Bayerischer VGH, Beschluss vom 06.12.2018 - 10 ZB 18.126
Fundstelle
openJur 2020, 55696
  • Rkr:
Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage auf Feststellung der teilweisen Rechtswidrigkeit der Beschränkungen in Nr. 1.20 des versammlungsrechtlichen Bescheids der Beklagten vom 13. Oktober 2016 weiter. Damit war dem Kläger das Mitführen und Verwenden von "pyrotechnischen Gegenständen wie bengalisches Licht und Rauchtöpfe (Kategorie 1 und T1)" sowohl für die stationären Kundgebungen wie auch während der sich fortbewegenden Versammlung verboten worden.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das die diesbezügliche Fortsetzungsfeststellungsklage abweisende Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 29. November 2017 ist zulässig, aber unbegründet. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestünden nur dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11; B.v. 9.6.2016 - 1 BvR 2453/12 - juris Rn. 16). Dies ist hier in Bezug auf die im Zulassungsverfahren allein streitbefangene Auflage nicht der Fall.

Zu dieser Auflage hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass sich die Verwendung sämtlicher der Klagepartei zur Verfügung stehenden und in der Liste "Zusammenfassung der BAM Bescheide für Theaterpyrotechnik Kat. T1" der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung enthaltenen bengalischen Feuer, auf die sich der Kläger bei seiner Auswahl beschränkt habe, im Rahmen einer Versammlung als derart gefährlich erweise, dass deren vollständige Untersagung selbst unter Berücksichtigung des nur punktuell vorgesehenen Einsatzes gerechtfertigt und daher ermessensfehlerfrei sei. Die in der o.g. Liste aufgeführten bengalischen Lichter unterlägen ohnehin einer Zulassungsbeschränkung für Bühne und Theater. Eine mit einem Theaterbetrieb vergleichbare Verwendung stelle die klägerseits beschriebene Benutzung im Rahmen einer Versammlung im Freien jedoch nicht dar. Es gebe weder Regieanweisungen noch ein überwachendes Feuerwehrpersonal. Vielmehr stelle eine Versammlung ein gegenüber einer Theateraufführung eher unkontrolliertes bzw. unkontrollierbares Geschehen dar.

Der Kläger bringt demgegenüber im Zulassungsverfahren vor, dass ermessensfehlerhaft eine Abwägung des Grundrechts auf Leben und Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 GG) mit den Grundrechten auf Versammlungs- und Kunstfreiheit (Art. 8 GG, Art. 5 Abs. 3 GG) unterblieben bzw. in rechtsirriger Weise zulasten der Grundrechte der Versammlungsteilnehmer erfolgt sei. Ausweislich der Stellungnahme des Landratsamts Fürth - Gesundheitsamt - vom 27. November 2017 handle es sich bei Pyrotechnik der Kategorie T1 um Gegenstände für Bühnen mit nur "geringer Gefährdung". Die Beklagte hätte ergänzend Sicherheitsbestimmungen wie die Einhaltung von Mindestabständen, Brandschutz- und Überwachungsmaßnahmen, wie sie in der Liste "Zusammenfassung der BAM Bescheide für Theaterpyrotechnik Kat. T1" enthalten seien, vorgeben können. Ermessensfehlerhaft sei davon ausgegangen worden, dass die Verwendung der bengalischen Feuer wegen der räumlichen Enge, des dichten Versammlungsgeschehens und der fehlenden Fluchtmöglichkeiten zu einer Gefahr habe führen können. An den vorgesehenen Standorten wären diese Bedingungen nicht gegeben gewesen. Denn es hätten nur zwei Versammlungsteilnehmer solche bengalische Lichter tragen sollen und zwar bei der Auftakt-, Zwischen- und Abschlusskundgebung. Schließlich handle es sich bei einer Versammlung um eine einem Theater bzw. einer Film- und Fernsehproduktion vergleichbare Veranstaltung. Ähnlich wie bei einer Theateraufführung werde mit der Verwendung bengalischen Lichts ein wichtiger Effekt als Teil der Inszenierung verfolgt. Auch agiere der Versammlungsleiter gleich einem Regisseur, weil er das Geschehen leite und hierfür verantwortlich sei. Ungeachtet dessen hätte die Überwachung durch Feuerwehrpersonal bzw. die Beachtung von Brandschutzmaßnahmen angeordnet werden können.

a) Mit diesem Vorbringen zieht der Kläger jedoch die Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils nicht ernsthaft im Zweifel. Das Verwaltungsgericht hat aufgrund der fachlichen Stellungnahme des Landratsamts Fürth - Gesundheitsamt - vom 27. November 2017 und der von dieser u.a. in Bezug genommenen "Zusammenfassung der BAM Bescheide für Theaterpyrotechnik Kat. T1" der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung zu Recht tatbestandlich eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit (i.S.d. Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayVersG), welche den Schutz zentraler Rechtsgüter wie u.a. Leben und Gesundheit Einzelner umfasst (vgl. BVerwG, U.v. 25.6.2008 - 6 C 21.07 - juris Rn. 13 m.w.N.), angenommen. Entgegen der Darstellung der Klagepartei in der Zulassungsbegründung gelangte auch das Landratsamt Fürth - Gesundheitsamt - zu dem Ergebnis, dass ohne Gefährdungsanalyse ein erhöhtes Verletzungs- und Gesundheitsrisiko für Versammlungsteilnehmer bzw. unbeteiligte Dritte bei der Nutzung von Theaterpyrotechnik der Kategorie T1 bestehe. Die weiteren Ausführungen in der o.g. Stellungnahme, nämlich dass es sich bei Pyrotechnik der Kategorie T1 für Bühne und Theater um pyrotechnische Gegenstände "mit geringer Gefährdung" handle, sind im Zusammenhang mit der gesetzlich vorgegebenen Kategorisierung in § 3a Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a des Gesetzes über explosionsgefährliche Stoffe (Sprengstoffgesetz - SprengG) in der Fassung vom 11. Juni 2017 (BGBl. I 2017, 1586) zu sehen, wonach pyrotechnische Gegenstände für Bühne und Theater der Kategorie T1 solche sind, von denen eine geringe Gefahr ausgeht. Dies lässt aber weder die Erforderlichkeit einer Gefährdungsanalyse noch die Einhaltung weiterer Vorgaben, wie sie in den Hinweisen zur sicheren Handhabung und in den Beschränkungen (etwa Sicherheitsabstände zu Personen und leicht brennbaren Materialien) in der Liste "Zusammenfassung der BAM Bescheide für Theaterpyrotechnik Kat. T1", rechte Spalte, enthalten sind, entfallen.

Auch ist das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die von der Klagepartei ausgewählten bzw. vorgesehenen "bengalischen Lichter" der "Kategorie T1" (s. Klagebegründung v. 4.11.2016, S. 6; Niederschrift über die mündliche Verhandlung v. 29.11.2017, S. 6) hinsichtlich ihres Verwendungszwecks gemäß § 3a Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a SprengG auf Bühnen beschränkt sind.

Nach der in § 3 Abs. 1 Nr. 6 SprengG enthaltenen Begriffsbestimmung sind pyrotechnische Gegenstände für Bühne und Theater für die Verwendung auf Bühnen im Innen- und Außenbereich, bei Film- und Fernsehproduktionen oder für eine ähnliche Verwendung bestimmt. Ausgehend von dem verfassungsrechtlichen Versammlungsbegriff, wonach Versammlungen "örtliche Zusammenkünfte mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung" sind (vgl. BVerfG, B.v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 - juris Rn. 40; B.v. 23.6.2004 - 1 BvQ 19/04 - juris Rn. 19), sind jene von bloßen Menschenansammlungen aber insbesondere auch von Veranstaltungen, deren Teilnehmer zwar den (äußerlich) gleichen Zweck, diesen aber meist nur passiv-rezipierend und jedenfalls nicht in bewusst gemeinsamer Aktion verfolgen, wie bei dem Besuch bspw. von Theateraufführungen, zu unterscheiden (vgl. Enders in Dürig-Friedl/Enders, Versammlungsrecht, 1. Auflage 2016, § 1 Rn. 5). Folgerichtig hat das Erstgericht in der klägerseits vorgesehenen Benutzung bengalischen Lichts im Rahmen der Versammlung keine einer Theateraufführung "ähnliche Verwendung" im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 6 SprengG gesehen.

b) Hinsichtlich der streitbefangenen Beschränkung lag im maßgeblichen Zeitpunkt der Erledigung (s. hierzu BayVGH, U.v. 10.7.2018 - 10 B 17.1996 - juris Rn. 23 m.w.N.) auch kein der gerichtlichen Überprüfung gemäß § 114 Satz 1 VwGO unterliegender Ermessensfehler der Versammlungsbehörde vor.

Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayVersG sieht auf der Rechtsfolgenseite Ermessen der Versammlungsbehörde vor, das heißt (auch) bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Rechtsgrundlage steht die Anordnung von Beschränkungen der Versammlung im Ermessen der Behörde, das diese im Rahmen des Art. 40 BayVwVfG unter Berücksichtigung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) und Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auszuüben hat. Insoweit ist die Ermessensausübung der Versammlungsbehörde durch die Gerichte nur eingeschränkt nach § 114 Satz 1 VwGO überprüfbar (vgl. BayVGH, B.v. 24.2.2015 - 10 CS 15.431 - juris Rn. 13; U.v. 10.7.2018 - 10 B 17.1996 - juris Rn. 39 f.).

Aufgrund der oben dargelegten Gefährlichkeit der zur Verwendung vorgesehenen bengalischen Feuer sowie wegen ihres beabsichtigten Einsatzes bei dieser Versammlung erweist sich die von der Beklagten vorgenommene Untersagung auch als ermessensfehlerfrei. Pyrotechnische Gegenstände wie bengalische Feuer sind Gegenstände, die explosionsgefährliche Stoffe oder Stoffgemische enthalten (pyrotechnische Sätze), mit denen auf Grund selbsterhaltender, exotherm ablaufender chemischer Reaktionen Wärme, Licht, Schall, Gas oder Rauch oder eine Kombination dieser Wirkungen erzeugt werden soll (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 SprengG). In Anbetracht des hohen Verletzungspotentials von Pyrotechnik resultiert daraus grundsätzlich eine erhebliche unmittelbare Gefahr für Leib und Leben sowohl der Teilnehmer der Versammlung als auch für Polizeibeamte, die zu deren Schutz abgestellt würden, sowie unter Umständen auch für unbeteiligte Dritte (vgl. OVG NW, B.v. 30.12.2016 - 15 B 1525/16 - juris Rn. 13, 17).

Dieser Gefahr hätte auch nicht durch die vom Kläger im Zulassungsverfahren skizzierten Auflagen und Beschränkungen wirksam begegnet werden können. Denn anders als bspw. bei Theaterveranstaltungen und/oder Film- und Fernsehproduktionen oder im Anwendungsbereich des § 35 Abs. 2 der Verordnung über den Bau und Betrieb von Versammlungsstätten (Versammlungsstättenverordnung - VStättV) vom 2. November 2007 (GVBl. S. 736) kann bei Versammlungen, insbesondere wenn wie vorliegend mehrere Gegenkundgebungen angezeigt waren, regelmäßig nicht von einem jederzeit störungsfreien und kontrollierbaren Geschehen bzw. Ablauf ausgegangen werden.

Der Kläger kann sich vorliegend auch nicht mit Erfolg auf das Grundrecht der Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) berufen. Denn es stand bei der Versammlung trotz des beabsichtigten Einsatzes der bengalischen Feuer als "Gestaltungsmittel" nicht - wie erstmals im Zulassungsverfahren vorgebracht - die künstlerische Betätigung im Sinne einer freien schöpferischen Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisse und Gedanken eines Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formsprache zur unmittelbaren Anschauung gebracht werden sollten (zum Kunstbegriff vgl. BVerfG, B.v. 24.2.1971 - 1 BvR 435/68 - juris Rn. 49 ff.; B.v. 17.7.1984 - 1 BvR 816/82 - juris Rn. 28 ff.; B.v. 27.11.1990 - 1 BvR 402/87 - juris Rn. 29 ff.), inmitten, sondern (allein) die kollektive Meinungsäußerung. Das bengalische Licht sollte nach dem Vortrag der Klagepartei als Kundgebungsmittel mit Showeffekt zum Einsatz kommen, um bei den Teilnehmern Aufmerksamkeit und Solidarisierung zu bewirken sowie Dritte auf die Versammlung aufmerksam zu machen. Ferner sollte eine "bildgewaltige emotionale Außendarstellung" erzeugt werden. Eine über den typischen Einsatz als (unterstützendes) Kundgebungsmittel hinausgehende künstlerische Betätigung, die gekennzeichnet ist durch Merkmale des Schöpferischen, des Ausdruckes persönlichen Erlebnisses, der Formgebung sowie der kommunikativen Sinnvermittlung (vgl. BVerfG, B.v. 17.7.1984 - 1 BvR 816/82 - juris Rn. 34 ff.), vermag der Senat darin aber nicht zu erkennen, so dass der Schutzbereich der Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) weder in sachlicher noch in persönlicher Hinsicht (als unmittelbar Kunstschaffender/Darsteller) eröffnet ist.

Ungeachtet dessen fände, selbst wenn entgegen obigen Ausführungen die Verwendung der bengalischen Feuer als "Showelement" in den Schutzbereich der Kunstfreiheit miteinbezogen würde, diese ihre Grenzen in anderen Bestimmungen des Grundgesetzes, insbesondere wie hier zum Schutz des Grundrechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (vgl. BayVGH, B.v. 17.9.2009 - 10 CS 09.2309 - juris Rn. 12; B.v. 24.2.2015 - 10 CS 15.431 - juris Rn. 28; HessVGH, U.v. 17.3.2011 - 8 A 1188/10 - juris Rn. 66). In Anbetracht des hohen Verletzungspotentials bei der Verwendung bengalischer Feuer erwiese sich deren (vollständige) Untersagung durch die Beklagte auch im Lichte des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG als ermessensfehlerfrei.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

3. Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren ergibt sich aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).