LG Frankfurt am Main, Urteil vom 07.12.2018 - 2-12 O 89/18
Fundstelle
openJur 2020, 48204
  • Rkr:
Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils

zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin verfolgt die Rückzahlung einer bereits gezahlten Vorfälligkeitsentschädigung.

Die Parteien waren durch einen Darlehensvertrag vom April 2012 miteinander verbunden. Dieser Darlehensvertrag enthält eine Widerrufsbelehrung, auf die wegen ihrer Einzelheiten gemäß Bl. 17 d.A. verwiesen wird. Darüber hinaus sieht der Darlehensvertrag unter Ziffer XIV vor, dass der Darlehensnehmer darauf verzichtet, dass ihm die Annahmeerklärung der Bank in Schriftform zugeht.

Die Klägerin veräußerte die finanzierte Immobilie und zahlte im Jahre 2016 eine Vorfälligkeitsentschädigung an die Beklagte in Höhe von € 30.082,49. Am 11.08.2017 erklärte die Klägerin den Widerruf ihrer auf Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Erklärung.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass der Widerruf auch im Jahre 2017 noch habe erklärt werden können, denn die Widerrufsbelehrung sei fehlerhaft. Zum einen liege keine deutliche Gestaltung der Widerrufsbelehrung vor. Diese sei nicht optisch hervorgehoben. Die Beklagte könne sich auch nicht auf den Musterschutz berufen. Die Beklagte habe nämlich zusätzlich eine Überschrift eingefügt. Auch sei irreführend, dass darauf hingewiesen werde, dass mehrere Darlehensnehmer widerrufen könnten, obwohl tatsächlich nur mit einer Partei der Darlehensvertrag geschlossen worden sei. Die Widerrufsfolgen seien widersprüchlich dargestellt. Tatsächlich bestünde das Darlehen aus zwei Tranchen, weshalb die Beklagte zwei Vertragsformulare hätte verwenden müssen. Auch sei unklar, wann der Vertrag zustande komme sei durch den Verzicht in Ziffer XIV. Auch werde die Unterlage fehlerhaft als Darlehensvertrag überschrieben, obwohl überhaupt keine Unterschrift für die Beklagte vorgesehen sei.

Die Klägerin hat die Klage zunächst gegen die ... gerichtet. Danach hat sie die jetzige Beklagte benannt.

Die Klägerin beantragt,

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 30.082,49 € zuzüglich

Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem

29.09.2017 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe

von 749,34 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen

Basiszinssatz zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, den Musterschutz für sich in Anspruch nehmen zu können. Sie erhebt den Einwand der Verwirkung.

Gründe

Die Klage ist zulässig aber begründet.

Die Klägerin hat einen Parteiwechsel vorgenommen. Entgegen der Auffassung der Klägerin war eine bloße Berichtigung der Parteibezeichnung nicht möglich, denn die jetzige Beklagte hat eine von der ursprünglichen Beklagten abweichende Identität.

Die Klage ist allerdings auch gegen die jetzige Beklagte unbegründet.

Es greift bereits der Einwand der Verwirkung.

Das Widerrufsrecht nach § 495 BGB a.F. kann grundsätzlich verwirkt werden (BGH, Urteil vom 12.07.2016, Az: XI ZR 564/15). Der Bundesgerichtshof hat die Anwendbarkeit des Verwirkungseinwandes in Bezug auf Widerrufsfälle und die gefestigten Parameter mit der Entscheidung vom 23.01.2018 (AZ: XI ZR 298/17) bestätigt.

Verwirkung ist ein Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung wegen der verspäteten Geltendmachung von Rechten. Verwirkung setzt neben einem Zeitmoment, für das die maßgebliche Frist mit dem Zustandekommen des Verbrauchervertrages zu laufen beginnt, ein Umstandsmoment voraus. Ein Recht ist verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, so dass die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt. Zu dem Zeitablauf müssen besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen. Nach diesen Maßstäben liegen die Voraussetzungen einer Verwirkung vor.

Das Vorliegen des erforderlichen Zeitmomentes ergibt sich bereits daraus, dass der Widerruf durch die Klägerin erst ca. 5 Jahre und 4 Monate nach Abschluss des Darlehensvertrages erklärt wurde. Der Darlehensvertrag wurde im April 2012 geschlossen und der Widerruf erst am 11.08.2017 erklärt. Diese Zeitspanne reicht für die Annahme des erforderlichen Zeitmomentes aus.

Auch das Umstandsmoment ist erfüllt. Dies folgt vorliegend bereits daraus, dass die Klägerin das Darlehen bereits 2016 zurückgeführt hat und erst im Folgejahr ihre auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung widerrufen hat. Gerade bei beendeten Verbraucherdarlehensverträgen, wie hier, ist das Vertrauen des Unternehmers auf ein Unterbleiben des Widerrufs schutzwürdig, auch wenn die von ihm erteilte Widerrufsbelehrung ggf. ursprünglich den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprach und er es in der Folgezeit versäumt hat, den Verbraucher nach zu belehren (vgl. BGH, Urteil vom 23.01.2018, Az XI ZR 298/17.). Das Umstandsmoment findet auch regelmäßig dadurch eine indizielle Bestätigung, indem die Bank dingliche Sicherheiten freigibt. Des Weiteren beeinflusst das Zeitmoment das Umstandsmoment. In Anbetracht dessen durfte die Beklagte damit rechnen, dass Ansprüche aus dem längst abgeschlossenen Darlehensverhältnis nicht mehr geltend gemacht werden.

Darüber hinaus ist die streitgegenständliche Widerrufsbelehrung ohnehin nicht zu beanstanden. Die Erklärung des Widerrufs ist deshalb verfristet.

Maßgebend zur Beurteilung des vorliegenden Falles ist § 355 BGB in der Fassung vom 11.06.2010 bis 12.06.2014, denn der Vertragsschluss war im April 2012. Nach § 495 BGB in der Fassung vom 30.07.2010 bis zum 12.06.2014 gilt § 355 BGB allerdings mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Widerrufsbelehrung die Pflichtangaben nach Art 247 § 6 II EGBGB treten. Die Widerrufsfrist beginnt auch nicht vor Vertragsschluss und bevor der Darlehensnehmer die Pflichtangaben nach § 492 II erhält. Über diese Voraussetzungen des Fristbeginns war die Klägerin zu belehren.

Die Beklagte hat diese Pflicht zur ordnungsgemäßen Belehrung erfüllt, denn sie hat im Rahmen der von ihr erteilten Belehrung eins zu eins die Musterbelehrung der Anlage 6 zu Artikel 247 § 6 II 2 und § 12 I EGBGB (Fassung vom 04.08.2011 bis 12.06.2014) übernommen. Die Beklagte kann sich damit auf den Musterschutz berufen.

Unschädlich für die Inanspruchnahme des Musterschutzes ist, dass oberhalb der Belehrung der Hinweis erfolgt, dass jedem Darlehensnehmer ein Widerrufsrecht zustehe. Zum einen wird dadurch in den Mustertext nicht eingegriffen, da der Hinweis außerhalb des Kastens steht. Zum anderen ist ein durchschnittlich orientierter Verbraucher durchaus in der Lage diesen Hinweis zu verstehen. Verwirrungspotential sieht die Kammer darin nicht.

Ebenso ist unschädlich, dass die Beklagte im Rahmen der Darstellung der Widerrufsfolgen zwischen den beiden Unterkonten differenziert hat. Undeutlich wird die Darstellung der Rechte und Pflichten der Klägerin dadurch gerade nicht. Dieses Vorgehen dient der Transparenz. Warum die Klägerin meint, sie hätte Anspruch auf zwei Verträge und nicht nur auf einen Vertrag mit zwei Tranchen, bleibt im Dunkeln.

Soweit die Klägerin geltend macht, es mangle an einer ausreichenden optischen Hervorhebung, so teilt die Kammer diese Bewertung nicht, denn die Widerrufsbelehrung ist durch einen Kasten vom übrigen Vertragstext abgegrenzt.

Schließlich ist auch unproblematisch, dass die Klägerin auf den Zugang der Annahmeerklärung der Beklagten in Schriftform verzichtet hat (Ziffer XIV des Darlehensvertrages). Das Oberlandesgericht Frankfurt hat sich auch mit dieser Rüge bereits mehrfach beschäftigt und vertritt hierzu die Auffassung: "Der unter XIV erklärte Verzicht auf den Zugang der Annahmeerklärung der Bank in Schriftform stellt entgegen der Auffassung der Kläger keine Irreführung des Verbrauchers im Hinblick auf den Fristbeginn dar. Unklarheiten können schon vor dem Hintergrund nicht entstehen, dass der Verzicht lediglich das Formerfordernis (Schriftform) betrifft und keinen Verzicht auf die Annahmeerklärung als solche darstellt. Darüber hinaus stellt der seitens der Kläger erklärte Verzicht keinen Bestandteil der Widerrufsbelehrung dar." (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 04.05.2017, Az 17 U 56/17).

Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer an.

Nach alledem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 709 S. 1, 2 ZPO.

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