Bayerischer VGH, Beschluss vom 02.07.2020 - 1 CS 20.857
Fundstelle
openJur 2020, 49445
  • Rkr:
Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 32.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen erneute Zwangsgeldandrohungen.

Mit Bescheid vom 27. Juni 2019 stellte der Antragsgegner auf dem Grundstück der Antragstellerin sämtliche Bauarbeiten im Dachgeschoss innen und außen ein und drohte für den Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld in Höhe von 20.000 Euro an. Drei von vier Wandscheiben des Büroraumes (Turm) seien planabweichend ausgeführt worden. Aus der Werkplanung ergebe sich eine erheblich höhere Wand- und Firsthöhe (ca. 2,5 m bzw. 2,3 m) auf der Seeseite. Mit Schreiben vom 8. Juli 2019 stellte der Antragsgegner das angedrohte Zwangsgeld fällig, da die tragende Zeltdachkonstruktion über dem Turm errichtet worden sei, und drohte mit Bescheid vom selben Tag für den Fall der erneuten Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld in Höhe von 40.000 Euro an. Die mit Bescheid vom 27. Juni 2019 verfügte Baueinstellung wurde am 11. Juli 2019 dahingehend konkretisiert, dass die Baueinstellung nunmehr sämtliche Bauarbeiten am Turm (Büro) im Dachgeschoss innen und außen umfasse. Die Dachterrasse im Osten sei von der Baueinstellung nicht mehr betroffen, soweit sie entsprechend der genehmigten Eingabepläne errichtet werde.

Mit Schreiben vom 19. November 2019 stellte der Antragsgegner das Zwangsgeld in Höhe von 40.000 Euro fällig, da die Plane über dem Dachstuhl, die der provisorischen Sicherung gedient habe, entfernt und der Dachstuhl komplett mit einer Holzschalung aus Schalbrettern versehen worden sei. Darüber sei eine Dachbitumenbahn als Abdichtung aufgebracht worden, die mit Holzlatten befestigt worden sei. Für den Fall der erneuten Zuwiderhandlung gegen die Baueinstellung wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 50.000 Euro angedroht. Das angedrohte Zwangsgeld wurde am 13. Dezember 2019 aufgrund weiterer Baumaßnahmen (Verlegung der Heizungsleitungen der Fußbodenheizung und Einbau der Aufzugstüre am Aufzugsschacht) fällig gestellt und ein Zwangsgeld in Höhe von 80.000 Euro angedroht.

Die Antragstellerin hat gegen die bauaufsichtlichen Maßnahmen Klage erhoben. Den Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die verfügten Zwangsgeldandrohungen in Höhe von 20.000 und 40.000 Euro anzuordnen, lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 18. Dezember 2019 ab (M 11 S 19.4569). Die eingelegte Beschwerde blieb erfolglos (BayVGH, B.v. 14.4.2020 - 1 CS 20.143). Den Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die erneuten Zwangsgeldandrohungen in Höhe von 50.000 und 80.000 Euro anzuordnen, lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 17. März 2020 ab.

Mit der Beschwerde gegen diesen Beschluss verfolgt die Antragstellerin ihr Rechtsschutzziel weiter. Das Gericht habe nicht ausgeführt, welche Maßnahmen bzw. Bauarbeiten einen Verstoß gegen die Baueinstellung begründeten. Die Antragstellerin habe bei objektiver Würdigung der Baueinstellung diese so verstehen dürfen, dass ihr nur die Bauarbeiten am Bürozimmer im Dachgeschoss untersagt seien, soweit der "Turm" abweichend von den bereits erteilten Bau-/Tekturgenehmigungen ausgeführt werde. Das Verwaltungsgericht habe zur Unrecht die Arbeiten am Dachstuhl und Fußboden nicht als Sicherungsmaßnahmen angesehen. In seinen Erwägungen zur Zwangsgeldhöhe gehe das Gericht von Annahmen aus, die auf keiner entsprechenden Tatsachenfeststellung und Rechtsprüfung beruhten.

Der Antragsgegner trägt vor, dass zumindest teilweise bereits dem Darlegungserfordernis nicht entsprochen werde. Die Antragstellerin habe sich mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu den verbotswidrig durchgeführten Bauarbeiten und der Reichweite der Baueinstellungsverfügung nicht auseinandergesetzt. Mit der Verfügung vom 27. Juni 2019 seien sämtliche Bauarbeiten eingestellt worden. Für den Charakter von Sicherungsmaßnahmen komme es nicht darauf an, wie hochwertig die Bebauung sei. In Bezug auf die Höhe der festgesetzten Zwangsgelder fehle jegliche inhaltliche Auseinandersetzung mit der ausführlichen Begründung des Erstgerichts.

Ergänzend wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die dargelegten Gründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) rechtfertigen keine Abänderung oder Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.

Das Verwaltungsgericht hat für die Maßnahmen bzw. Bauarbeiten, die entgegen der Baueinstellung durchgeführt wurden, auf die in den Bescheiden beschriebenen Maßnahmen Bezug genommen (UA Rn. 27) und diese auch bei der Prüfung, ob es sich um Sicherungsmaßnahmen handeln kann, im Einzelnen aufgeführt (UA Rn. 30 ff.). Es musste dabei nicht prüfen, ob es sich um Baumaßnahmen handelt, die nach den erteilten Baugenehmigungen zulässig sind. Der Antragsgegner hat seine Baueinstellung vom 27. Juni 2019 mit Schreiben vom 11. Juli 2019 "konkretisiert". Damit wurden Bauarbeiten an der Dachterrasse im Osten freigegeben, soweit sie entsprechend der genehmigten Eingabepläne ausgeführt werden. Es wurde aber plakativ (fettgedruckt) herausgestellt, dass sämtliche Bauarbeiten am Turm (Büro) im Dachgeschoss innen und außen eingestellt bleiben. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Verfügung ("sämtliche") und der Differenzierung hinsichtlich der Dachterrasse ist eine Auslegung dahingehend, dass damit die Bauarbeiten am Bürozimmer im Dachgeschoss ("Turm") nur insoweit untersagt gewesen seien, als der "Turm" abweichend von den bereits erteilten Bau-/Tekturgenehmigungen ausgeführt werde, ausgeschlossen. Die Reichweite der Baueinstellungsverfügung ist auch nicht unklar, wie die Antragstellerin meint. So trägt die Antragstellerin selbst in ihrer Klagebegründung vom 15. März 2020 im Verfahren M 11 K 19.3688 vor, dass auch die mit Schreiben vom 11. Juli 2019 eingeschränkte Baueinstellungsverfügung unverhältnismäßig sei, da der Antragsgegner damit alle Arbeiten am "Turm" verboten habe und nicht Arbeiten, die durch die Tekturgenehmigung gedeckt seien, ausgenommen habe. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht auch festgestellt, dass die durchgeführten Baumaßnahmen auf einer nicht genehmigten Planung beruhen.

Ohne Verstoß gegen eine Baueinstellung sind nur unbedingt notwendige, die vorhandene Baumasse sichernde und erhaltende provisorische Maßnahmen zulässig. Es kommt nicht darauf an, ob die Entfernung der eingebrachten Materialien ohne weiteres möglich wäre (vgl. BayVGH, B.v. 17.7.2000 - 2 ZE 00.958 - juris Rn. 1). Diesen Maßstab hat das Verwaltungsgericht beachtet und die durchgeführten Arbeiten zu Recht als Sicherungsmaßnahmen abgelehnt, da es sich um keine provisorischen Maßnahmen handelt, sondern um Bauarbeiten zur Herstellung des von der Antragstellerin angestrebten Bauwerks. Der Einwand, dass es sich hier um eine sehr hochwertige Villenbebauung handle und deshalb entsprechend umfangreichere Sicherungsmaßnahmen benötigt würden, geht an dem entscheidungserheblichen Punkt vorbei, dass Sicherungsmaßnahmen nicht Maßnahmen sein können, die das Bauvorhaben fortführen.

Soweit die Antragstellerin mit ihren Anmerkungen zur Zwangsgeldhöhe beanstanden will, dass in die Ermessensentscheidung des Antragsgegners zu Unrecht eingestellt worden sei, dass ein nicht genehmigtes dreigeschossiges Bauwerk errichtet werden solle, fehlen bereits Ausführungen zu einer fehlerhaften Beurteilung des Verwaltungsgerichts. Es genügt nicht zu rügen, dass keine entsprechenden Tatsachenfeststellungen und keine Rechtsprüfung stattgefunden hätten. Eine nach Auffassung der Antragstellerin vorliegende Unvollständigkeit der Rechtsausführungen macht den Beschluss des Verwaltungsgerichts nicht unrichtig. Gemäß Art. 31 Abs. 2 Satz 4 VwZVG ist das wirtschaftliche Interesse des Pflichtigen nach pflichtgemäßem Ermessen zu schätzen. Bei der Bemessung des Zwangsgeldes muss nicht der Nachweis des wirtschaftlichen Vorteils geführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 29.4.2008 - 15 CS 08.455 - juris Rn. 19).

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5, 1.7.1 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Betrag.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).