VG München, Beschluss vom 03.07.2020 - M 26 E 20.2789
Fundstelle
openJur 2020, 49377
  • Rkr:
Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Der Streitwert wird auf Euro 5.000,-- festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt die Wiederöffnung seiner Kampfsportschule im Wege einer einstweiligen Anordnung nach deren Schließung im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie.

Der Antragsteller betreibt unter der Firma A. eine Kampfsportschule in A., in der Kampfsportkurse in den Sportarten Mixed Martial Arts, Brazilian Jiu-Jitsu, Nogi und Thaiboxen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene angeboten werden. Die Kurse finden in zwei Studios in der A.-straße ... und der B.-straße ... statt, in denen auch allgemeine Fitnesskurse angeboten werden. Wesentliches Element der Kampfsportkurse ist, dass die Übungen zu zweit mit direktem Körperkontakt ausgeführt werden. Seit dem 8. Juni 2020 werden in dem Studio B.-straße ... wieder Kurse angeboten, wobei auch im Kampfsport nur solche Aktivitäten ausgeübt werden, die einzeln durchgeführt werden können.

Die derzeit geltende Sechste Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (6. BayIfSMV) lässt als Ausnahme vom grundsätzlichen Verbot des Betriebs von Fitnessstudios und sonstigen Sportstätten (vgl. § 9 Abs. 1 6. BayIfSMV) in § 9 Abs. 6 die Ausübung von Sport in geschlossenen Räumen unter näher definierten besonderen Anforderungen zu. Hierzu gehört gemäß § 9 Abs. 5 i.V.m. § 9 Abs. 2 Nr. 1 BayIfSMV, dass die Sportausübung kontaktfrei erfolgt. Ausschließlich für den Tanzsport wird in § 9 Abs. 7 6. BayIfSMV bei zwei festen Tanzpartnern auf das Erfordernis der kontaktfreien Durchführung verzichtet, sofern dieses zwischen den Tanzpaaren eingehalten wird.

Auf eine entsprechende Anfrage hin teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass die von ihm angebotenen Kampfsportarten weiterhin kontaktfrei durchzuführen seien und die Regelungen für den Tanzsport nicht auf andere Sportarten übertragen werden könnten.

Am 25. Juni 2020 ließ der Antragsteller beim Verwaltungsgericht München beantragen,

Es wird im Wege der einstweiligen Anordnung

vorläufig festgestellt, dass § 9 Abs. 2 Nr. 1 der 6. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (6. BayIfSMV) der paarweisen Ausübung des Kampfsportes im Betrieb des Antragstellers nicht entgegensteht, sofern die Ausübung zwischen zwei festen Kampfpartnern erfolgt und die Anforderungen des § 9 Abs. 2 Nr. 1 zwischen den Paaren und die Anforderungen des § 9 Abs. 6 der 6. BayIfSMV und der Gemeinsamen Bekanntmachung der Bayerischen Staatsministerien des Innern, für Sport und Integration und für Gesundheit und Pflege vom 29. Mai 2020, Az. G51 b-G8000-2020/122-346 (Rahmenhygienekonzept Sport), im Übrigen eingehalten werden.

Zur Begründung wird ausgeführt, der Antrag nach § 123 VwGO sei statthaft, auch wenn sich die Begründetheit des Antrags maßgeblich auf die Rechtswidrigkeit des § 9 Abs. 2 Nr. 1 der 6. BayIfSMV gegenüber dem Antragsteller stütze. Die jüngste Rechtsprechung des BayVGH (B.v. 18.6.2020 - 20 CE 20.1388), nach der in solchen Fällen ausschließlich ein Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO zulässig sei, widerspreche der Rechtsprechung des BVerfG, des BVerwG, anderer Senate des BayVGH und weiten Teilen der Literatur (BVerfG, B.v. 17.1.2006, 1 BvR 541/02, juris; BVerwG, U.v. 28.6.2000, 11 C 13/99, juris; BayVGH, U.v. 25.11.2019, 3 BV 17.1857, juris; Pietzcker, in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 43, Rn. 25; Möstl, in Posser/Wolf, BeckOK VwGO, § 43 Rn. 11). Der Antrag nach § 123 VwGO sei vorliegend auch deshalb der richtige Antrag, weil das Kontaktverbot nicht grundsätzlich rechtswidrig sei, sondern sich die Rechtswidrigkeit gerade aus der Anwendung auf den speziellen Fall der Kampfschule des Antragstellers ergebe.

Das Kontaktverbot im Rahmen der Ausübung von Kampfsportarten sei rechtswidrig und verletze den Antragsteller in eigenen Rechten. Das Verbot stelle eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung des Antragstellers dar, da das Kontaktverbot für die Ausübung des Tanzsports gemäß § 9 Abs. 7 der 6. BayIfSMV nicht gelte. Partnerübungen seien für die angebotenen Kampfsportarten wesentlich. Zudem könne der Trainer derzeit nur eingeschränkt auf die unsaubere Ausführung einer Übung reagieren und keine Korrekturen vornehmen, wodurch Qualität und Nachfrage der angebotenen Leistung weiter geschmälert würden. Je länger die Ausübung der Sportarten mit Partner nicht zulässig sei und damit der Antragsteller seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht nachkommen könne, umso mehr sei damit zu rechnen, dass er einen Großteil der monatlichen Beiträge zurückzahlen müsse.

Für die derzeit noch nicht zulässige Ausübung von Kampfsport mit einem festen Partner habe der Antragsteller bereits ein Hygienekonzept entwickelt. Danach dürften die Trainingseinheiten nur mit einem festen Partner absolviert werden, der nicht gewechselt werden dürfe. Den einzelnen Paaren würden auf dem Boden abgeklebte Flächen von 3 x 3 m zugewiesen. Zwischen den einzelnen Flächen werde ein Abstand von mindestens 1,5 m eingehalten. Es könnten maximal sieben Paare an einem Kurs teilnehmen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Entscheidung ergeht im Einverständnis der Beteiligten durch die Vorsitzende und Berichterstatterin (§ 87a Abs. 2 und Abs. 3 VwGO).

Der Antrag hat keinen Erfolg. Er ist unzulässig.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Regelungsanordnung).

Der Antragsteller begehrt gegenüber der Antragsgegnerin die Feststellung der mangelnden Verbindlichkeit der in § 9 Abs. 6 i.V.m. Abs. 5 und Abs. 2 Nr. 1 6. BayIfSMV getroffenen Regelung für seinen Betrieb. Die begehrte Feststellung, dass diese Regelung der paarweisen Ausübung des Kampfsports im Betrieb des Antragstellers nicht entgegensteht, ist wegen des Vorrangs des Normenkontrollverfahrens einer einstweiligen Anordnung durch das Verwaltungsgericht aber nicht zugänglich, so dass der Antrag unstatthaft ist.

Gemäß § 9 Abs. 6 i.V.m. Abs. 5 und Abs. 2 Nr. 1 der 6. BayIfSMV ist die Sportausübung in Sportstätten nur in kontaktfreier Durchführung erlaubt, ohne dass eine Befreiungsmöglichkeit von dieser Regelung vorgesehen ist. Eine Ausnahme von dem Gebot der kontaktfreien Durchführung sieht die Verordnung dem eindeutigen Wortlaut des § 9 Abs. 7 6. BayIfSMV zufolge ausschließlich für den Tanzsport vor. Da der Wortlaut die Grenze der Auslegung bildet und der Wille des Verordnungsgebers, ausschließlich den Tanzsport von der kontaktfreien Durchführung auszunehmen, hieraus eindeutig zutage tritt, kommt vorliegend eine anderweitige Interpretation - auch im Wege der verfassungskonformen Auslegung - nicht in Betracht (vgl. hierzu Sachs, GG, Einführung Rn.54; BVerfGE 112, 164 (183); 112, 255 (268); 118, 212 (234); 121, 30 (68); 122, 39 (61); 124, 25 (39)). Damit ist es dem Antragsteller auf Grundlage einer abstrakt-generellen Regelung der Verordnung derzeit untersagt, in seinem Betrieb Kampfsport mit Körperkontakt anzubieten, ohne dass nach dem eindeutigen Wortlaut der Verordnungsbestimmung eine abweichende behördliche Entscheidung oder Auslegung im Einzelfall möglich wäre. Eine Normverwerfungskompetenz steht der Antragsgegnerin als normanwendender Behörde nicht zu. Unter Weitergeltung der Verordnungsbestimmung in der derzeitigen Fassung ist das Rechtsschutzziel des Antragstellers mithin nicht erreichbar.

Auch wenn der Antragsteller lediglich die Nichtanwendung der in Rede stehenden Verordnungsbestimmung des Gebots der kontaktfreien Ausübung in Bezug auf den Kampfsport und nicht für sämtliche Sportarten begehrt, wendet er sich mit seinem Antrag unmittelbar gegen die Verordnungsbestimmung selbst. Für dieses Rechtsschutzbegehren steht ihm gemäß § 47 Abs. 6 VwGO i.V.m. Art. 5 Satz 1 AGVwGO in Bayern die Möglichkeit des einstweiligen Rechtsschutzes im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens gegen die Verordnung selbst offen. Zwar kann eine Normenkontrolle nicht auf eine Normergänzung zielen, wohl aber auf die Erklärung der (Teil-)Unwirksamkeit (§ 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Stellt der Verwaltungsgerichtshof die Fehlerhaftigkeit einer untergesetzlichen Norm fest, ist es nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung grundsätzlich dem Normgeber vorbehalten, welche Konsequenzen er hieraus zieht (BayVGH, B.v. 8.6.2020 - 20 NE 20.1316 - juris Rn. 14 und 16).

Neben dem beim Oberverwaltungsgericht bzw. Verwaltungsgerichtshof zu stellenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO ist ein Antrag nach § 123 VwGO zum Verwaltungsgericht nicht statthaft. Zwar kann eine nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu treffende Regelung auch auf die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines auf eine Norm zurückgehenden Rechtsverhältnisses gerichtet sein, was zu einer Inzidentprüfung der Norm Anlass geben kann (Eyermann, VwGO, § 43 Rn.9). Die Feststellungsklage nach § 43 VwGO und das Verfahren nach § 123 VwGO schließen insoweit eine durch den beschränkten Anwendungsbereich des § 47 VwGO bedingte Rechtsschutzlücke zur Sicherstellung effektiven Rechtsschutzes. Für eine atypische, einem angenommenen numerus clausus der Klagearten nicht zugehörige und auf Feststellung der Ungültigkeit der Norm gerichtete Feststellungsklage gegen den Normgeber oder den Normanwender ist darüber hinaus jedoch regelmäßig kein Raum (Eyermann, a.a.O., Rn. 9a; Schenke, JZ 2006, 1004 (1012 f.); Engels, NVwZ 2018, 1001). Soweit daher wie im vorliegenden Fall der eigentliche Zweck des Antrags die Überprüfung der Rechtmäßigkeit bzw. die (teilweise) Außervollzugsetzung einer untergesetzlichen Norm ist, ist das Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO, soweit es nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO eröffnet ist, vorrangig (vgl. BVerwG, U. v. 23.8.2007 - 7 C 13/06 - juris Rn. 20 = NVwZ 2007, 1311; BayVGH, B.v. 18.6.2020 - 20 CE 20.1388; Schleswig-Holsteinisches VG, B. v. 30.4.2020 - 1 B 70/20 - juris Rn. 3; VG Augsburg, B.v. 28.4.2020 - Au 9 E 20.720 - juris). In derartigen Fällen, in denen effektiver Rechtsschutz durch § 47 VwGO möglich ist und sich der Antrag auf die Unwirksamkeitserklärung bzw. die Aussetzung des Vollzugs einer untergesetzlichen Rechtsnorm bezieht, ist § 47 VwGO gegenüber einer Feststellungsklage nach § 43 VwGO bzw. einem Antrag nach § 123 VwGO lex specialis (Sodan/Ziekow, § 123 VwGO Rn. 40 f; Beck OK VwGO, § 123 Rn. 16; Fehling/Kastner/Stürmer, § 123 VwGO Rn. 22).

Die vom Antragsteller angeführte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (B.v. 17.1.2006 - 1 BvR 541/02) steht dem nicht entgegen. In der angeführten Entscheidung ging es um die Eröffnung der unmittelbar gegen eine untergesetzliche Norm gerichteten Feststellungsklage außerhalb des Anwendungsbereichs des § 47 VwGO, da die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG dies in einer solchen Konstellation zweifelsohne erfordert (BVerfG, a.a.O., juris Rn. 42). Vorliegend ist der Anwendungsbereich des § 47 VwGO jedoch eröffnet, so dass eine Rechtsschutzlücke nicht besteht.

Auch der Umstand, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 28.6.2000 - 11 C 13.99 - BVerwGE 111, 276-284; U.v. 28.1.2010

- 8 C 19/09 - juris Rn. 24 f.) die Erhebung einer Feststellungsklage nach § 43 VwGO nicht grundsätzlich durch die Möglichkeit einer Normenkontrollklage nach § 47 VwGO ausgeschlossen sein soll, führt jedenfalls nicht zur Statthaftigkeit auch eines einstweiligen Rechtsschutzantrags nach § 123 VwGO mit dem Ziel, im Wege

einer vorläufigen Feststellung die Wirksamkeit einer Norm teilweise zu suspendieren. Wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 18.6.2020 (a.a.O.) überzeugend ausführt, spricht für dieses Ergebnis, dass der Prüfungsmaßstab im Rahmen des § 47 Abs. 6 VwGO von demjenigen bei der Entscheidung über eine einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO abweicht und durch die Eröffnung des Verfahrens nach § 123 VwGO teilweise umgangen bzw. unterlaufen werden könnte. Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen geboten ist. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind zunächst die Erfolgsaussichten des in der Sache anhängigen Normenkontrollantrags, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen (BVerwG, B.v. 25.2.2015 - 4 VR 5.14 - ZfBR 2015, 381 Rn. 12 und v. 16.9.2015 - 4 VR 2.15 - BRS 83 Nr. 58 = juris Rn. 4). Ergibt diese Prüfung, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht i.S.v. § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug der Rechtsnorm bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug der Norm bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden: Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Antrag nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung - trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache - dringend geboten ist (BVerwG, B.v. 30.4.2019 - 4 VR 3/19 - juris). Ein solches deutliches Überwiegen ist im Rahmen der Folgenabwägung bei offenen Erfolgsaussichten bei einer Entscheidung nach § 123 VwGO nicht erforderlich.

Ließe man ein Nebeneinander von Anträgen nach § 123 VwGO und § 47 Abs. 6 VwGO zu, könnte dies - trotz der Funktion des VGH als Beschwerdegericht - zu in der Sache divergierenden Entscheidungen hinsichtlich der Anwendbarkeit einer "self-executing" untergesetzlichen Norm führen. Auch die Wirkung des Verfahrens nach § 47 Abs. 6 VwGO könnte durch inhaltlich abweichende Anordnungen nach § 123 VwGO teilweise unterlaufen werden. Das erkennende Gericht schließt sich daher der Auffassung des BayVGH an, dass es jedenfalls in der vorliegenden Konstellation angesichts des landesweiten Geltungsbereichs der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnungen, ihrer jeweils kurzen Geltungsdauer und der Vielzahl von Gerichtsverfahren geboten erscheint, Verfahren, die zum Ziel haben, dass eine untergesetzliche Norm ganz oder teilweise nicht angewendet werden soll, ausschließlich nach § 47 Abs. 6 VwGO einer gerichtlichen Überprüfung zuzuführen.

Da der Antragsteller dem Gericht gegenüber ausdrücklich erklärt hat, im vorliegenden Verfahren keinen Normenkontrollantrag stellen zu wollen und den Antrag nicht entsprechend umgestellt hat, kam eine Verweisung an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof nicht in Betracht.

Der Antrag war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Da der Antrag auf die Vorwegnahme der Hauptsache zielt, war eine Anhebung auf den Hauptsachestreitwert angezeigt.