LG München I, Beschluss vom 30.05.2018 - 41 O 7430/18
Fundstelle
openJur 2020, 53958
  • Rkr:
Tenor

1. Der Antrag vom 29.05.2018 auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Der Streitwert wird auf 7.500,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt den Erlass einer einstweiligen Verfügung gerichtet auf die Unterlassung einer Sperre sowie Löschung eines Beitrags bei ... wegen einer von ihm verfassten Äußerung.

Die Antragsgegnerin betreibt die Webseite ... Der Antragsteller ist Nutzer des von der Antragsgegnerin angebotenen Dienstes und dort angemeldet.

Der Antragsteller verfasste auf der Plattform der Antragsstellerin folgenden Beitrag:

"Wir betrachten diese Menschen nicht als muslimische Flüchtlinge. Wir betrachten sie als muslimische Invasoren. Um aus Syrien in Ungarn einzutreffen, muss man vier Länder durchqueren. Die Menschen rennen nicht um ihr Leben, sondern suchen ein besseres Leben. Die Flüchtlinge hätten vorher um ihre Aufnahme bitten sollen, stattdessen aber haben sie die Grenze illegal durchbrochen. Das war keine Flüchtlingswelle, das war eine Invasion. Ich habe nie verstanden, wie in einem Land wie Deutschland das Chaos, die Anarchie und das illegale Überschreiten von Grenzen als etwas Gutes gefeiert werden konnte."-Orbán Viktor Wer gibt dem Mann ein LIKE?

Die Antragsgegnerin sperrte den Antragssteller am 27.03.2018 kurzzeitig. Eine außergerichtliche Aufforderung vom 23.04.2018 (Anlage KTB 13) an die Antragsgegnerin, die Rechtswidrigkeit der Sperre einzuräumen, blieb unbeantwortet.

Der Antragsteller beabsichtigt, auch weiterhin auf ... Beiträge wie den oben zitierten zu posten.

Mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 29.05.2018, eingegangen am 30.05.2018, beantragt der Antragsteller:

1. Die Antragsgegnerin hat es zu unterlassen, den Antragsteller für das Einstellen des nachfolgend genannten Textes (wörtlich oder sinngemäß)

"Wir betrachten diese Menschen nicht als muslimische Flüchtlinge. Wir betrachten sie als muslimische Invasoren. Um aus Syrien in Ungarn einzutreffen, muss man vier Länder durchqueren. Die Menschen rennen nicht um ihr Leben, sondern suchen ein besseres Leben. Die Flüchtlinge hätten vorher um ihre Aufnahme bitten sollen, stattdessen aber haben sie die Grenze illegal durchbrochen. Das war keine Flüchtlingswelle, das war eine Invasion. Ich habe nie verstanden, wie in einem Land wie Deutschland das Chaos, die Anarchie und das illegale Überschreiten von Grenzen als etwas Gutes gefeiert werden konnte."-Orbán Viktor Wer gibt dem Mann ein LIKE?

auf ... zu sperren (insbesondere, ihm die Nutzung der Funktion von ... wie Posten von Beiträgen, Kommentieren fremder Beiträge und Nutzung des Nachrichtensystems vorzuenthalten) oder den Beitrag zu löschen. Für den Fall der Zuwiderhandlung wird ihr ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft angedroht, Ordnungshaft zu vollziehen an den Vorständen.

Zur Ergänzung wird auf den Verfügungsantrag vom 29.05.2018 samt Anlagen verwiesen.

II.

Der Antragsteller hat zum Teil einen Verfügungsanspruch nicht glaubhaft machen können, im Übrigen ist der behauptete Verfügungsgrund ist nicht glaubhaft gemacht; § 920 Abs. 2 ZPO.

Soweit der Antragssteller von der Antragsgegnerin verlangt, eine Sperre und das Löschen für das Einstellen eines "sinngemäßen" Textes zu unterlassen, so ist der Antrag unzulässig. Ein Unterlassungsantrag darf nicht derart undeutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht klar umrissen sind, und im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht die Entscheidung darüber überlassen bleibt, was dem Antragsgegner verboten ist. Denn für den Antragsgegner muss bei einer geforderten Unterlassungshandlung hinreichend klar zu erkennen sein, welche Verletzungshandlung strafbewehrt ist. Inhalt und Reichweite des geforderten Verbots müssen sich klar entnehmen lassen.

Die auslegungsbedürftige Formulierung "sinngemäß" lässt aber völlig offen, welche Texte davon umfasst sein können. Denn der von der Antragsgegnerin beanstandete Beitrag des Antragsstellers umfasst acht Sätze und behandelt eine Vielzahl von Gesichtspunkten. Damit lassen sich eine Vielzahl von Äußerungen, die auch verschiedene Punkte der im Beitrag angesprochenen Themen unterschiedlich ansprechen, unter den weiten Begriff "sinngemäß" erfassen. Welche Äußerungen - außer der konkret genannten - vom Unterlassungsantrag umfasst sein sollen, lässt sich daher nicht erkennen, auch nicht unter Zugrundelegung des weiteren Sachvortrags. Dieser Teil des Antrags ist damit zu unbestimmt.

Soweit der Antragsteller von der Antragsgegnerin das Unterlassen der Löschung des Beitrags verlangt, hat er bereits nicht glaubhaft gemacht, dass sein Beitrag gelöscht wurde. Der Antragsteller hat (Seite 5 des Antrags) nur vorgetragen, kurzzeitig gesperrt worden zu sein. Entscheidend ist, dass der Antragsteller in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 30.05.2018 nur versichert hat, wegen seines Beitrags gesperrt zu sein. Eine Löschung des Beitrags wurde nicht versichert, es fehlt daher bereits an einer Glaubhaftmachung.

Jedenfalls ist ein Verfügungsgrund vom Antragssteller nicht glaubhaft gemacht. Wie oben ausgeführt kann der Antragsteller zulässigerweise von der Antragsgegnerin Unterlassung einer Sperrung nur wegen des Einstellens des im Antrag aufgeführten Textes verlangen. Der Antragsteller hat aber selbst nicht vorgetragen, diesen Text wieder einstellen zu wollen, sondern nur, dass er beabsichtige, sich auch zukünftig in ähnlicher Weise zu äußern. Da der Antragssteller also nicht beabsichtigt, den beanstandeten Text wieder einzustellen, besteht keine Notwendigkeit für den Erlass einer einstweiligen Verfügung, die sich auf diesen Text bezieht.

Im Übrigen wird die Dringlichkeit als Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Verfügung dadurch widerlegt, dass der Antragssteller mehr als zwei Monate abgewartet hat, seit er von der Antragsgegnerin kurzfristig gesperrt wurde. An der für eine einstweilige Verfügung erforderlichen Dringlichkeit fehlt es, wenn der Antragsteller in Kenntnis der maßgeblichen Umstände untätig bleibt und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung erst nach längerer Zeit stellt. Durch langes Zuwarten wird die gesetzliche Dringlichkeitsvermutung widerlegt. Die Sperre der Antragsgegnerin erfolgte am 27.03.2018, sein Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung ging erst am 30.05.2018 bei Gericht ein. Insbesondere unter dem Aspekt, dass die Sperrung des Antragsstellers nur kurzzeitig andauerte, also keine lange Beeinträchtigung vorlag, und dass die Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit der Antragsgegnerseite über die Plattform selbst sehr schnell und ohne weitere Schritte möglich ist, zeigt ein Zuwarten von über zwei Monaten, dass eine Dringlichkeit nicht gegeben ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus §§ 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG, 3 ZPO.

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