LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 12.05.2020 - 2 Sa 180/19
Fundstelle
openJur 2020, 48273
  • Rkr:

1. Ein Arbeitnehmer, der eine Rechnung als sachlich und rechnerisch richtig zeichnet, ohne eine dementsprechende Prüfung durchgeführt zu haben bzw. in dem Wissen, dass dieses nicht zutrifft, haftet für einen Schaden, der durch die Begleichung der Rechnungssumme entsteht.

2. Ein derartiges Verhalten erfüllt zumindest die Voraussetzungen der groben Fahrlässigkeit, welche regelmäßig eine volle Haftung bewirkt (BAG, Urteil vom 15. November 2012 – 8 AZR 705/11 – juris, Rn. 25 = ZTR 2013, 271-273 = AP Nr. 137 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers).

3. Der gleiche Schutzzweck kann Verpflichtungen zu Gesamtschulden verbinden, gleichgültig, ob die Schutzansprüche eine gesetzliche oder vertragliche Grundlage haben (BAG, Urteil vom 27.03.1969 – VII ZR 165/66 – juris, Rn. 16 ff. = BGHZ 52, 39-47 = NJW 1969, 1165).

Tenor

1. Die Berufung wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatz.

Die Klägerin ist die deutsche Tochtergesellschaft eines international im non-food-Bereich agierenden Konzerns mit der Muttergesellschaft in den Niederlanden, der in Europa über 850 Filialen betreibt. Die Klägerin verfügt an ihrem Sitz in A-Stadt über eine eigene Verwaltung, die das in Deutschland bestehende Filialnetz betreut und ausbaut und dabei unter anderem mittels Beauftragung von externen Baufirmen die bauliche Vorbereitung und Ertüchtigung neuer Filialen vornimmt. Dabei erfolgt die Beauftragung externer Gewerkerbringer durch die bei der Klägerin bestehende Abteilung „Construction“.

Die in dieser Abteilung tätigen Projektmanager leiten die ihnen übertragenen Baustellen eigenverantwortlich von der Konzeption und Evaluierung der notwendigen Gewerke über die Auftragsvergabe, die Gewerkerbringung durch Dritte und deren Kontrolle, der Abnahme erbrachter Leistungen sowie der Kontrolle und Freigabe diesbezüglich durch die Gewerkerbringer erteilter Rechnungen.

Der Beklagte war aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages (Anlage K 1 zum klägerischen Schriftsatz vom 07.06.2018, Blatt 44, 45 der Akte) ab dem 01.03.2016 bei der Klägerin als Projektmanager Construction mit Dienstsitz Homeoffice in C-Stadt zu einem jährlichen Bruttoentgelt in Höhe von 50.400,00 Euro nebst Bonuszahlung beschäftigt. Der Beklagte hatte erforderliche Projektleistungen zu planen, den erforderlichen Ressourceneinsatz im Rahmen eines von ihm vorab genehmigten Projektbudgets zu strukturieren und zu verantworten, dabei insbesondere die Einhaltung des Kostenrahmens und den Leistungsfortschritt zu überwachen. Hierzu hatte er als Projektmanager die Projekte durch Terminierung der Gewerkleistungen und Überwachung derselben transparent zu gestalten und die Einhaltung entsprechender Termine durch regelmäßige Kontrolle sicherzustellen. Er war u.a. dafür zuständig, die bauseitige Herrichtung und Ertüchtigung (Abbruch- und Aufbauarbeiten sowie technische Installation von Lüftung, Heizung, Sanitär etc.) künftiger Filialen zu betreuen. Er hatte Drittunternehmen als Werkerbringer in den einzelnen Filialstandorten zu beauftragen, zu kontrollieren, die zugrunde liegenden Leistungsverzeichnisse zu gewährleisten und hierauf beruhende Abrechnungen auf deren sachliche und rechnerische Richtigkeit zu prüfen.

Der Rechnungsprüfungsprozess bei der Klägerin sieht ein Vier-Augen-Prinzip vor. Die Verantwortung für die sachliche und rechnerische Prüfung der im Rahmen des Projektbudgets abzurechnenden Leistungen der beauftragten Werkerbringer liegt in der Verantwortung des jeweiligen Projektmanagers als Erstprüfer. Bestätigt der Projektmanager in seiner Funktion als Erstprüfer die sachliche und rechnerische Richtigkeit der durch die Werkerbringer eingereichten Rechnungen und gibt er sie damit frei, erfolgt durch den sogenannten Zweitprüfer, den Vorgesetzten des Projektmanagers, eine sogenannte Plausibilitätskontrolle und dieser gibt bei positivem Ergebnis derselben die Rechnung ebenfalls frei. Bezüglich der Projekte des Beklagten war der Zeuge R. als ehemaliger Vorgesetzter des Beklagten auf der zweiten Stufe dafür verantwortlich, die vom Beklagten freigegebenen Rechnungen auf ihre Budgetkonformität zu prüfen.

Anfang Januar 2018 stellt die Klägerin fest, dass in ihrer Filiale in H. keine funktionierende Lüftungsanlage eingebaut war, obgleich eine derartige Leistung durch den Beklagten beauftragt und eine diesbezügliche Abrechnung durch den Beklagten zur Zahlung freigegeben worden war. Im Zuge daraufhin durchgeführter weiterer Recherchen stellte die Klägerin fest, dass sie nach entsprechender Freigabe durch den Beklagten Rechnungen von Gewerkerbringern beglichen hatte, obgleich die abgerechneten Leistungen nicht erbracht worden waren. Die Klägerin kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 22.01.2018 (Anlage K 2 zum klägerischen Schriftsatz vom 07.06.2018, Blatt 51 der Akte) außerordentlich mit sofortiger Wirkung, hilfsweise fristgemäß zum nächst möglichen Termin. Mit Schreiben vom 26.03.2018 (Anlage K 7 zum klägerischen Schriftsatz vom 07.06.2018, Blatt 138, 139 der Akte), dem Beklagten am 28.03.2018 zugegangen, forderte die Klägerin von dem Beklagten wegen nichterbrachter Leistungen an die Firma Ladenbau – Hochbau - Brandschutz, T. S. geleistete Zahlungen einen Schadenersatz in Höhe von 263.561,27 Euro bis zum 04.04.2018.

In vorliegendem Verfahren schlüsselte die Klägerin diese Summe wie folgt auf:

lfd NrFilialeRechnungs-datumRechnungs-nummerRechnungs-betragUnber. RechnungspositionenSchaden1        B.     12.05.172017-05-12-Na-113.683,13insg.  13.683,132        M.     11.07.172017-07-11-Rep3.783,58insg.  3.783,583        M.     09.09.172017-09-09-Na-25.589,00insg.  5.589,004        P.B. 11.07.172017-07-11-Na11.211,50insg. 11.211,505        P.B. 09.09.172017-09-09-Na-34.132,39insg. 4.132,396        P.B. 25.05.172017-05-2535.908,2801.4, 01.8, 01.11,01.1725.749,677        B.     22.03.172017-03-2129.510,8101.3, 01.4, 01.6,01.9, 01.1025.797,538        L.     04.05.172017-05-04-Na10.603,9601.5   1.000,009        R.     01.05.172017-05-01-Ro32.742,08insg. 32.742,0810     A.     26.05.172017-05-2625.048,1601.1, 01.5, 01.619.803,0011     H.     02.06.172017-060241.147,6901.1, 01.4, 01.6,01.8, 01.1134.216,0912     N.     31.03.172017-03-3125.065,1001.4, 01.616.623,1013     W.     01.05.172017-05-0132.411,6301.9, 01.10, 01.11,01.1324.316,0814     H.     29.6.172017-06-2926.716,4601.1   19.972,8015     G.     17.8.172017-08-1724.941,32insg. 24.941,32        Gesamtschaden                                263.561,27

Die in den unter laufenden Nummern 1, 7 (Position 1.3, 1.4, 1.6, 1.9, 1.10), 8 (Position 1.5), 9, 12 (Positionen 1.4, 1.6), 13 (Positionen 1.9, 1.10, 1.11, 1.13) und 15 aufgeführten Leistungen hat die Firma Ladenbau – Hochbau – Brandschutz T. S. unstreitig nicht erbracht. Dennoch wurden die Rechnungen durch die Klägerin in voller Höhe beglichen.

Ob die in den Rechnungen unter laufenden Nummern 2, 3, 4, 5, 6 (Positionen 1.4, 1.8, 1.11, 1.7), 10 (Positionen 1.1, 1.5, 1.6), 11 (Positionen 1.1, 1.4, 1.6, 1.8, 1.11) und 14 (Position 1.1) genannten Leistungen erbracht wurden bzw. die Begleichung der unter laufenden Nummern 4 und 5 genannten Rechnungen nicht für die darin genannten Leistungen, sondern aus anderen Gründen geschah, ist zwischen den Parteien erstinstanzlich streitig gestellt worden.

Die Klägerin hat ihre gegenüber dem Beklagten erhobene Schadensersatzforderung in Höhe von 263.561,27 Euro mit der Behauptung begründet, sämtliche Leistungen der in ihrer Aufstellung genannten Rechnungen bzw. Rechnungspositionen seien tatsächlich nicht erbracht. Der Beklagte habe gemeinschaftlich mit der Ladenbau – Hochbau - Brandschutz T. S. mit direktem Vorsatz zu ihren Lasten betrügerisch tatsächlich nicht erbrachte Leistungen abgerechnet und unter Ausnutzung der klägerinternen Rechnungsfreigabeabläufe eine ungerechtfertigte Auszahlung an die Ladenbau – Hochbau – Brandschutz T. S. veranlasst. Damit habe der Beklagte ihre Vermögensinteressen verletzt und haftungsbegründend kausal einen Schaden rechtswidrig sowie vorsätzlich bewirkt. Auf das vorsätzliche Handeln des Beklagten seien die Grundsätze einer privilegierten Arbeitnehmerhaftung nicht anwendbar. Sein Vorsatz habe auch die Zahlungsveranlassung und damit die Schadensverursachung umfasst. Bezüglich des durch rechnungsbezogene Auszahlung für sie entstandenen Schadens treffe sie kein Mitverschulden. Das von ihr eingesetzte „Vier-Augen-Prinzip“ bezwecke, grundsätzlich mögliche Fehlabrechnungen zu erkennen und diesbezügliche Zahlungsveranlassung zu verhindern. Sie habe den Beklagten im Rahmen des ihr Zumutbaren und Üblichen überwacht und zur ordnungsgemäßen Vertragserfüllung angehalten.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 263.565,87 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 05.03.2018 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, allein die Klägerin habe die Begleichung der streitbefangenen Rechnungen zu vertreten. Insoweit sei entscheidend, dass sein Vorgesetzter R. die Bezahlung der Rechnungen angewiesen habe. Dieser sei veranlasst und verpflichtet gewesen, obgleich er – der Beklagte – die Rechnungen freigegeben hatte, diese zu überprüfen und habe mit ihm – dem Beklagten – Rücksprache halten müssen, ob tatsächlich die Voraussetzungen zur Bezahlung der Rechnungen vorlägen.

Mangels eines schriftlichen Vertrages sei ihm eine Prüfung, ob die vertraglichen Leistungen erbracht seien, nicht möglich gewesen. Seine Vorgesetzten R. und F. seien über den Stand der Bauarbeiten in den Filialen generell informiert gewesen, wie auch über die Tatsache, dass Rechnungslegungen erfolgten, bevor die Leistungen erbracht worden waren und hätten keine Einwände erhoben.

Der Vorwurf eines betrügerischen Verhaltens sei allein mit Vorlage der Rechnungen und der Behauptung, dass die Leistungen nicht oder mangelhaft erbracht seien, nicht ausreichend belegt. Die Klägerin müsse sich auch zu der Tatsache äußern, dass bis auf die Filialen R. und G. alle anderen Filialen von ihr betrieben werden bzw. wurden, so dass die Bauarbeiten in diesen Filialen offensichtlich beendet worden seien. Auch werde die Klägerin darzulegen haben, weshalb sie von ihm vor Bezahlung der Rechnungen nie ein Abnahmeprotokoll gefordert habe. Die Klägerin könne sich nicht auf gravierende Verstöße gegen vertragliche Haupt- und Nebenpflichten berufen, weil diese im Arbeitsvertrag nicht konkret festgehalten seien. Nur bei Vereinbarung derartiger Pflichten hätte er eine Verletzung derselben zu vertreten. Die beauftragten Firmen seien alle mit hohen Materialkosten in Vorleistung gegangen, so dass auf deren Wunsch hin die Verfahrensweise der Rechnungslegung und Bezahlung so gewesen sei, dass die Begleichung durch die Klägerin schon erfolgte, bevor es Abnahmeprotokolle gab.

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschlüssen vom 1. März 2019 (Blatt 259 ff der Akte) und 29. April 2019 (Blatt 277 der Akte). Wegen deren Inhalt wird ausdrücklich auf die Beschlüsse verwiesen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 14.05.2019 (Blatt 282 ff. der Akte) Bezug genommen.

Mit Urteil vom 09.07.2019 hat das Arbeitsgericht Stralsund der Klage im Umfang von 170.963,83 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.04.2018 stattgegeben. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Zur Begründung der Klagestattgabe hat es ausgeführt, der Klägerin stehe ein Schadensersatz in ihr zugesprochener Höhe wegen Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten durch den Beklagten nach §§ 611, 280 Abs. 1 BGB zu. Jedenfalls habe die Klägerin aufgrund der Rechnungsfreigabe durch den Beklagten Zahlungen in Höhe von 170.963,83 Euro erbracht, ohne dass den Zahlungen eine berechtigte Forderung gegenübergestanden hätte. Es handele sich um die Zahlungen wegen folgender Rechnungen:

        FilialeRechnung vomunberechtigte Forderung1.    B. S. 12.05.201713.683,132.     M.     11.07.20173.783,583.     M.     09.09.20175.589,004.     P. B.11.07.201711.211,505.     P. B.09.09.20174.132,396.     P. B.25.05.20173.417,517.     B.     22.03.201725.797,538.     L.     04.05.20171.000,-9.     R.     01.05.201732.742,0810.      A.     26.05.2017160,0011.      H.     02.06.20173.566,6112.      N.     31.03.201716.623,1013.      W.     01.05.201724.316,0814.      H.     29.06.20170,-     15.      G.     17.08.201724.941,32                Summe:170.963,83

Der Beklagte habe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vorgenannte Rechnungspositionen als sachlich und rechnerisch richtig freigegeben, ohne dass eine entsprechende Leistung zuvor erbracht worden sei. Eine Haftungsprivilegierung sei wegen der grob fahrlässigen Verhaltensweise des Beklagten unter Berücksichtigung der Gesamtumstände nicht vorzunehmen. Selbst wenn der Beklagte einem hohen zeitlichen Druck ausgesetzt gewesen sei und eine oberflächliche Rechnungsprüfung intern nicht beanstandet wurde, liege ein Verstoß gegen vertragliche Pflichten in grober Weise vor, wenn eine komplette Rechnung freigegeben werde, obgleich keine der abgerechneten Leistungen tatsächlich erbracht wurde. Dem Kläger müsse klar gewesen sein, dass Überzahlungen im vierstelligen Bereich und darüber hinaus einen nicht hinnehmbaren Schaden für die Klägerin darstellten und er gerade dafür eingestellt gewesen sei, selbiges zu vermeiden.

Die Beweisaufnahme habe die Behauptung des Beklagten, es sei im klägerischen Unternehmen zulässig gewesen, Soll und Haben eines Drittunternehmens über mehrere Projekte hinweg zu verrechnen, nicht bestätigt.

Auch sei es dem Beklagten nicht gelungen, etwaige Gegenrechte des Zeugen S. darzulegen, die einer Überzahlung entgegenstehen könnten. Der Kläger hafte neben dem Zeugen S. gesamtschuldnerisch.

Gegen dieses ihm am 17.07.2019 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit am 16.08.2019 per Fax beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der ihm mit Beschluss vom 18.09.2019 verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit am 17.10.2019 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom selben Tage begründet.

Mit der Berufung rügt der Beklagte ungenügende Sachaufklärung und fehlerhafte Wertung der Pflichtenlage in Bezug auf die Prüfung der Rechnungen der Auftragnehmer. Der Beklagte meint, die Beweisaufnahme habe keinesfalls eindeutig ergeben, dass einerseits der Klägerin Schaden in der geltend gemachten Höhe entstanden sei und andererseits er allein dafür verantwortlich sei, wenn von einem Schaden auf den einzelnen Baustellen überhaupt ausgegangen werden könne. Die Weiterleitung der Rechnungen, obwohl teilweise die Leistungen noch nicht voll erbracht oder gar nicht erbracht waren, sei dem Umstand geschuldet, dass eine entsprechende Abstimmung zwischen der Klägerin und den Auftragnehmern darüber vorgelegen habe, dass wegen des Zahlungszieles von 60 Tagen und der erheblichen Materialvorleistungen der Auftragnehmer auch Rechnungen schon vor Erbringung der Leistungen hätten gelegt werden können. Dies sei der wesentliche Grund für seine Rechnungsfreigabe gewesen. Wegen der Verantwortlichkeit des Zeugen R. für die Bezahlung der Rechnungen liege eine Mitverantwortung der Klägerin für den behaupteten Schaden vor. Das Arbeitsgericht habe sich mit seinem Einwand, dass die Klägerin ihm betrügerisches Verhalten hätte nachweisen müssen, nicht auseinandergesetzt. Weshalb die Klägerin vor Anweisung der Bezahlung der Rechnungen keine Abnahmeprotokolle verlangt habe, sei vom Arbeitsgericht nicht geklärt worden.

Auch habe sich das Arbeitsgericht mit der Auffassung des Bundesarbeitsgerichtes über die Voraussetzungen der Haftungsbegrenzung nicht auseinandergesetzt. Ihm sei weder vorsätzliches noch grob fahrlässiges Verhalten bei der Erledigung seiner Arbeitspflichten nachgewiesen. Die Einschätzung der massiven Pflichtverletzung im Sinne grober Fahrlässigkeit durch das Arbeitsgericht sei fehlerhaft. Ihm könne allenfalls normale Schuld angelastet werden mit der Folge, dass ein nachgewiesener Schaden zwischen den Parteien quotal zu verteilen wäre. Das Arbeitsgericht habe es versäumt, darauf hinzuwirken, dass die Klägerin die genaue Höhe der behaupteten Schäden nachweise. Allein durch das Auflisten der Rechnungen, für die keine Leistungen erbracht wurden, sei der Nachweis für die Höhe des Schadens nicht erbracht, besonders deshalb nicht, weil sehr viele Baustellen mit seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis noch nicht beendet gewesen seien, so dass von einem endgültigen Schaden in diesen Filialen nicht gesprochen werden könne. Wenn Rechnungen für nicht erbrachte Leistungen gelegt wurden und eine Kompensation durch die Leistungserbringung auf anderen Baustellen nicht habe erfolgen können, habe die Klägerin von den jeweiligen Auftragnehmern Gutschriften erhalten. In diesem Zusammenhang hat der Beklagte in entsprechender Anwendung des § 424 ZPO den Antrag gestellt, die Klägerin zu verpflichten, die ab Mitte 2016 gefertigten Abnahmeprotokolle und die Kostenschätzungen für die jeweils zu erbringenden Bauleistungen vorzulegen.

Der Beklagte vertritt die Auffassung, das Ergebnis der Beweisaufnahme rechtfertige das Urteil nicht, denn die Erklärungen der einzelnen Zeugen seien nicht ausreichend bzw. geeignet, zu der Feststellung zu gelangen, dass er den von der Klägerin behaupteten Schaden in diesem Umfang durch vorsätzliche oder grob fahrlässige Pflichtverletzung verursacht habe. Das Arbeitsgericht habe nicht beachtet, dass er auf den Baustellen mangels Vorliegens schriftlicher Verträge nie exakt habe kontrollieren können, ob die bis dahin erbrachten Leistungen dem Vertragsinhalt entsprochen hätten.

Der Beklagte wiederholt zu einzelnen Bauvorhaben seinen Vortrag aus dem erstinstanzlichen Schriftsatz vom 20.07.2018 nebst der darin benannten Beweisantritte und meint, die genannten Zeugen seien auf jeden Fall nochmals zu hören, da sie vom Arbeitsgericht zu diesen Vorträgen nicht befragt worden seien.

Der Beklagte beantragt:

1. Auf die Berufung hin wird das Urteil vom 09.07.2019 zum Aktenzeichen 13 Ca 229/18 aufgehoben.

2. Die Klage wird kostenpflichtig abgewiesen.

Die Klägerin beantragt:

Die Berufung wird kostenfällig zurückgewiesen.

Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil und vertritt die Auffassung, die Rüge des Beklagten zu einer ungenügenden Sachaufklärung und fehlerhaften Wertung der Pflichtenlage in Bezug auf die Prüfung der Rechnungen der Auftragnehmer sowie die erstinstanzlich getroffenen Feststellungen zur Höhe des zu ersetzenden Schadens entsprächen nicht den Anforderungen ordnungsgemäßer Berufungsbegründung und hätten daher unberücksichtigt zu bleiben. Die von der Vorinstanz festgestellten Tatsachen seien auch für das Berufungsgericht maßgeblich. Gründe für eine Abweichung von den erstinstanzlichen Feststellungen lägen nicht vor. Auch die Bewertung der Beweisaufnahme vom 14.05.2019 durch das Arbeitsgericht Stralsund sei nicht zu beanstanden. Die Ausführungen des Beklagten entbehrten jeglicher Auseinandersetzung mit den vom Arbeitsgericht Stralsund insoweit getroffenen Feststellungen und Wertungen und erschöpften sich in wortwörtlicher Wiederholung erstinstanzlichen Vortrages. Soweit der Beklagte erstmals in der Berufungsbegründung behauptet, „sehr viele Baustellen“ seien mit seinem Ausscheiden aus dem Unternehmen noch nicht beendet gewesen, „so dass von einem endgültigen Schaden in diesen Fällen nicht gesprochen werden“ könne, sei kein Grund ersichtlich, der ihn gehindert haben könnte, dieses bereits in erster Instanz vorzutragen, so dass dieser Vortrag nicht zugelassen werden dürfe. Darüber hinaus sei die Behauptung unsubstantiiert und als „ins Blaue hinein“ nicht einlassungsfähig. Auch die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gehe ins Leere. Die Einordnung der Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten des Beklagten als (mindestens) grob fahrlässig, sei nicht zu beanstanden. Auch treffe sie kein Mitverschulden. Eine „Doppelbesetzung“ im Sinne doppelter Prüfung, ob Leistungen tatsächlich erbracht worden, habe bei ihr nicht bestanden und sei angesichts mangelnder Komplexität der von dem Beklagten vorzunehmenden Prüfungen weder angezeigt noch erforderlich. Es lägen keine Anhaltspunkte vor, von dem regelmäßigen Ausschluss der Haftungsprivilegierung bei grober Fahrlässigkeit abzuweichen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 12.05.2020 Bezug genommen.

Gründe

I.

Die statthafte Berufung ist sowohl form- wie auch fristgerecht und begründet worden. Sie ist zulässig, jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht Stralsund hat der Klage im zuerkannten Umfang zu Recht und mit zutreffender Begründung stattgegeben.

II.

Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein vertraglicher Schadensersatzanspruch in Höhe von 170.963,82 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.04.2018 gemäß §§ 611, 280 Abs. 1 BGB iVm § 619 a BGB zu.

Der Beklagte hat die ihm obliegenden arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt, indem er seitens der Ladenbau – Hochbau – Brandschutz T. S. erstellte Rechnungen bzw. Rechnungspositionen als sachlich und rechnerisch richtig freigegeben hat für Leistungen, die tatsächlich nicht erbracht waren. Dabei ist unerheblich, ob eine diesbezügliche Verpflichtung arbeitsvertraglich ausdrücklich festgehalten ist. Ein Arbeitnehmer in der Position des Beklagten weiß, was es bedeutet, eine Rechnung als sachlich und rechnerisch richtig zu zeichnen und dass dies wahrheitsgemäß zu erfolgen hat. Eine dementsprechende Belehrung – etwa in einem Arbeitsvertrag – erübrigt sich. Wenn ein Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber vorgibt, eine Rechnung als sachlich und rechnerisch richtig geprüft zu haben, ohne dass diese Prüfung tatsächlich erfolgt ist, gibt der Arbeitnehmer vor, eine Arbeitsleistung, nämlich eine Rechnungsprüfung durchgeführt zu haben, obgleich dies nicht zutrifft und seine Angabe ist damit wahrheitswidrig. Damit ist nicht nur eine Nichtleistung gegeben in Form der Nichterfüllung arbeitsvertraglicher Pflichten zur Rechnungsprüfung, sondern der Beklagte hat gleichzeitig über die Pflichtenerfüllung getäuscht in dem Bewusstsein, dass er mit der Rechnungsfreigabe eine Rechnungsbegleichung erwirkt. Damit hat er seine Pflicht, im Rahmen seiner Möglichkeiten und seinem Arbeitsbereich Schäden vom Arbeitgeber abzuwenden gravierend verletzt. Zu berücksichtigen ist, dass kein Einzelfall vorliegt, sondern für 14 im Zeitraum 31.03.2017 bis 09.09.2017 seitens der Ladenbau – Hochbau – Brandschutz T. S. erstellten Rechnungen bzw. darin enthaltene Rechnungspositionen geht, für welche das Arbeitsgericht eine Pflichtverletzung festgestellt hat.

Indem die Klägerin durch die entsprechende Rechnungsfreigabe durch den Beklagten die Rechnungen beglichen hat, ohne die abgerechnete Gegenleistung erhalten zu haben, ist ihr ein kausaler Schaden entstanden. Sie hat durch die Rechnungsbegleichung eine Vermögensverfügung getroffen, die mangels Erhalt der Gegenleistung zu einer nicht ausgeglichenen Vermögensminderung geführt hat. Soweit im erstinstanzlichen Urteil bezüglich bestimmter Rechnungen bzw. Rechnungspositionen die fehlende Leistungserbringung als unstreitig dargestellt ist, ist der Klägerin zuzugestehen, dass aufgrund der Tatbestandswirkung auch das Berufungsgericht davon auszugehen hat, dass insoweit eine Leistungserbringung nicht erfolgt ist. Es gilt die Beweiskraft des Tatbestandes (§314 ZPO). Der Beklagte hat mit seiner Berufung keinerlei Tatsachen vorgetragen, welche Anhaltspunkte liefern könnten, die geeignet sind, Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen der ersten Instanz zu begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Damit sind gemäß § 529 Abs. 1 ZPO die vom Gericht des ersten Rechtszuges als unstreitig festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen.

Soweit die fehlende Leistungserbringung erstinstanzlich streitig war, ist das Arbeitsgericht Stralsund mit zutreffender Bewertung der durchgeführten Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, dass auch wie von ihm ausgeurteilt eine Schadensverursachung vorliegt.

Hinsichtlich der Rechnungen vom 11.07.2017 und 09.09.2017 zu laufender Nummer 2 und 3 der Aufstellung hat sich das Gericht auf die Aussage des Zeugen S. gestützt, wonach er keine Reparaturarbeiten, sondern lediglich Reinigungsarbeiten am Dach ausgeführt, sich nicht mit der Dachabdichtung befasst habe, was von dem Zeugen V. glaubhaft bestätigt worden sei. Bezüglich der Rechnungen unter laufender Nummer 4 und 5 vom 11.07.2017 und 09.09.2017 hat sich das Gericht ebenfalls auf die übereinstimmenden Aussagen der Zeugen S. und V. bezogen und darauf abgestellt, dass es dem Beklagten nicht gelungen sei, etwaige Gegenrechte des Zeugen S. zu einer etwaigen Kompensation darzustellen. Gleiches gilt für die unter laufender Nummer 6 genannte Rechnung vom 25.05.2017 bezüglich der Positionen 1.1, 1.11 und 1.17.

Bezüglich der Rechnung zu laufender Nummer 10 hat sich das Arbeitsgericht wegen der Position 1.1 (160,00 Euro) auf eine detaillierte und widerspruchsfreie Aussage des Zeugen R. gestützt, welche durch den Zeugen S. bestätigt sei. Bezüglich der unter laufender Nummer 11 dargestellten Rechnung Positionen 1.6 (1.177,50 Euro) und Position 1.11 (2.389,11 Euro) hat sich das Arbeitsgericht ebenfalls auf die Aussage des Zeugen S. berufen, die sich mit weiteren Zeugenaussagen decke. Wegen der unter laufender Nummer 15 dargestellten Rechnung ist das Arbeitsgericht Stralsund davon ausgegangen, dass dem Beklagten der Nachweis seiner Behauptung, mit dem Zeugen R. sei die Freigabe vereinbart gewesen und dieser habe die Bezahlung deshalb zu verantworten, nicht gelungen sei. Der Zeuge S. habe im Gegenteil angegeben, vor Dezember 2017 nicht mit dem Zeugen R. korrespondiert zu haben und auch der Zeuge R. habe die Behauptung nicht bestätigt.

Schließlich ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass dem Beklagten nach der Beweisaufnahme auch der Nachweis seiner Behauptung, es sei im Unternehmen der Beklagten zulässig gewesen, Soll und Haben eines Drittunternehmens über mehrere Projekte hinweg zu verrechnen, nicht gelungen sei. Insoweit hat sich das Arbeitsgericht auch auf die Aussagen der Zeugen S. und R. bezogen und ist danach davon ausgegangen, dass die Behauptung des Beklagten widerlegt sei.

Das Berufungsvorbringen des Beklagten ist nicht geeignet, die vom Arbeitsgericht vorgenommene Beweiswürdigung in Zweifel zu ziehen. Dem Beklagtenvorbringen ist nicht zu entnehmen, was an den Aussagen der Zeugen unzutreffend sein soll oder aus welchen Gründen die seitens des Arbeitsgerichtes aus den Aussagen gezogenen Schlussfolgerungen fehlerhaft sein könnten. Dem Berufungsvorbringen ist nicht zu entnehmen, an welchen Stellen welche Zeugenaussage weder nachvollziehbar noch plausibel oder gar widerspruchsbehaftet sein soll. Der Beklagte hat keinerlei Anhaltspunkte dargetan, welche an der Richtigkeit der Aussagen Zweifel wecken könnten. Der Beklagte trägt auch keinerlei Anhaltspunkte vor, die geeignet sind, die Glaubwürdigkeit der Zeugen infrage zu stellen. Der alleinige Umstand, dass sie in einem Vertragsverhältnis zur Klägerin stehen, genügt nicht, um davon ausgehen zu können, sie hätten die Unwahrheit gesagt. Es besteht nämlich nicht der allgemeine Erfahrungssatz, dass jede Aussage eines Arbeitnehmers in einem unter Beteiligung seines Arbeitgebers geführten gerichtlichen Verfahren unglaubhaft sei.

Soweit der Beklagte meint, der Nachweis für sein Vertretenmüssen sei durch die Beweisaufnahme nicht erbracht, ist darauf hinzuweisen, dass sich die Beweisthemen nicht hierauf bezogen, sondern allein auf eine Leistungserbringung bzw. Kompensation bzw. zu Vereinbarungen einer Rechnungstellung trotz Nichterfüllung. Insoweit wird auf die Beweisbeschlüsse vom 01.03.2019 und 29.04.2019 und den darin angegebenen Beweisthemen verwiesen.

Die pauschalen, knappen Einwände der Berufungsbegründung gegen die erstinstanzliche Beweiswürdigung geben keine Veranlassung, die Beweisaufnahme zu wiederholen. Es ist darauf hinzuweisen, dass die mit der Berufungsbegründung seitens des Beklagten wiederholt angebotenen Zeugen S. und V. bereits in der Beweisaufnahme des erstinstanzlichen Gerichtes gehört wurden. Es ist nicht erkennbar, in welchen Punkten und aus welchen Gründen ihre Vernehmung in der Berufungsinstanz anders verlaufen sollte, als vor dem Arbeitsgericht Stralsund. Für eine erneute Beweisaufnahme besteht daher kein Raum.

Allerdings hat gemäß § 619 a BGB der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber Ersatz für den aus der Verletzung einer Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis entstehenden Schaden nur zu leisten, wenn er die Pflichtverletzung zu vertreten hat. Das heißt, der Arbeitgeber hat nicht nur die Pflichtverletzung, sondern auch das Vertretenmüssen des Arbeitnehmers zu beweisen. Der Haftungsmaßstab richtet sich damit nach § 276 BGB. Dabei fällt dem Arbeitnehmer grobe Fahrlässigkeit zur Last, wenn er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in einem ungewöhnlich hohen Grad verletzt und dasjenige unbeachtet gelassen hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Dazu genügt nicht der bloß objektiv besonders schwerwiegende Pflichtenverstoß; den Arbeitnehmer muss auch der subjektive Vorwurf treffen, in nicht entschuldbarer Weise gegen die an ihn im gegebenen Fall zu stellenden Anforderungen verstoßen zu haben. Vorsatz ist zu bejahen, wenn der Arbeitnehmer den Schaden in seiner konkreten Höhe zumindest als möglich voraus sieht und ihm für den Fall des Eintritts billigend in Kauf nimmt. Vorliegend hat der Beklagte – wie das Arbeitsgericht Stralsund festgestellt hat – zumindest grob fahrlässig gehandelt. Der Beklagte hat unterschiedliche Rechnungen bzw. Rechnungspositionen als rechnerisch und sachlich geprüft dargestellt, obgleich er wusste, dass er diese Prüfung nicht durchgeführt hat. Er hat die Rechnung zudem als rechnerisch und sachlich richtig dargestellt und freigegeben. Er hat damit nicht nur keinerlei Sorgfalt walten lassen, sondern die Pflichtverletzung bewusst und absichtlich begangen. Er wusste, dass er eine nicht durchgeführte Prüfung attestierte und wollte dies auch. Die Rechnungsfreigabe durch ihn erfolgte, um eine Zahlung der Klägerin zu veranlassen. Soweit er wusste, dass die abgerechneten Leistungen tatsächlich nicht erbracht waren, hat er eine durch die Zahlung bewirkte Vermögensminderung der Klägerin und damit den Schaden in Kauf genommen. Soweit der Beklagte bezüglich einzelner Rechnungen bzw. Rechnungspositionen deren rechnerische und sachliche Richtigkeit bestätigt hat, ohne sich davon zu überzeugen, dass dies zutrifft, hat er unter Verletzung jeglicher gerade ihm in seiner Position bei der Klägerin obliegenden Sorgfaltspflichten gehandelt. Dabei stehen ihm keinerlei Entschuldungsgründe beiseite. Soweit er sich darauf bezieht, das Verfahren habe dazu gedient, zugunsten der Ladenbau – Hochbau – Brandschutz T. S. die 60-Tage-Zahlungsfrist zu verkürzen und sei mit dem Vorgesetzten R. abgestimmt gewesen, ist dieses Vorbringen nach der Beweisaufnahme nicht bestätigt. Die Beweisaufnahme hat keinerlei derartige Absprachen ergeben.

Entgegen der Auffassung des Beklagten musste sich das Arbeitsgericht nicht mit seinem Argument, ein betrügerisches Verhalten seinerseits liege nicht vor, auseinandersetzen, weil es für die vertragliche Haftung des Beklagten nicht darauf ankommt, ob er in Betrugsabsicht gehandelt hat. Für die vertragliche Haftung ist es ausreichend, wenn durch die Pflichtverletzung schuldhaft ein Schaden herbeigeführt wurde. Ein Betrug ist nicht Haftungsvoraussetzung. Unerheblich ist auch, ob Abnahmeprotokolle für die Leistungen vorliegen, denn es ist nicht erkennbar, was diese bezüglich der Haftung des Beklagten bewirken könnten. Das Arbeitsgericht war deshalb nicht verpflichtet, dem diesbezüglichen Vorbringen des Beklagten und seinem Antrag gemäß § 424 ZPO – unabhängig davon, ob dessen Voraussetzungen überhaupt vorliegen – nachzugehen.

Der Klägerin ist zuzugestehen, dass unter den gegebenen Umständen wie auch durch das Arbeitsgericht Stralsund zutreffend bewertet, für eine Haftungsprivilegierung des Beklagten kein Raum ist. In diesem Zusammenhang ist von besonderer Bedeutung, dass es sich nicht um eine einmalige Verfehlung in einer Ausnahmesituation handelt, sondern vorliegend mehrere Rechnungen eines Gewerkerbringers betroffen sind, die über einen relativ kurzen Zeitraum von etwa einem halben Jahr gestellt wurden und insgesamt eine Rechnungshöhe in Höhe von 170.963,83 Euro betroffen ist. Dabei hat der Beklagte durch Täuschung über eine angebliche Prüfung der Rechnungen die schadensauslösende Rechnungsbegleichung bewirkt. Unter diesen Umständen besteht keinerlei Veranlassung, von der bei grober Fahrlässigkeit regelmäßig vorgesehenen vollen Haftung abzusehen.

Schließlich trifft die Klägerin entgegen der Auffassung des Beklagten auch kein Mitverschulden bei der Schadensverursachung. Soweit der Beklagte fordert, sein Vorgesetzter R. habe die von ihm als erfolgt angegebene Prüfung der sachlichen und rechnerischen Richtigkeit der Rechnungen kontrollieren müssen, ist ihm nicht beizupflichten. Es ist einem Arbeitgeber nicht zumutbar, von einem Arbeitnehmer zu erbringende Leistungen derart zu kontrollieren, dass er sie durch einen anderen Arbeitnehmer wiederholt und damit praktisch zweifach erbringen lässt. Die Beklagte hat ihren Sorgfaltspflichten mit der Einrichtung einer Plausibilitätskontrolle durch den Vorgesetzten vielmehr genügt.

Der Beklagte haftet neben der Ladenbau – Hochbau – Brandschutz T. S. gemäß § 421 BGB gesamtschuldnerisch. Geht es nämlich um den Ausgleich eines Schadens, sind alle Beteiligten Gesamtschuldner, die den Schaden verantwortlich mit verursacht haben, gleichgültig, ob sie aus Vertrag, Delikt, Gefährdung oder ungerechtfertigte Bereicherung haften. Die erforderliche Gleichstufigkeit ergibt sich daraus, dass der Beklagte neben der angeblichen Gewerkerbringerin, der Ladenbau – Hochbau – Brandschutz T. S. zur Leistung verpflichtet ist, die der Wiedergutmachung des selben Schadens bzw. dem sonstigen Schutz desselben Rechtsguts dient. So verbindet der gleiche Schutzzweck diese Verpflichtungen zu Gesamtschulden, gleichgültig, ob die Schutzansprüche eine gesetzliche oder vertragliche Grundlage haben (vgl. BGH, Urteil v. 27.03.1969 – VII ZR 165/66 – juris, Rn. 16 ff).

Der Zinsanspruch ergibt sich aus dem Gesichtspunkt des Verzuges (§§ 286, 288 BGB).

III.

Die Berufung des Beklagten war somit der sich gemäß §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung.

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