ArbG Köln, Urteil vom 01.05.2006 - 8 Ca 6967/05
Fundstelle
openJur 2020, 48812
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • nachfolgend: Az. 14 Sa 942/06
Tenor

1. Es wird festgestellt, dass das beklagte ...verpflichtet ist, dem Kläger seit dem 1. Mai 2005 die Differenz seines nach Vergütungsgruppe BAT lll gezahlten Gehalts zur Vergütungsgruppe BAT II a auszuzahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 4/5, das beklagte Land zu 1/5.

4. Streitwert: 5.708,-€.

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Bestand bzw. die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses sowie über die zutreffende Eingruppierung des Klägers.

Das beschäftigte den geborenen Kläger ab dem 5. November 2001 aufgrund zweier sich aneinander anschließender befristeter Arbeitsverträge als Lektor {Lehrkraft für besondere Aufgaben) beim . bei Einsatz zur Vermittlung der chinesischen Sprache. Der zuletzt geschlossene Vertrag vom 20. Oktober 2003 für eine Teilzeittätigkeit mit der Hälfte der Arbeitszeit eines vollbeschäftigten BAT-Angestellten war für die Laufzeit 5. November 2003 bis 30. September 2006 geschlossen, vertraglich einbezogen waren gemäß § 2 bestimmte BAT-Regelungen und ministerielle Erlasse, ferner war auf die §§ 56, 57a und 57 HRG Bezug genommen. Nach § 3 des Vertrages erfolgte die Eingruppierung gemäß Ziff. 6 des Erlasses des Ministeriums für Wissenschaft und Forschung vom 15.04.1985 in Vergütungsgruppe lla BAT. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die in Ablichtung zur Klage angelegte Vertragsausfertigung verwiesen.

Das beklagte Land zahlte dem Kläger als Vergütung zuletzt monatlich 1.536,00 €, entsprechend der hälftigen Vergütung gemäß Vergütungsgruppe III BAT. Erstmals mit Schreiben vom 31. Oktober 2005 und erneut unter dem 11. November 2005 forderte der Kläger das beklagte Land zur Nachgewährung der Differenz zur Vergütung nach Vergütungsgruppe II a BAT auf.

Der Kläger hat am 21. Juli 2005 die vorliegende Befristungsschutz- und Bestandsfeststellungsklage anhängig gemacht, die er am 1. Dezember 2005 um einen Weiterbeschäftigungsantrag erweitert hat, welcher sich aufgrund der von den Parteien für die Dauer des laufenden Rechtsstreits geschlossene Verlängerungsvereinbarung vom 6. September 2005 und entsprechende tatsächliche Weiterbeschäftigung erledigt hat, ferner um einen auf Vergütung nach BAT lia gerichteten Antrag.

Der Kläger meint - kurz zusammengefasst, eine auf das Hochschulrahmengesetz gestützte Befristung für die Beschäftigung von Lektoren sei nicht mehr zulässig. Im übrigen gäbe es für deren Vereinbarung keinen sachlichen Grund. Weiter meint er, das beklagte Land habe ihn nach der im letzten Arbeitsvertrag ausdrücklich vereinbarten Vergütungsgruppe BAT lla bezahlten müssen, weshalb entsprechend seiner außergerichtlichen Geltendmachung die Differenzgehälter seit Mai 2005 nachzugewähren seien.

Der Kläger beantragt demgemäß zuletzt,

1. festzusteilen, daß das zwischen den Parteien durch Arbeitsvertrag vom 05.11.2003 bis zum 30.09.2005 befristet vereinbarte Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristung nicht beendet ist und über diesen Zeitpunkt hinaus unbefristet zu unveränderten Bedingungen als Lektor im ostasiatischen Seminar der Universität zu fortbesteht,

2. festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger seit dem 01.05.2005 bis 31.10.2005 die Differenz seines aktuell nach der Vergütungsgruppe BAT IH ausgezahlten monatlichen Gehalts zur Vergütungsgruppe BAT H a auszuzahlen,

Das beklagte Land beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es bezieht sich auf den Befristungsgrund nach § 57 b Abs. 3 HRG (alt) - Beschäftigung fremdsprachlicher Lektoren für die Ausbildung in Fremdsprachen - und ist der Auffassung, daß nach dem Rechtsstaatsprinzip die nach damaliger Fassung des HRG wirksame Befristung von Verträgen mit Lektoren nicht durch Gesetzesänderung während der Laufzeit habe unwirksam werden können. Im übrigen ergäbe sich ohnehin auch ein objektiv vorliegender Sachgrund nach § 14 TzBfG, da die ständige Weiterentwicklung lebendiger Sprachen zur sachgerechten Vermittlung einen ständigen Sprachkontakt der Lektoren mit dem Mutterland und daher deren regelmäßige "Auswechslung" nach Ablauf bestimmter "Verschleißzeiträume" erfordere.

Wegen des weiteren hier nach § 313 Abs. 2 S. 1 ZPO in knappster Form zusammengefaßten Sach- und Streitstandes einschließlich der rechtlichen Ausführungen wird gem. § 313 Abs. 2 S. 2 ZPO auf den Inhalt der im Verfahren gewechselten Schriftsätze nebst in Bezug genommener Anlagen sowie der Sitzungsniederschriften verwiesen.

Gründe

Die Klage konnte nur teilweise Erfolg haben. Dies beruht im wesentlichen auf folgenden hier gemäß § 313 Abs. 3 ZPO kurz zusammengefaßt dargestellten Erwägungen:

Der Feststellungsantrag zu 1.) ist, soweit er sich auf die Nichtbeendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der vertraglichen Befristung zum 30. September 2005 richtet, nach der entsprechenden gesetzlichen Antragsvorgabe in § 17 S. 1 TzBfG zulässig, jedoch unbegründet, auch wenn der Kläger den Antrag in der dreiwöchigen Klagefrist des § 17 S. 1 TzBfG form- gerecht anhängig gemacht hat, so daß die rechtliche Wirksamkeit der Befristungsabrede nicht gemäß §§17 TzBfG i.V.m. 7 KSchG vermutet wird, sondern in der Sache zu überprüfen und festzustellen war.

Die rechtliche Überprüfung der nach §§ 620 Abs. 3 BGB, 14 TzBfG grundsätzlich zulässigen Befristungsabrede im vorliegenden Arbeitsverhälthis erfolgt nur im Hinblick auf den letzten befristeten Vertrag für die Laufzeit vom 5. November 2003 bis zum 30. September 2005, dies folgt, da der Kläger die Wirksamkeit der vorangegangenen Befristungsabrede nicht innerhalb von 3 Wochen nach dem damals vereinbarten Ablauftermin mit einer Klage nach § 17 TzBfG angegriffen hat, bereits aus der in dieser Vorschrift enthaltenen Verweisung auf § 7 KSchG. Danach steht die rechtliche Wirksamkeit der früheren Befristung fest.

Im maßgeblichen Vertrag vom 20. Oktober 2003 wurde die gesetzliche Formvorgabe aus § 14 Abs. 4 TzBfG eingehalten. Mehr als die schriftliche Abrede der Befristung verlangt das Gesetz nicht, der schriftlichen Niederlegung bestimmter oder bestimmbarer Befristungsgründe gemäß § 14 Abs. 1 TzBfG bedarf es nicht - wobei hier ein solcher in der einbezogenen Aufgabenbeschreibung vom 14. November 2001 durch Verweis auf den notwendigen permanenten Sprachkontakt zum Mutterland Anklang gefunden hat auch die tarifliche Vorgabe zur Zuordnung zu bestimmten Befristungsarten war hier nicht vereinbart. Entscheidend für die Wirksamkeit der Befristungsabrede war nur, daß nach der objektiven Situation im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ein hinreichender Befristungsgrund vorhanden war. Dies ist nach der Bewertung der Kammer der Fall.

Dabei kann dahinstehen, ob sich ein solcher bereits aus der gesetzlichen Vorgabe in § 57 b HRG in der im Zeitpunkt der Befristungsvereinbarung gültigen Fassung ergab. Die Befristung von Arbeitsverträgen zur Beschäftigung fremdsprachiger Lektoren war nicht (nur) deshalb zulässig, weil dies die entsprechende Norm im HRG regelte, vielmehr wurde mit dieser das lange vor der jetzt vorliegenden gesetzlichen Kodifizierung zur Befristung von Arbeitsverträgen - sei es im allgemeinen Bereich, sei es für denjenigen der Hochschulen - entwickelte Richterrecht zur Befristungskontrolle auf die Umgehung von Kündigungsschutzrecht hin aufgenommen. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat bereits in den 70-er Jahren einen jetzt unter § 14 Abs. 1 Ziff. 4 TzBfG zu subsumierenden sachlichen Grund für die durch die Eigenart der Arbeitsleistung gerechtfertigte Befristung von Arbeitsvertragen entwickelt, wenn der Bezug zu einem bestimmten Kultur- und Sprachkreis - sei es des hiesigen bei der Entsendung von Arbeitnehmern ins Ausland, etwa als Lehrkraft an deutschen Auslandsschulen, sei es eines ausländischen etwa bei für Rundfunksendungen für Hörer in fremden Staatenbeschäftigten Redakteurs oder eben bei für fremdsprachlichen Unterricht an deutschen Hochschulen eingestellten Lektoren. Das Interesse daran, für den Unterricht in modernen außereuropäischen Fremdsprachen solche muttersprachliche Lehrkräfte zu beschäftigen, die über das besondere Wissen und die Erfahrungen verfügen, welche das Leben unter sozialer Einbindung als Einheimischer im eigenen Sprach- und Wirtschaftsraum gewährleistet, dieses aufgrund eines noch hinreichend aktuellen Bezugs präsent haben und den Studenten vermitteln können, ist ein anzuerkennender sachlicher Grund für die zeitliche Befristung solcher Arbeitseinsätze, denn notwendigerweise muß der Kontakt zu einer gerade durch das Mitleben in einer lebendigen, sich stetig entwickelnden Sprache, die nicht, wie etwa das Englische oder vergleichbare Weltsprachen omnipräsent ist, schwächer werden, wenn der Lebensmittelpunkt in eine weit entfernte Region wie die unsrige verlegt wird; das beklagte Land hat dies nachvollziehbar und mit eingängigen aktuellen Beispielsfällen aus der deutschen Sprachentwicklung geschildert. Daß diese Aspekte gerade für den Unterricht in chinesischer Sprache gelten, liegt angesichts der einer leichten "Überschaubarkeit" von außen entgegenstehenden Größe dieses Landes und seiner außergewöhnlich rasanten Entwicklung auf der Hand. Der bei Abschluß der zu überprüfenden zweiten Befristungsvereinbarung festgelegte Gesamtzeitraum von fünf Jahren ist von seiner Dauer her angemessen, um dem mit der zeitlichen Begrenzung verfolgten Anliegen nach "permanentem Sprachkontakt zum Mutterland" in vernünftigem Maße Rechnung zu tragen. Der "Verschleißtatbestand", wie ihn die höchstrichterliche Rechtsprechung Jahren entwickelt hat, ist vorliegend schließlich auch nicht als vorgeschoben erkennbar, beim Kläger handelt es sich ersichtlich nicht um einen seit Jahren ohne Aktualitätsbezug zur Muttersprache in Deutschland lebenden und bereits bei seiner Einstellung ohnehin voll im hiesigen Sprach- und Kulturkreis integriert gewesenen Arbeitnehmer.

Ergänzend ergibt sich für die vertragliche Tätigkeit gemäß der zugrundegelegten Tätigkeitsbeschreibung auch das hinzukommende Interesse an der Ermöglichung regelmäßiger Wechsel in der Person des Stelleninhabers aus wissenschaftlichen Gründen, um für die Forschungstätigkeit auf immer neue persönliche Kenntnisse und Erfahrungen zurückgreifen, andererseits immer neuen Personen die Möglichkeit zur wissenschaftlichen Betätigung und Qualifizierung in der Absicherung einer mit BAT III bzw. El vergüteten Zeitstelle geben zu können.

Wegen des Antrags zu 2.) war der Klage stattzugeben. Der Feststellungsantrag ist trotz des grundsätzlichen Vorrangs der Leistungsklage zulässig, da er sich gegen einen öffentlichen, zur Rechtstreue auch ohne vollstreckbaren Titel verpflichteten Arbeitgeber richtet, es angesichts der im übrigen festliegenden Berechnungsfaktoren auch sinnvoller ist, die Abrechnung der konkret sich ergebenden Differenzbezüge derjenigen Vertragspartei zu überlassen, welche ohnehin die entsprechenden Obliegenheiten übernommen hat und Ober die hierfür erforderliche personellen und technischen Mittel verfügt.

Der vertragliche Vergütungsanspruch des Klägers ergab sich im zweiten Vertrag auf Grundlage der Vergütungsgruppe lla BAT. Die entsprechende Festlegung in § 3 S. 1 des Arbeitsvertrages ist eindeutig, eine von vornherein für beide Vertragsparteien erkennbare falsa demonstratio kann nicht erkannt werden. Die "eigentlich1' übereinstimmend gewollte Vereinbarung der Vergütungsgruppe III BAT folgt nicht zwingend aus der Bezugnahme auf Ziffer 6 des Erlasses des Ministeriums für Wissenschaft und Forschung vom 15.04.1985, denn die dort getroffene Vergütungsregelung (Ziff. 6) nennt die Vergütungsgruppen l!a und llb BAT, nicht jedoch Gruppe III. Unerheblich ist auch, daß der Kläger die entsprechende Vergütung bzw. Mehrvergütung gegenüber dem Zustand des vorangegangenen Vertrages im laufenden Arbeitsvertrag nicht geltend gemacht hat; einfaches Hinnehmen einer Mindervergütung bewirkt ohne Hinzutreten weitergehender Umstände, die hier nicht ersichtlich sind, keine Vertragsänderung. Maßgeblich bleibt danach das, was die Parteien hier ausdrücklich vereinbart haben, nämlich die Vergütung nach Gruppe lla BAT, die das beklagte Land für den bei der Antragstellung beachteten Zeitraum, welcher nicht dem tariflichen Verfall unterliegt, nachzuberechnen und nachzuvergüten hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, diejenige zur Wertfestsetzung aus §§ 61 Abs. 1 ArbGG, 42 Abs. 4 S. 1 GKG, 3, 5 ZPO.

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