VG Augsburg, Beschluss vom 24.06.2020 - Au 8 K 20.179
Fundstelle
openJur 2020, 49576
  • Rkr:
Tenor

Der beschrittene Verwaltungsrechtsweg ist zulässig.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt das Führen einer Professorenbezeichnung ("Prof.") ohne Angabe der Fakultäts- und Hochschulangehörigkeit.

Die Klägerin ist Professorin für Traditionelle Europäische Naturheilkunde, Traditionelle Chinesische Medizin und Medizinpädagogik an der staatlich anerkannten Deutschen Hochschule für Gesundheit und Sport,, und niedergelassene Fachärztin für Allgemeinmedizin.

Im Juli 2013 wurde seitens der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft * gegenüber der Deutschen Hochschule für Gesundheit und Sport bestätigt, dass bei der Klägerin die Einstellungsvoraussetzungen für eine Professur gemäß § 100 Abs. 1 BerlHG vorlägen. Die Klägerin sei mit Aufnahme ihrer Tätigkeit an der Hochschule berechtigt, den Professorentitel zu führen.

Mit Schreiben vom 4. Februar 2015 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass sie ihren Professorentitel im Internetauftritt ihrer Gemeinschaftspraxis nicht korrekt ankündige. Sie müsse in Zukunft folgende Bezeichnung verwenden: "Prof. (Hochschule für Gesundheit und Sport, *)".

Mit Schreiben vom 12. Juni 2019 führte der Beklagte gegenüber der Klägerin aus, dass die Klägerin auf der Homepage der Deutschen Hochschule für Gesundheit und Sport sowie im Internetauftritt ihrer Gemeinschaftspraxis nunmehr den Titel "Prof. Dr. med." führe, und bat sie um Richtigstellung auf beiden Seiten und künftige Beachtung.

Dem entgegnete der Bevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 6. September 2019, dass die Klägerin den Titel "Prof. Dr. med." auf der Homepage der Gemeinschaftspraxis nicht führe. Aufgrund der Zustimmung der Senatsverwaltung aus dem Juli 2013 sei sie berechtigt, den Professorentitel zu führen. Die Forderung aus dem Schreiben vom 12. Juni 2019 werde zurückgewiesen. Der Beklagte gehe von falschen rechtlichen Maßgaben aus.

Die Bayerische Landesärztekammer teilte dem Beklagten daraufhin mit, dass die Ankündigung auf der Internetseite der Hochschule nicht unmittelbar in den Anwendungsbereich des § 27 Abs. 6 Satz 4 BO falle.

Mit Schreiben vom 2. Oktober 2019 bestätigte der Beklagte dies auch gegenüber der Klägerin. Die Klägerin müsse jedoch im Rahmen ihrer ärztlichen Berufsausübung, insbesondere auf der Praxishomepage, den Zusatz nach § 27 Abs. 6 Satz 4 BO führen.

In der Folge bat der Bevollmächtigte der Klägerin um Bestätigung, dass jedenfalls ein Hinweis auf die Hochschulzugehörigkeit in abgekürzter Form ("Prof. (DHGS *) Dr.") genüge. Dem entsprach der Beklagte.

Am 28. Januar 2020 ließ die Klägerin Klage erheben und beantragen,

festzustellen, dass die Klägerin berechtigt ist, ihre Professorenbezeichnung ("Professor"/"Prof.") in der ärztlich-beruflichen Kommunikation ohne Angabe der Fakultäts- und Hochschulangehörigkeit zu führen.

Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Klage als allgemeine Feststellungsklage zulässig sei. Die Klägerin habe das erforderliche Feststellungsinteresse, da ihr nicht zugemutet werden könne, der von dem Beklagten geäußerten Rechtsauffassung zuwider zu handeln und berufsaufsichtliche Maßnahmen zu riskieren. Die Klage sei auch begründet, weil der Klägerin der geltend gemachte Feststellungsanspruch zustehe. Sie sei nach dem * Hochschulrecht berechtigt, den Professorentitel zu führen. Diesen dürfe sie auch im ärztlich-beruflichen Bereich ohne Zusatz führen.

Auf die Klagebegründung wird im Einzelnen Bezug genommen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Klage sei bereits unzulässig, da die Klägerin kein berechtigtes Interesse an der begehrten verwaltungsgerichtlichen Feststellung habe. Es bestehe eine abdrängende Sonderzuweisung zum Berufsgericht für die Heilberufe beim Landgericht * nach Art. 68 Abs. 2 Heilberufe-Kammergesetz (HKaG). Hätte die Klägerin erklären lassen, dass sie trotz der erfolgten Empfehlung die Professorenbezeichnung ohne den vorgegebenen Zusatz führe, hätte zwangsläufig der Vorstand des Beklagten zu entscheiden, ob eine berufsaufsichtliche Maßnahme zu ergreifen sei. Die Rechtsschutzgarantie sei auch gegeben, da nach Erteilung einer Rüge der Rechtsbehelf der Beschwerde zum Vorstand der Bayerischen Landesärztekammer gemäß Art. 38 Abs. 4 HKaG gegeben sei. Werde der Beschwerde nicht abgeholfen, bestehe gemäß Art. 38 Abs. 5 HKaG die Möglichkeit, Antrag auf gerichtliche Entscheidung durch das Berufsgericht zu stellen. Schließlich habe ein Mitglied auch das Recht, gemäß Art. 77 Abs. 1 Nr. 3 HKaG gegen sich selbst den Antrag auf Einleitung eines berufsgerichtlichen Verfahrens - und damit eine Überprüfung vornehmen zu lassen - zu stellen. Zwar könne daneben eine Feststellungsklage zu den Verwaltungsgerichten zur Vermeidung einer zukünftigen Ahndung in berufsgerichtlichen Verfahren denkbar sein. Dies gelte jedoch dann nicht, wenn wie vorliegend das sachnähere Gericht in einem solchen Ahndungsverfahren über die in Frage stehende Feststellung entscheiden könne. Nur so könne auch die Gefahr zweier sich widersprechender Entscheidungen verhindert werden. Die Klage sei hilfsweise auch unbegründet.

Mit Schreiben vom 28. April 2020 nahm der Bevollmächtigte der Klägerin Stellung. Der Verwaltungsrechtsweg sei eröffnet. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei das Verfahren nicht an die Berufsgerichte zu verweisen. Diese seien Disziplinargerichte, die in der Vergangenheit liegende Berufspflichtverstöße ahnden würden. Die erhobene Feststellungsklage betreffe demgegenüber das Recht der Klägerin, ihre Professorenbezeichnung zukünftig zu führen. Wenn das berufsgerichtliche Verfahren nicht nach Art. 77 Abs. 1 bzw. Art. 38 Abs. 5 Satz 1 HKaG eingeleitet worden sei, sei auch die Zuständigkeit der Berufsgerichte nicht begründet. Eine Rechtswegverweisung komme damit nur bei der Anfechtung eines Rügebescheids in Betracht. Es sei der Klägerin unzumutbar, weiterhin die Professorenbezeichnung zu führen und so berufsaufsichtliche Maßnahmen zu riskieren. Auch auf die Möglichkeit, selbst ein berufsgerichtliches Verfahren einzuleiten, könne die Klägerin nicht verwiesen werden. Sie müsse die Klärung verwaltungsrechtlicher Streitfragen nicht "auf der Anklagebank" erleben. Auch die ins Feld geführte größere Sachnähe der Berufsgerichte könne den abweichenden Rechtsweg nicht begründen. Dass widersprechende Entscheidungen drohten, sei hinzunehmen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vorgelegten Behördenakte Bezug genommen.

II.

Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet, da eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO vorliegt.

1. Über die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs ist gemäß § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG vorab durch zu begründenden Beschluss zu entscheiden, da der Beklagte die Zulässigkeit des Rechtswegs ausdrücklich gerügt hat.

2. Die Rechtswegfrage beurteilt sich nach dem Streitgegenstand (BayVGH, B.v. 13.10.2009 - 4 C 09.2144 - juris Rn. 8 m.w.N.). Der Streitgegenstand ist der prozessuale Anspruch, der durch den zur Begründung vorgetragenen Lebenssachverhalt näher bestimmt wird. Welcher Rechtsnatur die Rechtsstreitigkeit ist, richtet sich nach der Rechtsnatur der materiell-rechtlichen Normen (Anspruchsgrundlagen), nach denen zu beurteilen ist, ob das Klagebegehren nach dem unterbreiteten Lebenssachverhalt begründet ist oder nicht.

Zwischen der Klägerin und dem Beklagten steht ein bestehendes berufsrechtliches Rechtsverhältnis inmitten, das durch das Heilberufe-Kammergesetz (HKaG) und die Berufsordnung für die Ärzte Bayerns (BO) dem öffentlichen Recht zugeordnet ist. Streitigkeiten auf diesem Gebiet sind gemäß § 40 Abs. 1 VwGO durch die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu entscheiden. Um eine Zuweisung an ein anderes Gericht im Sinne dieser Vorschrift annehmen zu können, bedürfte es einer ausdrücklichen Regelung; eine Zuweisung "kraft Sachnähe” scheidet aus (VG München, U.v. 11.6.2002 - M 16 K 00.4995 - juris Rn. 20; Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 40 Rn. 100). Die Berufsgerichte für die Heilberufe sind nach Art. 66 Abs. 1 Satz 1 HKaG nur für die Verfolgung von Berufspflichtverletzungen, d.h. die gleichsam disziplinarrechtliche Ahndung von Verstößen gegen Berufspflichten zuständig. Für die Feststellungsklage des Angehörigen eines freien Berufs, er habe durch eine bestimmte Werbemaßnahme nicht gegen die Berufsordnung verstoßen, verbleibt es demgegenüber bei der Eröffnung des Rechtswegs zu den allgemeinen Verwaltungsgerichten (vgl. BVerwG, B.v. 10.7.1991 - 3 CB 89/90 - juris Rn. 6; VG München, U.v. 11.6.2002 - M 16 K 00.4995 - juris Rn. 20).

Im Übrigen ist es der Klägerin, die den Titel nach eigenen Angaben bislang nicht ohne den vom Beklagten geforderten Zusatz führt, nicht zuzumuten, dies auf die Gefahr hin zu tun, mit einem berufsgerichtlichen Verfahren überzogen zu werden. Sie kann vielmehr durch das Verwaltungsgericht klären lassen, ob ihr Standpunkt oder derjenige der Behörde zutrifft (VG München, U.v. 11.6.2002 - M 16 K 00.4995 - juris Rn. 21; Happ in Eyermann, VwGO, § 43 Rn. 33 m.w.N.). Ebenso wenig kann die Klägerin auf ein Selbstreinigungsverfahren i.S.d. Art. 77 Abs. 1 Nr. 3 HKaG verwiesen werden. Es ist nicht Aufgabe der Berufsgerichte für Heilberufe, vorab zu klären, ob eine Tathandlung einen Verstoß gegen Berufspflichten darstellt (VG München, U.v. 18.6.2013 - M 16 K 11.6109 - juris Rn. 28).

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