Bayerischer VGH, Beschluss vom 04.09.2019 - 1 ZB 17.662
Fundstelle
openJur 2020, 51312
  • Rkr:
Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Kläger zu 1 und 2 einerseits als Gesamtschuldner, der Kläger zu 3 andererseits tragen jeweils die Hälfte der Kosten des Zulassungsverfahrens. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 15.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Die Kläger wenden sich als Nachbarn gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zum Neubau eines Milchviehlaufstalls im Außenbereich.

Die Grundstücke der Kläger liegen südlich des geplanten Vorhabens. Dabei handelt es sich um ein Dorfgebiet im Sinn des § 5 BauNVO. Genehmigt ist ein Milchviehlaufstall mit 120 Tierplätzen und zwei Auslaufbereichen. Nach der Auflage Nummer 3 des Bescheids ist die bestehende offene Güllegrube entsprechend der Empfehlung des Immissionsschutzes luftdicht zu verschließen. Nach den Hinweisen in Nummern 2.1 und 2.8 sind die Vorgaben der TA Luft und der TA Lärm einzuhalten.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor bzw. ist nicht dargelegt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

Ernstliche Zweifel, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen‚ sind zu bejahen‚ wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG‚ B.v. 20.12.2010 - 1 BvR 2011/10 - NVwZ 2011‚ 546) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG‚ B.v. 10.3.2004 - 7 AV 4.03 - DVBl 2004‚ 838). Das ist hier nicht der Fall.

Die Zumutbarkeit der von dem Bauvorhaben hervorgerufenen Lärmimmissionen ist nicht notwendig anhand der Immissionsrichtwerte der TA Lärm zu beurteilen. Nach Nummer 1 Abs. 2 Buchst. c TA Lärm sind nicht nach dem Immissionsschutzrecht genehmigungsbedürftige landwirtschaftliche Anlagen, wie hier mit 120 Tierplätzen, wegen der besonderen Privilegierung der Landwirtschaft (vgl. BayVGH, B.v. 10.2.2016 - 22 ZB 15.2329 - juris Rn. 22) ausdrücklich vom Anwendungsfall der TA Lärm ausgenommen. Zutreffend weist das Verwaltungsgericht darauf hin, dass die mit landwirtschaftlichen Betrieben im Dorfgebiet (§ 5 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BauNVO) bzw. im Außenbereich (§ 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB) einhergehenden spezifischen Immissionen daher gerade auch unter dem Gesichtspunkt des Rücksichtnahmegebots von benachbarten Nutzungen grundsätzlich hinzunehmen sind. Denn in Dorfgebieten ist der Schutz des Wohnens wegen der den landwirtschaftlichen Betrieben zukommenden Vorrangstellung (§ 5 Abs. 1 Satz 2 BauNVO) eingeschränkt. Die von landwirtschaftlichen Betrieben üblicherweise ausgehenden Emissionen wie Tiergeräusche, Maschinenlärm und Geruchsentwicklung sind insoweit gebietstypisch und daher in der Regel nicht als unzulässige Störung der in der Nachbarschaft vorhandenen oder geplanten Wohnnutzung anzusehen (vgl. BayVGH, U.v. 12.7.2004 - 25 B 98.3351 - juris Rn. 30).

Zwar ist anerkannt, dass die auf Gewerbelärm zugeschnittene TA Lärm (vgl. BVerwG, B.v. 3.5.1996 - 4 B 50.96 - NVwZ 1996, 1001) im Einzelfall auch auf von landwirtschaftlichen Betrieben ausgehenden Lärm entsprechend anwendbar sein kann, wenn die Geräuschimmissionen ihrer Art nach den gewerblichen Emissionen entsprechen (vgl. Feldhaus/Tegeder, Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm, 2014, Teil B Rn. 25 m.w.N.). Unabhängig davon, dass dies nicht zwingend ist, ist vorliegend nicht ansatzweise vorgetragen oder erkennbar, dass die Geräuschimmissionen hier ausnahmsweise ihrer Art nach den gewerblichen Emissionen entsprechen könnten. Die bloße Behauptung, ihre Grundstücke seien von dem Vorhaben ausgehenden unzumutbaren Lärmimmissionen ausgesetzt, reicht dafür nicht aus. Damit kommt es auf die Einhaltung der nach Nummer 6.1 Satz 1 Buchst. c TA Lärm für Dorfgebiete festgelegten Immissionsrichtwerte von 60 dB(A) tags und 45 dB(A) nachts nicht entscheidungserheblich an. Die Einholung eines schalltechnischen Gutachtens zur Lärmentwicklung des geplanten Vorhabens war somit weder erforderlich noch geboten. Ebenso kommt es nicht auf die Begriffsbestimmungen des Immissionsschutzrechts (§ 3 Abs. 1 BImSchG) und auf dessen materiell-rechtliche Maßstäbe (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 22 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG) zur Bestimmung der Grenze der Zumutbarkeit von Umwelteinwirkungen an.

Soweit die Kläger in diesem Zusammenhang für die Beurteilung der Lärmimmissionen maßgeblich auf das in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO enthaltene Rücksichtnahmegebot abstellen und ausführen, dass dieses zugunsten eines landwirtschaftlichen Betriebs im Außenbereich nicht zu Lasten eines angrenzenden Wohngebiets gänzlich außer Kraft gesetzt sei, führt dies nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des Urteils. Zwar trifft es zu, dass § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO sich als besondere Ausprägung des Rücksichtnahmegebots und als zulässige Bestimmung des Eigentumsinhalts (Art. 14 Abs. 1 GG) darstellt (vgl. BVerwG, U.v. 18.5.1995 - 4 C 20.94 - BVerwGE 98, 235) und gewährleistet, dass Nutzungen, die geeignet sind, Spannungen und Störungen hervorzurufen, einander so zugeordnet werden, dass Konflikte möglichst vermieden werden. Die Kläger legen jedoch keine Gründe dar, die zu der Annahme führen könnten, von dem Vorhaben des Beigeladenen könnten das übliche Maß eines Milchviehlaufstalls übersteigende und damit unzumutbare Lärmimmissionen für ihre - teilweise auch landwirtschaftlich genutzten - Grundstücke ausgehen. Im Übrigen ist die Genehmigung mit Auflagen und Hinweisen, u.a. zur Einhaltung der Vorgaben der TA Luft und der TA Lärm, versehen, die die Kläger ausreichend schützen und bei ordnungsgemäßem Betrieb erfüllt werden können.

Mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Zumutbarkeit der durch das Vorhaben hervorgerufenen Geruchseinwirkungen angesichts eines Abstands zwischen den Anwesen der Kläger und dem geplanten Standort des Stalls zwischen 20 und 30 Meter sowie der nach der vorgelegten Geruchsausbreitungsberechnung ermittelten (zumutbaren) Geruchsstundenhäufigkeit von bis zu 14% am Anwesen des Klägers zu 3 und bis zu 6% am Anwesen der Kläger zu 1 und 2, die nicht die Gesamtbelastung des Immissionswerts für Dorfgebiete von 15% überschreitet, setzen sich die Kläger nicht auseinander.

Die Kläger zu 1 und 2 und der Kläger zu 3 haben die Kosten des Zulassungsverfahrens je zur Hälfte - erstere als Gesamtschuldner - zu tragen, weil ihre Rechtsmittel erfolglos geblieben sind (§ 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO). Es entspricht der Billigkeit, dass der Beigeladene seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt, weil er keinen Sachantrag gestellt hat und sich somit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 162 Abs. 3 VwGO).

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1‚ § 47 Abs. 1 und 3‚ § 52 Abs. 1 GKG. Sie orientiert sich an Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (vgl. Beilage 2/2013 zu NVwZ Heft 23/2013).

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).