FG Hamburg, Beschluss vom 01.09.2020 - 4 K 67/18
Fundstelle
openJur 2020, 48304
  • Rkr:
Tenor

I. Das Verfahren wird bis zur Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union ausgesetzt.

II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird folgende Frage zur Auslegung von Handlungen der Organe der Union im Wege der Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist ein Verstoß gegen das Unionsrecht als Voraussetzung des vom Gerichtshof der Europäischen Union entwickelten unionsrechtlichen Zinsanspruchs auch gegeben, wenn eine mitgliedstaatliche Behörde eine Abgabe unter Verletzung rechtsgültiger Vorschriften des Unionsrechts festsetzt und ein mitgliedstaatliches Gericht diesen Verstoß gegen das Unionsrecht feststellt?     

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Verzinsung von Abgaben, die das beklagte Hauptzollamt von der Klägerin nacherhoben, nach einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung der Klägerin jedoch wieder erstattet hat.

Die Klägerin führte aus Taiwan sog. Bolzenhaken, die zur Fertigung von Hundeleinen verwendet werden, ein. Nach einer Außenprüfung gelangte das beklagte Hauptzollamt zu der Auffassung, dass diese Waren entgegen der Anmeldung der Klägerin nicht als Waren der Position 8308 (Zollsatz 2,7 %), sondern als solche der Position 7907 (Zollsatz 5 %) der Kombinierten Nomenklatur (KN) zu behandeln seien. Mit zwei Abgabenbescheiden hob das beklagte Hauptzollamt Zoll nach, den die Klägerin in der Folge entrichtete.

Mit Urteil vom 20.06.2017 (VII R 24/15) hob der Bundesfinanzhof die beiden Nacherhebungsbescheide mit der Begründung auf, dass die Nacherhebung der Einfuhrabgaben rechtswidrig sei, weil die Waren in die Position 8308 KN einzureihen seien; ein Vorabentscheidungsersuchen beim Gerichtshof der Europäischen Union hatte der Bundesfinanzhof nicht gestellt.

Das beklagte Hauptzollamt erstattete der Klägerin die von ihr entrichteten Einfuhrabgaben; den Antrag der Klägerin auf Verzinsung der von ihr entrichteten Einfuhrabgaben für den Zeitraum ab ihrer Entrichtung bis zur Erstattung lehnte es jedoch ab.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren hat die Klägerin Klage erhoben. Im Verlauf des Klageverfahrens hat das beklagte Hauptzollamt der Klägerin Prozesszinsen für den Zeitraum ab Klageerhebung gegen die Nacherhebungsbescheide (September 2014) bis zur Erstattung der von der Klägerin entrichteten Einfuhrabgaben (Oktober 2017) gewährt. Insoweit ist der Rechtsstreit erledigt. Die Beteiligten streiten noch darum, ob die Klägerin Zinsen auch für den Zeitraum ab Entrichtung der rechtswidrig erhobenen Einfuhrabgaben (März 2014) bis zur Klagerhebung gegen die Nacherhebungsbescheide (September 2014) beanspruchen kann.

Gründe

Der Beschluss ergeht gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) in der Besetzung mit drei Berufsrichtern ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter; bei - so wie hier - Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung wirken die ehrenamtlichen Richter nicht mit (§ 5 Abs. 3 Satz 2 FGO).

Der Senat setzt das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 74 FGO aus und legt dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 Unterabsatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) die im Tenor genannte Frage zur Vorabentscheidung vor, weil die rechtliche Würdigung des Falles zweifelhaft ist.

I. Rechtlicher Rahmen

Für die Entscheidung des Rechtsstreits sind folgende Bestimmungen maßgebend:

1. Nationale Vorschriften

Abgabenordnung (AO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 01.10.2002 (Bundesgesetzblatt I S. 3866):

§ 1 Anwendungsbereich

(1) Dieses Gesetz gilt für alle Steuern einschließlich der Steuervergütungen, die durch Bundesrecht oder Recht der Europäischen Union geregelt sind, soweit sie durch Bundesfinanzbehörden oder Landesfinanzbehörden verwaltet werden. Es ist nur vorbehaltlich des Rechts der Europäische Union anwendbar.

...

(3) Auf steuerliche Nebenleistungen sind die Vorschriften dieses Gesetzes vorbehaltlich des Rechts der Europäischen Union sinngemäß anwendbar ...

§ 3 Steuern, steuerliche Nebenleistungen

(1) Steuern sind Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft; die Erzielung von Einnahmen kann Nebenzweck sein.

...

(3) Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Art. 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind Steuern im Sinne dieses Gesetzes ...

(4) Steuerliche Nebenleistungen sind ... Zinsen nach den §§ 233 bis 237, ... Zinsen auf Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Art. 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union ...

§ 37 Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis

(1) Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis sind der Steueranspruch, der Steuervergütungsanspruch, der Haftungsanspruch, der Anspruch auf eine steuerliche Nebenleistung, der Erstattungsanspruch nach Absatz 2 sowie die in Einzelsteuergesetzen geregelten Steuererstattungsansprüche.

(2) Ist eine Steuer, Steuervergütung, ein Haftungsbetrag oder eine steuerliche Nebenleistung ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrags ...

§ 233 Grundsatz

Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) werden nur verzinst, soweit dies gesetzlich vorgeschrieben ist ...

§ 236 Prozesszinsen auf Erstattungsbeträge

(1) Wird durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung oder auf Grund einer solchen Entscheidung eine festgesetzte Steuer herabgesetzt oder eine Steuervergütung gewährt, so ist der zu erstattende oder zu vergütende Betrag vorbehaltlich des Absatzes 3 vom Tag der Rechtshängigkeit an bis zum Auszahlungstag zu verzinsen ...

2. Vorschriften des Unionsrechts

a) Zollkodex (ZK): Verordnung Nr. 2913/92 des Rates vom 12.10.1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (Amtsblatt L 302/1, mit späteren Änderungen):

Art. 241

Erstatten die Zollbehörden Einfuhr- oder Ausfuhrabgabenbeträge sowie bei deren Entrichtung gegebenenfalls erhobene Kredit- oder Säumniszinsen, so sind dafür von diesen Behörden keine Zinsen zu zahlen. Dagegen sind Zinsen zu zahlen,

- wenn eine Entscheidung, mit der einem Erstattungsantrag stattgegeben wird, nicht innerhalb von drei Monaten nach ihrem Ergehen vollzogen wird;

- wenn dies aufgrund der einzelstaatlichen Bestimmungen vorgesehen ist.

b) Unionszollkodex (UZK): Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung eines Zollkodex der Union vom 09.10.2013 (Amtsblatt L 269/1, mit späteren Änderungen):

Art. 116

(1) Die Einfuhr- oder Ausfuhrabgabenbeträge werden unter den in diesem Abschnitt festgelegten Voraussetzungen aus jedem nachstehenden Grund erstattet oder erlassen:

a) zu hoch bemessener Einfuhr- oder Ausfuhrabgabenbetrag,

...

(6) Im Falle der Erstattung sind von den betreffenden Zollbehörden keine Zinsen zu zahlen.

...

II. Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage

Unionsrechtlich zweifelhaft ist, ob die Klägerin Zinsen auch für den Zeitraum ab Entrichtung der rechtswidrig vom beklagten Hauptzollamt nacherhobenen Einfuhrabgaben bis zur Erhebung ihrer Klage gegen die Nacherhebungsbescheide beanspruchen kann. Ein solcher Zinsanspruch findet im nationalen Recht keine Rechtsgrundlage. Auf die insoweit allein in Betracht kommende Vorschrift des § 236 Abs. 1 AO kann die Klägerin ihr Begehren nicht stützen, da diese Vorschrift lediglich einen Zinsanspruch für die Zeit ab Klageerhebung bis zur Erstattung der Einfuhrabgaben vermittelt; diesen Anspruch der Klägerin hat das beklagte Hauptzollamt im Übrigen auch bereits erfüllt. Der Erfolg der von der Klägerin erhobenen Klage ist somit davon abhängig, ob sie ihr Zinsbegehren auf den vom EuGH entwickelten unionsrechtlichen Zinsanspruch stützen kann. Der beschließende Senat hat allerdings Zweifel, ob die Voraussetzungen des vom EuGH aus dem unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz abgeleiteten Zinsanspruchs auch in einer Konstellation - wie hier - gegeben sind, wenn eine mitgliedstaatliche Behörde eine Abgabe unter Verletzung rechtsgültiger Vorschriften des Unionsrechts festsetzt und ein mitgliedstaatliches Gericht diesen Verstoß gegen das Unionsrecht feststellt.

III. Rechtliche Erwägungen des Senats

Der EuGH hat zuletzt mit Urteil vom 18.01.2017 (Wortmann, C-365/15, Tenor) entschieden, dass, werden Abgaben unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhoben, eine unionsrechtliche Pflicht der Mitgliedstaaten besteht, Rechtssuchenden, die einen Anspruch auf die Erstattung der entrichteten Beträge haben, diese ab dem Zeitpunkt ihrer Entrichtung zu verzinsen. Dieses Judikat des Gerichtshofs folgt einer Reihe von Entscheidungen, in denen der Gerichtshof die Mitgliedstaaten aus dem Unionsrecht verpflichtet hat, unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhobene Abgaben nicht nur zu erstatten, sondern dem Einzelnen auch die Einbußen aufgrund der mangelnden Verfügbarkeit von Geldbeträgen zu ersetzen (vgl. EuGH, Urteil vom 27.09.2012, Zuckerfabrik Jülich, verbundene Rechtssachen C-113/10, C-147/10 und C-234/10, Rz. 65; Urteil vom 18.04.2013, Irimie, C-565/11, Rz. 28). Die vorstehend erwähnten Urteile des EuGH weisen die Gemeinsamkeit auf, dass der Gerichtshof die nationale bzw. unionsrechtliche Rechtsgrundlage für die Abgabenpflicht wegen Verstoßes gegen das Unionsrecht für ungültig oder nichtig erklärt hat; die Erstattung der Abgaben beruhte jeweils auf einem Rechtssetzungsfehler des Mitgliedstaates bzw. der Union.

Der vorliegende Rechtsstreit ist demgegenüber dadurch gekennzeichnet, dass die Erstattung der Einfuhrabgaben nicht auf einem Rechtssetzungsfehler der Union oder des Mitgliedstaates beruhte, sondern darin begründet war, dass die mitgliedstaatliche Behörde das rechtsgültige Sekundärrecht der Union rechtsirrig - d.h. fehlerhaft - angewandt hatte; die Erstattung der Einfuhrabgaben beruhte - mit anderen Worten - auf einem Rechtsanwendungsfehler.

Der beschließende Senat hat bereits in seinem Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof vom 26.08.2020 (4 K 14/20) ausgeführt, dass er der Rechtsprechung des Gerichtshofs, wonach die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhobenen Abgaben zuzüglich Zinsen zu erstatten, den tragenden Gedanken entnimmt, dass die Wirkungen der Handlungen der Union bzw. der Mitgliedstaaten, erklärt der Gerichtshof diese Handlungen wegen Verstoßes gegen das Unionsrecht für ungültig oder nichtig, grundsätzlich nicht fortbestehen sollen (arg. e contrario Art. 264 UAbs. 2 AEUV). In Konsequenz dieser Erwägung hat der Einzelne nicht nur einen Anspruch auf Erstattung der zu Unrecht erhobenen Abgaben, sondern auch einen Anspruch auf Zahlung der entsprechenden Zinsen (vgl. EuGH, Urteil vom 27.09.2012, Zuckerfabrik Jülich, verbundene Rechtssachen C-113/10, C-147/10 und C-234/10, Rz. 65; in diesem Sinne bereits EuGH, Urteil vom 12.12.2006, Test Claimants in the FII Group Litigation, C-446/04, Rz. 205). Denn nur so dürfte der Zustand wiederhergestellt werden, der bestanden hätte, wenn der Rechtsakt zur Durchführung der später für ungültig oder nichtig erklärten Unionsverordnung bzw. zur Umsetzung des mit dem Unionsrecht unvereinbaren mitgliedstaatlichen Steuergesetzes nicht erlassen worden wäre (vgl. insoweit auch Schlussantrag des Generalanwalts Sánchez-Bordona, C-365/15, Rz. 66).

Im Ausgangsfall dürfte es dagegen nicht darum gehen, die volle Wirksamkeit des Unionsrechts wiederherzustellen, sondern eine Einzelfallentscheidung einer mitgliedstaatlichen Behörde zu korrigieren, die das einschlägige und rechtsgültige Sekundärrecht der Union in einem konkreten Einzelfall unzutreffend angewandt hat. Ob und unter welchen Bedingungen die Korrektur einer Einzelfallentscheidung erfolgt, dürfte indes vornehmlich dem nationalem Recht vorbehalten sein, das im konkreten Fall dem Rechtsschutzsuchenden lediglich einen Anspruch auf Prozesszinsen für den Zeitraum ab Klageerhebung gegen die rechtswidrige Nacherhebung bis zur Erstattung der entrichteten Abgaben gewährt.

Allerdings hat der EuGH in der Rechtssache Littlewoods Retail u.a. (Urteil vom 19.07.2012, C-591/10), die einen Fall betraf, in dem ein Steuerpflichtiger Mehrwertsteuer zu viel gezahlt hat, die der Mitgliedstaat entgegen den Anforderungen der unionsrechtlichen Mehrwertsteuervorschriften erhoben hatte, ebenfalls erkannt, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhobenen Steuerbeträge zuzüglich Zinsen zu erstatten (Rz. 26). Im Ausgangsverfahren der Rechtssache Littlewoods Retail u.a. beruhte der Verstoß gegen das Unionsrecht weder auf einer Bestimmung des nationalen Rechts noch des Unionsrechts, die später vom EuGH für unanwendbar oder nichtig erklärt wurde. Der Verstoß gegen das Unionsrecht bestand in einer irrtümlich zu hoch angesetzten Besteuerungsgrundlage (vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 12.01.2012 in der Rechtssache C-591/10, Rz. 6) und wurde auch nicht vom EuGH selbst festgestellt, sondern beruhte allein auf den Erkenntnissen der mitgliedstaatlichen Behörde bzw. des mitgliedstaatlichen Gerichts. Der EuGH hat zudem in der Rechtssache Wortmann betont, dass es "Sache des vorlegenden Gerichts" sei zu prüfen, ob Abgaben unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhoben worden seien (vgl. Urteil vom 18.01.2017, Wortmann, C-365/15, Rz. 39). Auch dieser Ausspruch könnte dafür streiten, dass ein Verstoß gegen das Unionsrecht als Voraussetzung des vom EuGH entwickelten unionsrechtlichen Zinsanspruchs auch gegeben ist, wenn die mitgliedstaatliche Behörde die Abgabe unter Verletzung rechtsgültiger Vorschriften des Unionsrechts festsetzt und das nationale Gericht diesen Verstoß gegen das Unionsrecht feststellt.

Es kommt hinzu, dass der vom EuGH mehrfach hervorgehobene Gesichtspunkt der Kompensation der Vermögensnachteile, die der Einzelne aufgrund der mangelnden Verfügbarkeit von Geldbeträgen erlitten hat (vgl. EuGH, Urteil vom 27.09.2012, Zuckerfabrik Jülich, verbundene Rechtssachen C-113/10, C-147/10 und C-234/10, Rz. 65; Urteil vom 18.04.2013, Irimie, C-565/11, Rz. 21), gleichermaßen auf Sachverhalte zutrifft, in denen der Einzelne in rechtswidriger Weise mit Abgaben belastet wird, weil die mitgliedstaatliche Behörde das Unionsrecht falsch angewandt hat. Für den Abgabenpflichtigen dürfte es keinen Unterschied machen, ob er Abgaben aufgrund einer unionsrechtswidrigen Verordnung oder Norm oder aber aufgrund einer - wie hier - schlicht (unions-)rechtswidrigen, weil fehlerhaften zollbehördlichen Entscheidung geleistet hat. In beiden Sachverhaltsvarianten steht dem Einzelnen der erhobene Geldbetrag nicht zur Verfügung, den er hätte frei nutzen können, wenn die Zollbehörden das Unionsrecht zutreffend angewandt hätten.

Der Senat hat ferner erwogen, dass der Grund für die Zuerkennung von Zinsen nach der Rechtsprechung des EuGH wohl auch in einem Bereicherungsverbot liegt (vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston vom 27.10.2011 in den verbundenen Rechtssachen C-113/10, C-147/10 und C-234/20, Zuckerfabrik Jülich u.a., Rz. 125). Wenn der Mitgliedstaat von einem Wirtschaftsbeteiligten einen Betrag erhebt, auf den der Mitgliedstaat keinen Rechtsanspruch hat, ist dieser ungerechtfertigt bereichert. Diese ungerechtfertigte Bereicherung des Mitgliedstaates tritt aber unabhängig davon ein, aus welchem Grund der unberechtigte Vermögenszuwachs auf Seiten des Mitgliedstaates entstanden ist.

Der beschließende Senat hat schließlich bedacht, dass der EuGH in seinem Urteil vom 18.01.2017 (Wortmann, C-365/15) Sachverhalte aufgezeigt hat, bei denen eine spätere Korrektur der zunächst in nicht zutreffender Höhe festgesetzten Abgaben keinen Zinsanspruch auslöst (Rz. 29 ff. des Urteils). Diesen Sachverhalten ist freilich gemein, dass die Neuberechnung der Abgaben auf der Grundlage nachträglicher Informationen erfolgt. Im Ausgangsfall erfolgte die Erstattung der Abgaben jedoch nicht aufgrund nachträglicher tatsächlicher Informationen, sondern in Umsetzung der gerichtlichen Entscheidung des mitgliedstaatlichen Gerichts, das den behördlichen Nacherhebungsbescheid aufgehoben hatte, weil die mitgliedstaatliche Behörde das einschlägige Unionsrecht fehlerhaft angewandt hatte.

Angesichts der vorstehend dargelegten Zweifel an der Auslegung des einschlägigen Unionsrechts hat der Senat beschlossen, dem EuGH die im Tenor genannte Frage im Wege des Vorabentscheidungsersuchens vorzulegen.

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