LG Wiesbaden, Urteil vom 13.01.2017 - 3 O 14/16
Fundstelle
openJur 2020, 48200
  • Rkr:

Das Rechtsschutzinteresse für die Überprüfung der Bewertung einer juristischen Hausarbeit liegt vor, wenn diese in die Gesamtbewertung der ersten juristischen Staatprüfung einfließt und somit Bedeutung für das berufliche Weiterkommen der Klägerin hat.

Auch bei einer privatrechtlichen Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien gelten die von den Verwaltungsgerichten aufgestellten allgemeinen Grundsätze für die gerichtliche Überprüfbarkeit von Prüfungsleisten.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Klägerin werden die Kosten des Rechtsstreites auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin studierte bei der Beklagten und fertigte ihre Hausarbeit im Schwerpunkt "Banken- und Kapitalmarktrecht" mit dem Thema "Der Reformbedarf im SchVG 2009" an. Wegen des Inhaltes der Hausarbeit wird auf Bl. 312 ff. d.A verwiesen.

Die Arbeit wurde von der Beklagten mit Ausgangsbewertung vom 08.09.2014 mit sechs Punkten bewertet. Wegen der genauen Begründung der Bewertung wird auf Bl. 85 ff.d.A. verwiesen. Die Klägerin remonstrierte mit Schreiben vom 03.03.2015 gegen die Bewertung (Bl. 77 ff. d.A.). Die Beklagte verwarf die Remonstration mit Überdenkungsschreiben vom 12.03.2015 (Bl. 88 d.A.). Mit Schreiben vom 17.04.2015 erhob die Klägerin hiergegen Widerspruch (Bl. 89 ff.d.A.). Die Beklagte leitete den Widerspruch an den Prüfungsausschuss weiter. Mit Schreiben vom 15.07.2015 forderte die Klägerin die Beklagte auf, zeitnah über den Widerspruch zu entscheiden (Bl. 103 d.A.). Die Beklagte hat über den Widerspruch bisher nicht entschieden. Während des Rechtsstreites ließ die Beklagte am 22.06.2016 ein Zweitvotum erstellen, was sich dem Erstvotum anschloss (Bl. 382f. d.A.)

Die Klägerin ist der Auffassung, dass ein Rechtsschutzinteresse für die Klage bestehe. Insbesondere müsse sie analog § 75 VwGO eine Widerspruchsentscheidung der Beklagten nicht abwarten, da diese untätig i S.d. § 75 VwGO sei. Die Klägerin ist weiter der Auffassung, dass ein Anspruch auf Neubewertung bestehe, da die bisherige Benotung der Hausarbeit beurteilungsfehlerhaft sei und sie hierdurch in ihren Grundrechten verletzt werde. Die Grundrechte würden im Privatrecht mittelbar und bezüglich etwaiger Urteile als Hoheitsakte unmittelbar gelten. Ein Anspruch auf Neubescheidung ergebe sich daher aus dem Vertrag und der zugrundliegenden Satzung. Die Klägerin beanstandete das Prüfungsverfahrens zunächst auch dahingehend, dass nicht das Zwei-Prüfer-Prinzip angewendet worden sei. Nach Mitteilung des Ergebnisses der Zweitkorrektur, erklärte sie diesen Einwand für erledigt. Sie ist der Auffassung, dass jedoch sowohl das Erstvotum als auch das Zweitvotum prüfungsrechtlich zu beanstanden seien, da der Begründungspflicht nicht hinreichend Rechnung getragen worden sei. Soweit der Prüfer des Erstvotums moniert habe, dass eine auf Reformbedarf bezogene Arbeit nicht mit einer kommentarähnlichen Darstellung der Einzelnormen eingeleitet werden sollte, habe er nicht berücksichtigt, dass sie die Einzelnormen gerade nicht lediglich dargestellt, sondern sie jeweils einer eigenen Bewertung bezüglich ihres Reformbedarfes unterzogen habe. Sie komme daher nicht, wie der Prüfer bemängelt habe, erst auf Seite sechzehn der Hausarbeit zum eigentlichen Thema. Des Weiteren seien auch ihre Ausführungen, in denen sie feststelle, dass im Sanierungsfall die schnelle Generierung von Fremdgeldern notwendig sei, entgegen der Ausführungen des Prüfers zutreffend bzw. vertretbar.

Soweit der Prüfer zu dem Ergebnis komme, ihre Darstellung sei "insgesamt in Ordnung", lasse er offen, wo er hier Kritikpunkte sehe. Des Weiteren habe der Prüfer ihre ausführliche Beschäftigung mit der Frage, ob Anleihebedingungen der AGB-Kontrolle unterliegen würden, nicht positiv berücksichtigt. Auch weitere positive Aspekte, wie zum Beispiel die zügige Hinführung zum Thema oder aber die Erörterung des in der Praxis wichtigen Problems der Berufskläger, seien bei der Bewertung nicht berücksichtigt worden. Die Klägerin ist weiter der Auffassung, dass die Begrünung das Zweitvotum ebenfalls nicht hinreichend sei, da in weiten Teilen lediglich das Thema und das Vorgehen der Klägerin beschrieben werden. Soweit der Prüfer beanstande, sie hätte besser direkt auf den Problembereich zugesteuert, so sei ihr Antwortspielraum verletzt worden, da der von ihr gewählte Aufbau zumindest vertretbar sei. Soweit der Prüfer moniere, ihre rechtspolitischen Empfehlungen seien nicht nachvollziehbar, so habe er nicht alles Erdenkliche unternommen, um diese nachzuvollziehen. Zudem habe eine tiefergehende Auseinandersetzung auch gar nicht stattfinden können aufgrund der Komplexität des Themas und der Begrenzung, die im Gegensatz zu einer Dissertation bestanden habe. Der Erwartungshorizont sei somit prüfungsrechtlich beurteilungsfehlerhaft. Gleiches gelte für die Erwartung, das System der Schweiz in einer derart begrenzten Arbeit zusätzlich darzustellen. Hier habe sie im Rahmen ihres Beantwortungsspielraumes auch von Rechtskenntnissen der Korrektoren ausgehen dürfen. Mit Schriftsatz vom 18.11.2016 macht die Klägerin weiter geltend, dass ein Verfahrensfehler zudem darin liege, dass für die anderen Kandidaten und Kandidatinnen des Jahrganges nicht ebenfalls ein Zweitvotum eingeholt worden sei. Die Erforderlichkeit hierfür ergebe sich aus § 6 Abs.4 der allgemeinen Bestimmungen zu der Prüfungsordnung der Beklagten. Zudem ergebe sich dieses auch aus Art. 12 GG. Ein weiterer Fehler liege darin, dass die Beklagte bei der Begründung der Bewertung nicht vorab einen Erwartungshorizont vorangestellt habe. Zudem sei von der Beklagten nicht dargelegt worden, dass die Prüfer auch andere Arbeiten bewertet haben. Des Weiteren habe die Beklagte nicht dargetan, dass sie den Zweitprüfer nach objektiven Kriterien und nach einem Zufallsprinzip ausgesucht habe. Letztendlich habe die Beklagte auch nicht bewiesen, dass der Prüfer an den Gesprächen des Prüfungsausschusses nicht teilgenommen habe.

Die Klägerin hat zunächst mit Schriftsatz vom 03.05.2016 lediglich beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die Hausarbeit der Klägerin im Schwerpunkt "Banken- und Kapitalmarktrecht" mit dem Thema "Der Reformbedarf im SchVG 2009" unter Abänderung der Bewertungen vom 08 September 2014 und 12. März 2015 fehlerfrei neu zu bewerten.

In der mündlichen Verhandlung vom 18.11.2016 hat die Klägerin ihre Klage erweitert.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

1) die Beklagte zu verurteilen, die Hausarbeit der Klägerin im Schwerpunkt "Banken- und Kapitalmarktrecht" mit dem Thema "Der Reformbedarf im SchVG 2009" unter Abänderung der Bewertungen vom 08 September 2014 und 12. März 2015 fehlerfrei neu zu bewerten,

2) die Beklagte zu verurteilen, über den Widerspruch der Klägerin durch Prüfungsausschuss unter Ausschluss des Prüfers bei vollständiger Besetzung zu entscheiden,

Hilfsweise zum Antrag zu 2) beantragt die Klägerin,

3) über den Widerspruch der Klägerin durch den Prüfungsausschuss bei voller Besetzung zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass die im Termin am 18.11.2016 erklärte Klageerweiterung unzulässig sei. Zudem sei die Klage aber auch unbegründet. Sie ist der Auffassung, dass die Bewertung der Hausarbeit nicht isoliert angegriffen werden könne, weil die streitgegenständliche Arbeit einen rechtlich unselbständigen Teil der Schwerpunktbereichsprüfung darstelle. Der Bescheid über die Bewertung der gesamten Schwerpunktbereichsprüfung stehe noch aus. Zudem liege die Bewertung der Hausarbeit im Rahmen des Beurteilungsspielraumes, selbst wenn Fehler bei der Bewertung vorlägen, bestände kein Anspruch auf Neubewertung. Die Beklagte ist diesbezüglich der Auffassung, dass sie durch die Grundrechte nicht in gleicher Form gebunden werde wie eine staatliche Hochschule. Zudem bestehe kein Anspruch auf Begründung einer Bewertung. Die vorliegende Begründung sei im Übrigen aber auch ausführlich und nachvollziehbar. Insbesondere habe die Klägerin überwiegend nur Literaturmeinungen wiedergegeben, ohne dass eine tiefergehende eigene juristische Leistung erbracht worden sei. Auch würden die von der Klägerin genannten positiven Aspekte ihrer Arbeit nicht hervorstechen, da sie eine rein oberflächliche Darstellung enthalten würden. Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass die Begründung nicht ausreiche, käme nur ein Anspruch auf Nachreichung einer nachvollziehbaren Begründung in Betracht. Letztendlich liege vorliegend ein Dienstvertrag vor, mit der Folge dass die Bewertung der Prüfung inhaltlich nicht richtig sein müsse.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Klägerin steht kein Anspruch auf Neubewertung ihrer Hausarbeit zu.

Das erforderliche Rechtsschutzinteresse liegt hinsichtlich des Antrages zu 1) vor, obwohl die nach der Prüfungsordnung vorgesehene Widerspruchsentscheidung noch aussteht.

Die Klägerin hat bereits am 17.04.2015 Widerspruch gegen die Bewertung ihrer Hausarbeit eingelegt, über den die Beklagte bisher nicht entschieden hat. Entscheidet der Widerspruchsadressat ohne sachlichen Grund nicht in angemessener Zeit über einen Widerspruch des Prüflings, so ist es diesem weder zumutbar, diese Entscheidung abzuwarten, noch zunächst Klage auf Entscheidung über den Widerspruches zu erheben.

Es ist hierbei auch im Rahmen von privatrechtlich ausgestalteten Hochschulverträgen der Rechtsgedanke des § 75 VwGO anzuwenden, der ausnahmsweise das Vorliegen einer Widerspruchsentscheidung für entbehrlich hält, wenn die Widerspruchsbehörde untätig bleibt.

Entgegen der Auffassung der Beklagten entfällt das Rechtsschutzinteresse der Klägerin auch nicht im Hinblick darauf, dass vorliegend lediglich die Bewertung einer einzelnen Hausarbeit in Streit steht. Unstreitig ist zwischen den Parteien, dass diese Einzelnote in die Gesamtbewertung der ersten juristischen Staatsprüfung einfließt, womit sie Bedeutung für das berufliche Weiterkommen der Klägerin haben kann. Das Rechtsschutzinteresse ist daher zu bejahen.

Die Bewertung der Prüfungsleistung durch die Beklagte ist vorliegend jedoch nicht zu beanstanden. Trotz der privatrechtlichen Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien gelten vorliegend die von den Verwaltungsgerichten aufgestellten allgemeinen Grundsätze für die gerichtliche Überprüfbarkeit von Prüfungsleistungen. Aufgrund der mittelbaren Drittwirkung von Grundrechten im Rahmen privatrechtlicher Rechtsverhältnisse, welche insbesondere bei Bestehen von Ermessenspielräumen zum Tragen kommt, sind berufsbezogene Prüfungsentscheidungen mit Blick auf Art. 19 Abs.4, 12 Abs.1 GG in tatsächlicher und rechtlicher Beziehung im Prinzip vollständig überprüfbar. Bei sogenannten prüfungsspezifischen Wertungen, die vor allem auf Einschätzungen und Erfahrungen der Prüfer beruhen, kommt den Prüfungsbehörden ein Entscheidungsspielraum zu, dessen gerichtliche Prüfung sich darauf beschränkt, ob Verfahrensfehler oder Verstöße gegen anzuwendendes Recht vorliegen und ob der Prüfer von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, gegen allgemein gültige Bewertungsgrundsätze verstoßen hat, sich von sachfremden Erwägungen hat leisten lassen oder sonst willkürlich gehandelt hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.01.1995 - 6 C 1/92, NVwZ 1995, 800).

Eine wirksame gerichtliche Kontrolle erfordert dabei, dass der Prüfling schlüssig und substantiiert darlegt, in welchen Punkten die Prüfungsentscheidung aus seiner Sicht Bewertungsmängel aufweist und auf diese Weise bestimmt, welche Teile der Prüfung er mit konkreten und nachvollziehbaren Einwendungen angreifen und welche er gelten lassen will. Zu weitergehenden Überprüfungen hat das Gericht keinen Anlass (vgl. VG München, Urt. v. 12.07.2016, M 4 K 15.5093). Ist die vom Prüfling gerügte Bewertung einer Prüfungsaufgabe fehlerhaft und hat dieser Fehler Einfluss auf das Prüfungsergebnis, so führt dieses zur Aufhebung des Bescheides über die Prüfungsendnote und zur Verpflichtung der Prüfungsbehörde, das Prüfungsverfahren durch Neubewertung der betreffenden Aufgabe fortzusetzen.

Vorliegend liegen keine Anhaltspunkte für die Verletzung von Verfahrensvorschriften vor. Dahinstehen bleiben kann dabei, ob hinsichtlich der streitgegenständlichen Prüfungsleistung das anzuwendende Verfahren zwingend die Anfertigung eines Zweitvotums vorsah. Die Klägerin erklärte diesen Einwand für erledigt, nachdem eine Zweitkorrektur nach Klageerhebung erfolgte. Ein Verfahrensfehler liegt des Weiteren auch nicht darin, dass die Beklagte für die anderen Kandidaten des Jahrganges nicht ebenfalls ein Zweitvotum einholte. Selbst wenn im Hinblick auf Art. 12 GG die Einholung eines Zweitvotums zwingend erforderlich wäre, so würden durch diesen Verfahrensfehler lediglich die anderen Kandidaten in ihren Rechten verletzt, denn der Prüfer ist gehalten, die Arbeit jedes Kandidaten einzeln unter Zugrundelegung seines Erwartungshorizontes und nicht in Relation zu den anderen Mitbewerbern zu bewerten. Soweit die Klägerin weitere Verfahrensfehler damit begründet, dass die Beklagte im Prozess nicht dargelegt habe, dass die Prüfer auch andere Arbeiten bewertet haben, sie den Zweitprüfer nach objektiven Kriterien und nach einem Zufallsprinzip ausgesucht habe, die Beklagte nicht bewiesen habe, dass der Prüfer an den Gesprächen des Prüfungsausschusses nicht teilgenommen habe, so verkennt die Klägerin, dass sie als Anspruchstellerin nach den allgemeinen Regeln der Zivilprozessordnung darlegungs- und beweispflichtig dafür ist, dass die Beklagte bestimmte Verfahrensvorschriften verletzt hat und nicht umgekehrt die Beklagte den gesamten Verfahrensablauf darlegen und beweisen muss.

Im Übrigen sind weder die Begründung des Erstkorrektors noch die des Zweitkorrektors vorliegend zu beanstanden. Beide Prüfer haben die Leistung der Klägerin ausreichend und verständlich begründet. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Prüfer dabei nicht gehalten, seinen Erwartungshorizont im Rahmen der Bewertungsbegründung als deren Bestandteil zu formulieren (vgl. Oberverwaltungsgericht NRW, Beschluss vom 23.08.2007, 14 A 3270/06; VG Gelsenkirchen, Urt. vom 23.08.2011, 18 K 4655/10;). Dieses ist weder gesetzlich noch in der Prüfungsordnung der Beklagten so vorgeschrieben. Entscheidend ist im Hinblick auf Art.12 GG, dass sich aus der Begründung die tragenden Erwägungen des Prüfers ergeben, die zu der Vergabe der Note führen und diese Benotung im Hinblick auf die aufgezeigten Mängel vertretbar erscheint. Vorliegend kommt die Besonderheit hinzu, dass es sich um eine Themenarbeit handelt, bei der nicht einzelne Fachfragen isoliert zu beantworten sind. Stattdessen hatte die Klägerin einen zusammenhängenden Aufsatz zu einer komplexen Aufgabenstellung abzuliefern. Damit geht eine größere Gestaltungsfreiheit des Prüflings einher, weshalb den Prüfern auch eine entsprechend größere Freiheit bei ihrer Bewertung zuzugestehen ist. Denn die Leistung lässt sich bei solchen Prüfungsleistungen nur als Gesamtbild erfassen, bei dem Aufbau uns Form der Darstellung ein größeres Gewicht haben als bei der Beantwortung mehrere Einzelfragen (vgl. VG Gelsenkirchen, Urt. vom 23.08.2011, 18 K 4655/10).

Die Klägerin wendet gegen die Erstkorrektur ein, dass sie entgegen der Bewertungsbegründung des Erstprüfers nicht erst auf Seite sechzehn zum eigentlichen Thema komme. Der Einwand ist nicht berechtigt. Die Klägerin referiert in den ersten siebzehn Seiten ausschließlich über die Regeln des SchVG und die bisher durchgeführten Reformen, wobei der Anwendungsbereich und die einzelnen Normen lehrbuchartig dargestellt werden. Hierin ist zum einen keine eigene wissenschaftliche Leistung enthalten, zudem stehen die Ausführungen außer Verhältnis zur Gesamtlänge der Arbeit, deren eigentliches Thema der aktuelle Reformbedarf ist. Soweit die Darstellung der Klägerin auf diesen Seiten den Reformbedarf anspricht, erfolgt dieses jeweils nur oberflächlich mit dem Hinweis, dass ein Reformbedarf nicht gesehen wird oder aber dass ein Reformbedarf ggf. sinnvoll wäre, ohne dass hier eine nähere Begründung erfolgt.

Die Klägerin wendet weiter ein, dass entgegen der Ausführungen des Erstprüfers ihre Feststellung, im Sanierungsfall sei die schnelle Generierung von Fremdgeldern notwendig zutreffend bzw. vertretbar sei. Dieser Einwand ist ebenfalls unerheblich, da der Erstprüfer zur Vertretbarkeit dieser Aussage gar keine Feststellung getroffen hat. Vielmehr moniert der Erstprüfer, dass die Klägerin zu Unrecht den Sanierungsfall als den wichtigsten problematischen Anwendungsbereich sieht, da dort die schnelle Generierung von Fremdgeldern notwendig sei.

Die Klägerin wendet weiter ein, der Erstkorrektor habe nicht nachvollziehbar begründet, warum der von ihr erörterter Aufsatz nicht wissenschaftlich sei. Die Begründung ergibt sich allerdings bereits daraus, dass es im Votum des Erstprüfers heißt, es handle sich lediglich um einen "Überblicksaufsatz" des Gutachters. Eine Arbeit ist nicht als wissenschaftlich zu bezeichnen, wenn lediglich Zitate aus anderen Aufsätzen bzw. Büchern übernommen bzw. dargestellt werden, somit nur "ein Überblick" über den Meinungsstand von Literatur und Rechtsprechung verschafft wird, ohne dass eine eigene Auseinandersetzung hiermit erfolgt. Die Klägerin legt im Übrigen nicht schlüssig dar, aus welchen Gründen der von ihr im Einzelnen erörterte Aufsatz entgegen der Auffassung des Erstprüfers als wissenschaftlich zu bezeichnen sei.

Die Klägerin wendet weiter ein, dass soweit der Erstprüfer schreibe, die Darstellung sei insgesamt in Ordnung, sich hieraus nicht erkennen lasse, welche formalen Mängel vorliegen würden. Die Klägerin missversteht diesen Satz dahingehend, dass die Arbeit weitere als die bereits erörterten Mängel aufweise. Dieser Bedeutungsgehalt ist diesem Satz jedoch nicht zu entnehmen, vielmehr ist der Satz so zu verstehen, dass keine weiteren als die aufgezeigten Mängel vorliegen, wobei ein wesentlicher formaler Mangel vom Erstprüfer jedoch berechtigterweise in der überlangen Einleitung gesehen wurde.

Die Klägerin moniert weiter, dass positive Aspekte ihrer Arbeit nicht berücksichtigt worden seien. Ein Prüfer ist im Rahmen seiner Bewertung jedoch nicht gehalten, jeden Teil einer Arbeit, der seinen Erwartungen entspricht, positiv hervorzuheben, vielmehr ergibt sich daraus, dass einzelne Leistungsabschnitte, die keine Randbemerkungen enthalten und in der Bewertungsbegründung nicht erwähnt werden, nicht zu beanstanden sind. Es ist dabei zu berücksichtigen, dass die Arbeit der Klägerin mit sechs Punkten bewertet wurde. Hierbei handelt es sich um eine durchschnittliche Note, die soweit negative Aspekte festzustellen waren, das gleichzeitige Vorliegen von positiven oder zumindest nicht zu beanstandenden Teilen der Arbeit voraussetzt. Ansonsten wäre die Arbeit schlechter zu bewerten gewesen. Zudem greift die Klägerin für die unzureichende Berücksichtigung positiver Aspekte als Beispiel einen Gesichtspunkt heraus, der gerade nicht positiv zu bewerten ist. Sie ist der Auffassung, ihre Arbeit beinhalte eine zügige Hinführung zum Thema, welche jedoch gerade nicht erfolgt ist, da dem eigentlichen Thema eine zu lange Einleitung vorangestellt wurde.

Des Weiteren begründet das Erstvotum die Bewertung auch mit weiteren Mängeln der Arbeit, welche ebenfalls die erteilte Note nachvollziehbar erscheinen lassen. So bemängelt der Erstkorrekter insbesondere die fehlende Argumentationstiefe sowie die fehlende Auseinandersetzung mit jüngeren Dissertationen. Beide Kritikpunkte werden von der Klägerin vorliegend auch nicht angegriffen. Damit liegt die erteilte Note zumindest im Beurteilungsspielraum des Erstprüfers.

Auch die Einwendungen gegen das Zweitvotum führen nicht zu einem Anspruch der Klägerin auf Neubewertung.

Die Klägerin wendet ein, die Begründung des Zweivotums sei insofern unzutreffend, da sie entgegen der Auffassung des Zweitprüfers direkt auf die Problembereiche der Praxis zugesteuert sei. Es ist insofern auf die obigen Ausführungen zu verweisen, wonach aufgrund der sehr ausführlichen und überwiegend unwissenschaftlichen Einleitung dieses gerade nicht der Fall ist.

Soweit der Zweitprüfer die "nicht ohne weiteres nachvollziehbaren rechtspolitischen Empfehlungen" der Arbeit kritisiert, ist auch dieser Teil der Begründung nicht zu beanstanden. Der Aufbau der Arbeit der Klägerin ist insofern nicht konsequent, da die Klägerin im Rahmen der Einleitung immer mal wieder rechtspolitische Empfehlungen abgibt, diese aber so kurz und oberflächlich beschrieben sind, dass sie nicht nachvollziehbar sind. Auch der Aufbau wird insofern vom Zweitprüfer zu Recht kritisiert, denn übersichtlicher wäre es gewesen, wenn die Klägerin nur eine kurze Einleitung vorangestellt und sodann eine fundierte Auseinandersetzung mit dem eigentlichen Thema vorgenommen hätte.

Die Klägerin wendet weiter ein, dass eine tiefergehende Auseinandersetzung bei dem gestellten komplexen Thema und der vorgegebenen Begrenzung nicht möglich gewesen sei. Soweit sie hiermit auf eine Seitenbegrenzung ansprechen möchte, so übersieht sie hierbei, dass eine tiefergreifende Auseinandersetzung gerade dann möglich gewesen wäre, wenn sie die Einleitung kürzer gefasst hätte. Im Übrigen ist der Einwand der Klägerin, sie habe auf eine Darstellung des Systems in der Schweiz verzichten können, da hier Rechtkenntnisse des Prüfers zu erwarten gewesen seien, unverständlich, denn Sinn und Zweck einer Prüfungsarbeit ist es nicht, dem Prüfer neue Rechtskenntnisse zu vermitteln.

Auch das Zweitvotum erscheint somit nachvollziehbar und vermag die Bewertung, die hier vorgenommen wurde, zu rechtfertigen.

Der Hauptantrag zu 2) und der Hilfsantrag zu 3) sind unbegründet. Dahinstehen bleiben kann, ob sich aus der Prüfungsordnung der Beklagten ein einklagbarer Anspruch auf Entscheidung über einen eingelegten Widerspruch ergibt. Indem die Klägerin mit Verweis auf § 75 VwGO unmittelbar auf Neubewertung ihrer Arbeit klagte und damit eine gerichtliche Prüfung beantragte, verzichtete sie im Hinblick auf die Untätigkeit der Beklagten auf die Entscheidung über den Widerspruch. Durch die gerichtliche Überprüfung der Prüfungsentscheidung durch das Gericht entfällt ein Anspruch der Klägerin auf Neubewertung der Arbeit durch die Widerspruchskommission, da den Gerichten die abschließende Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der vorgenommenen Bewertung vorbehalten ist.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs.1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr.11, 711 ZPO.

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