Bayerischer VGH, Beschluss vom 20.07.2020 - 20 NE 20.1606
Fundstelle
openJur 2020, 49424
  • Rkr:
Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Der Wert des Verfahrensgegenstands wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1. Mit ihrem Eilantrag nach § 47 Abs. 6 VwGO begehrt die Antragstellerin u.a., den Vollzug von § 11 Abs. 5 der Sechsten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 19. Juni 2020 (6. BayIfSMV - BayMBl. 2020 Nr. 348) einstweilen auszusetzen, soweit dieser dem Betrieb eines Clubs entgegensteht.

2. Der Antragsgegner hat am 19. Juni 2020 durch das Staatsministerium für Gesundheit und Pflege die streitgegenständliche Verordnung erlassen, die nach den Änderungsverordnungen vom 24. Juni 2020 (BayMBl. 2020 Nr. 362), 30. Juni 2020 (BayMBl. 2020 Nr. 374), 7. Juli 2020 (BayMBl. 2020 Nr. 387) und 14. Juli 2020 (BayMBl. 2020 Nr. 403) auszugsweise folgenden Wortlaut hat:

"§ 11 Freizeiteinrichtungen (...)

(5) Bordellbetriebe, Clubs, Diskotheken, sonstige Vergnügungsstätten und vergleichbare Freizeiteinrichtungen sind geschlossen.

§ 21 Ordnungswidrigkeiten

Ordnungswidrig im Sinne des § 73 Abs. 1a Nr. 24 IfSG handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig (...)

8. entgegen § 11 Einrichtungen betreibt oder touristische Führungen unter Verstoß gegen die dortigen Vorgaben durchführt,

(...)"

Gem. § 24 der 6. BayIfSMV (i.d.F.d. Änderungsverordnung v. 14.7.2020) tritt die Verordnung mit Ablauf des 2. August 2020 außer Kraft.

3. Die Antragstellerin, die in München einen Club betreibt, wendet sich mit ihrem Normenkontrollantrag und ihrem Eilantrag nach § 47 Abs. 6 VwGO jeweils gegen die gesamte 6. BayIfSMV, insbesondere gegen § 11 Abs. 5 der 6. BayIfSMV. Hilfsweise begehrt sie, ihr nach § 47 Abs. 6 VwGO zu gestatten, die Innenräumlichkeiten ihres Clubs "unter Beachtung der Bestimmungen zum Schutz vor einer Infektion mit dem Coronavirus" für den Publikumsverkehr zu öffnen. Zur Begründung trägt sie vor, sie habe für die Durchführung verschiedener Veranstaltungen im Club Ausnahmegenehmigungen beantragt und hierfür ein umfassendes Schutz- und Hygienekonzept vorgelegt. Gleichwohl seien ihr Ausnahmegenehmigungen von der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde versagt worden. § 11 Abs. 5 der 6. BayIfSMV verletze ihr Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (Art. 14 Abs. 1 GG) und den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Der Antragsgegner rechtfertige die Regelung ausschließlich mit dem Argument, dass in Clubs getanzt werde und sich durch den Körperkontakt die Infektionsgefahr, insbesondere durch alkoholisierte, damit der Sozialkontrolle nur beschränkt zugängliche Gäste potenziert sei. Diese stark holzschnittartige Argumentation gehe fehl und berücksichtige nicht die besonderen Verhältnisse im Einzelfall, insbesondere die Tatsache, dass sich dieser Gefahr durch entsprechende restriktive Maßnahmen des Betreibers im Rahmen seines Schutz- und Hygienekonzepts wirksam begegnen lasse. Die generelle und ausnahmslose Schließung von Musikclubs sei nicht geeignet, soziale Kontakte zur Vermeidung einer weiteren Verbreitung einer Infektionskrankheit zu reduzieren, weil nicht ersichtlich sei, warum von einem Club größere Infektionsgefahren ausgehen sollten als von Speisewirtschaften, Läden, Museen oder (zulässigen) Privatveranstaltungen. Die angegriffene Regelung sei auch nicht erforderlich, seit geraumer Zeit liege die Neuinfektionsrate in der Landeshauptstadt München bei nahe Null. Die Komplettschließung der Betriebe eines einzigen Wirtschaftsbereichs, der weder für besonders hohe Kundenzahlen noch für eine im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen erhöhte Gefahr des Körperkontakts bekannt sei, sei gerade bei Berücksichtigung der begünstigenden Regelung für andere Betriebe weder erforderlich noch angemessen. Mehrere Bestimmungen der 6. BayIfSMV sähen mildere Mittel als die Schließung vor, so zum Beispiel die Regelungen über Gottesdienste (§ 6 der 6. BayIfSMV), öffentliche Verkehrsmittel (§ 8 der 6. BayIfSMV), Handel und Dienstleistungsbetriebe (§ 12 der 6. BayIfSMV), Bibliotheken (§ 20 der 6. BayIfSMV) und Kulturstätten (§ 21 der 6. BayIfSMV), insbesondere aber die Regelungen über Speisewirtschaften (§ 13 Abs. 5 der 6. BayIfSMV) und private Feiern (§ 5 Abs. 2 der 6. BayIfSMV). Es sei nicht ersichtlich, warum Clubs nicht unter Beachtung vergleichbarer Schutzvorkehrungen betrieben werden könnten. Diese Ungleichbehandlung verstoße auch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, sie sei schon sachlich nicht gerechtfertigt, jedenfalls aber unverhältnismäßig. Bei einer Folgenabwägung überwiege das Interesse der Antragstellerin. Ihr drohten existentielle, nicht reversible finanzielle Schäden, wenn sie ihren Club weiter komplett geschlossen halten müsse.

4. Der Antragsgegner tritt dem Antrag entgegen. Die Grundrechtsbeschränkungen anlässlich der Corona-Pandemie dienten weiterhin primär dem Zweck, persönliche Kontakte einer Vielzahl von Menschen und damit mögliche Infektionsketten zu minimieren. Der Verordnungsgeber verfolge mit der angegriffenen Maßnahme den legitimen Zweck des Schutzes der Gesundheit der Bevölkerung und des Gesundheitssystems vor einer Überforderung. Von der dem Verordnungsgeber zustehenden Einschätzungsprärogative im Hinblick auf das gewählte Mittel sei mit der Regelung des § 11 Abs. 5 der 6. BayIfSMV in nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht worden. Das Verbot des Clubbetriebs beruhe auf der Annahme, dass die Räumlichkeiten von Clubs in der Regel enger seien als von Speiselokalen. Auch weise der typische Clubbetrieb infektionsschutzrelevante Unterschiede zum Betrieb einer Speisewirtschaft auf. Speisewirtschaften würden in aller Regel von Gästen oder Gästegruppen aufgesucht, die auf fest zugewiesenen Plätzen Speisen verzehrten und unter sich blieben. In Clubs finde ein längeres Zusammensein auf engem Raum statt, bei dem das Tanzen zu Musik im Vordergrund stehe. Durch das Tanzen könne es zu Körperkontakten kommen. Durch die körperliche Aktivität beim Tanzen würden vermehrt Aerosole und Tröpfchen freigesetzt, so dass das Risiko einer etwaigen Infektionsübertragung steige. Die übliche laute Musik führe dazu, dass zur Kommunikation lautes Sprechen erforderlich sei. Auch dies führe zu erhöhter Aerosol- und Tröpfchenausscheidung. Zudem sei die Einhaltung der Mindestabstände für eine sprachliche Kommunikation bei lauter Musik nicht gewährleistet. Auch werde in Clubs Alkohol konsumiert. Grundsätzlich gelte, dass mit zunehmender Alkoholisierung und auch aufgrund einer ausgelassenen fröhlichen Stimmung die Risiken stiegen, dass sich Personen nicht mehr an Corona-Hygienestandards hielten. Mildere Mittel stünden nicht zur Verfügung. Ein absolutes Alkoholverbot in einem Club würde insoweit dem Geschäftsmodell, bei dem der Genuss alkoholischer Getränke eine wichtige Rolle spiele, zuwiderlaufen. Gleiches gelte für das Tanzen. Eine unzulässige Ungleichbehandlung liege deshalb nicht vor. Auch verstoße die Regelung nicht gegen Art. 14 Abs. 1 GG. Trotz der vorgetragenen Umsatzeinbußen sei der Eingriff verhältnismäßig. Eine Folgenabwägung führe dazu, dass die von der Antragstellerin geltend gemachten Gründe für eine Außervollzugsetzung die Gründe für einen weiteren Vollzug nicht überwögen. Bei einer Aussetzung des Vollzugs wäre mit einem Infektionsanstieg zu rechnen. Die bedrohten Rechtsgüter von Leben und Gesundheit wögen schwerer als die Interessen der Antragstellerin. Finanzielle Folgen für die Antragstellerin könnten durch Inanspruchnahme staatlicher finanzieller Hilfen jedenfalls abgemildert werden. Die von der Antragstellerin beschriebenen kulturellen Veranstaltungen in den Räumlichkeiten des Clubs seien unter Einhaltung der Vorgaben des § 21 der 6. BayIfSMV grundsätzlich zulässig.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

A.

Der Hauptantrag hat keinen Erfolg. Er ist teilweise unzulässig und, soweit er zulässig ist, unbegründet.

1. Soweit sich die Antragstellerin mit ihrem auf einstweilige Außervollzugssetzung der gesamten 6. BayIfSMV gerichteten Hauptantrag (auch) gegen § 11 Abs. 5 der 6. BayIfSMV wendet, ist der Antrag zulässig. Insofern kommt ihr die erforderliche Antragsbefugnis zu. Die mit § 11 Abs. 5 der 6. BayIfSMV angeordnete Betriebsschließung führt zu Grundrechtseingriffen von erheblicher Intensität, wobei in erster Linie das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und gegebenenfalls auch das von der Eigentumsgarantie erfasste Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (Art. 14 Abs. 1 GG) betroffen sind. Art. 14 Abs. 1 GG schützt zwar nur den konkreten Bestand an Rechten und Gütern und keine bloßen Umsatz- und Gewinnchancen und geht auch nicht über die Gewährleistung des Art. 12 Abs. 1 GG hinaus (vgl. BVerfG, U.v. 6.12.2016 - 1 BvR 2821/11 u.a. - BVerfGE 143, 246 - juris Rn. 240 m.w.N.). Der Antragstellerin entstehen durch die Betriebsschließung aber erhebliche wirtschaftliche Einbußen; überdies ist nicht auszuschließen, wenn auch von der Antragstellerin nicht substantiiert dargelegt, dass ihr Betrieb bei einer (längeren) Schließung in seiner Existenz gefährdet wäre (vgl. OVG NW, B.v. 29.4.2020 - 13 B 512/20.NE - juris Rn. 83).

Der weitergehende (Haupt-)Eilantrag auf einstweilige Aussetzung der gesamten 6. BayIfSMV ist dagegen mangels Antragsbefugnis (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO) unzulässig. Nicht dargelegt oder sonst erkennbar ist, inwiefern sich diese - für andere Lebens- und Wirtschaftsbereiche geltende - Regelungen negativ auf die Rechtsstellung der Antragstellerin als Betreiberin eines Clubs auswirken können (vgl. BVerwG, B.v. 17.7.2019 - 3 BN 2.18 - NVwZ-RR 2019, 1027 - juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 19.6.2020 - 20 NE 20.1127 - juris Rn. 46).

2. Soweit der (Haupt-)Eilantrag zulässig ist, erweist er sich als unbegründet. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 47 Abs. 6 VwGO, wonach das Normenkontrollgericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen kann, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist, liegen nicht vor.

a) Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache anhängigen Normenkontrollantrags, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen (BVerwG, B.v. 25.2.2015 ‒ 4 VR 5.14 u.a. ‒ ZfBR 2015, 381 - juris Rn. 12; zustimmend OVG NW, B.v. 25.4.2019 - 4 B 480/19.NE - NVwZ-RR 2019, 993 - juris Rn. 9). Dabei erlangen die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags eine umso größere Bedeutung für die Entscheidung im Eilverfahren, je kürzer die Geltungsdauer der in der Hauptsache angegriffenen Normen befristet und je geringer damit die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Entscheidung über den Normenkontrollantrag noch vor dem Außerkrafttreten der Normen ergehen kann. Das muss insbesondere dann gelten, wenn - wie hier - die in der Hauptsache angegriffenen Normen in quantitativer und qualitativer Hinsicht erhebliche Grundrechtseingriffe enthalten oder begründen, sodass sich das Normenkontrollverfahren (ausnahmsweise) als zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG geboten erweisen dürfte.

Ergibt demnach die Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist (BVerwG, B.v. 25.2.2015 ‒ 4 VR 5.14 u.a. ‒ juris Rn. 12).

Lassen sich die Erfolgsaussichten nicht absehen, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber später Erfolg hätte, und die Folgen, die entstünden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber später erfolglos bliebe. Die für eine einstweilige Außervollzugsetzung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, also so schwer wiegen, dass sie - trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache - dringend geboten ist (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 - 4 VR 5.14 u.a. - juris Rn. 12).

b) Nach diesen Maßstäben kommt eine Außervollzugsetzung der in der Hauptsache angegriffenen Regelung des § 11 Abs. 5 der 6. BayIfSMV hier nicht in Betracht. Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind derzeit als offen anzusehen (aa), sodass im Wege der Folgenabwägung über den Antrag zu entscheiden ist. Diese führt zu dem Ergebnis, dass die Außervollzugsetzung nicht dringend geboten ist (bb).

aa) Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind derzeit als offen anzusehen.

(1) Bei summarischer Prüfung der Erfolgsaussichten sieht sich der Senat mit einer Vielzahl komplexer fachlicher und rechtlicher Fragen konfrontiert, die einer abschließenden Klärung in einem Eilverfahren nicht zugänglich sind. Es handelt sich bei der Corona-Pandemie um ein seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland erstmalig auftretendes Ereignis, das derzeit mit bestehenden rechtlichen Rahmenbedingungen gehandhabt wird, die auf eine Pandemie dieser Größenordnung nicht zugeschnitten sind. Es wird deshalb in einem Hauptsacheverfahren zu klären sein, ob die aufgrund der 6. BayIfSMV getroffene Betriebsschließung letztlich mit den Anforderungen des Parlamentsvorbehalts vereinbar ist, da erhebliche Grundrechtseingriffe über einen längeren Zeitraum allein aufgrund §§ 28, 32 IfSG durch die Exekutive erfolgen (vgl. BayVGH, B.v. 29.5.2020 - 20 NE 20.1165 - juris Rn. 15 f.; B.v. 14.4.2020 - 20 NE 20.763 - juris Rn. 15; vgl. auch VGH BW, B.v. 9.4.2020 - 1 S 925/20 - juris Rn. 37 ff.).

Weiterhin bleibt der Klärung in einem Hauptsacheverfahren vorbehalten, ob - und wenn ja, in welchem Umfang - dem Verordnungsgeber ein Beurteilungsspielraum bei der Entscheidung zusteht, in welchen Schritten und nach welchen Kriterien er die aus Gründen der Unterbrechung von Infektionsketten geschlossenen Wirtschaftsbereiche wieder öffnet und inwieweit ein solcher gegebenenfalls gerichtlich überprüfbar ist. Ungeklärt ist bislang insbesondere, ob der Begriff der "notwendigen Schutzmaßnahmen" i.S.d. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG ein Ermessen des Verordnungsgebers eröffnen könnte (vgl. BVerwG, U.v. 22.3.2012 - 3 C 16.11 - BVerwGE 142, 205 - juris Rn. 20), das auch andere als rein infektionsschutzrechtliche Kriterien bei der Lockerung der Maßnahmen umfasst und seine Grenze in der Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen findet (vgl. BT-Drs. 8/2468 S. 27 zur Vorgängerregelung in § 34 BSeuchG).

(2) Die angeführten Fragen sind für die Entscheidung in der Hauptsache auch streitentscheidend, weil die Schließung von Clubs nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 - 4 VR 5.14 - ZfBR 2015, 381 - juris Rn. 14) nicht schon aus anderen Gründen als rechtswidrig anzusehen ist.

(a) Ungeachtet der im Hauptsachverfahren zur beantwortenden Frage nach der Zulässigkeit von Betriebsschließungen durfte der Verordnungsgeber davon ausgehen, dass Schutzmaßnahmen als solche aufgrund der Pandemielage erforderlich sind. Das Robert-Koch-Institut (im Folgenden: RKI), dem der Gesetzgeber im Bereich des Infektionsschutzes mit § 4 IfSG besonderes Gewicht eingeräumt hat (vgl. BVerfG, B.v. 10.4.2020 - 1 BvQ 28/20 - juris Rn. 13; BayVerfGH, E.v. 26.3.2020 - Vf. 6-VII-20 - juris Rn. 16), schätzt in der überarbeiteten Risikobewertung vom 2. Juli 2020 (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html) die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland weiterhin insgesamt als hoch, für Risikogruppen als sehr hoch ein (auf einer Skala von "gering", "mäßig", "hoch" bis "sehr hoch"). Die Antragstellerin setzt ihre Beurteilung der Gefährdungslage lediglich an die Stelle der Beurteilung des RKI, ohne aufzuzeigen, dass die Einschätzung des RKI fehlerhaft wäre. Angesichts der vom Bayer. Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit für den 18. Juli 2020 ausgewiesenen 7-Tages-Inzidenz von 5,71 im Bereich der Landeshauptstadt München (https://www.lgl.bayern.de/gesundheit/infektionsschutz/infektionskrankheiten_a_z/coronavirus/karte_coronavirus/), was bei Zugrundelegung einer Einwohnerzahl von über 1,5 Millionen einer Neuinfektionszahl innerhalb der letzten sieben Tagen von 85 entspricht, kann nicht die Rede davon sein, dass das aktuelle Infektionsgeschehen in München - wie die Antragstellerin meint - "nahe Null" liege. Unabhängig davon dürften die Clubs größerer Städte auch ein überregionales Publikum anziehen, sodass nicht nur auf das örtliche Infektionsgeschehen abgestellt werden kann.

(b) Auch eine sachlich nicht gerechtfertigte oder gar willkürliche Ungleichhandlung von Clubs gegenüber Zusammenkünften von Menschen in anderen Gesellschafts- und Wirtschaftsbereichen ist nicht ersichtlich.

Art. 3 Abs. 1 GG verwehrt dem Normgeber nicht jede Differenzierung; solche bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen ergeben sich unterschiedliche Grenzen für den Normgeber, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können. Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben (BVerfG, B.v. 18.7.2019 - 1 BvL 1/18 u.a. - NJW 2019, 3054 - juris Rn. 94; B.v. 7.2.2012 - 1 BvL 14/07 - BVerfGE 130, 240 - juris Rn. 40 ff.).

Ausgehend davon durfte sich der Normgeber vorliegend von der Erwägung leiten lassen, dass vom Betrieb eines Clubs typischerweise einhergehenden Infektionsgefahren betreffend SARS-CoV-2 höher sind als in anderen Lebensbereichen. Die Antragstellerin hat nicht aufgezeigt, dass und inwieweit die von ihr angeführten Lebensbereiche mit dem Betrieb von Clubs vergleichbar sind. Abgesehen davon hat der Antragsgegner nachvollziehbar dargelegt, dass das Tanzen mit daraus resultierenden Körperkontakten und erhöhter Ausscheidung von Tröpfchen und Aerosolen, die aufgrund der Musik laute Kommunikation, der (mögliche) Alkoholkonsum und die relativ lange Aufenthaltsdauer in Clubs zu erhöhten Infektionsgefahren führen. Gleichzeitig durfte der Verordnungsgeber davon ausgehen, dass weniger belastende Schutzmaßnahmen wie Abstandsgebote oder Maskenpflichten unter diesen, einen Clubbetrieb typischerweise prägenden Umständen kaum durchsetzbar und damit nicht gleichermaßen geeignet wären (vgl. zu diesen Erwägungen im Hinblick auf Bars BayVGH, B.v. 14.7.2020 - 20 NE 20.1572 - Rn. 31, 33; B.v, 14.7.2020 - 20 NE 20.1574 - Rn. 31, 33; zu Clubs und Diskotheken OVG NW, B.v. 8.7.2020 - 13 B 870/20.NE - juris Rn. 53 f. u. Rn. 59). Die Effektivität von Abstandsvorschriften und einem Maskengebot hängen maßgeblich vom Verhalten der Beteiligten ab. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass sich ein gewisser Anteil von Personen bereits in alltäglichen Situationen, sei es absichtlich oder unabsichtlich, nicht an solche Schutzmaßnahmen hält (BayVGH, B.v. 16.7.2020 - 20 NE 20.1500 Rn. 22). Angesichts dessen durfte der Verordnungsgeber davon ausgehen, dass dies bei Clubbesuchern unter den dargestellten spezifischen Bedingungen eines Clubbetriebs auch der Fall wäre.

Dass die Antragstellerin ein Schutz- und Hygienekonzept vorgelegt hat, das bei strikter Einhaltung vielen der potenziell infektionserhöhenden Faktoren begegnet, ändert daran nichts. Der Normgeber darf besonders bei Massenerscheinungen generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den Gleichheitsgrundsatz zu verstoßen; Unebenheiten, Friktionen und Mängel sowie gewisse Benachteiligungen in besonders gelagerten Einzelfällen, die sich im Zusammenhang mit Differenzierungen ergeben, müssen in Kauf genommen werden, solange sich für das insgesamt gefundene Regelungsergebnis ein plausibler, sachlich vertretbarer Grund anführen lässt (BayVerfGH, E.v. 3.7.2020 - Vf. 34-VII-20 - Rn. 19, abrufbar unter https://www.bayern.verfassungsgerichtshof.de/media/images/bayverfgh/34-vii-20_e._a._-_4.entscheidung.pdf, E.v. 15.5.2020 - Vf. 34-VII-20 - juris Rn. 12; E.v. 15.5.2014 - Vf. 8-VII-12 u.a. - NJW 2014, 3215 - juris Rn. 103). Deshalb ist die Annahme des Verordnungsgebers, beim Aufenthalt in einem Club komme es bei typisierender Betrachtung zu engeren, aus Gründen des Infektionsschutzes riskanteren und deshalb eher zu unterbindenden Kontakten nicht von der Hand zu weisen, auch wenn sich das Infektionsrisiko in einzelnen Clubs aufgrund besonderer Umstände effektiv verringern lassen mag.

In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass die Veranstaltungen, die die Antragstellerin in Umsetzung ihres eigenen Schutz- und Hygienekonzepts (nur Vorverkaufstickets, Einlass in einem einheitlichen Zeitfenster vor Veranstaltungsbeginn, keine Tanzfläche, ausschließlich Sitzplätze etc.) geplant hat (z.B. "Musikkonzerte in Clubs"), sich so weit vom typischen Betrieb eines Clubs entfernt haben dürften, dass sie der Verordnungsgeber bei der ihm zustehenden typisierenden Betrachtung nicht berücksichtigen musste. Gleichzeitig haben sie (worauf auch der Antragsgegner in der Antragserwiderung hingewiesen hat) typische Merkmale einer kulturellen Veranstaltung im Sinne von § 21 der 6. BayIfSMV, die unter den dort genannten Voraussetzungen zulässig sein können. Ob es sich um einen unter § 11 Abs. 5 der 6. BaylfSMV fallenden Betrieb eines Clubs oder um eine kulturelle Veranstaltung i.S.v. § 21 der 6. BayIfSMV handelt, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Der Umstand, dass - im Übrigen zulässige - kulturelle Veranstaltungen in Räumlichkeiten stattfinden, die (vor der Pandemie) einem Clubbetrieb gedient haben, führt dabei für sich genommen nicht zu ihrer Unzulässigkeit.

bb) Die Folgenabwägung ergibt, dass die Außervollzugsetzung der angegriffenen Regelung nicht dringend geboten ist.

(1) Erginge die beantragte einstweilige Anordnung nicht und hätte ein Normenkontrollantrag Erfolg, wäre die Schließung des Betriebs von Clubs zu Unrecht erfolgt. Durch den weiteren Vollzug der angegriffenen Regelung käme es zu einem schwerwiegenden und teilweise irreversiblen Eingriff insbesondere in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit mit erheblich nachteiligen wirtschaftlichen Folgen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Schließung nunmehr schon seit etwa vier Monaten andauert und der Antragstellerin nach eigenen Angaben erhebliche Einnahmeausfälle entstanden sind. Soweit die Antragstellerin einen Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG im Hinblick auf das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb geltend macht, hat sie nicht substantiiert dargelegt, inwieweit die Existenz ihres Betriebs gefährdet wäre. Art. 14 Abs. 1 GG schützt nur den konkreten Bestand an Rechten und Gütern und keine bloßen Umsatz- und Gewinnchancen und geht auch nicht über die Gewährleistung des Art. 12 Abs. 1 GG hinaus (vgl. BVerfG, U.v. 6.12.2016 - 1 BvR 2821/11 u.a. - BVerfGE 143, 246 - juris Rn. 240 m.w.N.). Gleichwohl vergrößert sich die Gefahr für die wirtschaftliche Existenz eines Betriebs im Allgemeinen mit zunehmender Dauer eines Betriebsverbots. Der Antragstellerin ist zuzugeben, dass während der Betriebsschließung verlorene Umsätze nicht nachholbar und damit irreversibel sind.

(2) Erginge die beantragte einstweilige Anordnung und bliebe ein Normenkontrollantrag erfolglos, hätte die einstweilige Außervollzugsetzung des § 11 Abs. 5 der 6. BayIfSMV in Bezug auf Clubs zur Folge, dass diese ausnahmslos ab sofort und - vor einem Tätigwerden des Verordnungsgebers - ohne infektionsrechtliche Beschränkungen öffnen könnten. Dadurch wäre mit vermehrten Infektionen mit SARS-CoV-2 zu rechnen.

(3) Bei der Beurteilung und Abwägung dieser Umstände müssen die mit den Betriebsschließungen beeinträchtigten Interessen insbesondere wirtschaftlicher Art weiterhin zurücktreten (vgl. auch BayVerfGH, E.v. 3.7.2020 - Vf. 34-VII-20 - a.a.O., Rn. 21; E.v. 8.5.2020 - Vf. 34-VII-20 - juris Rn. 121). Gegenüber den Gefahren für Leib und Leben, vor denen zu schützen der Staat nach dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 GG verpflichtet ist (vgl. BVerfG, B.v. 28.4.2020 - 1 BvR 899/20 - juris Rn. 13), sind sie derzeit noch nachrangig, auch wenn Betriebsschließungen von derart langer Dauer einer besonderen Rechtfertigung im Hinblick auf ihre Verhältnismäßigkeit bedürfen.

In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass es der Antragstellerin möglich sein dürfte, die von ihr geplanten Kulturveranstaltungen nach Maßgabe des § 21 der 6. BayIfSMV durchzuführen (s.o.) und damit Einnahmen zu erzielen. Im Übrigen ist anzunehmen, dass die wirtschaftlichen Folgen der Betriebsschließung der Innenräume durch die Inanspruchnahme staatlicher Hilfen etwas abgemildert werden können.

B.

Dem (ersten) Hilfsantrag, der (nur) auf die Außervollzugssetzung von § 11 Abs. 5 der 6. BayIfSMV gerichtet ist, kommt bei alledem keine eigenständige Bedeutung zu, da er vom Hauptantrag vollständig mitumfasst ist.

Der (zweite) Hilfsantrag, der auf die Gestattung des Clubbetriebs unter Einhaltung von Schutz- und Hygienevorkehrungen gerichtet ist, ist unzulässig. Zielt ein Normenkontrollantrag auf Ergänzung einer vorhandenen Norm, ist der Weg der Normenkontrolle nicht eröffnet. § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO beschränkt den Ausspruch auf die Erklärung der (Teil-)Unwirksamkeit, mithin die (Teil-)Kassation. Eine Ergänzung des Tenors über die Feststellung der Unwirksamkeit hinaus ist nicht möglich (vgl. BVerwG, B.v. 14.7.2011 - 4 BN 8/11 - juris Rn. 5). Es ist nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung grundsätzlich dem Normgeber vorbehalten, welche Konsequenzen er aus der gerichtlich festgestellten Fehlerhaftigkeit zieht. Entsprechendes gilt für den Eilantrag. Ein Eilantrag, der - wie der vorliegende Hilfsantrag - über die Außervollzugsetzung hinausgeht, ist unstatthaft (vgl. BayVGH, B.v. 8.6.2020 - 20 NE 20.1316 - juris Rn. 14; NdsOVG, 14.5.2020 - 13 MN 156/20 - juris Rn. 5 f.; B.v. 28.4.2020 - 13 MN 116/20 - juris Rn. 7; B.v. 27.4.2020 - 13 MN 107/20 - juris Rn. 4 f.; ThürOVG, B.v. 12.5.2020 - 3 EN 287/20 - juris Rn. 6 f.).

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Gegenstandswertes ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG. Da die von der Antragstellerin angegriffene Verordnung bereits mit Ablauf des 2. August 2020 außer Kraft tritt (§ 24 der 6. BayIfSMV i.d.F.d. Änderungsverordnung v. 14.7.2020), zielt der Eilantrag inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, weshalb eine Reduzierung des Gegenstandswertes für das Eilverfahren auf der Grundlage von Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit hier nicht angebracht ist.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).