden erfasst, welche im Vorfeld und in Vorbereitung eines späteren Arztbesuchs ihre Netzhaut rein vorbeugend und gerade unabhängig von verdächtigen Symptomen begutachten lassen: Es ist nämlich unvermeidbar, dass auch solche Kunden ein Netzhautscreening durchführen lassen werden, bei denen (ggf., ohne dass die Kunden dies zuvor erahnen) Auffälligkeiten an der Netzhaut zu erkennen sind, die eine weitere (v. a. augen-)ärztliche Behandlung als dringend notwendig erscheinen lassen. Auch solche Kunden, bei denen offensichtlich "Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden" vorliegen, gehören daher faktisch zur Zielgruppe der Antragsgegnerin. Entsprechend hat ihr Geschäftsführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht bzw. in seiner eidesstattlichen Versicherung (Anlage AG 8) bestätigt, dass bei Patienten, bei denen das Erscheinungsbild nicht normal sei, die schriftliche Empfehlung (ebenfalls unabhängig von ihrer konkreten Ausformulierung) neben der beschriebenen Auffälligkeit einen Hinweis darauf enthalte, dass möglichst bald ein Augenarzt besucht werden müsse. Hierin ist ohne weiteres (und unbeschadet der gegenteiligen kundenvertraglichen Feststellung am Ende der dortigen Ziffer IV., s. o.) ein konkreter Befund sowie zumindest eine Verdachtsdiagnose zu sehen.

(5) Darüber hinaus ist es unschädlich, dass durch die von der Antragsgegnerin eingebundenen Augenärzte kein konkreter Therapievorschlag erfolgen würde. Bereits nach der oben genannten Definition der "Behandlung" i. S. v. § 630a BGB, aber auch gemäß § 7 Abs. 4 MBO ist für eine solche gerade nicht zu verlangen, dass neben der Diagnose kumulativ eine Therapie bzw. ein Vorschlag hierzu gemacht werden muss; vielmehr sind diese Begriffe alternativ zu verstehen, so dass die alleinige Erstellung einer (Verdachts- oder Negativ-)Diagnose wie vorliegend (s.o.) für das Vorliegen einer Behandlung i. S.v. § 7 Abs. 4 MBO ausreichend ist. Der Fall liegt hier nicht anders wie bei einem Hausarzt, der pathologische Auffälligkeiten bei seinem Patienten feststellt, insofern den Verdacht einer bestimmten Erkrankung äußert und den Patienten daher zur näheren Abklärung an einen Facharzt überweist: Auch hier findet noch kein(e) Therapie(vorschlag) statt, ohne dass Zweifel daran bestünden, dass der Hausarzt seinen Patienten "behandelt" hat. Gleiches gilt etwa für den Fall eines Orthopäden, der seinen Patienten wegen des Auftretens bestimmter Symptome zwecks Erstellung einer Magnetresonanztomographie (MRT) an einen Radiologen überweist: Auch letzterer wird lediglich die radiologische Untersuchung des Patienten durchführen und ggf. eine Diagnose erstellen, nicht jedoch einen Therapievorschlag machen; letzteres bleibt dann dem behandelnden Orthopäden auf Basis des MRT-Ergebnisses vorbehalten.

(6) Schließlich sprechen auch nicht Sinn und Zweck der Verbotsnorm gegen das hier gefundene Ergebnis: Das Verbot der Fernbehandlung und der Ferndiagnose in § 7 Abs. 4 MBO soll verhindern, dass der Patient sich mit der erteilten Auskunft zufrieden gibt und von einem gebotenen Arztbesuch absieht (vgl. OLG Düsseldorf, a. a. O., Tz. 19 - zitiert nach juris); es dient daher dem Schutz vor konkreten Gesundheitsgefährdungen. Gerade aber weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein Kunde der Antragsgegnerin nach einer Negativdiagnose auf einen anschließenden Arztbesuch verzichtet, besteht die Gefahr, dass Auffälligkeiten, die ggf. erst bei einem persönlichen Arztbesuch festgestellt worden wären, auf diese Weise unentdeckt bleiben. Hieran ändert auch nichts der Hinweis der Antragsgegnerin in Ziffer IV. des "Kundenvertrags" unter der Überschrift "Aufklärung", wonach der Kunde "ausdrücklich darüber aufgeklärt worden [ist], dass die vereinbarte Begutachtung eine persönliche Untersuchung bei einem Facharzt für Augenheilkunde nicht ersetzt" und ihm "dringend empfohlen" wird, "das Ergebnis der Begutachtung mit einem Facharzt für Augenheilkunde des Vertrauens zu verifizieren." Wird dem Kunden durch die gutachterliche Stellungnahme gerade ein normales Erscheinungsbild der Augenhintergründe bescheinigt, besteht - vor allem in den Fällen, in denen der Besuch einer Augenarztpraxis aufgrund deren Entfernung vom Wohnort oder z. B. wegen bestehender langer Wartezeiten als lästig erscheint - die naheliegende Gefahr, dass er die schriftliche Empfehlung der Antragsgegnerin ignorieren wird und sich darauf verlässt, dass (entsprechend der Feststellung in dem ihm überreichten Bericht) keine konkret behandlungsbedürftigen Auffälligkeiten vorhanden sind. Vor dem Hintergrund der von der Antragsgegnerin getätigten Werbeaussage, nämlich ihres selbst definierten Ziels einer "flächendeckenden augenärztlichen Versorgung der Bevölkerung", erscheint der im Einzelfall ersparte Augenarztbesuch für den Kunden sogar gerade bezweckt.

(7) Ein anderes Ergebnis lässt sich auch nicht dem von der Antragsgegnerin für ihre Argumentation herangezogenen (im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens zum Strahlenschutz auf Basis der Röntgenverordnung vom 08.01.1987 ergangenen) Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 21.01.2003, Az. 6 A 11210/02 (= MedR 2003, 352 ff.), entnehmen: In der dort entschiedenen Konstellation ging es um die Zulässigkeit eines Modells, wonach die dortige Klägerin in einem Krankenhaus eine Computertomographieanlage betrieb und diese Anlage ausschließlich teleradiologisch in der Weise betrieben werden sollte, dass der Krankenhausarzt, der ein Computertomogramm für notwendig hält, einem Radiologen der Klägerin über eine Telekommunikationsverbindung seine Gründe für eine computertomographische Untersuchung sowie die bereits erhobenen Befunde mitteilt, damit der Radiologe über die sogenannte rechtfertigende Indikation für eine solche Untersuchung entscheiden und auch die Einzelheiten der Durchführung der Untersuchung festlegen kann. Dieser Radiologe der Klägerin befundet schließlich die ihm elektronisch übermittelten Ergebnisse der (anschließend durch den Krankenhausarzt durchgeführten computertomographischen) Untersuchung. Das Gericht stellte in diesem Zusammenhang u. a. fest, dass durch diese Vorgehensweise nicht gegen § 7 Abs. 3 der Berufsordnungen für Ärzte in Rheinland-Pfalz bzw. im Saarland (welche § 7 Abs. 4 MBO entsprechen) verstoßen werde, und stützte sich hierbei auf zwei Gründe (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, a. a. O., Tz. 15 - zitiert nach juris): Einerseits (und nur auf diese Teilbegründung beruft sich die hiesige Antragsgegnerin) stelle die teleradiologische Untersuchung keine selbstständige Behandlung oder Beratung dar, sondern nur ein Element, ein Hilfsmittel der Diagnose, dessen Aussagekraft zudem nicht von dem Eindruck einer persönlichen Untersuchung des Patienten bestimmt werde; der diagnostische Wert eines Computertomogramms hänge vielmehr von technischen Gegebenheiten (wie der Bildqualität), deren Beherrschung und der Erfahrung des befundenden Radiologen ab.

Das OVG Rheinland-Pfalz führte aber weiter aus (und dies verschweigt die Antragsgegnerin bei ihrer Argumentation), dass man andererseits die Teleradiologie deshalb nicht als berufsrechtlich bedenkliche Fernuntersuchung bezeichnen könne, weil der die rechtfertigende Indikation stellende Radiologe sich neben den ihm elektronisch übermittelten Informationen über den Patienten auf dessen körperliche Untersuchung durch den vor Ort anwesenden Facharzt stützen könne. Hierin liegt aber der maßgebliche Unterschied zu der hier vorliegenden Situation, da in der dortigen Konstellation der Patient vor der Computertomographie durch einen Krankenhausarzt körperlich untersucht und auch die anschließende computertomographische Untersuchung in Anwesenheit des Krankenhausarztes durchgeführt wird; in der Konsequenz stellt das OVG Rheinland-Pfalz (a. a. O., Tz. 15) auch fest, dass keine ärztliche Berufspflicht ersichtlich sei, derzufolge ein Radiologe, der auf teleradiologischem Weg die rechtfertigende Indikation zur Anwendung von Röntgenstrahlen stellt, die Untersuchungsparameter festlegt und die Ergebnisse befundet, den Patienten, der bereits vom Krankenhausarzt vor Ort persönlich untersucht wurde, ebenfalls "gesehen" haben müsse. Im Rahmen des Geschäftsmodells der Antragsgegnerin dagegen ist eine persönliche Untersuchung ihres Kunden durch einen Arzt zu keinem Zeitpunkt gegeben, worin der Verstoß gegen § 7 Abs. 4 MBO zu sehen ist. Nicht beurteilt werden muss daher, ob die genannte erste Argumentationslinie des OVG Rheinland-Pfalz überzeugt (vgl. diesbezüglich die Kritik von Cramer in seiner Urteilsanmerkung in MedR 2003, 255 f., wonach offen bleibe, wieso der Arzt "vor Ort", der weder fachlich noch gerätetechnisch und in dessen Bedienung und Einsatzmöglichkeiten in Bezug auf die konkrete Fragestellung qualifiziert sei, dem befundenden Radiologen diese wesentlichen Teile der Leistung ebenso unproblematisch abnehmen können solle wie die damit in Übereinstimmung zu bringende Patientenführung).

(8) Ohne Erfolg verweist die Antragsgegnerin schließlich in ihrem nach Schluss der mündlichen Verhandlung vom 24.09.2015 eingereichten Schriftsatz vom 01.10.2015 auf die Beschlüsse des OLG Köln vom 12.10.2012 und vom 19.11.2012, Az. 5 U 102/12 (MedR 2013, 532 = BeckRS 2013, 01556), denen zufolge eine Mammographie-Screening-Untersuchung keinen persönlichen Kontakt der Patientin mit dem Arzt erfordere: Das OLG Köln hat ausgeführt, dass Gegenstand der dortigen Behandlung die Durchführung einer Mammographie im Rahmen eines Krebs-Früherkennungsprogramms war, welches auf Basis der im Bundesanzeiger veröffentlichten Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Früherkennung von Krebserkrankungen (Krebsfrüherkennungs-Richtlinie /KFE-RL) standardgerecht erfolgt sei. Tatsächlich enthalten § 15 der KFE-RL über die Anamnese und Erstellung der Screening-Mammographieaufnahmen und § 16 der KFE-RL über die Befundung der Screening-Mammographieaufnahmen zwar keine Regelungen, die eine körperliche Untersuchung seitens des behandelnden Arztes im Rahmen der Krebsfrüherkennungmaßnahmen vorsehen. Insofern ist jedoch festzustellen, dass den gem. § 92 SGB V erlassenen Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses i. S.v. § 91 SGB V, welcher das oberste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser und Krankenkassen in Deutschland ist, Normqualität im Sinne von untergesetzlichen Normen eigener Art zukommt (vgl. BSG NZS 2001, 590). Die Regelung in der KFE-RL ist daher als ausdrücklich normierte Ausnahme zu der in § 7 Abs. 4 MBO niedergelegten Regel des Fernbehandlungsverbots anzusehen, die für den Sonderfall der Früherkennung von Krebserkrankungen durch Mammographie-Aufnahmen eine fernbehandelnde Vorgehensweise explizit legitimiert. An einer solchen Ausnahmeregelung fehlt es aber im vorliegend zu entscheidenden Fall, mag man sie auch ggf. aus Gründen der Förderung der Früherkennung auch von Augenkrankheiten de lege ferenda für wünschenswert halten, so dass es bei dem Verbot in § 7 Abs. 4 MBO sein Bewenden hat.

dd. Ein Verbot des Geschäftsmodells der Antragsgegnerin, sofern daran in Deutschland ansässige Ärzte teilnehmen, stellt auch keinen Verstoß gegen die Berufsfreiheit gem. Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG dar. Das vorliegend verletzte Verbot in § 7 Abs. 4 MBO als materielles Gesetz regelt die Art und Weise der Berufsausübung durch die Antragsgegnerin. Die Freiheit der Berufsausübung kann dabei beschränkt werden, soweit vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls es zweckmäßig erscheinen lassen; der Grundrechtsschutz beschränkt sich auf die Abwehr in sich verfassungswidriger, weil etwa übermäßig belastender und nicht zumutbarer Auflagen (vgl. BVerfG, Urteil vom 11.06.1958 -1 BvR 596/56 = NJW 1958, 1035, 1038 - Niederlassungsfreiheit für Apotheker). Der bereits genannte Schutzzweck der Verbotsnorm als vernünftige Erwägung des Gemeinwohls - hier also der Schutz vor konkreten Gesundheitsgefährdungen und die Vermeidung, dass der Patient sich mit der erteilten Auskunft zufrieden gibt und von einem gebotenen Arztbesuch absieht - greift vorliegend gerade, so dass der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Antragsgegnerin auch verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist, weil durch das Geschäftsmodell der Antragsgegnerin solche Gefahren auftreten (s.o. Ziff. B. 2. a. cc. (6)). Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass es in concreto mildere, gleich wirksame Mittel gäbe, um den Schutzzweck der Verbotsnorm zu erreichen. Überdies ist nicht festzustellen, dass das Verbot die Antragsgegnerin übermäßig belasten würde oder ihr nicht zumutbar wäre; es erscheinen durchaus Wege für die Antragsgegnerin gangbar, durch die sie ihr Geschäftsmodell so modifiziert, dass eine vor- oder nachgeschaltete persönliche Arztbehandlung gewährleistet ist. Die Schwere der konkreten Grundrechtsbeeinträchtigung steht daher nicht außer Verhältnis zu dem mit der Maßnahme verfolgten Zweck, so dass auch eine Verhältnismäßigkeit des Eingriffs im engeren Sinne zu bejahen ist.

Etwas anderes folgt auch nicht aus der von der Antragsgegnerin herangezogenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 08.12.2010 -1 BvR 1287/08 (GRUR 2011, 530 - Zahnarzt-Preisvergleich), da der dort zugrunde liegende Sachverhalt nicht mit hiesigem vergleichbar ist: Einerseits ging es dort um im Internet anonym einzuholende Alternativkostenschätzungen zu schon erstellten Heil- und Kostenplänen, die der Patient bereits durch den ihn behandelnden Zahnarzt erhalten hat, so dass eine persönliche Untersuchung durch den "ersten" Arzt bereits stattgefunden hat; andererseits betraf das dort für verfassungswidrig erklärte Verbot eine Verhaltensweise im Vorfeld einer persönlichen Arztuntersuchung (nämlich im Stadium der Anbahnung der Arzt-Patienten-Beziehung, während der ein persönlicher Kontakt nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eben noch nicht vorhanden sein muss), welche ohnehin bei Entscheidung des Patienten für das Alternativangebot noch erfolgen würde. In der hier zu entscheidenden Konstellation würde es dagegen, wie bereits ausgeführt, zu keinem Zeitpunkt zu einer persönlichen Untersuchung durch einen Arzt kommen. Gründe des Gemeinwohls streiten vorliegend also gerade für ein Verbot.

b. Nach dem durch das Landgericht als unstreitig festgestellten Sachverhalt ist im Augenblick auf der Internetseite der Antragsgegnerin noch kein Optiker in Deutschland aufgeführt, der das entsprechende Foto vom Augenhintergrund aufnimmt, und kein Arzt in Deutschland, der die entsprechende Begutachtung des Augenhintergrundes vornimmt, jedoch befindet sich das Geschäftsmodell der Antragsgegnerin in Deutschland im unmittelbaren Aufbau und die entsprechenden Kooperationspartner werden derzeit gesucht und vertraglich gebunden. In ihrer Berufungsbegründung hat die Antragsgegnerin ferner vorgetragen, dass aktuell entsprechend der Verurteilung durch das Landgericht deutsche Augenärzte durch das Landgericht keine Begutachtungen für die Antragsgegnerin vornehmen würden. Gleichwohl ist vorliegend nach wie vor von einer Erstbegehungsgefahr hinsichtlich einer Verletzungshandlung der Antragsgegnerin durch Einbindung in Deutschland ansässiger Ärzte in ihr Geschäftsmodell auszugehen, da sich die Antragsgegnerin offensichtlich nur aufgrund des erstinstanzlich ausgesprochenen Verbots an der Fortführung ihres Vorhabens mit diesen Ärzten gehindert sieht; sonstige Umstände, die die Erstbegehungsgefahr ausräumen würden (vgl. zu den erleichterten Bedingungen hierfür im Unterschied zur Ausräumung einer Wiederholungsgefahr Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 8 Rn. 1.26 ff.), wurden durch die Antragsgegnerin nicht vorgetragen.

c. Adressat der den Unlauterkeitsvorwurf nach § 4 Nr. 11 UWG zugrunde liegenden Norm des § 7 Abs. 4 MBO sind lediglich in Deutschland ansässige Ärzte; insoweit kommt vorliegend nicht eine Mittäterschaft, sondern allein eine Teilnehmerhaftung der Antragsgegnerin in Betracht (vgl. BGH GRUR 2015, 1025 Tz. 15 -TV-Wartezimmer). Eine solche Haftung kann auch bei einem vorbeugenden Unterlassungsanspruch i. S.v. § 8 Abs. 1 S. 2 UWG gegeben sein, wobei eine vorsätzliche Zuwiderhandlung des Täters nicht erforderlich ist; notwendig ist dagegen Teilnehmervorsatz, also die Kenntnis der objektiven Tatbestandsmerkmale und das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit der Haupttat (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, a. a. O., § 8 Rn. 2.15; BGH GRUR 2008, 810 Tz. 15, 44 - Kommunalversicherer). Vorliegend ist der Antragsgegnerin durch die Abmahnung der Antragstellerin sowie durch das hiesige gerichtliche Verfahren bewusst, dass ihr geplantes Geschäftsmodell wegen Verstoßes gegen § 7 Abs. 4 MBO wettbewerbswidrig sein könnte, so dass jedenfalls bedingter Vorsatz zu bejahen ist und ihre entgegenstehende Rechtsansicht lediglich einen unbeachtlichen, da vermeidbaren Verbotsirrtum begründen würde. Offen gelassen werden kann, ob bei der Antragsgegnerin eine Teilnahme in Form von Anstiftung (so das OLG Köln in GRUR 2006, 600, 601 - Hörgeräte-Aktien, sofern durch das Handeln der Beklagten Ärzte zu einem Verstoß gegen berufsrechtlichen Vorschriften verleitet werden) oder jedenfalls in Form der Beihilfe zu sehen ist.

d. Zuletzt ist festzustellen, dass der "unclean Hands"-Einwand der Antragsgegnerin als Rechtsmissbrauchsvorwurf aus zweierlei Gründen nicht greift. Zum einen wurde durch die Antragsgegnerin schon nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass die Antragstellerin ihrerseits in gleicher oder vergleichbarer Weise wettbewerbswidrig gehandelt hat; der bloße Hinweis auf die Internetseiten der Antragstellerin, aus welchen eine vorangegangene Untersuchung und eine Veranlassung des Netzhautscreenings durch einen Augenarzt nicht hervorgehe, ist vor dem Hintergrund der entgegenstehenden eidesstattlichen Versicherung des Geschäftsführers der Antragstellerin in Anlage EVK 2, wonach die Antragstellerin niedergelassenen Ärzten für deren Patienten ein Netzhautscreening anbiete und den anfragenden Ärzten auf diese Weise eine fundierte medizinische Beurteilung ("Zweitmeinung") bei Netzhauterkrankungen zur Verfügung gestellt werde, nicht ausreichend. Ohnehin wurde letzterer Umstand durch das Erstgericht als unstreitig festgestellt, so dass der Senat gem. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO diese vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellte Tatsache seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat. Zum anderen kann der "unclean hands"-Einwand vorliegend von vornherein nicht zugelassen werden, da durch den Verstoß gegen § 7 Abs. 4 MBO zugleich die Interessen der Kunden der Antragsgegnerin und damit die Interessen Dritter bzw. der Allgemeinheit berührt werden (vgl. Köhler, a. a. O., § 11 Rn. 2.39 m. w. N.).

C. Berufung der Antragstellerin

Ebenfalls zu Recht hat das Landgericht entschieden, dass sich das von ihm ausgesprochene Verbot hinsichtlich des Geschäftsmodells der Antragsgegnerin nur auf in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Ärzte als Gutachter erstrecken kann, da die in § 2 Abs. 7 MBO normierte - und im Übrigen nicht durch sämtliche Landesärztekammern in Deutschland umgesetzte - Voraussetzung einer grenzüberschreitenden ärztlichen Tätigkeit im Geltungsbereich der Berufsordnung bei für die Antragsgegnerin tätigen, im EU-Ausland ansässigen Ärzten nicht erfüllt ist und damit diese Vorschrift auf diese Ärzte keine Anwendung findet. Gleiches gilt für die von der Antragstellerin herangezogene Vorschrift des § 10b Abs. 3 S. 1 BÄO. Dieses Ergebnis wird überdies durch die sich aus der EU-Richtlinie 2011/24/EU ergebende Wertung bestätigt. Die Berufung der Antragstellerin war daher gleichfalls zurückzuweisen.

1. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang bereits, dass nicht sämtliche Berufsordnungen der einzelnen Landesärztekammern die Vorschrift des § 2 Abs. 7 MBO übernommen haben, welche bei grenzüberschreitender Tätigkeit von Ärzten, die in einem anderen Mitgliedstaat der EU niedergelassen sind, die Anwendbarkeit der Vorschriften der Berufsordnung anordnet ("Werden Ärztinnen und Ärzte, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union niedergelassen sind oder dort ihre berufliche Tätigkeit entfalten, vorübergehend und gelegentlich im Geltungsbereich dieser Berufsordnung grenzüberschreitend ärztlich tätig, ohne eine Niederlassung zu begründen, so haben sie die Vorschriften dieser Berufsordnung zu beachten."). So hat sich jedenfalls die Ärztekammer Berlin (entgegen der anderslautenden Mitteilung des Senats in der mündlichen Verhandlung findet sich dagegen in der Berufsordnung für Ärzte in Rheinland-Pfalz zwar nicht in § 2, jedoch in Abschnitt D. III. Nr. 13 S. 1 im Rahmen der "Ergänzenden Bestimmungen zu einzelnen ärztlichen Berufspflichten" eine entsprechende Regelung) gegen eine Übernahme der genannten Norm entschieden. Vor diesem Hintergrund kann nicht uneingeschränkt auf die entsprechende Vorschrift in der Musterberufsordnung zurückgegriffen werden (s. o. Ziff. B. 2. a. aa.), zumal aufgrund des Sitzes der Antragsgegnerin in Spanien sowie der Ansässigkeit der beteiligten Ärzte im EU-Ausland unklar ist, auf welchen Standort hinsichtlich der anzuwendenden landesrechtlichen Berufsordnung in der vorliegenden Konstellation abzustellen wäre, folgte man der Ansicht der Antragstellerin. In Betracht käme wohl nur der Ort des jeweils konkret beteiligten Optikers, welcher aber gerade nicht Erbringer der ärztlichen Leistung und damit Adressat der Verbotsnorm in § 2 Abs. 7 MBO i. V. m. § 7 Abs. 4 MBO ist. Dass der Optiker letztlich den vom Arzt angefertigten Bericht dem Kunden der Antragsgegnerin übergibt, kann daher für eine Zurechnung nicht genügen (siehe sogleich).

2. Unabhängig hiervon ist aber festzustellen, dass die im Rahmen des Geschäftsmodells der Antragsgegnerin vertraglich mit dieser verbundenen Ärzte, die nicht in der Bundesrepublik Deutschland, sondern im EU-Ausland ansässig sind, ihre gutachterliche Tätigkeit als vertraglich geschuldete Leistung gerade nicht in Deutschland ausüben würden, sondern eben an ihrem ausländischen (Niederlassungs-)Sitz (vorliegend nach dem Vortrag der Antragsgegnerin in concreto in Spanien), wohin ihnen die Bilder der Augenhintergründe der Kunden durch die Antragsgegnerin übersandt würden (vgl. insofern auch die deutsche Regelung zum Leistungsort in § 269 Abs. 1 BGB). Für diese Tätigkeit, die durch den Arzt nur gegenüber der Antragsgegnerin erbracht würde, kommt es auf den Aufenthaltsort des Kunden der Antragsgegnerin in keiner Weise an, zumal die Bilder dem Arzt durch die Antragsgegnerin in anonymisierter Form übersandt würden (vgl. eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers der Antragsgegnerin in Anlage AG 8) und auch umgekehrt die Kunden der Antragsgegnerin keinen Einfluss auf die Auswahl des begutachtenden Augenarztes hätten und mit dem sie auch keinen Vertrag schlössen. Aus diesem Grund ist auch der Umstand irrelevant, dass der Optiker, der die Bilder der Augenhintergründe der Kunden anfertigt, diese der Antragsgegnerin übersendet und dem von der Antragsgegnerin das Gutachten des Arztes nach dessen Fertigstellung zwecks Aushändigung an den Kunden übersandt wird, vorliegend in Deutschland tätig ist. Wie die Antragsgegnerin zu Recht ausführt, ist in diesem Zusammenhang auch nicht die Vorschrift des § 28 Abs. 1 S. 2 SGB V ("Zur ärztlichen Behandlung gehört auch die Hilfeleistung anderer Personen, die von dem Arzt angeordnet und von ihm zu verantworten ist.") einschlägig, da (unabhängig von der Frage, ob diese Vorschrift des gesetzlichen Krankenversicherungsrechts überhaupt die vorliegende Problematik regeln kann) im Rahmen des Geschäftsmodells der Antragsgegnerin keine vertragliche Verbindung zwischen dem jeweils gutachterlich tätigen Augenarzt und dem die Bilder aufnehmenden Optiker besteht und deren Tätigkeit von diesem Augenarzt, der den Optiker gar nicht kennt, gerade nicht angeordnet und verantwortet wird. Ein grenzüberschreitendes ärztliches "Tätigwerden im Geltungsbereich dieser Berufsordnung", wie es von § 2 Abs. 7 MBO verlangt wird, ist daher nicht gegeben.

3. In der Konsequenz kann sich die Antragstellerin auch nicht auf § 10b Abs. 3 S. 1 BÄO berufen, da diese Vorschrift (wie auch die Absätze 1 und 2 von § 10b BÄO, auf die Absatz 3 rückbezogen ist), welche den dort näher bezeichneten, in Deutschland nur vorübergehend und gelegentlich tätigen Ärzten die "Rechte und Pflichten eines Arztes" auferlegt, ebenso ein "Erbringen der Dienstleistung im Geltungsbereich dieses Gesetzes" verlangt. Dass im Übrigen die gerade genannten Vorschriften nicht Konstellationen wie die vorliegende regeln sollen, zeigt das Erfordernis in § 10b Abs. 2 S. 5 BÄO, wonach bei dem betroffenen Arzt die "für die Ausübung der Dienstleistung erforderlichen Kenntnisse der deutschen Sprache" vorliegen müssen; für die Dienstleistung des spanischen Augenarztes, also die Gutachtenserstellung gegenüber der Antragsgegnerin, ist aber mangels unmittelbaren Kontakts zum Kunden/Patienten die Kenntnis der deutschen Sprache offensichtlich nicht vonnöten.

4. Das hier gefundene Ergebnis entspricht auch der in der "Richtlinie 2011/24/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 09.03.2011 über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung" enthaltenen Wertung: In Erwägungsgrund 19 der Richtlinie wird nämlich ausdrücklich ausgeführt, dass "die grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung den Rechtsvorschriften des Behandlungsmitgliedstaats unterliegen" sollte, wobei gemäß Art. 3 lit. d) S. 1 der Richtlinie mit "Behandlungsmitgliedstaat" derjenige Mitgliedstaat gemeint ist, "in dessen Hoheitsgebiet Gesundheitsdienstleistungen für den Patienten tatsächlich erbracht werden", und gemäß S. 2 "im Fall der Telemedizin die Gesundheitsversorgung [...] als in dem Mitgliedstaat erbracht [gilt], in dem der Gesundheitsdienstleister ansässig ist'. Hierdurch kommt also klar zum Ausdruck, dass im Falle von telemedizinischen ärztlichen Leistungen, in deren Genuss auch Patienten aus anderen EU-Mitgliedsstaaten kommen, das jeweilige (auch Berufs-)Recht des EU-Mitgliedsstaats, in dem der Arzt ansässig ist, Geltung finden soll. Dass aber die rein telemedizinische Tätigkeit der spanischen Ärzte der Antragsgegnerin nach spanischem Recht unzulässig wäre, wurde nicht vorgetragen. In diesem Zusammenhang geht es daher nicht, wie aber die Antragstellerin in ihrem nach Schluss der mündlichen Verhandlung vom 24.09.2015 eingereichten Schriftsatz vom 02.10.2015 moniert, um eine unzulässige unmittelbare Anwendung von reinen Begriffsbestimmungen einer Richtlinie, sondern um die richtlinienkonforme Auslegung nationaler Vorschriften im Anwendungsbereich der Richtlinie, so dass deren Ziel nicht durch die Auslegung des nationalen Rechts gefährdet wird. Wie sich aus Art. 1 der Richtlinie 2011/24/EU ergibt, ist der Anwendungsbereich für die vorliegende Konstellation auch eröffnet, da die "Erleichterung des Zugangs zu einer sicheren und hochwertigen grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung von Patienten" (Art. 1 Abs. 1) betroffen ist, "unabhängig davon, wie diese organisiert, erbracht oder finanziert wird" (Art. 1 Abs. 2).

III. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO.