LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13.02.2020 - 2 Sa 178/19
Fundstelle
openJur 2020, 48622
  • Rkr:
Tenor

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 26.03.2019 - 6 Ca 1024/18 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Annahmeverzugslohnansprüche des Klägers für die Monate Mai bis Juli 2018.

Der Kläger war vom 1. Mai 2009 bis zum 31. Juli 2018 beim Beklagten, der ein Transportunternehmen betreibt, als LKW-Fahrer gegen ein Bruttomonatsentgelt i.H.v. zuletzt 1.386,00 EUR beschäftigt. Einziger Kunde des Beklagten ist die Firma Z, die einen Großhandel für Kfz-Teile mit Standorten verteilt über das Bundesgebiet betreibt. Von den einzelnen Niederlassungen aus werden Kfz-Werkstätten beliefert. Den Transport der Teile von der Niederlassung des Kunden zu den Kfz-Werkstätten übernahm der Beklagte u.a. für die Standorte W, Y, V und U. An diesen Standorten stationierte er eigene Kraftfahrer mit Firmenfahrzeugen, denen er Touren vom Kunden zu Kfz-Werkstätten zuwies. Der Kläger war seit Beginn des Arbeitsverhältnisses als Fahrer am Standort Y beschäftigt. Ihm war erlaubt, das ihm zugeteilte Fahrzeug mit zu seinem Wohnort in X zu nehmen.

Mit Schreiben vom 28. März 2018 kündigte die Firma Z die Transportaufträge mit dem Beklagten an den Standorten Y und V jeweils zum 30. April 2018. Daraufhin kündigte der Beklagte sämtlichen Mitarbeitern, die in Y und V eingesetzt waren, zum 30. April 2018. Mit Schreiben vom 29. März 2018 (Bl. 8 d. A.), dem Kläger am 4. April 2018 zugegangen, kündigte der Beklagte auch das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis zum 30. April 2018 und bot ihm gleichzeitig ab 1. Mai 2018 eine Weiterbeschäftigung in W mit derselben Tätigkeit an. Der Kläger nahm das Angebot des Beklagten nicht an. Mit seiner am 9. April 2018 beim Arbeitsgericht Koblenz eingegangenen Kündigungsschutzklage, die dem Beklagten am 13. April 2018 zugestellt worden ist, hat er sich gegen die Kündigung vom 29. März 2018 gewandt.

Mit Schreiben vom 23. April 2018 (Bl. 35 d. A.) forderte der Beklagte den Kläger auf, sich am 2. Mai 2018, um 8.30 Uhr in W einzufinden, um ihn dort einzusetzen. Dem kam der Kläger nicht nach.

Im Gütetermin vom 5. Juni 2018 vor dem Arbeitsgericht war der Inhalt des protokollierten Vergleichsvorschlags Gegenstand der Erörterung der Parteien. Der aus dem Sitzungsprotokoll ersichtliche Vergleich wurde nicht geschlossen, weil sich die Parteien über die Höhe der Fahrtkosten pro Tag nicht einigen konnten. Während der Kläger eine Fahrtkostenerstattung von 30,00 EUR pro Arbeitstag begehrte, bot der Beklagte eine Fahrtkostenerstattung in Höhe von lediglich 20,00 EUR pro Arbeitstag an. Nachfolgend hat der Beklagte den Kläger mit dem Inhalt des protokollierten Vergleichstextes nebst einer Fahrtkostenerstattung von 20,00 EUR pro Arbeitstag erneut aufgefordert, die Tätigkeit in W zu verrichten. Zu einer Tätigkeitsaufnahme durch den Kläger in W ist es nicht gekommen.

Im Kammertermin vom 26. März 2019 vor dem Arbeitsgericht haben sich die Parteien im Wege eines Teil-Vergleichs darauf geeinigt, dass ihr Arbeitsverhältnis aufgrund der Änderungskündigung vom 9. März 2018 zum 31. Juli 2018 sein Ende gefunden hat. Zuletzt hat der Kläger noch den geltend gemachten Anspruch auf Annahmeverzugslohn für die Monate Mai bis Juli 2018 weiterverfolgt.

Wegen des wechselseitigen Vorbringens der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 26. März 2019 - 6 Ca 1024/18 - Bezug genommen.

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 4.158,00 EUR brutto abzüglich 1.807,27 EUR netto Arbeitslosengeld und 675,94 EUR netto Aufstockungsbetrag nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. August 2018 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 26. März 2019 - 6 Ca 1024/18 - hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben. Wegen der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe seines Urteils verwiesen. Gegen das ihm am 18. April 2019 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 30. April 2019, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 2. Mai 2019 eingegangen, Berufung eingelegt und diese nach antragsgemäßer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 18. Juli 2019 mit Schriftsatz vom 17. Juli 2019, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, begründet.

Der Beklagte trägt vor, er habe sich im streitgegenständlichen Zeitraum nicht im Annahmeverzug befunden. Die i.S.v. § 294 BGB vom Kläger zu bewirkende Arbeitsleistung sei zuletzt die Tätigkeit als Fahrer am Standort W ab dem 2. Mai 2018 gewesen. Ein entsprechendes Arbeitsangebot habe der Kläger ihm nicht unterbreitet. Der vom Arbeitsgericht vertretenen Auffassung, er sei wegen einer konkretisierenden Einschränkung des Weisungsrechts nicht berechtigt gewesen, W als Arbeitsort zuzuweisen, sei nicht zu folgen. Es existiere keine Vereinbarung zwischen den Parteien, die den Arbeitseinsatz auf Y als Arbeitsort beschränke. Auch eine konkludente Konkretisierung auf einen Arbeitseinsatz in Y sei vorliegend zu verneinen. Vielmehr hätten die Parteien den Arbeitsort nicht festgelegt, so dass die gesetzliche Regelung nach § 106 GewO anzuwenden sei. Er sei daher grundsätzlich berechtigt gewesen, einen neuen Arbeitsort zuzuweisen. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts habe die Leistungsbestimmung, dem Kläger ab dem 2. Mai 2018 bzw. 6. Juni 2018 einen neuen Arbeitsort zuzuweisen, billigem Ermessen entsprochen. Das Arbeitsgericht habe keine Abwägung der beiderseitigen Interessen durchgeführt, sondern lediglich die Interessen des Klägers berücksichtigt. Besondere Bedeutung komme aber dem Umstand zu, dass der Arbeitsplatz des Klägers wegen einer Betriebsschließung am bisherigen Arbeitsort weggefallen sei und er die ihm nächstmögliche Tätigkeit angeboten habe. In solchen Konstellationen, in denen ein Betrieb geschlossen werde, sei es dem Arbeitnehmer auch zumutbar, eine längere Fahrzeit von bis zu zwei Stunden je Hin- und Rückfahrt bei ansonsten unveränderten Arbeitsbedingungen hinzunehmen. Die Fahrzeiten nach W von 1,5 Stunden pro Strecke und demgemäß auch die hieraus resultierenden Kosten seien ihm daher zuzumuten gewesen. Zu berücksichtigen sei außerdem, dass er in der Güteverhandlung vom 5. Juni 2018 nach der erstmals vom Kläger angesprochenen Fahrtkostenproblematik eine Fahrtkostenerstattung angeboten habe. Unter Zugrundelegung der 22 Arbeitstage in der Zeit vom 6. Juni bis 5. Juli 2018, der behaupteten Fahrtkosten von 29,00 EUR pro Arbeitstag und der Fahrtkostenerstattung von 20,00 EUR pro Arbeitstag wären dem Kläger Fahrtkosten von 198,00 EUR entstanden. Im Gegenzug hätte er seinen Lohn für Mai in voller Höhe erhalten und Urlaub ab dem 6. Juli 2018 genommen. Bei einem Nettoeinkommen von rund 3.000,00 EUR in diesen Monaten Mai bis Juli 2018 und unter Berücksichtigung, dass die Fahrtzeiten sogar als Arbeitszeiten angerechnet worden wären, sei dem Kläger die Versetzung nach W in jedem Falle zumutbar gewesen. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei das Angebot der Arbeitsleistung auch nicht aufgrund der von ihm fehlerhaft berechneten Kündigungsfrist nach § 296 BGB entbehrlich gewesen. Die Vorschrift finde keine Anwendung, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis wirksam ordentlich kündige und die Parteien über den richtigen Beendigungszeitpunkt streiten würden. Dies gelte insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber - wie hier - für den Zeitraum nach Ablauf der von ihm berechneten Kündigungsfrist eine Weiterbeschäftigung anbiete. Entgegen den Ausführungen des Arbeitsgerichts sei der Kläger offenkundig leistungsunwillig gewesen, weil er die Arbeitsleistung in W weder unter Vorbehalt noch auf die nochmaligen Angebote vom 23. April 2018 und 5. Juni 2018 angenommen habe. Es sei daher davon auszugehen, dass es dem Kläger überhaupt nicht um Fahrtkosten gegangen sei, sondern er sich davor gescheut habe, die Arbeit in W aufzunehmen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 26. März 2019 - 6 Ca 1024/18 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er erwidert, das Arbeitsgericht habe zu Recht festgestellt, dass sich der Beklagte im streitgegenständlichen Zeitraum von Mai bis Juli 2018 im Annahmeverzug befunden habe. Der Beklagte habe ihm am bisherigen Einsatzort aufgrund der Aufgabe des dortigen Betriebes keine Tätigkeit mehr zuweisen können. Eine Zuweisung eines neuen Arbeitsplatzes in W sei gemäß den Urteilsgründen ganz offenkundig nahezu wirtschaftlich unmöglich und deshalb unzumutbar gewesen. Der Nettoverdienst wäre ganz überwiegend durch die entstehenden Fahrtkosten verbraucht worden. Weitere notwendige private Kosten, insbesondere Unterkunft, hätte er nicht mehr tragen können. Selbst wenn eine Zuweisung der Tätigkeit hätte erfolgen können, sei es ihm ganz objektiv wirtschaftlich unmöglich gewesen, die entsprechende Tätigkeit aufzunehmen. Im Hinblick darauf, dass die Fahrtkostenproblematik evident sei, könne ihm auch nicht vorgeworfen werden, dass er diese erstmals in der Güteverhandlung am 5. Juni 2018 angesprochen habe. Auch könne ihm nicht vorgeworfen werden, er sei nicht leistungswillig gewesen. Er habe sich gegen eine Tätigkeit in W mit der von ihm erhobenen Klage gewandt, weil er von X aus eine Tätigkeit in W nicht habe ausüben können. Auch an dieser Stelle seien bereits die erheblichen Belastungen durch die entstehenden Fahrtkosten unter Berücksichtigung des beim Beklagten erzielbaren Einkommens eine objektive Hürde gewesen. Jedenfalls hätte man ihm nicht zumuten können, die Tätigkeit unmittelbar ab dem 1. Mai 2018 aufzunehmen, weil man ihm hätte zugestehen müssen, zunächst seinen Wohnort nach W zu verlegen. Unter Berücksichtigung der zu erzielenden Nettoeinkünfte könne er keine tägliche Fahrtstrecke von X nach W und zurück tragen. Der Beklagte hätte sich zumindest dazu bereit erklären müssen, ihm für die Dauer von drei Monaten den Aufwand für die täglichen Fahrten zum Einsatzort in W zu bezahlen. Dabei habe der Beklagte berücksichtigen müssen, dass ihm auch kein unverzügliches Kündigungsrecht im Hinblick auf seine Wohnung zukomme. Ein derartiges Kündigungsrecht bestehe nach der gesetzlichen Lage bestenfalls mit einer Frist von drei Monaten.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Gründe

Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b ArbGG statthafte Berufung des Beklagten ist zulässig. Sie ist insbesondere form- sowie fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. 519, 520 ZPO).

Die Berufung hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht der Klage stattgegeben. Der Kläger hat gemäß §§ 611 Abs. 1, 615 BGB einen Anspruch gegen den Beklagten auf den geltend gemachten Annahmeverzugslohn für die Monate Mai bis Juli 2018 von jeweils 1.386,00 EUR brutto pro Monat (= insgesamt 4.158,00 EUR brutto) abzüglich der im streitgegenständlichen Zeitraum bezogenen Sozialleistungen in unstreitiger Höhe von 1.807,27 EUR netto und 675,94 EUR netto.

1. Im Streitfall kann zugunsten des Beklagten unterstellt werden, dass sein Weisungsrecht nach § 106 GewO nicht vertraglich durch eine konkludente Vereinbarung der Parteien auf eine Beschäftigung des Klägers an dem früheren Standort in Y beschränkt war. Auch bei Annahme eines grundsätzlich bestehenden Direktionsrechts des Beklagten hat die von ihm vorgenommene Zuweisung der Tätigkeit für den Kläger in W jedenfalls nicht billigem Ermessen entsprochen.

a) Weist der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsort zu, so unterliegt dies der Ausübungskontrolle gemäß § 106 Satz 1 GewO, 315 Abs. 3 BGB. Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen (§ 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB) verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Hierzu gehören die Vorteile aus einer Regelung, die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien, die beiderseitigen Bedürfnisse, außervertragliche Vor- und Nachteile, Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie soziale Lebensverhältnisse, wie familiäre Pflichten und Unterhaltsverpflichtungen (BAG 26. September 2012 - 10 AZR 311/11 - Rn. 19, 29 u. 30, NZA-RR 2013, 403).

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Beklagte nach der vorzunehmenden Abwägung mit der dem Kläger ab Mai 2018 zugewiesenen Tätigkeit in W billiges Ermessen nicht gewahrt.

Zugunsten des Beklagten ist zwar im Streitfall die Schließung des Standorts in Y zum 30. April 2018 infolge der von seinem einzigen Kunden gekündigten Transportaufträge mit einem erheblichen Gewicht in die Abwägung einzubeziehen. Im Hinblick darauf, dass der Beklagte seit Anfang Mai 2018 aufgrund der von seinem einzigen Kunden zum 30. April 2018 gekündigten Transportaufträge keine Standorte in Y und V mehr unterhalten hat, konnte er den Kläger an keinem wohnortnäheren Standort als W mehr beschäftigen. Allerdings hat die Versetzung für den Kläger gravierende Nachteile zur Folge, weil bei seinem Arbeitseinsatz am Standort in W arbeitstägliche Fahrten von X nach W (einfache Strecke ca. 130 Kilometer) anfallen, die mit entsprechend langen Fahrzeiten und vor allem mit ganz erheblichen Fahrtkosten verbunden sind, zumal der Kläger nunmehr hierfür sein eigenes Fahrzeug hätte einsetzen müssen. Das Arbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass dem Kläger die Arbeit an dem zugewiesenen Ort in W in Anbetracht seines geringen monatlichen Einkommens ohne Erstattung der zusätzlichen Fahrtkosten unzumutbar ist. Der Kläger erhält vom Beklagten einen Bruttomonatslohn in Höhe von 1.386,00 EUR, der ausweislich der vorgelegten Abrechnung für März 2018 (Bl. 7 d. A.) ein Nettoeinkommen von etwa 1.040,00 EUR ergibt. Das für seine Tätigkeit beim Beklagten erzielte Nettoeinkommen liegt danach noch unterhalb der Pfändungsfreigrenze, die im Bereich der Zwangsvollstreckung das Existenzminimum sichert. Auch unter Berücksichtigung der unternehmerischen Entscheidung zur Schließung des Standorts in Y zum 30. April 2018 erscheint in Anbetracht des niedrigen Einkommens des Klägers die Entscheidung des Beklagten zur kurzfristigen Versetzung des Klägers ab Mai 2018 ohne Übernahme der zusätzlichen Fahrtkosten als unbillig. Der Beklagte hat weder mit der Änderungskündigung vom 29. März 2018 noch mit seinem Schreiben vom 23. April 2018 eine Erstattung der zusätzlichen Fahrtkosten angeboten, obwohl offensichtlich ist, dass der Kläger die ganz erheblichen Mehrkosten für die Fahrten zu dem zugewiesenen Arbeitsort in W von seinem geringen Einkommen nicht aufbringen kann. Der Kläger hat unwiderlegt vorgetragen, dass allein die arbeitstäglichen Benzinkosten ca. 29,12 EUR betragen hätten. Der Beklagte hat auch im Gütetermin vom 5. Juni 2018 und in der Folgezeit nicht die Übernahme der zusätzlichen Fahrtkosten zugesagt, sondern lediglich einen Betrag von 20,00 EUR pro Arbeitstag angeboten, der nicht einmal zur Bestreitung der bezifferten Benzinkosten und erst recht nicht zur Kompensation der weiteren Kosten für den Einsatz des eigenen Fahrzeugs ausreichen würde. Ein - ggf. im Hinblick auf die Standortschließung gebotener - Umzug war dem Kläger jedenfalls nicht kurzfristig ohne Kostenerstattung in der Zeit bis zum Ablauf der Kündigungsfrist am 31. Juli 2018 zumutbar. Die Änderungskündigung ist dem Kläger erst am 4. April 2018 zugegangen. Der Kläger hat darauf verwiesen, dass ihm auch kein unverzügliches Kündigungsrecht im Hinblick auf seine Wohnung zustehe, sondern ggf. die gesetzliche Kündigungsfrist einzuhalten sei. Danach wäre der Beklagte zur Wahrung billigen Ermessens jedenfalls gehalten gewesen, dem Kläger gemäß dessen zutreffenden Ausführungen in seiner Berufungserwiderung zumindest für die drei folgenden Monate (Mai bis Juli 2018) den Aufwand für die täglichen Fahrten zum Einsatzort in W zu bezahlen (vgl. hierzu auch LAG Köln 28. August 2014 - 6 Sa 423/14 - Rn. 21, juris; Novara/Römgens NZA 2016, 668).

2. Der Beklagte befand sich im streitgegenständlichen Zeitraum gemäß §§ 293, 295 BGB im Annahmeverzug.

Aufgrund der unbilligen Weisung musste der Kläger seine Arbeitsleistung nicht in W erbringen und dort anbieten. Ein Arbeitnehmer ist nach §§ 106 Satz 1 GewO, 315 BGB nicht - auch nicht vorläufig - an eine Weisung des Arbeitgebers gebunden, die die Grenzen billigen Ermessens nicht wahrt (BAG 18. Oktober 2017 - 10 AZR 330/16 -, Rn. 63 ff., NZA 2017, 1452). Der Beklagte hat mit der zum 30. April 2018 ausgesprochenen Kündigung erklärt, dass er nach dem 30. April 2018 keine weitere Arbeitsleistung in Y mehr annehmen werde. Gemäß § 295 BGB genügte daher ein wörtliches Angebot der Arbeitsleistung bezogen auf den bisherigen Standort in Y, das mit der am 13. April 2018 zugestellten Kündigungsschutzklage erfolgt ist. Mit seiner Kündigungsschutzklage hat sich der Kläger gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zum 30. April 2018 gewandt und seine weitere Arbeitsleistung wörtlich angeboten (vgl. hierzu auch BAG 15. Mai 2013 - 5 AZR 130/12 - Rn. 24, NZA 2013, 1076). Im Hinblick darauf, dass der Kläger aufgrund der unbilligen Weisung des Beklagten nicht verpflichtet war, der Aufforderung zur Erbringung der Arbeitsleistung in W ab Mai 2018 nachzukommen, lässt die Ablehnung der zugewiesenen Tätigkeit in W durch den Kläger nicht auf eine Leistungsunwilligkeit i.S.d. § 297 BGB schließen. Weiterhin hat es der Kläger auch nicht böswillig unterlassen, eine ihm zumutbare Arbeit beim Beklagten in W aufzunehmen (§ 615 Satz 2 BGB). Gemäß den obigen Ausführungen war dem Kläger die Aufnahme der angebotenen bzw. zugewiesenen Arbeit in W im streitgegenständlichen Zeitraum nach der vorzunehmenden Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Falls nicht zumutbar.

Mithin kann der Kläger den in unstreitiger Höhe von 1.386,00 EUR brutto vereinbarten Monatslohn für die Monate Mai, Juni und Juli 2018 gemäß § 615 Satz 1 BGB verlangen. Die im streitgegenständlichen Zeitraum bezogenen Sozialleistungen in unstreitiger Höhe von 1.807,27 EUR und 675,94 EUR netto hat der Kläger beziffert im Antrag in Abzug gebracht. Der Zinsanspruch beruht auf §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

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