AG Kaufbeuren, Urteil vom 23.09.2015 - 2 C 1277/14
Fundstelle
openJur 2020, 62467
  • Rkr:
Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrte mit seiner Klage ursprünglich die Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 1.408,70 € nebst Zinsen, nunmehr die Feststellung, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, hilfsweise, dass er teilweise erledigt ist.

Der Kläger betreibt die Zwangsvollstreckung gegen einen Schuldner, der bei der Beklagten ein Pfändungsschutzkonto gemäß § 850k ZPO (Konto-Nummer 3401122/00) unterhält. Zugunsten des Klägers ordnete das AG Kaufbeuren mit Beschluss vom 23.05.2014 an, dass dem Schuldner bis zur Deckung des Gläubigeranspruchs des Klägers monatlich pfandfrei ein bestimmter Betrag gem. § 850 f II ZPO zu belassen sei; am selben Tag erließ das AG Kaufbeuren auch einen entsprechenden Pfändungs- und Überweisungsbeschluss. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wurde der Beklagten am 03.06.2014 zugestellt, woraufhin die Beklagte gegenüber dem Kläger eine Drittschuldnerauskunft mit Schreiben vom 06.06.2014 abgab. Die Beklagte nahm - entgegen der klägerischen Forderung - in der Folgezeit jedoch keine Herabsetzung des pfändungsfreien Betrags vor. Dies begründete sie gegenüber dem Kläger damit, dass sich der Beschluss des AG Kaufbeuren nach § 850 f II ZPO nur auf das Arbeitseinkommen bezieht und es eines gesonderten Beschlusses für die Herabsetzung des pfändungsfreien Betrags in Bezug auf das streitgegenständliche Pfändungsschutzkonto nach § 850k IV ZPO bedarf.

Nachdem der Kläger ursprünglich beantragt hat: "Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.408,70 € nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit Antragsstellung zu bezahlen", erklärte der Kläger mit Schriftsatz vom 30.03.2015 den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt, nachdem die Beklagte mit Schriftsatz vom 06.03.2015 erklärt hatte, dass das Pfändungsschutzkonto zu keinem Zeitpunkt ab Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses einen positiven Saldo aufwies. Die Beklagte stimmte der Erledigterklärung nicht zu (Schriftsatz vom 28.04.2015) mit der Begründung, die Klage sei von Anfang an unbegründet gewesen, da es für die Herabsetzung eines gesonderten Beschlusses nach § 850k IV ZPO bedurfte und der Kläger seine Klage ausschließlich auf den Umstand stützte, dass die Beklagte die Herabsetzung des pfändungsfreien Betrags durch den Beschluss des AG Kaufbeuren vom 23.05.2014 als nicht ausreichend erachtet hatte. Mit Schriftsatz vom 07.09.2014 erklärte der Kläger den Rechtsstreit erneut in Höhe von 821,88 € für erledigt, nachdem der Arbeitgeber des Schuldners diesen Betrag nunmehr gezahlt hat. Auch dieser Erledigterklärung schloss sich die Beklagte nicht an (Schriftsatz vom 23.09.2015).

Der Kläger ist der Auffassung, dass die Beklagte keine ordnungsgemäße Drittschuldnererklärung abgegeben habe. Zudem sei der Beschluss nach § 850 f II ZPO für die Herabsetzung des pfändungsfreien Betrags in Bezug auf das streitgegenständliche Pfändungsschutzkonto ausreichend gewesen; es habe hierfür keines Beschlusses nach § 850k IV ZPO bedurft.

Der Kläger beantragt daher zuletzt,

1. festzustellen, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist und der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen sind, nachdem sie durch ihre unzureichende Drittschuldnererklärung Anlass zur Klageerhebung gegeben hat.

2. festzustellen, dass der Rechtsstreit in Höhe von 821,88 € erledigt ist.

Die Beklagte beantragt

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass sie eine ordnungsgemäße Drittschuldnererklärung abgegeben habe. Zudem habe es für die Herabsetzung des pfändungsfreien Betrags in Bezug auf das streitgegenständliche Pfändungsschutzkonto eines Beschlusses nach § 850k IV ZPO bedurft, so dass der Beschluss nach § 850 f II ZPO des Amtsgerichts Kaufbeuren vom 23.05.2014 nicht geeignet gewesen sei, den pfändbaren Betrag des streitgegenständlichen Pfändungsschutzkontos herabzusetzen, da sich dieser Beschluss ausschließlich auf den pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens beziehe.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die wechselseitigen Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen. Die Parteien haben jeweils ihre Zustimmung mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 II ZPO erklärt, so dass ein entsprechender Beschluss am 28.08.2015 erging, mit dem als Zeitpunkt, der dem Schluss einer mündlichen Verhandlung entspricht und bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden konnten, der 23.09.2015 bestimmt wurde.

Gründe

A.

Die Feststellungsklage ist zulässig, aber unbegründet.

I.

Die Feststellungsklage ist zulässig.

1. Der Kläger hat zunächst hinsichtlich der gesamten ursprünglichen Klageforderung den Rechtsstreit für erledigt erklärt; da die Beklagte der Erledigung widersprochen hat, ist nach der Klageänderungstheorie davon auszugehen, dass der Kläger hinsichtlich dieses Teils nunmehr festgestellt haben will, dass sich die Hauptsache erledigt hat. Diese Klageänderung ist gemäß § 264 Nr. 2 ZPO ohne weiteres zulässig. Das Gericht legt die zweite Erledigterklärung, die sich nur auf einen Teil der ursprünglichen Klageforderung bezieht, als hilfsweisen Antrag aus. Für diese Auslegung und gegen eine Auslegung als Widerruf der ursprünglichen Erledigungserklärung mit erneuter Teilerledigterklärung spricht, dass der Kläger nicht teilweise zu seinem ursprünglichen Klageantrag zurückgekehrt ist.

2. Die allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen liegen vor. Auch besteht das für eine Feststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse (§ 256 ZPO) in dem Interesse des Klägers, eine kostenpflichtige Klageabweisung zu vermeiden, die droht, wenn eine ursprünglich zulässig und begründete Klage durch ein Ereignis nach Rechtshängigkeit unbegründet wird.

II.

Der Feststellungsantrag ist unbegründet, weil die Leistungsklage von vornherein unbegründet war und damit keine Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache eingetreten ist.

Ein begründeter Feststellungsantrag setzt voraus, dass die Klage ursprünglich, das heißt im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses zulässig und begründet ist und nachträglich durch ein bestimmtes Ereignis nach Rechtshängigkeit unzulässig oder unbegründet geworden ist.

1. Die Leistungsklage war von vornherein unbegründet. Der Kläger hat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung der 1.411,67 €.

a) Mit seiner Leistungsklage begehrte der Kläger ursprünglich von der Beklagten die Zahlung von 1.411,67 €, weil er die Beklagte aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts Kaufbeuren vom 23.05.2014 verpflichtet sah, den dort festgesetzten Pfändungsfreibetrag zu beachten.

Der Beschluss des Amtsgerichts Kaufbeuren nach § 850 f II ZPO war aber für die Herabsetzung des pfändungsfreien Betrags in Bezug auf das streitgegenständliche Pfändungsschutzkonto nicht geeignet. Hierfür bedarf es eines gesonderten Beschlusses nach § 850k IV ZPO i. V. m. § 850 f II ZPO. § 850 f II ZPO bezieht sich nach seinem eindeutigen Wortlaut auf "Arbeitseinkommen", nicht auf Pfändungsschutzkonten. Auch die Systematik spricht dafür, dass es eines gesonderten Beschlusses nach § 850k IV ZPO bedarf: So verweist § 850k IV ZPO u. a. auf § 850 f II ZPO und ordnet dessen entsprechende Anwendung an; eine umgekehrte Verweisung findet jedoch nicht statt. Mit § 850k IV ZPO wurde überdies bezweckt: "Mit dieser Regelung soll sichergestellt werden, dass das Vollstreckungsgericht in den bislang vom Gesetz für den allgemeinen Pfändungsschutz von Arbeitseinkommen und gleichgestellter Einkünfte vorgesehenen Fällen auch bei der Kontopfändung einen anderen pfändungsfreien Betrag - sei es zugunsten des Schuldners durch Erhöhung, sei es auch zugunsten des Gläubigers durch Herabsetzung - festlegen kann." (Riedel, in BeckOK, ZPO, § 850k Rn. 28). Diese Regelung wäre überflüssig, reichte die nach § 850 f II ZPO allein aus, um den pfändungsfreien Betrag auf einem Pfändungsschutzkonto herabzusetzen.

b) Der Kläger hat auch keinen Schadensersatzanspruch in Höhe von 1.411,67 €.

aa) Ein Schadensersatzanspruch auf Zahlung der 1.411,67 € folgt nicht aus § 840 II 2 ZPO.

Der Kläger hat nicht dargelegt und bewiesen, inwiefern der von ihm geltend gemachte Schaden kausal auf eine Auskunftsobliegenheitsverletzung der Beklagten zurückzuführen ist.

Der Schadensersatzanspruch nach § 840 II 2 ZPO setzt voraus, dass eine Auskunftsobliegenheitsverletzung des Drittschuldners die Ursache für den geltend gemachten Schaden (hier: 1.411,67 €) ist, den der Gläubiger erlitten hat (vgl. Seiler, in: Thomas/Putzo, 36. Auflage 2015, ZPO, § 840 ZPO Rn. 16). Der Gläubiger ist daher so zu stellen, wie er bei ordnungsgemäßer Auskunft des Drittschuldners stehen würde (§ 249 S. 1 BGB). Der Drittschuldner haftet folglich nur für den Schaden des Gläubigers, der diesem entstanden ist, weil er aufgrund des Auskunftsverhaltens des Drittschuldners versucht hat, die gepfändete Forderung geltend zu machen oder davon abgesehen hat. (Becker, in: Musielak/Voit, ZPO, 12. Auflage 2015, § 840 Rn. 13).

Es kann dahinstehen, ob die Beklagte eine unvollständige und damit falsche Drittschuldnererklärung abgegeben hat, weil der Kläger nicht dargelegt hat, inwiefern dieses Auskunftsverhalten einen Schaden bei ihm verursacht hat. Zwar konnte der Kläger seine Forderung gegen den Schuldner in Höhe von 1.411,67 € nicht beitreiben, dies lag aber nicht an dem Auskunftsverhalten der Beklagten. Denn auf dem Pfändungsschutzkonto des Schuldners gab es von vornherein kein entsprechendes Vermögen, das der Kläger hätte pfänden können. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig und führte zu der ersten Erledigterklärung durch den Kläger. Der Kläger ist gemäß § 249 S. 1 BGB aber nur so zu stellen, wie er bei ordnungsgemäßer Auskunft des Drittschuldners stehen würde. Unterstellt, die Beklagte hätte dem Kläger von vornherein die Auskunft erteilt, dass mangels auf dem Konto vorhandenen Vermögens die gewünschte Pfändung nicht möglich ist, hätte der Kläger den von ihm in der ursprünglichen Leistungsklage geltend gemachten Schaden (die Forderung gegen seinen Schuldner in Höhe von 1.411,67 €, die er nicht realisieren konnte) nach wie vor. Damit war die ursprüngliche Klage auf Schadensersatz von vornherein unbegründet, da der Ursachenzusammenhang zwischen dem klägerischen Schaden (1.411,67 €) und dem Auskunftsverhalten der Beklagten fehlt. Gleiches gilt für die - ausgelegt - hilfsweise erklärte Erledigung: Die Zahlung von 821,88 € durch den Arbeitgeber führt zwar zum Erlöschen des klägerischen Anspruchs in dieser Höhe, die Geltendmachung dieses Anspruchs gegenüber der Beklagten war aber von vornherein unbegründet.

3. Eine wirksame Erledigterklärung liegt somit nicht vor, weil die Klage ursprünglich nicht begründet war (vgl. nur BGH, NJW 1981, 990); damit ist eine Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache nicht eingetreten.

4. Weitere Anträge in der Sache hat der Kläger nicht gestellt.

B.

Die Kostentragungspflicht des Klägers folgt aus § 91 ZPO.

C.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11 Alt. 2, 711 ZPO.