OLG München, Beschluss vom 23.04.2020 - 21 U 6010/19
Fundstelle
openJur 2020, 56899
  • Rkr:
Tenor

1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 12.09.2019, Aktenzeichen 63 O 449/19, wird zurückgewiesen.

2. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Ingolstadt und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 8.395,33 € festgesetzt.

Gründe

I.

1. Die Parteien streiten um Ansprüche nach einem Pkw-Kauf im Zusammenhang mit dem sogenannten "Diesel-Abgasskandal".

Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts sowie im Hinweisbeschluss des Senats vom 18.02.2020 (Bl. 493 ff. d.A.) Bezug genommen.

Im Berufungsverfahren beantragte die Klagepartei mit Schriftsatz vom 19.11.2019 (Bl. 429 ff. d.A.) nach dem zwischenzeitlichen Verkauf seines Wagens (Bl. 449 d.A.):

Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Ingolstadt, Az: 63 O 449/19, verkündet am 12.09.2019 und zugestellt am 19.09.2019, zu erkennen:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerpartei 8.395,33 EUR nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozent seit dem 17.03.2017 bis zum 22.12.2018 aus dem Betrag von 22.890,00 Euro sowie nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf denselben Betrag seit dem 23.12.2018 bis zum 31.08.2019 und danach auf einen Betrag von 8.395,33 EUR zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von EUR 1.899,24 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.12.2018 zu zahlen.

Hilfsweise:

3. Das Urteil des Landgerichts Ingolstadt, Az: 63 O 449/19, verkündet am 12.09.2019 und zugestellt am 19.09.2019 wird aufgehoben und zur erneuten Verhandlung an das Landgericht zurückverwiesen.

Hilfsweise:

4. Die Revision wird zugelassen.

Die Beklagtenpartei beantragte die Zurückweisung der Berufung mit Schriftsatz vom 30.03.2020 (Bl. 523 ff. d.A.).

2. Mit Schriftsatz vom 24.03.2020 (Bl. 502 ff. d.A.) hält die Klagepartei an ihrem Berufungsbegehren fest.

Die Klagepartei führt im Wesentlichen aus, es ergebe sich ein Anspruch aus §§ 826, 31 BGB. Denn der Schaden sei mit Durchführung des Softwareupdates nicht entfallen, da mit dem Update technische Nachteile und ein merkantiler Minderwert einhergingen. Außerdem liege der Schaden im Abschluss eines nachteiligen Vertrages, der nicht wieder rückgängig gemacht werden könne.

Sie rügt außerdem, mit dem Softwareupdate sei wiederum eine illegale Abschalteinrichtung aufgespielt worden in Form eines Thermofensters. Auch mit dem Update halte der Wagen die gesetzlichen Grenzwerte nicht ein, führe zu einem erhöhten Verbrauch bei gleichzeitiger Beeinträchtigung der Leistung wie auch der Haltbarkeit von Bestandteilen des Autos. Die Beklagte habe mit dem Softwareupdate erneut in unredlicher Weise auf die Willensfreiheit der Klagepartei eingewirkt.

Außerdem rügt die Klagpartei, es handele sich bei § 27 EG-FGV um ein Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB und beantragt insofern eine Vorlage an den EuGH. Außerdem handele es sich bei § 27 EG-FGV um ein Verbotsgesetz im Sinne von § 134 BGB.

II.

Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 12.09.2019, Aktenzeichen 63 O 449/19, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Hinweisbeschluss vom 18.02.2020 Bezug, in dem bereits ausführlich dargelegt wurde, weshalb der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klagepartei durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

Die Ausführungen im Schriftsatz vom 24.03.2020 (Bl. 502 ff. d.A.) geben keine Veranlassung zu einer anderen Beurteilung. Soweit die Klagepartei ihren Berufungsvortrag vertieft, ist ergänzend Folgendes auszuführen:

1. Entgegen dem Vorbringen der Klagepartei stellt sich vorliegend nicht die Frage, ob ein möglicher Schaden eines Käufers, der einen Wagen ohne Update erworben, dieses aber später aufgespielt hat, hierdurch nachträglich entfallen ist. Denn vorliegend hat die Klagepartei den Wagen bereits mit Softwareupdate erworben. Die Frage einer ausreichenden Nacherfüllung oder Schadensbeseitigung stellt sich daher nicht.

2. Die Klagepartei beruft sich darauf, mit dem Softwareupdate sei kein legaler Zustand herbeigeführt, sondern absichtlich eine neue unzulässige Abschalteinrichtung aufgespielt worden, nach der die gesetzlichen Grenzwerte nicht eingehalten werden könnten, aufgrund der die Leistung des Fahrzeugs und der Verschleiß von Teilen beeinträchtigt würden. Dies wurde von der Beklagten bestritten.

Das Softwareupdate wurde vom Kraftfahrtbundesamt genehmigt, weshalb der Senat keine Grundlage für eine Haftung nach §§ 826, 31 BGB sieht. Aus dem Bescheid des Kraftfahrtbundesamtes vom 10.08.2016 (Klageerwiderung vom 30.04.2019, S. 10 f., Anlage B6) ergibt sich, dass dieses das Softwareupdate auf das Nichtvorhandensein unzulässiger Abschalteinrichtungen überprüft, die vorhandenen Abschalteinrichtungen als zulässig eingestuft und die Einhaltung der zulässigen Schadstoffemissionen sowie die Dauerhaltbarkeit der emissionsmindernden Einrichtungen und die Einhaltung der ursprünglich angegebenen Verbrauchswerte und Leistung bestätigt hat.

Die Klagepartei beschränkt sich auf Mutmaßungen zu einer engen Verflechtung zwischen der V. AG und dem Kraftfahrtbundesamt. Greifbare Anhaltspunkte zur Begründung einer absichtlichen Täuschung des Klägers durch die Beklagte - die A. AG - durch den Einsatz des Softwareupdates trotz der Prüfung und Freigabe durch das Kraftfahrtbundesamt enthält der Sachvortrag der Klagepartei indes nicht. Sie nimmt zur Funktionsweise des Softwareupdates Bezug auf eine als Anlage K17 vorgelegte Veröffentlichung unter dem Titel "How They Dit It: An Analysis of Emission Defeat Devices in Modern Automobiles". Der Aufsatz befasst sich indes mit der durch das Softwareupdate beseitigten Motorsteuerungssoftware zur Abgasbeeinflussung in Unterscheidung des Fahr- und Prüfbetriebes ("EDC 17" von B.) und wie man eine solche Software künftig in Zulassungsverfahren sicherer erkennen kann. Die von der Klagepartei zitierten Planungsvorgaben (Anlage K4) betreffen solche der V. AG, nicht der hiesigen Beklagten. Außerdem trägt die Klagepartei vor, diese Daten seien dem Kraftfahrtbundesamt vorgelegt worden. Überdies sollen nach den dortigen Zielvorgaben für Dieselmotoren EA 189 Euro 5 die NOx-Vorgaben der EU im NEFZ-Zyklus (kalt) künftig unterschritten werden und die Beklagte rügt, nur diese Werte - und nicht solche des realen Fahrbetriebs - seien im Rahmen des Zulassungsverfahrens maßgeblich (Bl. 321 d.A.). Soweit die Klagepartei schließlich Messungen der Deutschen Umwelthilfe zitiert, betreffen diese ebenfalls Abgaswerte im realen Fahrbetrieb und der hier streitgegenständliche Fahrzeugtyp ist überdies nicht mit identischem Erstzulassungszeitpunkt sowie KW-Leistung aufgenommen.

Zu den erhobenen Einwendungen ist insgesamt festzuhalten, dass das Kraftfahrtbundesamt ersichtlich weder zum Zeitpunkt der Freigabe des Updates noch bis heute Anlass gesehen hat für weitergehende Anordnungen in Bezug auf den streitgegenständlichen Wagentyp.

3. Hinsichtlich der Ausführungen zur Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB wegen der Verletzung von § 27 EG-FGV als Schutzgesetz wird Bezug genommen auf die Ausführungen im Beschluss des Senats vom 18.02.2020 (S. 7 = Bl. 499 d.A.).

Soweit sich die Beklagte außerdem darauf beruft, bei § 27 EG-FGV handele es sich um eine Verbotsnorm im Sinne von § 134 BGB, ist darauf hinzuweisen, dass sich daraus jedenfalls kein Schadensersatzanspruch für die Klagepartei ableiten ließe. Rechtsfolge von § 134 BGB ist die Nichtigkeit von Rechtsgeschäften, mit denen gegen das entsprechende Verbot verstoßen wird. Die Klagepartei hat indes keine Vertragsbeziehung zur Beklagten.

4. Entgegen dem Einwand der Klagepartei hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung i.S.v. § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts, § 522 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 ZPO.

Auch bei den sog. Fällen "Kauf nach Ad-hoc-Mitteilung" gibt es unterschiedliche Fallkonstellationen mit ganz individuellen Einzelfallkomponenten. Es geht hier nicht um die "klassische" Fallgruppe nach Bekanntwerden des Dieselabgasskandals, zu denen inzwischen divergierende Entscheidungen verschiedener Oberlandesgerichte vorliegen. Diskutiert wird in diesen Fällen, ob die Beklagte durch Pressemitteilungen, Schalten einer Webseite, auf der man sich über die eventuelle Betroffenheit eines Fahrzeugs informieren kann, teils auch mit Informationsschreiben an die Vertriebspartner alles Erforderliche und Zumutbare getan hat, sodass ein Vorsatz der Beklagten nicht (mehr) angenommen werden kann, der Zurechnungszusammenhang oder gar die Sittenwidrigkeit des Handelns der Beklagten entfallen ist. Diese Entscheidungen betreffen nämlich - im Gegensatz zum vorliegenden Fall - durchweg Fahrzeuge, die beim Verkauf noch kein Softwareupdate hatten (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 19.12.2019, Az.: 7 U 85/19; OLG Oldenburg, Urteil vom 16.01.2020, Az.: 14 U 166/19, Rdnr. 3, zitiert nach beck-online; Brandenburgisches OLG, Urteil vom 11.02.2020, Az.: 3 U 89/19, Rdnr. 7, zitiert nach juris; OLG Hamm vom 10.09.2019, Az.: 13 U 149/18, Rdnr. 12, zitiert nach juris). Soweit ersichtlich hat bislang kein Oberlandesgericht eine deliktische Schadensersatzpflicht der Beklagten bei einem ursprünglich vom Abgasskandal betroffenen Fahrzeug angenommen, auf dem beim Kauf bereits ein Softwareupdate aufgespielt war. Im Gegenteil verneint auch das OLG Hamm, Urteil vom 21.01.2020, Az.: 13 U 476/18, Ansprüche bei einer Fallkonstellation wie der vorliegenden (siehe dort Rdnr. 12, zitiert nach Juris).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung von § 40, 47, 48 GKG, § 3 ZPO bestimmt. Zwar ist die Klagepartei der Anrechnung einer Nutzungsentschädigung inhaltlich entgegengetreten (Berufungsbegründung, Bl. 469 d.A.). Gleichwohl hat die Klagepartei den geltend gemachten Anspruch im Betrag beschränkt beantragt (Bl. 403 f., 430 d.A.).