VG Köln, Beschluss vom 15.09.2020 - 6 L 1498/20.A
Fundstelle
openJur 2020, 48355
  • Rkr:
Tenor

1.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

2.

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage 6 K 4525/20. A wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.

Gründe

1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war aus den unter 2. dargestellten Gründen mangels hinreichender Erfolgsaussichten abzulehnen.

2. Der sinngemäße Antrag des Antragstellers,

die aufschiebende Wirkung der gegen Ziffer 5 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 28.07.2020 erhobenen Klage (6 K 4525/20.A) anzuordnen,

hat keinen Erfolg.

Dabei mag für das vorliegende Eilverfahren dahinstehen, ob der Antrag fristgerecht gestellt wurde, weil mangels ordnungsgemäßer Mitteilung über den Ort der Niederlegung der ablehnende Bescheid nicht wie aus der Zustellungsurkunde ersichtlich am 05.08.2020 im Wege der Ersatzzustellung zugestellt worden sei.

Jedenfalls bleibt der Antrag - seine Zulässigkeit unterstellt - in der Sache ohne Erfolg.

Es bestehen keine ernstlichen, die Aussetzung der Abschiebung gebietende Zweifel im Sinne des § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG an der Rechtmäßigkeit der den Bezugspunkt der eilverfahrensrechtlichen Prüfung des beschließenden Gerichts bildenden Abschiebungsandrohung.

Ernstliche Zweifel in diesem Sinne liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung voraussichtlich nicht standhält.

Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Urteil vom 14. Mai 1996 - 2 BvR 1516/93 -, juris, Rn. 99.

Daran fehlt es hier.

Keine ernstlichen Zweifel bestehen zunächst (im Ergebnis) gegen die gesetzte Ausreisefrist von einer Woche gemäß § 36 Abs. 1 AsylG sowie gegen die Zielstaatsbezeichnung Ägypten. Zwar besteht hinsichtlich der Ausreisefrist von einer Woche gemäß § 36 Abs. 1 AsylG, welche nach der Festsetzung unter Ziffer 5 Satz 1 des Bescheides mit der Bekanntgabe beginnt, unionsrechtliche Bedenken im Hinblick auf die Effektivität des nach Art. 46 Abs. 6 der Richtlinie 2013/32/EU (Verfahrensrichtlinie n.F.) vorgesehenen Rechtsschutzes.

Vgl. EuGH, Urteil vom 19.06.2018 - C-181/16 Gnandi -, juris; BVerwG, Urteil vom 20.02.2020 - 1 C 19.19 -, juris.

Art. 46 Abs. 6 RL 2013/32/EU bestimmt unter anderem im Fall der Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unbegründet im Sinne des Art. 32 Abs. 2 RL 2013/32/EU, dass das mitgliedstaatliche Gericht befugt ist, entweder auf Antrag oder von Amts wegen über ein Bleiberecht des Antragstellers zu entscheiden, wenn diese Entscheidung gegebenenfalls die Beendigung des Bleiberechts zur Folge hat und dieses insoweit bis zur Entscheidung über den Rechtsbehelf im nationalen Recht nicht vorgesehen ist. Im Hinblick darauf und auf die zitierte Rechtsprechung des EuGH hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass dann, wenn die Ausreisefrist von einer Woche gemäß § 36 Abs. 1 AsylG mit der Bekanntgabe der ablehnenden Entscheidung beginnt, die unionsrechtlich geforderten Verfahrens-, Schutz- und Teilhaberechte nicht in vollem Umfang gewährleistet sind.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2020 - 1 C 19.19 -, juris.

Insbesondere hindert der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO i. V. m. § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG zwar nach § 36 Abs. 3 Satz 8 AsylG den Vollzug der angedrohten Abschiebung (Vollzugshemmung). Unberührt bleibt davon jedoch die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht. Deshalb ist § 59 Abs. 1 Satz 6 und 7 AufenthG, welcher auf den Wegfall der Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht bzw. der Abschiebungsandrohung abstellt, nicht anwendbar

Vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2020 - 1 C 19.19 -, juris, Rn. 39.

Das Bundesamt hat jedoch im vorliegenden Fall in Ziffer 5 Satz 4 des Bescheides die Vollziehung der Abschiebungsandrohung bis zum Ablauf der einwöchigen Klagefrist gemäß § 74 Abs. 1 i. V. m. § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG ausgesetzt sowie verfügt, dass der Lauf der Ausreisefrist bis zu diesem Zeitpunkt bzw. im Falle der fristgerechten Antragstellung nach § 80 Abs. 5 VwGO mit dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens eines ablehnenden Beschlusses im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes "ausgesetzt" ist. Diese Formulierung kann nach dem objektiven Empfängerhorizont dahingehend ausgelegt werden, dass es Bundesamt verschiedene Zeitpunkte für den Beginn der einwöchigen Ausreisefrist festgesetzt hat, nämlich für den Fall der Klageerhebung bzw. Antragstellung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren den Zeitpunkt des Wirksamwerdens eines ablehnenden Beschlusses des Verwaltungsgerichtes bzw. für den Fall, dass keine Rechtsbehelfe eingelegt werden, den Zeitpunkt des Ablaufs der Rechtsbehelfsfristen. Damit hat das Bundesamt in unionrechtskonformer Weise den Zeitpunkt, in welchem die Ausreisefrist anläuft, auf einen Zeitpunkt festgesetzt, in welchem das Verwaltungsgericht den Sofortvollzug der Abschiebungsandrohung bestätigt oder fristgerechte Rechtsbehelfe nicht mehr eingelegt werden können.

Vgl. zu dieser Möglichkeit ausdrücklich: BVerwG, Urteil vom 20.02.2020 - 1 C 19.19 -, juris, Rn. 55 ff. Vgl. ferner VG Köln, Beschluss vom 03.07.2020 - 4 L 1009/20.A -, juris, Rn. 29; VG Würzburg, Beschluss vom 27.08.2020 - W 10 S 20.30920 -, juris, Rn. 42 f.

Die Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, den Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, begegnet nach der im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens allein vorzunehmenden summarischen Prüfung ebenfalls keinen ernstlichen Zweifeln. Das Bundesamt hat seine Entscheidung zu Recht auf § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG gestützt. Danach ist ein unbegründeter Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn in wesentlichen Punkten das Vorbringen des Ausländers nicht substantiiert oder in sich widersprüchlich ist, offenkundig den Tatsachen nicht entspricht oder auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel gestützt wird. Letzteres ist hier der Fall. Zur Begründung nimmt das Gericht insoweit zunächst Bezug auf die im Wesentlichen zutreffende Begründung des streitgegenständlichen Bescheides des Bundesamtes vom 28.07.2020. Den dort wiedergegebenen Ergebnissen der Echtheitsuntersuchung durch das Auswärtige Amt vom 14.11.2019, wonach sowohl das zum Beweis der behaupteten Verfolgung vorgelegte Urteil als auch das Vernehmungsprotokoll und der Haftbefehl als Fälschungen anzusehen seien, ist der Antragsteller auch im vorliegenden Verfahren nicht entgegen getreten. Anhaltspunkte für die vom Antragsteller im Eilverfahren ferner angeführte Gruppenverfolgung koptischer Christen in Ägypten liegen nach der vom Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen bestätigten Rechtsprechung der Kammer nicht vor.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 03.03.2020 - 21 A 920/17.A -, juris, Rn. 48 ff; VG Köln, Urteil vom 25.10.2018 - 6 K 1826/16.A -, juris, Rn. 24 ff., jeweils m. w. N.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.

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