Bayerischer VGH, Beschluss vom 20.12.2016 - 2 ZB 15.1869
Fundstelle
openJur 2020, 62756
  • Rkr:
Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner.

III.

Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 20. April 2015 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf jeweils 10.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung (§§ 124, 124a Abs. 4 VwGO) hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.

1. Das erstgerichtliche Urteil vom 20. April 2015 begegnet keinen ernstlichen Zweifeln an seiner Richtigkeit im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

Die verfassungsrechtlichen Bedenken der Kläger gegen die Konstruktion der Erlaubnispflicht bei Veränderungen an Ensembles im Denkmalschutzgesetz (DSchG), weil Art. 6 Abs. 1 Satz 3 DSchG zwar eine Erlaubnispflicht auch für Veränderungen des Ensembles begründe, aber keine Normierung der Voraussetzungen, unter denen die Erlaubnis zu erteilen oder zu versagen ist, teilt der Senat nicht. Art. 6 Abs. 1 Satz 3 DSchG stellt lediglich gegenüber Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 DSchG einschränkende Voraussetzungen auf, unter denen eine Erlaubnispflicht bei Veränderungen an Ensembles besteht. Zu Recht weist das Erstgericht darauf hin, dass damit insbesondere Maßnahmen im Inneren eines Bauwerks, das nur Teil eines Ensembles, nicht aber für sich genommen ein Baudenkmal ist, von der Erlaubnispflicht ausgenommen werden sollen, die sich nicht auf das Erscheinungsbild des Ensembles auswirken können (vgl. LT-Drs. 14/12042 S. 4). Demgegenüber verbleibt es bei weitergehenden Veränderungen, zu denen bei Ensembles auch der Abbruch eines einzelnen zu dem Ensemble gehörenden Gebäudes gehört (vgl. Martin/Spennemann in Eberl/Martin/Spennemann, Bayer. Denkmalschutzgesetz, 7. Auflage 2016, Art. 6 Rn. 10), bei der allgemeinen Erlaubnispflicht nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 DSchG. Dies gebietet die grundsätzliche Gleichstellung der Ensembles mit den Baudenkmälern gemäß Art. 1 Abs. 3 DSchG. Hiernach genießen Ensembles den gleichen Schutz wie die Einzelbaudenkmäler und sollen ensembleprägende Bestandteile, auch wenn sie keine Baudenkmäler sind, grundsätzlich erhalten werden (vgl. BayVGH, U. v. 3.8.2000 - 2 B 97.1119 - juris; U. v. 3.1.2008 - 2 BV 07.760 - BayVBl 2008, 477). Der Abbruch eines Gebäudes innerhalb eines Ensembles kann sich immer auf das Erscheinungsbild des Ensembles auswirken. Demgemäß verbleibt es beim Abbruch eines Gebäudes innerhalb eines Ensembles auch beim Prüfungsmaßstab des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 DSchG (vgl. BayVGH, U. v. 3.1.2008 - 2 BV 07.760 - BayVBl 2008, 477). Hiernach kann die Erlaubnis versagt werden, soweit gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustands sprechen.

Den Klägern gelingt es nicht, die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Ensemblequalität nach Art. 1 Abs. 3 DSchG im vorliegenden Fall ernsthaft in Frage zu stellen. Bei sehr großen Ensemblebereichen kann zwar zur Beurteilung eines Abbruchwunsches gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 1 DSchG auf einen näheren Umgriff abzustellen sein (vgl. U. v. 11.1.2011 - 15 B 10.212 - juris; BayVGH, B. v. 29.7.2013 - 14 ZB 11.398 - juris; U. v. 22.4.2016 - 1 B 12.2353 - BayVBl 2016, 778). Insoweit wird der vom Erstgericht in Betracht gezogene Umgriff seitens der Kläger jedoch nicht substantiiert in Frage gestellt. Ebenso wenig wird der Bestand des Ensembles dezidiert bestritten. Konkret angeführt werden lediglich die Anwesen R.-straße 16a und 16b. Ansonsten wird lediglich pauschal auf eine Fotodokumentation verwiesen, die im erstgerichtlichen Verfahren vorgelegt wurde. Zudem findet sich in der Akte des Verwaltungsgerichts ein Lageplan mit verschiedenfarbigen Eintragungen, die sich mangels Legende aber nicht eindeutig erschließen. Das Erstgericht hat jedoch am 20. April 2015 eine umfangreiche Beweisaufnahme in Form eines Augenscheins durchgeführt. Die Kläger legen demgegenüber nicht dar, welche tatsächlichen Feststellungen damals noch offen geblieben sind, die die Einnahme eines Augenscheins durch den Senat erfordern würden. Vielmehr stehen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur noch bestehenden Ensemblequalität im Einklang mit dessen Feststellungen beim Ortstermin. Das Erstgericht übersieht hierbei auch nicht, dass einige neuere Bauten nicht zum ursprünglichen Bild des Ensembles passen. Es erachtet diese Beeinträchtigungen jedoch nicht als derart schwerwiegend, dass damit die grundsätzliche Schutzwürdigkeit des Ensembles in Frage gestellt wäre. Die Richtigkeit dieser Schlussfolgerung des Erstgerichts haben die Kläger mit ihrem Zulassungsantrag nicht zu erschüttern vermocht.

Gewichtige Gründe des Denkmalschutzes im Sinn von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 DSchG sprechen beim beabsichtigten Abbruch eines denkmalgeschützten Gebäudes in der Regel für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustands (vgl. BayVGH, U. v. 29.9.2007 - 1 B 00.2474 - juris; U. v. 16.1.2012 - 2 B 11.2408 - juris; B. v. 31.10.2012 - 2 ZB 11.1575 - juris). Dies hat auch für den Abbruch eines Gebäudes in einem Ensemble zu gelten, weil Ensembles den gleichen Schutz wie Einzelbaudenkmäler genießen und ensembleprägende Bestandteile - auch wenn sie keine Baudenkmäler sind - grundsätzlich erhalten werden sollen (vgl. U. v. 3.8.2000 - 2 B 97.1119 - juris; BayVGH, U. v. 3.1.2008 - 2 BV 07.760 - juris). Zwar kann man die Denkmalschutzbestimmungen je nach der Bedeutung der zum Ensemble gehörenden baulichen Anlagen unterschiedlich streng anwenden. Ausgangspunkt bleibt aber immer der Gedanke, dass das Denkmalschutzgesetz vor allem die historische Bausubstanz schützen will (vgl. BayVGH, U. v. 3.8.2000 - 2 B 97.1119 - juris). Insoweit hat das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege im Verfahren nachvollziehbar ausgeführt, dass es sich bei dem strittigen Gebäude um eine bauliche Anlage mit besonderem Aussagewert handle. Der in heimatstiligen Formen gestaltete Bau gehöre mit seiner Entstehungszeit zu einer das Ensemble mitbestimmenden Bauphase und sei in seiner Ausgestaltung den Vorgaben der Villenkolonie Neu-Pasing II angepasst. Würde man bereits an dieser Stelle der Prüfung zu sehr nach der Wertigkeit einzelner Gebäude des schutzwürdigen Ensembles differenzieren, könnte dies zu einer schleichenden Aushöhlung des Erscheinungsbilds des Ensembles führen, indem weniger bedeutsame Gebäude nach und nach abgebrochen würden. Eine gesteigerte Bedeutung des Bauwerks für das Ensemble kann damit nicht verlangt werden. Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob es als von hohem Zeugniswert für die Geschichte der bürgerlichen Baukunst in München angesehen werden kann.

Das Verwaltungsgericht hat auch zutreffend ausgeführt, allein die Feststellung, dass gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für eine unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustands sprechen, rechtfertige für sich nicht die Ablehnung des Abbruchantrags. Vielmehr verlangt Art. 6 Abs. 2 Satz 1 DSchG gerade für diesen Fall eine Ermessensentscheidung. Insoweit hat das Erstgericht richtig herausgearbeitet, dass der Abbruch des klägerischen Anwesens zu einem Verschwinden eines der noch wenigen aus der ersten Bebauungsphase stammenden und damit der originären Planung A. E. entsprechenden Bauwerke der Villenkolonie führen würde. Damit würde die Ensemblequalität der Villenkolonie eine weitere Beeinträchtigung erfahren, die aufgrund der bereits vorhandenen Nachkriegsbebauung eine erhebliche Vorbelastung erfahren hat. Soweit das Verwaltungsgericht danach auf die Frage eines Neubaus eingeht, ist dies hier nicht entscheidend. Vielmehr liegt es auf der Hand, dass angesichts der Münchner Grundstückspreise ein Ersatzbau folgen wird. Das Erstgericht hat jedoch zutreffend entschieden, dass die wirtschaftlichen Interessen der Kläger nicht in unzulässiger Weise gegenüber den gewichtigen Gründen des Denkmalschutzes zurückgesetzt worden sind. Bei der Abwägung zwischen den Zielen des Denkmalschutzes und den Eigentümerinteressen, gebührt dem grundrechtlich geschützten Eigentum kein grundsätzlicher Vorrang, denn Art. 14 Abs. 1 GG schützt nicht die einträglichste Nutzung des Eigentums (vgl. BVerfG, U. v. 2.3.1999 - 1 BvL 7/91 - BVerfGE 100, 226). Durchgreifende Anhaltspunkte dafür, dass das noch bewohnte klägerische Wohnhaus nicht erhaltungs- und sanierungswürdig wäre, sind nicht ersichtlich. Eine unverhältnismäßige Belastung der Kläger ist mit Rücksicht auf den Umstand zu verneinen, dass die bisherige Nutzung des Gebäudes als Wohnhaus auch weiterhin ohne weiteres möglich ist. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass aus denkmalfachlicher Sicht durch einen Anbau an der nördlichen, gartenseitigen Seite des Anwesens unter Beachtung der schon bestehenden Kubatur eine Vergrößerung und Modernisierung des Hauses möglich ist. Ebenso ist eine Umgestaltung des Gebäudes im Inneren möglich. Auch im Übrigen hat sich die Beklagte im Bescheid vom 19. Februar 2014 ausführlich und in nicht zu beanstandender Weise mit den Belangen der Kläger und des Denkmalschutzes sowie dem sonstigen öffentlichen Interesse im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung befasst.

2. Die Rechtssache weist auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf. Die Kläger haben bereits die Gründe für die Zulassung nicht hinreichend nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt. Im Übrigen weist der Fall auch keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten auf. Die Voraussetzungen einer denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis nach Art. 6 DSchG sind in der Rechtsprechung auch hinsichtlich der Veränderung eines Ensembles hinreichend geklärt. Die Fragen des Vorliegens eines schützenswerten Ensembles sowie der Abwägung der widerstreitenden Interessen sind im Einzelfall vom Verwaltungsgericht zu entscheiden. Besondere tatsächliche Schwierigkeiten sind insoweit im vorliegenden Fall nicht erkennbar.

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1, § 63 Abs. 3 GKG. Bei einem Antrag auf eine Abbruchgenehmigung kann nicht auf den Auffangstreitwert nach § 52 Abs. 2 GKG zurückgegriffen werden. Vielmehr ist nach dem vom Senat regelmäßig angewandten Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 31. Mai/1. Juni 2012 und am 18. Juli 2013 beschlossenen Änderungen gemäß Nr. 12.2 in Verbindung mit Nr. 9.3 bei einer denkmalschutzrechtlichen Abrissgenehmigung auf das wirtschaftliche Interesse am dahinter stehenden Vorhaben abzustellen. Bei einem Grundstück von rund 1.000 m² Größe in der Landeshauptstadt München liegt deshalb ein Streitwert in Höhe von 10.000 Euro an der unteren Grenze. Auch die Kläger gehen davon aus, dass auch nur ansatzweise die Gefahr bestehe, dieses Grundstück bleibe nach Abbruch des bestehenden Gebäudes unbebaut, sei angesichts des Grundstücksmarkts in München schlichtweg unrealistisch.