SG Nürnberg, Urteil vom 25.05.2018 - S 10 AL 289/17
Fundstelle
openJur 2020, 54177
  • Rkr:
Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über den Eintritt einer 12-wöchigen Sperrzeit vom 01.02.2017 bis 25.04.2017 und über einen Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) für diesen Zeitraum.

Der 1956 geborene Kläger war in der Zeit vom 01.05.2001 bis zum 31.01.2017 bei der Firma D. in D-Stadt als Spezialist E-Business beschäftigt.

Die Arbeitgeberin des Klägers hat zur Erhaltung der Konkurrenz- und Wettbewerbsfähigkeit unter betriebswirtschaftlichen Aspekten die unternehmerische Entscheidung getroffen, den Geschäftsbereich "Industrie" von D-Stadt nach S. zu verlegen. Hiervon war auch der Arbeitsplatz des Klägers in D-Stadt betroffen.

Gleichzeitig wurde die unternehmerische Entscheidung getroffen, in diesem Zusammenhang 500 Arbeitsplätze abzubauen. Die Betriebsänderung, die bei der Bundesagentur für Arbeit angezeigt wurde, sollte bis zum 31.12.2016 abgeschlossen sein. Zur Durchführung der Betriebsänderung wurde zwischen der Firma D. und dem Betriebsrat ein Interessenausgleich und Sozialplan zur verbindlichen Regelung des Umfangs der Betriebsänderung, der Art und Weise des Stellenabbaus und der dazugehörigen Regularien abgeschlossen.

Seitens der Arbeitgeberin wurden allen Mitarbeitern des Bereiches Industrie verschiedene Maßnahmen für einen sozialverträglichen Stellenabbau angeboten.

Nachdem der Kläger einer Verlagerung seines Arbeitsplatzes nach S. nicht zustimmte, schloss er mit seiner Arbeitgeberin auf betriebliche Veranlassung am 12.07.2016 einen Aufhebungsvertrag unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist mit Wirkung zum 31.01.2017.

Für den Verlust seines Arbeitsplatzes wurde eine Abfindung nach Maßgabe des Sozialplanes in Höhe von 161.528,00 € brutto vereinbart.

Am 28.10.2016 meldete sich der Kläger zum 01.02.2017 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld.

Im Fragebogen zur Antragsstellung gab der Kläger an, dass er das Arbeitsverhältnis nicht beendet habe um eine Arbeitgeberkündigung zu vermeiden, ferner habe ihm keine betriebliche Kündigung mit Bestimmtheit gedroht hätte.

Mit Bescheid vom 15.12.2016 wurde dem Kläger Arbeitslosengeld vorläufig unter Ausklammerung des Zeitraumes vom 01.02.2017 – 25.04.2017 in Höhe von täglich 75,62 € und für die Dauer von 720 Tagen bewilligt.

Am 18.01.2017 teilte die Arbeitgeberin des Klägers der Beklagten mit, dass dem Kläger keine konkrete Kündigung gedroht habe. Dem Kläger sei eine Abfindung gezahlt worden, welche mehr als 0,25 und 0,5 Monatsgehälter für jedes Jahr des Arbeitsverhältnisses betrage. Hierauf hätte der Kläger bei Ausspruch einer Kündigung keinen Anspruch gehabt. Ferner teilte die Arbeitgeberin mit, dass im geschlossenen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen worden seien. Die Frage der Sozialauswahl habe sich daher beim Kläger nicht gestellt, zudem der Kläger zeitnah bereit war, den Aufhebungsvertrag abzuschließen.

Mit Bescheid vom 16.02.2017 stellte die Beklagte eine Sperrzeit vom 01.02.2017 bis 25.04.2017 und die Minderung des Anspruches auf Arbeitslosengeld um 180 Tage fest, da der Kläger sein Arbeitsverhältnis ohne wichtigen Grund durch den Aufhebungsvertrag vom 12.07.2016 aufgelöst habe.

Mit weiterem Bescheid vom gleichen Tage wurde Arbeitslosengeld ab dem 26.04.2017 bis zum 25.10.2018 in Höhe von 75,98 € täglich gewährt.

Mit Schreiben vom 24.02.2017 legte der Kläger gegen die Feststellung der Sperrzeit Widerspruch ein.

Auf erneute Nachfrage der Beklagten teilte die Arbeitgeberin mit Schreiben vom 30.05.2017 mit, dass rückblickend nicht mehr beurteilt werden könne, ob der Kläger in S. hätte weiterbeschäftigt werden können, nachdem die Arbeitsvertragsparteien nach der Information über den Wegfall des aktuellen Arbeitsplatzes des Klägers zeitnah Gespräche über die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses aufgenommen hätten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25.07.2017 hat die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurückgewiesen.

Dagegen wurde am 16.08.2017 Klage zum Sozialgericht Nürnberg erhoben.

Der Kläger beantragt,

in Abänderung des Bescheides vom 17.02.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.07.2017, die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab dem 01.02.2017 Arbeitslosengeld dem Grunde nach zu gewähren.

Zur Begründung wird vorgetragen, dass der konkrete Arbeitsplatz des Klägers aufgrund einer unternehmerischen Entscheidung der Firma S. AG & Co. KG weggefallen sei. Der Kläger habe tatsächlich nicht mehr auf seinem Arbeitsplatz in D-Stadt weiterbeschäftigt werden können. Aufgrund dessen musste der gegenständliche Aufhebungsvertrag vom 12.07.2016 nach Maßgabe des Sozialplanes abgeschlossen worden.

Der Kläger hätte außerdem einen neuen Arbeitsplatz in S. nicht antreten können, da er gesundheitlich nicht in der Lage sei eine tägliche Wegstrecke vom Wohnort des Klägers in A-Stadt nach S. von einfach 126 km bis 144 km mit einer Fahrtzeit von annähernd über 2 Stunden zurück zu legen. Der Kläger leide an einer Kreislauferkrankung und Schlafapnoe, welche längere Autofahrten insbesondere in den frühen Morgenstunden oder nach einem vollen Arbeitstag mit einem erhöhten Verkehrsrisiko verbinden würden. Zur Untermauerung des Vorbringens wurde ein Attest von Dr. S. vom 23.02.2017 und 26.10.2017 zur Vorlage gebracht. Der Abschluss des Aufhebungsvertrages sei daher aufgrund medizinischer Notwendigkeit auf ärztliche Empfehlung hin erfolgt.

Der Kläger habe sich somit nicht versicherungswidrig verhalten und einen wichtigen Grund für den Abschluss des Aufhebungsvertrages vom 12.07.2016 gehabt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Dabei vertritt die Beklagte die Auffassung, dass der Kläger keinen wichtigen Grund für den Abschluss des Aufhebungsvertrages gehabt habe. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger auch ohne Abschluss des Aufhebungsvertrages zumindest zum 31.01.2017 nicht arbeitslos geworden wäre. Nach Angaben der ehemaligen Arbeitgeberin wäre dem Kläger nicht gekündigt worden. Der Kläger habe auch keine konkrete Aussicht auf eine unmittelbare Anschlussbeschäftigung gehabt, so dass er die Arbeitslosigkeit zumindest fahrlässig herbeigeführt habe. Ferner könne nicht als gesichert angesehen werden, dass der Kläger nicht auch in D-Stadt hätte weiterbeschäftigt werden können. Darüber hinaus spreche auch die Höhe der gezahlten Abfindung von etwa drei Jahresgehältern dafür, dass eine arbeitgeberseitige Kündigung des Klägers nicht realisierbar erschien, so dass es sich vielmehr um einen sogenannten "Freikauf" der Arbeitgeberin gehandelt habe.

Auf Nachfrage des Gerichts hat die Firma D. mit Schreiben vom 19.02.2018 mitgeteilt, dass im Nachgang nicht mehr beurteilt werden könne, ob der Kläger auch in D-Stadt hätte weiterbeschäftigt werden können. Die Parteien hätten sich damals zeitnah nach Kenntnis vom Wegfall des Arbeitsplatzes des Klägers und von der Ablehnung der angebotenen Versetzung nach S. durch den Kläger auf eine einvernehmliche Aufhebung des Arbeitsvertrages geeinigt. Es könne nicht gesagt werden, was die Konsequenz einer fehlenden Beschäftigungsmöglichkeit in D-Stadt gewesen wäre.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet und war daher abzuweisen.

Der Bescheid der Beklagten vom 16.02.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.07.2017 bezüglich der Feststellung einer 12-wöchigen Sperrzeit für die Zeit vom 01.02.2017- 25.04.2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Die Beklagte hat zutreffend den Eintritt einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe für die Zeit vom 01.02.2017 bis zum 25.04.2017, das Ruhen des Anspruchs des Klägers auf Arbeitslosengeld für diesen Zeitraum und die Minderung der Anspruchsdauer um 90 Tage festgestellt.

Zwar erfüllte der Kläger in dieser Zeit alle in §§ 136,137 SGB III geregelten Voraussetzungen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld, nachdem er ab 1. Februar 2017 arbeitslos war, sich am 28.10.2016 arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt hatte.

Jedoch ruht der Anspruch des Klägers wegen des Eintritts einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGB III.

Eine Sperrzeit von zwölf Wochen wegen Arbeitsaufgabe tritt nach § 159 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 SGB III ein, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und er dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben.

Der Kläger, der keine konkreten Aussichten auf einen Anschlussarbeitsplatz hatte, hat durch den Abschluss des Aufhebungsvertrages vom 12.07.2016 sein Beschäftigungsverhältnis mit der Firma D. gelöst und dadurch seine Arbeitslosigkeit zumindest grob fahrlässig herbeigeführt.

Nach Auffassung der Kammer hat dem Kläger für sein Verhalten kein wichtiger Grund zur Seite gestanden.

Über das Vorliegen eines wichtigen Grundes ist nach der Rechtsprechung des BSG unter Berücksichtigung des Ziels der Sperrzeitregelung zu entscheiden.

Diese dient dem Schutz der Versichertengemeinschaft vor Risikofällen, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten hat. Eine Sperrzeit soll nur eintreten, wenn dem Versicherten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung seiner Interessen mit den Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten zugemutet werden kann (vgl. BSGE 99, 154).

Im Falle der Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag kann sich der Arbeitnehmer nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts z.B. auf einen wichtigen Grund berufen, wenn ihm der Arbeitgeber mit einer nach Arbeitsrecht objektiv rechtmäßigen betriebsbedingten Kündigung zu diesem Zeitpunkt drohte, zu dem er das Arbeitsverhältnis löste, und ihm die Hinnahme dieser Kündigung nicht zuzumuten war.

Ferner komme unter Heranziehung der Grundsätze des § 1a KSchG, welcher dem von einer betriebsbedingten Kündigung betroffenen Arbeitnehmer im Interesse einer effizienten und kostengünstigen vorgerichtlichen Klärung für den Fall des Verzichts auf eine Überprüfung ohne Weiteres ein Anspruch auf eine Abfindung zubilligt, eine weitere Öffnung in Betracht und es könne auf eine ausnahmslose Prüfung der Rechtmäßigkeit der Arbeitgeberkündigung verzichtet werden, wenn die Abfindung die in § 1a Abs. 2 KSchG vorgesehene Höhe von 0,5 Monatsverdiensten für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses nicht überschreitet (BSGE 104, 57; BSGE 97,1).

Jenseits des § 1a KSchG und den von dieser Regelung erfassten Abfindungen hat das Bundessozialgericht an der Prüfung der Rechtmäßigkeit der anderenfalls drohenden Kündigung festgehalten, jedoch des Weiteren deutlich gemacht, dass der Nachweis eines besonderen Interesses an einer einvernehmlichen Lösung regelmäßig nicht erforderlich ist bzw. bereits das Interesse des Arbeitnehmers an der angebotenen Abfindungsregelung ein Abwarten der Arbeitgeberkündigung unzumutbar machen kann (vgl. BSGE 104, 57).

Hiervon ausgehend kann sich der Kläger bereits deshalb nicht auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, nach der auf eine ausnahmslose Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Arbeitgeberkündigung zu verzichten ist, berufen, weil die im Aufhebungsvertrag vereinbarte Abfindungshöhe die in § 1a Abs. 2 KSchG vorgesehene Höhe von 0,5 Monatsverdiensten für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses bei weitem überschreitet.

Denn der Berechnung der Abfindungshöhe lag entsprechend der Regelung des Sozialplans ein Faktor zugrunde, der die Abfindungshöhe des § 1a Abs. 2 Satz 1 KSchG deutlich übersteigt. Nach der Rechtsprechung des BSG muss sich die Abfindung aber ausdrücklich im Rahmen des § 1a Abs. 2 Satz 1 KSchG bewegen (vgl. auch Coseriu in: Eicher/Schlegel, SGB III, § 144 Rdnr. 187, 140 ff.; Köhler in Beck´ scher Online-Kommentar SGB III; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB III, § 144 Rdnr. 135;).

Billigt die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer in einer Vereinbarung eine höhere Abfindung zu, als dies in § 1a Abs. 2 KSchG vorgesehen ist, so weichen die Arbeitsvertragsparteien jedenfalls im Sperrzeitrecht in rechtlich erheblicher Weise vom gesetzlichen Leitbild ab.

Zudem spricht die Zubilligung einer höheren Abfindung tendenziell dafür, dass das Risiko einer Rechtswidrigkeit der Kündigung als besonders hoch eingeschätzt wird.

Vorliegend hat der Kläger eine Abfindung in Höhe von 161.528,00€ brutto erhalten, welche damit erheblich die Grenzen von § 1a Abs. 2 KSchG und den darin zu Grunde gelegten Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes, übersteigt. Nach Überzeugung des Gerichts liegt darin im vorliegenden Falle eine Gesetzesumgehung im Sinne eines sogenannten Freikaufs vom Kündigungsschutz es Klägers vor, denn die Arbeitgeberin konnte dem Kläger im vorliegenden Fall gar nicht mit Wirkung zum 31.01.2017 objektiv rechtmäßig kündigen.

Dem Kläger drohte nach Auffassung des Gerichts seitens der Firma S. AG & Co. KG keine nach Arbeitsrecht objektiv rechtmäßige betriebsbedingte Kündigung.

Dies wurde vom Kläger selbst anlässlich seines Antrages auf Arbeitslosengeld vom 28.10.2016, sowie von der ehemaligen Arbeitgeberin des Klägers gegenüber der Beklagten am 18.01.2018 und auch gegenüber dem Gericht am 19.02.2018 so bestätigt.

Zwar wurde die Aufhebungsvereinbarung am 12.07.2016 ausdrücklich auf betriebliche Veranlassung hin im Rahmen der Restrukturierung der Sparte Industrie geschlossen, weil der konkrete Arbeitsplatz des Klägers in D-Stadt weggefallen war, eine arbeitgeberseitige Kündigung zu diesem Zeitpunkt hat aber gleichwohl nicht gedroht.

Vor dem Hintergrund dieser Betriebsänderung und auf Grundlage des mit dem Betriebsrat geschlossenen Sozialplans und Interessenausgleichs wurde den Arbeitnehmern - u.a. so auch dem Kläger – lediglich die Möglichkeit gegeben, das Arbeitsverhältnis mittels Aufhebungsvertrag zu lösen.

Gleichzeitig hat die Arbeitgeberin am 18.01.2017 aber auch mitgeteilt, dass nach vorliegendem Interessenausgleich betriebsbedingte Kündigungen gerade ausgeschlossen waren.

Einem Arbeitnehmer muss jedoch eine hinreichend konkrete Kündigung gedroht haben, die überhaupt der arbeitsförderungsrechtlich erforderlichen Rechtmäßigkeitsprüfung unterzogen werden kann. Für die Rechtmäßigkeit einer hypothetischen betriebsbedingten Arbeitgeberkündigung kommt es vornehmlich darauf an, ob diese Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt wäre (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG), ob die nach sozialen Gesichtspunkten durchzuführende Sozialauswahl (§ 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG) einer betriebsbedingten Kündigung entgegengestanden hätte oder ob eine Korrektur der Sozialauswahl über das Erfordernis der Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer hätte vorgenommen werden müssen (§ 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG), und ob die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich wäre und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hätte (§ 1 Abs. 2 Satz 3 KSchG).

Dabei ist festzuhalten, dass ein betriebliches Erfordernis, welches ggfs. einer Weiterbeschäftigung des Klägers entgegensteht, nicht nur in seinem alten Tätigkeitsbereich, sondern im gesamten Betrieb und zwar zu veränderten wie auch zu unveränderten Bedingungen, erforderlich gewesen wäre.

Hierbei ist nun zu würdigen, dass der Kläger nach mehrmaligem Zeugnis der Arbeitgeberin überhaupt nicht um eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem anderen Arbeitsplatz in D-Stadt ersucht oder nachgefragt hat.

Ob der Kläger auf einem anderen Arbeitsplatz in D-Stadt hätte weiter beschäftigt werden können um seine Arbeitslosigkeit zu vermeiden, wurde aufgrund der Bereitwilligkeit des Klägers das Angebot zum Abschluss des gegenständlichen Aufhebungsvertrags mit der doch erheblichen Abfindungssumme anzunehmen, von den Arbeitsvertragsparteien nicht mehr geprüft. Die kann jedoch nicht zu Lasten der Versichertengemeinschaft gehen.

Infolgedessen kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Arbeitgeberin wegen des Wegfalls des Arbeitsplatzes des Klägers das Festhalten an einem sogenannten sinnentleerten Arbeitsverhältnis ohne Gegenleistung über einen längeren Zeitraum hätte nicht zugemutet werden können. Hierzu sind keine Anhaltspunkte vorgetragen worden, noch sind welche ersichtlich.

Ein wichtiger Grund zur Aufgabe des Arbeitsverhältnisses eines älteren Arbeitnehmers bei Personalabbau ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (z.B. Urteil vom 13. März 1997, 11 RAr 17/96) desweiteren auch dann anzunehmen, wenn bei einem größeren Betrieb in einer krisenhaften Situation der Zwang zu einem drastischen und kurzfristig durchzuführenden Personalabbau besteht, um den Betrieb und damit auch die Arbeitsplätze zu erhalten, und die drohende Arbeitslosigkeit der freizusetzenden Arbeitnehmer durch den örtlichen Arbeitsmarkt nicht ohne weiteres aufgefangen werden kann. Ferner müssen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Arbeitnehmer durch sein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Betrieb einem anderen Mitarbeiter die Entlassung und damit die Arbeitslosigkeit erspart hat. Ob vorliegend die Voraussetzungen, die das Bundessozialgericht für einen "drastischen und kurzfristigen Personalabbau" angenommen hat, vorliegen, bedarf indes keiner Entscheidung, da auch hierfür nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen worden ist, dass der Kläger durch den Abschluss des Aufhebungsvertrages einen anderen (jüngeren) Arbeitnehmer vor einer Entlassung bewahrt hat.

Auch sonstige Umstände, die es gerechtfertigt hätten, dass der Kläger sein Beschäftigungsverhältnis am 12.07.2016 zum 31.01.2017 löst, ohne sich vorher nachdrücklich um ein Anschlussarbeitsverhältnis zu bemühen und den Versicherungsfall der Arbeitslosigkeit zu vermeiden (vgl. beispielsweise BSGE 90, 90), sind nicht erkennbar.

Auch der Umstand, dass sich der Kläger allein anlässlich betrieblicher nicht von ihm beeinflussbarer Änderungen und aufgrund der unternehmerischen Entscheidung der Firma D. auf einen Aufhebungsvertrag im Rahmen eines Interessenausgleichs bzw. Sozialplans eingelassen hat, begründet keinen wichtigen Grund. Die kollektivrechtliche Grundlage arbeitsrechtlicher Regelungen allein gibt keinen wichtigen Grund für die Mitverursachung von Arbeitslosigkeit durch den Versicherten (Lüdtke in LPK-SGB III ,§ 144 Rdnr. 41).

Im Weiteren kann der Kläger auch kein Gehör mit dem Vorbringen finden, dass ihm die Fortführung des Beschäftigungsverhältnisses auf einem Arbeitsplatz in S. aus gesundheitlichen Gründe nicht zumutbar gewesen sei. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob dem Kläger aufgrund der ärztlich bestätigten Schlafapnoe einfache Fahrtzeiten von täglich 1,30 Stunden für 133 km hätten zugemutet werden können.

Es hätte für den Kläger jedenfalls die zumutbare Möglichkeit bestanden entweder nach S. umzuziehen oder zumindest dort ein Zimmer für die Arbeitstage anzumieten und am Wochenende nach A-Stadt zurück zu kehren. Derartige Optionen sind in der heutigen Berufs- und Arbeitswelt nichts Außergewöhnliches mehr und können somit grundsätzlich jedem Arbeitnehmer abverlangt werden.

Dieser Forderung stehen auch nicht die ärztlichen Atteste von Dr. S. entgegen. In einem ersten Attest vom 23.02.2017 wurde dort ohne nähere Begründung die Zumutbarkeit eines Umzuges verneint. Die im weiteren Attest vom 26.10.2017 näher verifizierte Diagnose der Schlafapnoesyndrom steht jedoch nach Auffassung des Gerichts einem berufsbedingten Aufenthalt in S. über die Woche mit einer Rückkehr am Wochenende zum hauptsächlichen Wohnort A-Stadt nicht entgegen.

Dementsprechend bestätigt Dr. S. in seinem Attest vom 26.10.2017 auch lediglich, dass wegen der Schlafapnoe längere Autofahrten zum Arbeitsplatz mit einem erhöhten Verkehrsrisiko verbunden seien.

Im Ergebnis lässt sich damit feststellen, dass dem Kläger zum Zeitpunkt des Abschlusses des streitgegenständlichen Aufhebungsvertrages vom 12.07.2016 trotz des Wegfalls seines Arbeitsplatzes keine arbeitgeberseitige betriebsbedingte und objektiv rechtmäßige Kündigung drohte und es ihm somit zumutbar gewesen wäre, eine Beendigungs- oder Änderungskündigung der Firma D. abzuwarten.

Mithin hat sich der Kläger nach Überzeugung des Gerichts durch den Abschluss des Aufhebungsvertrages vom 12.07.2016 mit Wirkung zum 31.01.2017 versicherungswidrig im Sinne von § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III verhalten, denn er konnte keinen wichtigen Grund für diese Arbeitsaufgabe gemäß § 159 Abs. 1 Satz 3 SGB III nachweisen.

Damit ist eine Sperrzeit eingetreten. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht folglich für die Zeit vom 01.02.2017 – 25.04.2017 und die Anspruchsdauer mindert sich um 180 Tage (§ 148 Abs. 1 Nr. 4 SGB III).

Die Beklagte hat den Beginn und die Dauer der Sperrzeit zutreffend festgestellt. Die Sperrzeit begann mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet hat (§ 159 Abs. 2 Satz 1 SGB III), somit am 01.02.2017.

Die Dauer der Sperrzeit beträgt nach § 159 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 3 SGB III zwölf Wochen; Gründe für die Herabsetzung der Sperrzeit auf drei bzw. sechs Wochen wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Sperrzeit innerhalb von sechs bzw. zwölf Wochen nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet (§ 159 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 bzw. Nr. 2a SGB III) oder einer besonderen Härte (§ 159 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2b SGB III) liegen nicht vor. Es kann nicht festgestellt werden - so bereits oben ausgeführt -, dass das Arbeitsverhältnis ohne den Aufhebungsvertrag innerhalb von sechs bzw. zwölf Wochen geendet hätte. Schließlich liegen auch die Voraussetzungen für die Annahme einer besonderen Härte im Sinne des § 159 Abs. 3 Nr. 2b SGB III nicht vor. Nach § 159 Abs. 3 Nr. 2b SGB III halbiert sich die Regelsperrzeit auf sechs Wochen, wenn eine Sperrzeit von 12 Wochen nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen eine besondere Härte bedeuten würde.

Die Annahme einer besonderen Härte ist gerechtfertigt, wenn nach den Gesamtumständen des Einzelfalles der Eintritt einer Sperrzeit mit der Regeldauer im Hinblick auf die für ihren Eintritt maßgebenden Tatsachen objektiv als unverhältnismäßig anzusehen ist (vgl. BSG, Urteil vom 26.03.1998 - B 11 AL 49/97 R). Die gesetzliche Regelung entzieht sich einer generalisierenden Betrachtung; vielmehr ist eine Bewertung der Gesamtumstände des Einzelfalls vorzunehmen (BSG, Urteil vom 05.06.1997; Urteil vom 02.05.2012 - B 11 AL 18/11 R), wobei unverschuldete Rechtsirrtümer zu berücksichtigen sind (vgl. BSG, Urteil vom 13.03.1997; Urteil vom 05.06.1997) Urteil vom 02.05.2012 - B 11 AL 18/11 R). Eine solche kann alleine im Ruhen oder der Höhe des Arbeitslosengeldes nicht gesehen werden. Gleiches gilt für die Folgen einer Sperrzeit im Rahmen des Bezuges von Arbeitslosengeld II, das für drei Monate gemindert worden ist. Beim Ruhen des Arbeitslosengeldes bzw. der Minderung des Arbeitslosengeldes II handelt es sich um die gesetzlich bestimmten Rechtsfolgen einer Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe.

Schließlich weist auch der vorliegende Sachverhalt, dass Arbeitnehmern anlässlich einer Betriebsänderung der Abschluss von Aufhebungsverträgen angeboten und diesen nachdrücklich ein freiwilliges Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis nahegelegt wird, keine relevanten Besonderheiten auf. Vielmehr handelt es sich um ein typisches Geschehen, das nicht aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls den Eintritt der Regelsperrzeit als besonders hart erscheinen lässt. Gründe für das Vorliegen einer besonderen Härte sind im zu entscheidenden Fall für das Gericht daher nicht ersichtlich.

Mithin war zu entscheiden, wie geschehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

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