AG Zeitz, Beschluss vom 19.06.2020 - 5 M 201/19
Fundstelle
openJur 2020, 48250
  • Rkr:
Tenor

1. Die Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse des Amtsgerichts Zeitz vom 01.03.2019 (Geschäftsnummern: 5 M 201/19 und 5 M 202/19) werden auf Antrag des Schuldners vom 15.06.2020 gemäß § 850g ZPO hinsichtlich der Festsetzung des pfandfreien Betrages wie folgt geändert:

Dem Schuldner dürfen von dem errechneten Nettoeinkommen bis zur Deckung der Gläubigeransprüche verbleiben

1.132,00 € monatlich für seinen eigenen notwendigen Unterhalt zzgl.

264/1.054 Anteile des den notwendigen Unterhalt übersteigenden Nettoeinkommens zur gleichmäßigen Befriedigung der Unterhaltsansprüche des im Haushalt des Schuldners wohnenden minderjährigen Kindes des Schuldners, das den Gläubigern gleichsteht, bis zur Deckung der gesamten Unterhaltsansprüche dieses Kindes in Höhe von 264,00 € monatlich.

Gepfändet sind demzufolge für jeden Gläubiger zu 1.) und 2.) bis zur Deckung der jeweiligen Gläubigeransprüche jeweils 395/1.054 Anteile des 1.132,00 € monatlich übersteigenden Nettoeinkommens und das nach Deckung der Unterhaltsansprüche des im Haushalt des Schuldners wohnenden minderjährigen Kindes des Schuldners von monatlich 264,00 € verbleibende Mehreinkommen aus den bezeichneten 264/1.054 Anteilen.

Der sich hieraus ergebende dem Schuldner zu belassende Betrag darf nicht höher sein als der unter Berücksichtigung der Unterhaltspflichten gemäß Tabelle zu § 850c ZPO (in der jeweils gültigen Fassung) pfandfrei verbleibende Betrag.

2. Die mit Beschluss vom 15.06.2020 angeordnete einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung wird aufgehoben.

Gründe

Durch Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse des Amtsgerichts Zeitz vom 01.03.2019 wurde das Arbeitseinkommen des Schuldners wegen laufender Unterhaltspflichten sowie wegen Unterhaltsrückständen gepfändet und den Gläubigern zur Einziehung überwiesen.

Am 15.06.2020 beantragte der Schuldner die Erhöhung des pfandfreien Betrages, welcher mit den Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen auf 885,00 € für den eigenen Lebensunterhalt sowie ½ des Nettomehrbetrages zur Erfüllung der Unterhaltsansprüche der den Gläubigern je gleichstehenden unterhaltsberechtigten Personen festgesetzt wurde.

Zur Begründung trug der Schuldner vor, dass er aus dem festgesetzten Selbstbehalt von 885,00 € seine Mietkosten nicht aufbringen könne. Außerdem sei der über den Selbstbehalt hinausgehende weitere Freibetrag zur Erfüllung der Unterhaltspflichten anzupassen, da er am ....2019 Vater eines weiteren Kindes geworden ist.

Die Gläubiger erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Beistand der Gläubiger stimmte dem Antrag auf Erhöhung des Selbstbehaltes zu und beantragte die gleichmäßige Berücksichtigung der Gläubiger und des weiteren Kindes des Schuldners bei der Aufteilung des über dem Selbstbehalt liegenden Teils des Nettoeinkommens (Nettomehrbetrag) nach Kopfteilen.

Wegen der Einzelheiten des jeweiligen Sachvortrages wird auf den Antrag des Schuldners sowie die Stellungnahme der Gläubiger Bezug genommen.

Dem Antrag des Schuldners auf Erhöhung des pfandfreien Betrages war stattzugeben. Der Schuldner hat durch Vorlage des entsprechenden Mietvertrages die Höhe seiner Wohnkosten nachgewiesen (ab 01.07.2020 monatlich 850,00 € abzüglich 280,00 € Wohngeld).

Weiterhin machte der Schuldner durch Vorlage der Geburtsurkunde und der Vaterschaftsanerkennungsurkunde glaubhaft, dass er seit der Geburt seines weiteren Kindes K, geb. am ....2019, eine weitere Unterhaltspflicht zu erfüllen hat, die den Unterhaltsansprüchen der betreibenden Gläubiger gleichgestellt ist (vgl. Rangfolge der Unterhaltsberechtigten gemäß § 1609 BGB).

Der pfandfreie Betrag des Einkommens zur Deckung des Lebensunterhaltes des Schuldners wurde gemäß § 850 d ZPO aufgrund des unbestrittenen Vortrages des Schuldners vom 15.06.2020 nunmehr wie folgt ermittelt:

432,00 €

Existenzminimum einer Partei nach SGB II

570,00 €

Kosten für angemessene Unterkunft u. Heizung (850,00 € - 280,00 €)

130,00 €

Erwerbstätigkeitsbonus (pauschal ca. 30 % vom Existenzminimum)

1.132,00 €

für den notwendigen Lebensunterhalt des Schuldners.

Die Ansprüche der die Zwangsvollstreckung betreibenden minderjährigen Kinder des Schuldners (Gläubiger 1.) und 2.)) und des im Haushalt des Schuldners lebenden minderjährigen Kindes des Schuldners auf Leistung des laufenden Unterhaltes sind im Rahmen der Bestimmung des pfandfreien Betrages des Einkommens gemäß § 850d ZPO als gleichberechtigt zu berücksichtigen (§ 850d Abs. 2 ZPO i.V.m. § 1609 BGB).

Die Berücksichtigung der Gläubiger und der gleichstehenden Unterhaltsberechtigten hat nach dem Verhältnis der Beträge ihrer laufenden gesetzlichen Unterhaltsansprüche und nicht nach Kopfteilen zu erfolgen, um jeden gleichrangigen Unterhaltsberechtigten mit dem ihm nach seiner Lebensstellung gesetzlich zustehenden Unterhalt angemessen zu berücksichtigen. Das den notwendigen Lebensunterhalt des Schuldners übersteigende Nettoeinkommen des Schuldners ist damit für die Bestimmung des nach § 850d Abs. 1 S. 2 ZPO pfandfreien Betrages zur gleichmäßigen Befriedigung der den Gläubigern gleichstehenden Unterhaltsansprüche nach der Höhe der gesetzlichen Unterhaltsansprüche der Berechtigten in der gleichen Rangstufe zu quoteln. Eine Aufteilung des Nettomehrbetrages nach Kopfteilen schließt das aus (vgl. Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, 17. Aufl., Rn. C.320).

Vielmehr ist die Aufteilung nach dem Verhältnis der (gesetzlichen) Unterhaltsansprüche vorzunehmen. Hierbei ist für jedes der gleichberechtigten Kinder der Mindestunterhalt nach § 1612a BGB oder der nach den persönlichen Verhältnissen bemessenen Unterhalt zu berücksichtigen. Kindergeld ist nach Maßgabe des § 1612b BGB anzurechnen.

Zugunsten der Gläubiger besteht ein Unterhaltstitel, in welchem der gesetzlich geschuldete Unterhalt mit 100 % des Mindestunterhalts abzüglich ½ des Kindergeldes für ein erstes/zweites Kind tituliert wurde. Die Gläubiger vollstrecken zwar nicht den gesamten gesetzlichen Unterhaltsanspruch, da ein Zwangsvollstreckungsverzicht hinsichtlich eines Teils dieses titulierten (gesetzlichen) Unterhaltsanspruches vereinbart wurde. Dieser Verzicht ist für die Ermittlung des pfandfreien Betrages jedoch unberücksichtigt zu lassen, da es auf die gesetzlichen Unterhaltsansprüche ankommt und nicht auf den Unterhaltsbetrag, den der Schuldner tatsächlich leistet (vgl. auch BGH, Beschluss vom 05. August 2010 - VII ZB 101/09 -, juris). Mit dem teilweisen Zwangsvollstreckungsverzicht wurde nicht der Unterhaltsanspruch der Gläubiger reduziert, sondern lediglich der Betrag beschränkt, der vollstreckt werden kann. Mithin ist für die Ermittlung des Verhältnisses der Unterhaltsansprüche der drei minderjährigen (unterhaltsrechtlich gleichstehenden) Kinder des Schuldners jeweils vom Mindestunterhalt abzgl. des hälftigen Kindergeldes auszugehen.

Daher wurde der dem Schuldner zur Erfüllung seiner laufenden Unterhaltspflichten für das in seinem Haushalt lebende Kind pfandfrei zu stellende Anteil des Nettomehrbetrages unter Zugrundelegung des jeweiligen Mindestunterhaltes i.H.v. 100 % der jeweiligen Altersstufe abzüglich des jeweiligen hälftigen Kindergeldes wie folgt ermittelt:

395,00 €

für Gläubiger 1.)

(15 Jahre = 497,00 € - ½ Kindergeld für ein erstes/ zweites Kind 102,00 €)

395,00 €

für Gläubiger 2.)

(14 Jahre = 497,00 € - ½ Kindergeld für ein erstes/ zweites Kind 102,00 €)

264,00 €

für das im Haushalt lebende weitere Kind

(0 Jahre = 369,00 € - ½ Kindergeld für ein drittes Kind 105,00 €)

1.054,00 €

Gesamtanspruch auf Unterhalt aller 3 minderjährigen Kinder des Schuldners

Als pfandfrei zu belassen war dem Schuldner damit ein Anteil von 264/1.054 des Nettomehrbetrages bis zur Erfüllung des Unterhaltsanspruches i.H.v. monatlich 264,00 €. Soweit dieser 264/1.054 Anteil des Nettomehrbetrages über 264,00 € hinausgehen sollte, stehen diese darüberhinausgehenden Beträge den Gläubigern vollständig bis zur Befriedigung der laufenden und rückständigen Unterhaltsbeträge zu.

Zitiert0
Referenzen0
Schlagworte