FG Nürnberg, Urteil vom 23.01.2020 - 4 K 1789/18
Fundstelle
openJur 2020, 56890
  • Rkr:
Tenor

1. Die Einkommensteuerbescheide für 2012 vom 14.11.2014, für 2013 vom 04.01.2016, für 2014 vom 19.04.2016, für 2015 vom 26.06.2017 und für 2016 vom 07.08.2018 jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.11.2018 werden dahingehend abgeändert, dass die Einkommensteuer für 2012 auf 50.592 € für 2013 auf 53.108 € für 2014 auf 61.718 € für 2015 auf 56.340 € für 2016 auf 53.618 € festgesetzt wird.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu 11/20 und der Beklagte zu 9/20 zu tragen.

Tatbestand

Streitig sind der Ansatz eines geldwerten Vorteils aus der privaten Nutzungsüberlassung eines betrieblichen PKWs nach der sog. 1%-Regelung sowie die Bewertung des geldwerten Vorteils für die Nutzung des Fahrzeugs für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte / erster Tätigkeitsstätte nach § 8 Abs. 2 Satz 3 Einkommensteuergesetz (EStG).

Die Kläger wurden für die Streitjahre 2012 bis 2016 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte als Bauingenieur und die Klägerin als Lehrerin jeweils Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit. Im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses stellte der Arbeitgeber dem Kläger einen Firmenwagen sowohl für berufliche als auch für Privatfahrten sowie für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zur Verfügung. In den Streitjahren war der Kläger im Außendienst einer Baufirma tätig.

Zur Versteuerung der privaten PKW-Nutzung wurde vom Arbeitgeber die 1%-Regelung angewendet und der geldwerte Vorteil dem Arbeitslohn hinzugerechnet. In den Einkommensteuererklärungen der Streitjahre beantragten die Kläger, die private PKW-Nutzung nach den tatsächlichen Kosten zu berechnen. Anhand eines Taschenkalenders, in denen die täglichen Einsatzorte, die Gesamtkilometer, die gefahrenen Kilometer und die Zeiten aufgezeichnet wurden, ermittelten die Kläger die privat gefahrenen Kilometer. Zusätzlich ermittelten sie aus den Gesamtkosten des Fahrzeugs einen tatsächlichen Kilometersatz pro gefahrenen Kilometer. Weiterhin gab der Kläger in den Erklärungen an, die Arbeitsstätte im Jahr 2012 63-mal, im Jahr 2013 62-mal, im Jahr 2014 79-mal, im Jahr 2015 85-mal und im Jahr 2016 71-mal aufgesucht zu haben.

Das Finanzamt lehnte den Ansatz der tatsächlichen Kosten für den überlassenen Firmenwagen des Klägers ab, da weder die durch das Kraftfahrzeug insgesamt entstandenen Aufwendungen durch Belege noch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch vorgelegt werden konnten. Für die erklärten Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte / erster Tätigkeitsstätte erkannte das Finanzamt Werbungskosten in Höhe der Entfernungspauschale ohne Abweichungen an.

Gegen die Einkommensteuerbescheide für 2012 vom 14.11.2014, für 2013 vom 04.01.2016, für 2014 vom 19.04.2016, für 2015 vom 26.06.2017 und für 2016 vom 07.08.2018 legten die Kläger jeweils erfolglos Einspruch ein. Mit Einspruchsentscheidung vom 27.11.2018 wurden die Einsprüche als unbegründet zurückgewiesen.

Hiergegen hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen folgendes vorgetragen:

Der Kläger habe auch in den Vorjahren den Ansatz der privaten PKW-Nutzung nach der sog. 1%-Regelung durch eigene Korrekturberechnungen verringert, was bis zum Jahr 2011 vom Finanzamt auch anerkannt worden sei. Die Aufzeichnungen über die geführten Fahrten würden jährlich in einem Kalender geführt und dem Finanzamt auch vorgelegt. Da der Kläger eine genaue Beschreibung der geschäftlich durchgeführten Fahrten vornehmen könne, sei der Nachweis über einen Kalender ausreichend. Die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Tätigkeit seien daher um die vom Kläger berechneten Werbungskosten für seine betrieblichen Fahrten zu mindern. Hilfsweise seien in den Streitjahren vom fiktiven Sachbezug für die Fahrten Wohnung Arbeitsstätte die fiktiven Werbungskosten für diese Fahrten abzuziehen. Vorliegend sei eine Beurteilung nach dem Gesamtbild der Verhältnisse vorzunehmen, wofür keine buchhalterisch hochpräzise Dokumentation erforderlich sei.

Der Prozessbevollmächtigte der Kläger beantragt,

die Einkommensteuerbescheide für 2012 vom 14.11.2014, für 2013 vom 04.01.2016, für 2014 vom 19.04.2016, für 2015 vom 26.06.2017 und für 2016 vom 07.08.2018 jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.11.2018 dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit um die vom Kläger errechneten Werbungskosten unter Berücksichtigung seines Fahrtenbuches in Höhe von 22.330 € für 2012, 20.381 € für 2013, 23.730 € für 2014, 22.879 € für 2015 und 23.452 € für 2016 gemindert werden, hilfeweise - bei Verwerfung des Fahrtenbuches - um fiktive Werbungskosten als Gegenposition für die Nutzungsmöglichkeit des Fahrzeugs für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in Höhe von 5.216 € für 2012, 5.670 € für 2013, 4.586 € für 2014, 4.183 € für 2015 und 4.510 € für 2016 gemindert werden und die Einkommensteuer der Streitjahre entsprechend niedriger festgesetzt wird.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen, und führt hierzu im Wesentlichen folgendes aus:

Die Aufzeichnungen des Klägers im Taschenkalender seien nicht ausreichend, da lediglich Ortsangaben angeführt worden seien. Die jeweils aufgesuchten Kunden oder Geschäftspartner und der Reisezweck sei nicht aufgeführt worden. Es entspreche nicht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass für Privatfahrten immer das Fahrzeug gewechselt worden sei. Da die Privatfahrten nicht sämtlich im Fahrtenbuch mit Kilometerständen am Anfang und am Ende der Fahrt aufgeführt wurden, werde die Beweiskraft der Aufzeichnungen hinfällig. Zusätzlich seien zur Ermittlung des geldwerten Vorteils für die Privatfahrten die tatsächlichen Gesamtkosten des Kraftfahrzeugs durch Belege im Einzelnen nachzuweisen und entsprechend dem Verhältnis der privat gefahrenen Kilometer zu den übrigen Kilometern aufzuteilen, was vorliegend nicht erfolgt sei. Der Kläger könne nicht sämtliche Aufwendungen für den Firmenwagen anhand von Einzelbelegen nachweisen. Der geldwerte Vorteil betrage für jeden Kilometer der einfachen Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte monatlich 0,03% des Bruttolistenpreises und sei zusätzlich zum geldwerten Vorteil nach der 1%-Regelung anzusetzen. Der Arbeitgeber des Klägers habe im Lohnsteuerabzugsverfahren den privaten Nutzungsvorteil für die Fahrten Wohnung Arbeitsstätte mit monatlich 0,03% des Bruttolistenpreises berechnet. Bei der Einkommensteuer-Veranlagung sei der Arbeitnehmer nicht an die für das Lohnsteuerabzugsverfahren gewählte Methode gebunden und könne eine Einzelbewertung der tatsächlichen Fahrten mit 0,002% des Bruttolistenpreises je Entfernungskilometer und je Fahrt anwenden, wenn er dem Finanzamt gegenüber fahrzeugbezogen mit Datumsangabe darlegen könne, an welchen Tagen er den Firmenwagen tatsächlich für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte benutzt habe. Außerdem habe er z. B. durch Vorlage der Gehaltsabrechnungen und/oder einer gesonderten Arbeitgeberbescheinigung nachzuweisen, in welcher Höhe der Arbeitgeber einen geldwerten Vorteil für die Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte besteuert und daher in der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung im Bruttoarbeitslohn angegeben habe. Diese Anforderungen ergäben sich aus dem BMF-Schreiben vom 01.04.2011 zur "Lohnsteuerlichen Behandlung der Überlassung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte" (BStBI 2011 I, 301). Im Streitfall könne der Kläger diese Nachweise, insbesondere Datumsangaben über die durchgeführten Fahrten, nicht erbringen. Der Ansatz von fiktiven Werbungskosten, wie in der Klageschrift geschehen, sei gesetzlich nicht vorgesehen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 90 Abs. 2 FGO sowie mit einer Entscheidung durch den zum Berichterstatter bestellten Richter anstelle des Senats, § 79a Abs. 3 und 4 FGO, einverstanden erklärt.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und den vorliegenden Akteninhalt verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

I.

In den angefochtenen Einkommensteuerbescheiden 2012 bis 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.11.2018 ist der geldwerte Vorteil für die Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte / erster Tätigkeitsstätte abweichend von der pauschalen Zuschlagsregelung des § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG jeweils nach Anzahl der tatsächlich durchgeführten Fahrten mit 0,002% des Listenpreises anzusetzen und zwar in Höhe von 5.810 € für 2012, 5.718 € für 2013, 7.910 € für 2014, 8.425 € für 2015 und 7.037,52 € für 2016. Die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit sind daher in den Streitjahren um 10.181 € für 2012, 10.883 € für 2013, 9.047 € für 2014, 9.598 für 2015 und 10.986 € für 2016 niedriger anzusetzen.

Soweit die Kläger beantragen, die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit um die vom Kläger errechneten Werbungskosten unter Berücksichtigung seines Fahrtenbuches zu mindern, hat die Klage keinen Erfolg, da der Kläger das Verhältnis der privaten Fahrten zu den übrigen Fahrten in den Streitjahren nicht durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachweisen kann. Auch bei Auslegung des Antrags dahingehend, den geldwerten Vorteil aus der privaten Nutzungsüberlassung des PKWs abweichend von der sog. 1%-Regelung nach den auf die Privatfahrten entfallenden Aufwendungen anzusetzen, hat dieser ebenfalls keinen Erfolg, da es an einem ordnungsgemäßen Fahrtenbuch fehlt. Die Klage ist insoweit daher abzuweisen.

1. Vorliegend stand das Firmenfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen N-xx xxx unstreitig dem Kläger auch zur privaten Nutzung zur Verfügung. Der Kläger hat dieses Fahrzeug in den Streitjahren auch tatsächlich privat genutzt. Darüber hinaus hat der Kläger in den Streitjahren das Fahrzeug für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte / erster Tätigkeitstätte genutzt.

2. Der Vorteil des Klägers aus der privaten Nutzungsüberlassung ist für die Streitjahre mit der 1%-Regelung zu bewerten und nicht mit den auf die Privatfahrten entfallenden Aufwendungen; weder kann das Verhältnis der privaten Fahrten zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen werden noch kann der Kläger alle auf das Kraftfahrzeug entfallenden Aufwendungen lückenlos beziffern.

a) Nach § 8 Abs. 2 Sätze 2 bis 4 EStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG ist der Vorteil aus der privaten Nutzungsüberlassung eines betrieblichen PKW nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG mit der 1%-Regelung zu bewerten, sofern nicht der Wert nach § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG mit dem auf die private Nutzung entfallenden Teil der gesamten Kraftfahrzeugaufwendungen angesetzt werden kann, wenn die durch das Kraftfahrzeug insgesamt entstehenden Aufwendungen durch Belege und das Verhältnis der privaten Fahrten zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen werden.

b) Der gesetzlich nicht weiter bestimmte Begriff des ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs im Sinne des § 8 Abs. 2 Satz 4 EStG ist durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) dahingehend präzisiert, dass nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Regelung die dem Nachweis des zu versteuernden Privatanteils an der Gesamtfahrleistung dienenden Aufzeichnungen eine hinreichende Gewähr für ihre Vollständigkeit und Richtigkeit bieten und mit vertretbarem Aufwand auf ihre materielle Richtigkeit hin überprüfbar sein müssen. Ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch muss zeitnah und in geschlossener Form geführt werden, um so nachträgliche Einfügungen oder Änderungen auszuschließen oder als solche erkennbar zu machen.

Hierfür hat es neben dem Datum und den Fahrtzielen grundsätzlich auch den jeweils aufgesuchten Kunden oder Geschäftspartner oder - wenn ein solcher nicht vorhanden ist - den konkreten Gegenstand der dienstlichen Verrichtung aufzuführen. Bloße Ortsangaben im Fahrtenbuch genügen allenfalls dann, wenn sich der aufgesuchte Kunde oder Geschäftspartner aus der Ortsangabe zweifelsfrei ergibt oder wenn sich dessen Name auf einfache Weise unter Zuhilfenahme von Unterlagen ermitteln lässt, die ihrerseits nicht mehr ergänzungsbedürftig sind. Dementsprechend müssen die zu erfassenden Fahrten einschließlich des an ihrem Ende erreichten Gesamtkilometerstands im Fahrtenbuch vollständig und in ihrem fortlaufenden Zusammenhang wiedergegeben werden. Grundsätzlich ist dabei jede einzelne berufliche Verwendung für sich und mit dem bei Abschluss der Fahrt erreichten Gesamtkilometerstand des Fahrzeugs aufzuzeichnen. Besteht allerdings eine einheitliche berufliche Reise aus mehreren Teilabschnitten, so können diese Abschnitte miteinander zu einer zusammenfassenden Eintragung verbunden werden. Dann genügt die Aufzeichnung des am Ende der gesamten Reise erreichten Gesamtkilometerstands, wenn zugleich die einzelnen Kunden oder Geschäftspartner im Fahrtenbuch in der zeitlichen Reihenfolge aufgeführt werden, in der sie aufgesucht worden sind. Wenn jedoch der berufliche Einsatz des Fahrzeugs zugunsten einer privaten Verwendung unterbrochen wird, stellt diese Nutzungsänderung wegen der damit verbundenen unterschiedlichen steuerlichen Rechtsfolgen einen Einschnitt dar, der im Fahrtenbuch durch Angabe des bei Abschluss der beruflichen Fahrt erreichten Kilometerstands zu dokumentieren ist (vgl. BFH-Urteile vom 09.11.2005 VI R 27/05, BStBl II 2006, 408; vom 16.11.2005 VI R 64/04, BStBl II 2006, 410; vom 16.03.2006 VI R 87/04, BStBl II 2006, 625; vom 14.12.2006 IV R 62/04, BFH/NV 2007, 691; vom 10.04.2008 VI R 38/06, BStBl II 2008, 768 und vom 21.03.2013 VI R 31/10, BStBl II 2013, 700).

Allerdings gibt ein Fahrtenbuch erst dann im gebotenen Umfang ohne die Möglichkeit nachträglicher Manipulation hinreichend Aufschluss über die Fahrten, wenn nicht nur die Anzahl der gefahrenen Kilometer in Form der zurückgelegten Strecke selbst, sondern auch die Anfangs- und Endpunkte der Fahrten hinreichend konkret benannt sind. Denn ohne diese Angaben ließe sich allenfalls die an den jeweiligen Tagen gefahrene Strecke ersehen und der Umkreis bestimmen, in dem sich das Fahrzeug aufgehalten haben könnte, ohne aber beurteilen zu können, welchem Zweck die jeweiligen Fahrten gedient haben. Diese Angaben sind im Fahrtenbuch selbst zu machen (BFH-Urteil vom 01.03.2012 VI R 33/10, BStBl II 2012, 505).

Neben diesen rein formellen Aspekten können inhaltliche Mängel die Ordnungsgemäßheit eines Fahrtenbuches ebenfalls ausschließen (vgl. Schmidt, EStG, § 6 Rz. 534). Kleinere Mängel zwingen aber nicht zur Verwerfung des gesamten Fahrtenbuches, wenn die Angaben insgesamt plausibel sind und trotz der Mängel noch eine hinreichende Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben besteht (BFH-Urteil vom 10.04.2008 VI R 38/06, BStBl II 2008, 768).

c) Die Beurteilung der für die Streitjahre vorgelegten Fahrtenbücher als nicht ordnungsgemäß ergibt sich aus der Gesamtschau folgender Umstände:

aa) Ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch muss zeitnah und in geschlossener Form geführt werden, um so nachträgliche Einfügungen oder Änderungen auszuschließen oder als solche erkennbar zu machen. Die Aufzeichnungen im Taschenkalender wurden in den 2012 bis 2014 vollständig mit Bleistift und in den Streitjahren danach teilweise mit Bleistift geführt, so dass jederzeit nachträgliche Änderungen der Eintragungen möglich waren, ohne dass diese erkennbar gewesen wären. Ausreichend ist die abstrakte Änderungsmöglichkeit; konkrete Änderungen müssen nicht vorgenommen worden sein. Damit fehlt es bereits an einer Grundvoraussetzung, die an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch im Sinne des § 8 Abs. 2 Satz 4 EStG zu stellen ist.

bb) Weiterhin fehlen in den Taschenkalendern Angaben über die jeweils aufgesuchten Kunden oder Geschäftspartner und den Reisezweck, d.h. den konkreten Gegenstand der dienstlichen Verrichtung. Die vom Kläger angeführten Ortsangaben lassen auch nicht zweifelsfrei einen Rückschluss auf die aufgesuchten Kunden oder Geschäftspartner zu, da die Angaben hierfür nicht spezifisch genug sind.

cc) Schließlich konnten jedenfalls für die Streitjahre 2012 und 2013 nicht alle Aufwendungen für den Firmenwagen beziffert und nachgewiesen werden, da in diesen Jahren unstreitig keine Tankbelege aufbewahrt wurden.

3. Der geldwerte Vorteil für die Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte / erster Tätigkeitsstätte ist im Streitfall abweichend von der pauschalen Zuschlagsregelung des § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG jeweils nach Anzahl der tatsächlich durchgeführten Fahrten mit 0,002% des Listenpreises anzusetzen und zwar in Höhe von 5.810 € für 2012, 5.718 € für 2013, 7.910 € für 2014, 8.425 € für 2015 und 7.037 € für 2016. Der Antrag der Kläger, die Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit um fiktive Werbungskosten als Gegenposition für den Ansatz der pauschalen Nutzungsmöglichkeit des Fahrzeugs für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte gemäß § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG (0,03%-Regelung) zu mindern, ist rechtlich erfolgversprechend dahingehend auszulegen, dass eine Einzelbewertung der tatsächlich durchgeführten Fahrten pro Streitjahr begehrt wird.

a) Grundsätzlich ist die Ermittlung des Zuschlags für die Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte gemäß § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG kalendermonatlich mit 0,03% des Listenpreises für jeden Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte vorzunehmen.

b) Der Bundesfinanzhof hat in seiner Entscheidung vom 22.09.2010, Az. VI R 57/09, seine Rechtsauffassung bestätigt, dass die Zuschlagsregelung des § 8 Absatz 2 Satz 3 EStG einen Korrekturposten zum Werbungskostenabzug darstellt und daher nur insoweit zur Anwendung kommt, wie der Arbeitnehmer den Dienstwagen tatsächlich für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte benutzt hat. Die Zuschlagsregelung des § 8 Absatz 2 Satz 3 EStG habe nicht die Funktion, eine irgendwie geartete zusätzliche private Nutzung des Dienstwagens zu bewerten. Sie bezwecke lediglich einen Ausgleich für abziehbare, tatsächlich aber nicht entstandene Erwerbsaufwendungen.

Zur Ermittlung des Zuschlags für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte ist nach Auffassung des Bundesfinanzhofes (vgl. Urteil vom 04.04.2008 VI R 85/04, BStBl II 2004, 887) eine Einzelbewertung der tatsächlichen Fahrten mit 0,002% des Listenpreises im Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 4 Satz 2 EStG je Entfernungskilometer vorzunehmen.

c) Der Kläger hat nach seinen Angaben die Arbeitsstätte in T an 63 Tagen in 2012, 62 Tagen in 2013, 79 Tagen in 2014, 85 Tagen in 2015 und 71 Tagen in 2016 aufgesucht. Das Finanzamt hat im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung der Streitjahre diese Anzahl der Entfernungspauschale nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG unverändert zugrunde gelegt. Zweifel hinsichtlich der Anzahl der durchgeführten Fahrten bestanden in diesem Zusammenhang offensichtlich nicht.

Nach Ansicht des erkennenden Richters erfordert eine Ausnahme von der zugrundeliegenden Typisierung bei der Ermittlung des Zuschlags nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG anhand einer Einzelbewertung der tatsächlichen Fahrten mit 0,002% des Listenpreises im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG je Entfernungskilometer nicht zwingend die Angabe der genauen Tage (Datumsangabe), an denen der Steuerpflichtige die Arbeitsstätte aufgesucht hat. Zwar hat nach den Vorgaben der Finanzverwaltung im BMF-Schreiben vom 01.04.2011 zur "Lohnsteuerlichen Behandlung der Überlassung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte" der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber kalendermonatlich fahrzeugbezogen schriftlich zu erklären, an welchen Tagen (mit Datumsangabe) er das betriebliche Kraftfahrzeug tatsächlich für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte genutzt hat; die bloße Angabe der Anzahl der Tage reicht demnach nicht aus.

Allerdings sind diese Verwaltungsvorgaben für den erkennenden Richter nicht bindend. Das Gericht entscheidet nach § 96 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In den Streitjahren war der Kläger im Außendienst einer Baufirma tätig. Den Eintragungen in den Taschenkalendern lässt sich entnehmen, dass der Kläger nur selten von seinem Wohnort in S direkt zur Arbeitsstätte / ersten Tätigkeitsstätte in T gefahren ist, sondern häufig zuvor Baustellen an anderen Orten aufgesucht hat. Fahrten von der Wohnung zum Kunden und danach vom Kunden zur Arbeitsstätte sind indes keine Fahrten im Sinne von § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG (vgl. Schmidt, Krüger, § 8, Rz. 46). An vielen Tag ist der Kläger überhaupt nicht nach T gefahren. Weder die Angaben in den Einkommensteuererklärungen noch das Vorbringen im Einspruchs- und Klageverfahren lassen Anhaltspunkte erkennen, dass die Angaben des Klägers über die Anzahl der Fahrten zur Arbeitsstätte / erster Tätigkeitsstätte unzutreffend sind. Der erkennende Richter sieht daher keinen Grund, die Angaben des Klägers in Zweifel zu ziehen. Der Kläger ist als Außendienstmitarbeiter nur an einer geringen Anzahl von Tagen ausschließlich von der Wohnung zur Tätigkeitsstätte gefahren, wie sich seinen Eintragungen in den Taschenkalendern entnehmen lässt. Die Angaben sind über die Jahre hinweg relativ konstant und wurden vom Finanzamt im Rahmen der Entfernungspauschale nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG unverändert angesetzt.

Im Gegensatz zur Regelung für Familienheimfahrten in § 8 Abs. 2 Satz 5 EStG führt § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG dazu, dass der Zuschlag für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte unabhängig von der Anzahl der tatsächlich mit dem Dienstwagen durchgeführten Fahrten zu ermitteln ist. Die auf der Einnahmenseite vorgenommene Typisierung steht damit im Widerspruch zur Grundannahme der für die Ausgabenseite geltenden Pauschalierung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG, die eine fahrtbezogene Ermittlung des Werbungskostenabzugs vorsieht. § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG wird nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes seinem Zweck als Korrekturposten zum pauschalen Werbungskostenabzug jedoch nur dann gerecht, wenn die dem Werbungskostenabzug nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG zugrundeliegende Typisierung auch bei der Ermittlung des Zuschlags nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG folgerichtig umgesetzt wird (vgl. BFH-Urteil vom 04.04.2008 VI R 85/04, BStBl II 2008, 887). Dies gilt nach der Rechtsprechung jedenfalls in den Fällen, in denen die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte - wie im Streitfall - regelmäßig nur ein- bis zweimal in der Woche durchgeführt werden und die tatsächliche Nutzung des Dienstwagens damit zu Lasten des Arbeitnehmers von der Grundannahme des § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG erheblich abweicht, dass der Dienstwagen monatlich an 15 Tagen für derartige Fahrten genutzt wird.

Die Einzelbewertung der tatsächlichen Fahrten mit 0,002% des Listenpreises im Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 4 Satz 2 EStG je Entfernungskilometer lässt die typisierte Ermittlung des Erhöhungsbetrags auf der Grundlage des Listenpreises im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG unberührt. Gleichzeitig knüpft sie an die Angaben des Arbeitnehmers zur Anzahl der mit dem Dienstwagen durchgeführten Fahrten im Rahmen des pauschalen Werbungskostenabzugs nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG an, so dass der Vereinfachungszweck des § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG erhalten bleibt. Dem Grundgedanken der Vereinfachung würde jedoch nach Auffassung des erkennenden Richters das Erfordernis der taggenauen (mit Datumsangabe) Angabe der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte / erster Tätigkeitsstätte widersprechen, wenn die taggenaue Präzisierung unabhängig von den Umständen des Einzelfalls stets verlangt würde. Als Grundannahme stellen sowohl die Einzelbewertung der Fahrten mit 0,002% des Listenpreises im Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 4 Satz 2 EStG je Entfernungskilometer als auch die für die Ausgabenseite geltende Pauschalierung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG auf die Anzahl der tatsächlich durchgeführten Fahrten ab. Für die steuerrechtliche Bewertung ein und desselben Sachverhaltes (Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte) können keine unterschiedlichen Anforderungen an die Glaubhaftmachungs- bzw. Nachweispflicht gestellt werden, je nachdem, ob der Sachverhalt auf der Einnahmen- oder Ausgabenseite zu beurteilen ist; es müssen vielmehr dieselben Kriterien gelten. Bestehen an den Angaben des Steuerpflichtigen zu den tatsächlich durchgeführten Fahrten im Rahmen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG keine Zweifel, kann dafür auch bei der Einzelbewertung auf der Einnahmenseite nichts Anderes gelten. Wie bereits erwähnt, lassen die Angaben des Klägers keine Zweifel hieran erkennen. Auch das Finanzamt hat im Rahmen des Klageverfahrens die Angaben des Klägers nicht angezweifelt. Schließlich lassen sich auch der zitierten Bundesfinanzhofrechtsprechung keine Anhaltspunkte entnehmen, dass im Rahmen der Einzelbewertung stets eine datumsmäßige Konkretisierung der gefahrenen Tage notwendig ist, mithin strengere Anforderungen als auf der Ausgabenseite gelten.

d) Die Einzelbewertung der vom Kläger vorgenommenen Fahrten mit 0,002% des Listenpreises im Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 4 Satz 2 EStG je Entfernungskilometer führt im Streitfall zum Ansatz folgender Beträge für den geldwerten Vorteil für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte / erster Tätigkeitsstätte:

Soweit der Kläger in den Streitjahren 2012 und 2014 jeweils einen neuen Firmenwagen unterjährig bekommen hat, wird als Bruttolistenpreis im Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 4 Satz 2 EStG jeweils vom höheren Wert ausgegangen, da keine Angaben gemacht wurden, wie viele Fahrten mit dem "alten" und mit dem "neuen" Firmenwagen gemacht wurden.

e) Wie sich den Angaben des Klägers und den eingereichten Lohnabrechnungen entnehmen lässt, wurde vom Arbeitgeber des Klägers der geldwerte Vorteil für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG (0,03%-Regelung) in 2012 mit 15.991 €, in 2013 mit 16.601 €, in 2014 mit 16.957 €, in 2015 mit 18.023 € und in 2016 mit 18.023 € angesetzt und seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit hinzugerechnet. Im Rahmen der Einzelbewertung dieser Fahrten sind als geldwerter Vorteil jedoch in 2012 nur 5.810 €, in 2013 nur 5.718 €, in 2014 nur 7.910 €, in 2015 nur 8.425 € und in 2016 nur 7.037 € anzusetzen. Die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit sind im Jahr 2012 daher um 10.181 €, im Jahr 2013 um 10.883 €, im Jahr 2014 um 9.047 €, im Jahr 2015 um 9.598 € und im Jahr 2016 um 10.986 € niedriger anzusetzen.

4. Der Ansatz von fiktiven Werbungskosten, wie von den Klägern im Hilfsantrag begehrt, ist gesetzlich hingegen nicht vorgesehen. Der Antrag ist nach Auffassung des erkennenden Richters ohnehin im Sinne der unter I. Nr. 3 der Urteilsgründen vorgenommenen Einzelbewertung auszulegen.

II.

Die Einkommensteuer der Kläger errechnet sich demnach gemäß § 100 Abs. 2 Satz 1 FGO für die Streitjahre wie folgt:

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 143 Abs. 1 i.V.m. 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.

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