VG Cottbus, Beschluss vom 03.09.2020 - 6 L 630/19
Fundstelle
openJur 2020, 48083
  • Rkr:
Tenor

1. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, der diese selbst trägt, trägt die Antragstellerin.

2. Der Streitwert wird auf 254,12 € festgesetzt.

Gründe

Die Entscheidung war durch den Einzelrichter zu treffen, dem der Rechtsstreit nach Anhörung der Beteiligten mit unanfechtbarem Beschluss vom 26. Juni 2020 zur Entscheidung übertragen wurde, § 6 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Der sinngemäß gestellte Antrag der Antragstellerin vom 25. November 2019,

die Vollziehung der Pfändungs- und Überweisungsverfügung des Antragsgegners vom 11. Oktober 2019 auszusetzen und soweit eine Pfändung bereits erfolgt ist, diese aufzuheben,

hat keinen Erfolg.

Der Antrag ist zulässig, in der Sache aber unbegründet.

Der Antrag ist nach § 80 Abs. 5 S. 1 i.V.m. § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 und § 80 Abs. 5 S. 3 VwGO statthaft, da sowohl Pfändungs- als auch Einziehungsverfügung Verwaltungsakte sind, die mit Widerspruch und Anfechtungsklage in der Hauptsache angegriffen werden können (vgl. VGH Baden-Württemberg, Entscheidung vom 20. Januar 1961 - II 841/60, juris) und die grundsätzlich mit Widerspruch verbundene aufschiebende Wirkung aus § 80 Abs. 1 VwGO ausgeschlossen ist, da es sich hier zum Einen um eine Maßnahme der Vollstreckung nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 16 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Brandenburg (VwVGBbg) handelt. Darüber hinaus handelt es sich bei der streitgegenständlichen Pfändungs- und Überweisungsverfügung zugleich um die Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, sodass auch aus diesem Grund die aufschiebende Wirkung von Anfechtungsklage und Widerspruch entfällt. Die "Anforderung" von öffentlichen Abgaben und Kosten erfasst nämlich nicht nur die Anforderung der Geldleistung selbst, sondern alle Handlungen der Verwaltung, die auf die Verwirklichung des öffentlichen Anspruchs gerichtet sind, da nur so der Finanzierungszweck des § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwGO erreicht werden kann. Daher sind Leistungsbescheid und Vollstreckungsmaßnahmen zur Durchsetzung des Leistungsbescheides rechtlich gleich zu behandeln, d.h. der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung gilt auch für Rechtsmittel gegen Vollstreckungsakte, die im Vollzug der Abgaben- oder Kostenbescheide ergehen (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 17. Dezember 1969 - 4 B 586/69 = OVGE 25, 195, 196; OVG Saarlouis, Beschluss vom 12. Oktober 2007 - 1 B 340/07, beck-online; BeckOK VwGO/Gersdorf, 46. Edition, Stand: 1. Juli 2018 § 80 Rn. 55; M. Ronellenfitsch, in: Pietzner/Ronellenfitsch, Das Assessorexamen im Öffentlichen Recht, 10. Auflage, § 54 Rn. 8; Sodan/Ziekow/Puttler, VwGO, 4. Auflage, § 80 Rn. 63, beck-online).

Nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage in den Fällen des Abs. 2 Nr. 1 bis 3 ganz oder teilweise anordnen bzw. die Vollziehung des Verwaltungsaktes nach § 80 Abs. 4 S. 1 VwGO in entsprechender Anwendung aussetzen. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen (§ 80 Abs. 5 S. 3 VwGO).

Voraussetzung ist, dass der angegriffene Verwaltungsakt - hier die Pfändungs- und Überweisungsverfügung des Antragsgegners vom 11. Oktober 2019, die als Ausfertigung der Antragstellerin als Schuldnerin am 26. Oktober 2019 zugegangen ist - noch nicht bestandskräftig geworden ist. Dies ist hier ausnahmsweise noch der Fall, obwohl die Antragstellerin bislang noch keinen - und insoweit auch nicht innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Monatsfrist (§ 70 Abs. 1 S. 1 VwGO) - Widerspruch gegen die Pfändungs- und Überweisungsverfügung erhoben hat.

Sie hat zwar mit Schreiben vom 21. Oktober 2019 wörtlich "Erinnerung gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung" beim Antragsgegner eingelegt. Ein Widerspruch ist hierin jedoch nicht zu erkennen. Dieses als Erinnerung überschriebene Schreiben hat die Antragstellerin wörtlich nämlich gegen ein Vollstreckungsersuchen des Forderungsgläubigers vom 6. April 2018 - des Beigeladen im hiesigen Verfahren - gerichtet. Ein solches Vollstreckungsersuchen des Beigeladenen vom 6. April 2018 konnte aber der mangels Verwaltungsaktqualität grundsätzlich nicht mit Widerspruch angegriffen werden. Im vorliegenden Fall war der Antragsgegner auch nicht gehalten das Schreiben der Antragstellerin als Widerspruch gegen die hier streitbefangene Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 11. Oktober 2019, die die Antragstellerin als Schuldnerin erst am 26. Oktober 2019 erreicht hatte, auszulegen, da wegen der für jeden Rechtsbehelf geltenden Bedingungsfeindlichkeit ein solcher mangels Beschwer nicht vorgreifend eingelegt werden kann (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 5. Mai 1995 - 10 B 894/95, beck-online).

Obwohl die Antragstellerin keinen Widerspruch gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Antragsgegners innerhalb der Monatsfrist erhoben hat, spricht dies dennoch - jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt - ausnahmsweise (noch) nicht gegen die Zulässigkeit des Antrags.

Der Antrag auf Eilrechtsschutz kann nämlich beim Verwaltungsgericht bereits vor Erhebung der Anfechtungsklage - und insoweit über den Wortlaut der Norm hinausgehend - und auch vor Einlegung eines Widerspruchs (vgl. statt aller VGH München, Beschluss vom 27. August 1987 - 25 CE 87.1911, beck-online) erhoben werden, § 80 Abs. 5 S. 2 VwGO, sofern der Verwaltungsakt noch nicht bestandskräftig geworden ist. Dies ist hier der Fall.

Ein Verwaltungsakt wird bestandskräftig, wenn er unanfechtbar geworden ist. Die hier in Rede stehende Pfändungs- und Überweisungsverfügung ist jedoch weiterhin mit einem Widerspruch angreifbar. Die Frist für die Einlegung eines Widerspruchs gegen die Pfändungs- und Überweisungsverfügung vom 11. Oktober 2019 richtet sich vorliegend nicht nach § 70 Abs. 1 S. VwGO und beträgt insoweit nicht bloß einen Monat, sondern hat sich hier gemäß § 58 Abs. 2 S. 2 VwGO auf ein Jahr verlängert, weil sie mit einer unzutreffenden Rechtsbehelfsbelehrung versehen wurde und letztlich unrichtig erteilt worden ist. Der Antragsgegner hat in seiner Rechtsbehelfsbelehrung nämlich wörtlich darauf hingewiesen, dass gegen die streitgegenständliche Verfügung innerhalb eines Monats nach Zustellung Klage erhoben werden kann. Dies widerspricht jedoch der insoweit eindeutigen Wertung des § 68 Abs. 1 S. 1 VwGO, wonach vor Erhebung der Anfechtungsklage Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsaktes in einem Vorverfahren nachzuprüfen sind, welches mit der Erhebung des Widerspruchs beginnt (§ 69 VwGO).

Auch sind die Zugangsvoraussetzungen für den gerichtlichen Eilrechtsschutz nach § 80 Abs. 6 VwGO - es geht hier, wie erwähnt, um Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten - gegeben. Eines vorherigen (erfolglosen) Aussetzungsantrags beim Antragsgegner bedurfte es nicht, da die Vollstreckung nicht nur droht, sondern bereits stattfindet, § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO (vgl. VG Freiburg (Breisgau), Beschluss vom 9. Mai 2018 - 6 K 2172/18 -, juris), sodass es vorliegend keiner Entscheidung bedarf und somit dahinstehen kann, ob das als "Erinnerung" bezeichnete, an den Antragsgegner gerichtete Schreiben der Antragstellerin vom 21. Oktober 2019 als Antrag auf Aussetzung der Vollziehung zu verstehen war.

Der Antrag der Antragstellerin hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Nach § 80 Abs. 5 S. 1 und Abs. 4 S. 3 VwGO kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen die Klage nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO keine aufschiebende Wirkung entfaltet, diese anordnen bzw. die Vollziehung des Verwaltungsaktes entsprechend § 80 Abs. 4 S. 3 VwGO aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgabenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts im Sinne von § 80 Abs. 4 S. 3 VwGO bestehen dann, wenn ein Erfolg des Rechtsbehelfs in der Hauptsache wahrscheinlicher ist als sein Misserfolg, wobei im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ein im Vergleich zum Klageverfahren reduzierter Prüfungsrahmen maßgeblich ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14. März 2008 - OVG 9 S 41.07; VG Cottbus, Beschluss vom 27. April 2001 - 6 L 169/00; VG Cottbus, Beschluss vom 11. Juni 2009 - 6 L 323/08; VG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 16. Januar 2009 - 5 L 201/08; FG Saarland, Beschluss vom 20. März 2001 - 1 V 315/00 -, zu § 69 Abs. 2 FGO, alle zit. nach juris).

Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Es bestehen weder ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Pfändungs- und Überweisungsverfügung vom 11. Oktober 2019 noch gibt es Anhaltspunkte für eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte für die Antragstellerin.

Mit der Pfändungs- und Überweisungsverfügung vom 11. Oktober 2019 vollstreckt der Antragsgegner im Wege der Vollstreckungshilfe Festsetzungsbescheide des Beigeladenen, mit denen dieser gegenüber der Antragstellerin Rundfunkbeiträge für einen Gesamtzeitraum von Juni 2013 bis Mai 2017 festgesetzt hat.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Vollstreckung der festgesetzten Rundfunkbeiträge mit der in Rede stehenden Pfändungs- und Überweisungsverfügung liegen hier vor.

Nach § 10 Abs. 6 S. 1 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages (RBStV) werden Festsetzungsbescheide im Verwaltungsvollstreckungsverfahren vollstreckt. Das Verwaltungsvollstreckungsverfahren richtet sich für das Land Brandenburg nach dem VwVGBbg.

Rechtsgrundlage für den Erlass der Pfändungs- und Überweisungsverfügung des Antragsgegners vom 11. Oktober 2019 ist § 22 Abs. 1 Nr. 3 VwVGBbg i.V.m. § 309 AO. Soll eine Geldforderung gepfändet werden, so hat die Vollstreckungsbehörde gemäß dieser Vorschrift dem Drittschuldner schriftlich zu verbieten an den Vollstreckungsschuldner zu zahlen und dem Vollstreckungsschuldner schriftlich zu gebieten sich jeder Verfügung über die Forderung, insbesondere ihrer Einziehung, zu enthalten. Die Pfändung ist bewirkt, wenn die Verfügung dem Drittschuldner zugestellt ist (§ 22 Abs. 1 Nr. 3 VwVGBbg i.V.m. § 309 Abs. 2 S. 1 AO). Ermächtigungsgrundlage für die hier mit der Pfändungsverfügung verbundene Überweisungsverfügung des Antragsgegners ist § 22 Abs. 1 Nr. 3 VwVGBbg i.V.m. § 314 AO.

Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen gemäß § 3 VwVGBbg und sonstigen Vollstreckungsvoraussetzungen nach § 19 Abs. 2 VwVGBbg sind nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens insgesamt erfüllt.

Nach § 3 VwVGBbg kann ein Verwaltungsakt, der zu einer Geldleistung verpflichtet (Leistungsbescheid) vollstreckt werden, wenn er unanfechtbar geworden ist oder ein gegen ihn gerichteter Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung hat und die sonstigen Vollstreckungsvoraussetzungen erfüllt sind. Nach § 19 Abs. 2 VwVGBbg kann ein Leistungsbescheid vollstreckt werden, wenn er dem Vollstreckungsschuldner bekannt gegeben ist (Nr. 1), die beizutreibende Forderung fällig ist (Nr. 2), eine Frist von einer Woche seit Bekanntgabe des Leistungsbescheides oder, wenn die Leistung erst später fällig wird, eine Frist von einer Woche nach Eintritt der Fälligkeit (Schonfrist) abgelaufen ist, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist (Nr. 3), und der Vollstreckungsschuldner vor der Beitreibung schriftlich oder durch Postnachsendeauftrag ergebnislos aufgefordert worden ist, innerhalb einer bestimmten Frist von mindestens einer Woche seit Bekanntgabe zu leisten (Mahnung) (Nr. 4).

Bei allen hier in Rede stehenden Beitragsbescheiden, d.h. bei den Bescheiden jeweils vom 1. Juni 2014, vom 4. Juli 2014, vom 1. September 2014, vom 1. Dezember 2014, vom 2. März 2015, vom 1. Juni 2015, vom 1. September 2015, vom 1. Dezember 2015, vom 4. März 2016, vom 3. Juni 2016, vom 2.September 2016, vom 2. Dezember 2016, vom 3. März 2017 sowie schließlich vom 2. Juni 2017 handelt es sich um Leistungsbescheide im Sinne des § 3 VwVGBbg. Sie enthalten jeweils eine abschließende Beitragsfestsetzung und die Aufforderung zur Zahlung - mithin ein Leistungsgebot.

Es bestehen mit Blick auf den Erkenntnisstand des Eilverfahrens - entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin - insgesamt keine Zweifel an der Bekanntgabe der Festsetzungsbescheide und damit an deren Wirksamkeit.

Einer förmlichen Zustellung der in Rede stehenden Bescheide, die der Antragstellerin mittels einfacher Post übermittelt wurden (hierzu sogleich unten), bedurfte zu deren Wirksamkeit mangels entsprechender gesetzlicher Regelung vorliegend nicht.

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Branden-burg (VwVfGBbg) i.V.m. § 41 Abs. 2 S. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, grundsätzlich am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben.

Zwar gilt nach § 1 Abs. 1 S. 1 VwVfGBbg i.V.m. § 41 Abs. 2 S. 3 VwVfG diese Zugangsvermutung ausnahmsweise dann nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen. Grundsätzlich obliegt es somit der Behörde, den vollen Beweis über den Zugang des Bescheides zu erbringen, da der Nichterhalt eines Abgabenbescheides eine sog. negative Tatsache, die ihrerseits eines Beweises nicht zugänglich ist, darstellt. Zumindest dann, wenn der Adressat eines schriftlichen Verwaltungsaktes behauptet, dass er den Bescheid (überhaupt) nicht erhalten habe, kann von diesem grundsätzlich nicht verlangt werden, er müsse hierzu substantiiert vortragen, insbesondere dazu, aufgrund welcher Umstände ihn die Sendung nicht erreicht habe. In den Fällen der verspäteten Bekanntgabe ist es dem Abgabenpflichtigen möglich, die Vermutung des Eingangs innerhalb dreier Tage substantiiert zu bestreiten und die Verspätung durch nähere Angaben (Poststempel des Briefumschlages, Eingangsvermerk, Zeugen) zu beweisen oder glaubhaft zu machen. Dies trifft im Falle eines unterbliebenen Zugangs aber nicht zu. Insoweit bleibt dem Abgabenpflichtigen nichts anderes übrig, als den Eingang zu bestreiten; zu einer substantiierten Darlegung ist er grundsätzlich nicht in der Lage (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Juni 2016 - 9 C 19/15 -, BVerwGE 155, 241-248, juris; BFH, Urteil vom 23. September 1966 - III 226/63; vom 5. Dezember 1974 - V R 111/74; Urteil vom 14. März 1989 - VII R 75/85 -; Beschluss vom 14. Februar 2008 - X B 11/08 -; Urteil vom 29. April 2009 - X R 35/08 -, alle juris; VG Cottbus, Beschluss vom 1. Juli 2020 - 6 L 39/19 -, juris, VG Cottbus, Urteil vom 24. November 2010 - 6 K 103/08 -, S. 4f. des E.A.; VG Potsdam, Urteil vom 22. Oktober 2010 - 8 K 1380/09, juris; a.M. etwa OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26. November 2014 - OVG 10 N 27.12; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 15. März 2007 - 5 LA 136/06 -, beide juris, wonach das schlichte Bestreiten des Betroffenen, der Verwaltungsakt sei ihm nicht zugegangen, regelmäßig nicht ausreiche, um die Zugangsvermutung des § 41 Abs. 2 S. 1 VwVfG zu entkräften).

Ob dieser Grundsatz uneingeschränkt zu gelten hat, mag an dieser Stelle dahingestellt bleiben (vgl. zum Streitstand Kopp/Ramsauer, Kommentar zum Verwaltungsverfahrensgesetz, 20. Aufl., 2019, § 41 Rn. 42 ff. m. w. N.). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist jedenfalls dann zu machen, wenn das Verhalten des Abgabenschuldners konkrete Anhaltspunkte dafür erkennen lässt, dass er den Abgabenbescheid doch erhalten hat. § 41 Abs. 2 S. 3 VwVfG ist insoweit so zu verstehen, dass das einfache oder schlichte Bestreiten des Betroffenen, der Verwaltungsakt sei ihm nicht zugegangen, jedenfalls dann nicht ausreicht, um die Zugangsvermutung des § 41 Abs. 2 S. 1 VwVfG zu entkräften, wenn berechtigte Zweifel daran bestehen, dass im konkreten Fall die auf der Erfahrung des täglichen Lebens beruhende Vermutung, dass eine gewöhnliche Postsendung den Empfänger binnen drei Tagen erreicht, widerlegt ist. Wenn weitere Umstände vorliegen, die dafür sprechen, dass der Adressat den Bescheid doch erhalten hat, muss der Adressat sein Vorbringen nach Lage des Einzelfalls vielmehr derart substantiieren, dass zumindest ernsthafte Zweifel am Zugang begründet werden (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. Januar 2012 - OVG 10 S 13.11 -, BA S. 3, Beschluss vom 26. September 2013 - OVG 10 M 2.12 -, juris Rn. 4; insoweit zutreffend auch OVG Berlin Brandenburg, Beschluss vom 26. November 2014, a.a.O.; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 11. August 2015 - 4 M 103/15 -, juris). In einem solchen Fall kann das Gericht im Wege der freien, auf Indizien gestützten Beweiswürdigung schlussfolgern, dass die Bekanntgabe wirksam erfolgt ist. Bestimmte Verhaltensweisen des Abgabenpflichtigen innerhalb eines längeren Zeitraums nach Absendung des Bescheids können insoweit vom Gericht im Zusammenhang mit dem Nachweis der Absendung unter Berücksichtigung der hohen Wahrscheinlichkeit, dass ein Schriftstück seinen Empfänger doch erreicht, im Wege einer freien Beweiswürdigung dahingehend gewürdigt werden, dass entgegen der Behauptung des Betroffenen dennoch von einem Zugang des Bescheides ausgegangen wird (vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 1994 - 22 A 1063/91 -, NVwZ 1995, 1228, juris; VG Potsdam, Urteil vom 22. Oktober 2010, a.a.O.; VG Cottbus, Beschluss vom 1. Juli 2020 a.a.O, Urteil vom 24. November 2010, a.a.O., S. 5. des E.A.). Namentlich der Nachweis eines in sich widersprüchliches Verhalten des Adressaten ist geeignet, das Bestreiten des Zugangs zu widerlegen (vgl. BFH, Beschluss vom 27. Oktober 1998 - VII B 101/98 -, juris). Es handelt sich hierbei jedoch letztlich - wie ausgeführt - um einen Indizienbeweis und nicht um einen Beweis des ersten Anscheins (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. April 2018 - 6 B 36/18 -, juris; VG Cottbus, Beschluss vom 1. Juli 2020, a.a.O., Urteil vom 24. November 2010, a.a.O., S. 5. des E.A.; BFH, Urteil vom 14. März 1989 a.a.O., Urteil vom 4. November 2008, a.a.O., juris).

Solche Zweifel am Zugang der in Rede stehenden Bescheide vom 1. Juni 2014, vom 4. Juli 2014, vom 1. September 2014, vom 1. Dezember 2014, vom 2. März 2015, vom 1. Juni 2015, vom 1. September 2015, vom 1. Dezember 2015, vom 4. März 2016, vom 3. Juni 2016, vom 2. September 2016, vom 2. Dezember 2016, vom 3. März 2017 sowie schließlich vom 2. Juni 2017 liegen hier mit Blick auf eine zu erfolgende Gesamtwürdigung des Vorbringens der Beteiligten insgesamt nicht vor. Vielmehr lassen das Verhalten der Antragstellerin und die sonstigen Umstände des Falles, die der Antragstellerin eine besondere Darlegungslast auferlegen, eine Widerlegung der Zugangsvermutung des § 41 Abs. 2 S. 1 VwVfG nicht zu.

Die Antragstellerin trägt pauschal vor, keinen der Bescheide erhalten zu haben. Dies untersetzt sie damit, dass die Bescheide des Beigeladenen wiederholt an eine falsche Wohnanschrift adressiert worden seien. Die korrekte Anschrift der Antragstellerin laute "A..., Ortsteil R... in 1..." und nicht - wie vom Beigeladenen in der Adresszeile seiner Bescheide ohne Nennung des Ortsteils aufgeführt - lediglich "A... in 1...".

Dieser Einwand der Antragstellerin überzeugt nicht. Auf eine atypische Lage im Sinne des oben entwickelten Maßstabes kann hieraus im konkreten Fall gerade nicht geschlossen werden. So existiert in 1... - neben der Wohnanschrift der Antragstellerin im Ortsteil R... - in keinem anderen Ortsteil eine weitere Anschrift "A...", sodass insoweit eine Verwechselung und somit ein Postirrläufer ausgeschlossen ist. Die der Pfändungsverfügung zugrunde liegenden Bescheide sind unstreitig an die zutreffende Anschrift der Antragstellerin adressiert gewesen. Die Antragstellerin verwendet im Briefkopf ihrer an den Antragsgegner gerichteten Schreiben selbst wörtlich die vom Beigeladenen verwendete Anschrift ohne Ortsteilzusatz. Den Zugang der Schreiben des Antragsgegners, der ebenfalls dieselbe Anschrift ohne Ortsteilzusatz verwendet, hat die Antragstellerin indes nicht in Abrede gestellt.

Auch spricht gegen die Antragstellerin, dass sie pauschal den Zugang einer größeren Anzahl von Bescheiden - hier insgesamt 14 - und weiterer Schreiben des Beigeladenen lediglich pauschal bestreitet, was zusätzlich die Vermutung nahelegt, dass es sich um eine bloße Schutzbehauptung handelt und die Darlegungsanforderungen erhöht (vgl. hierzu OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. Juni 2015, a.a.O.; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 11. August 2015, a.a.O.).

Schließlich hat der Sohn der Klägerin seinerzeit mit Schriftsatz vom 7. März 2008 an die "Gebühreneinzugszentrale der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland" gegenüber dem Beigeladenen mitgeteilt, dass er im Haushalt seiner Mutter gemeldet sei und entsprechend auf die vorhergehenden Schreiben des Beigeladenen reagiert, sodass davon auszugehen ist, dass er und letztlich auch seine im Haushalt lebende Mutter - mithin die Antragstellerin - insoweit auch Schreiben des Beigeladenen erhalten haben muss.

Hinsichtlich der zu vollstreckenden Bescheide vom 1. Juni 2014, vom 4. Juli 2014, vom 1. September 2014, vom 1. Dezember 2014, vom 2. März 2015, vom 1. Juni 2015, vom 1. September 2015, vom 1. Dezember 2015, vom 4. März 2016, vom 3. Juni 2016, vom 2. September 2016, vom 2. Dezember 2016, vom 3. März 2017 sowie vom 2. Juni 2017 streitet gegen die Antragstellerin ferner, dass der Beigeladene angesichts der sich im Verwaltungsvorgang befindlichen Ab-Vermerke, die hier hinsichtlich der vorbezeichneten Bescheide jeweils auf den 4. Juni 2014, den 11. Juli 2014, den 5. September 2014, den 5. Dezember 2014, den 5. März 2015, den 4. Juni 2015, den 4. September 2015, den 4. Dezember 2015, den 11. März 2016, den 10. Juni 2016, den 9. September 2016, den 9. Dezember 2016, den 10. März 2017 sowie schließlich den 12. Juni 2017 datieren, nicht nur deren Postausgang dokumentiert hat (vgl. zu dieser Obliegenheit OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 24. März 2015 - 1 L 313/11, juris), sondern dass es in den hier maßgeblichen Fällen gerade nicht zu einer Postrücksendung kam (vgl. zu diesem Gesichtspunkt OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26. September 2013, a.a.O.). Unter Berücksichtigung all dieser Umstände, muss es - jedenfalls für den Prüfungsmaßstab des Eilverfahrens - bei der gesetzlichen Bekanntgabefiktion zulasten der Antragstellerin verbleiben.

Mit Blick auf diese Gesamtumstände ist im Ergebnis damit davon auszugehen, dass der Antragstellerin die Bescheide vom 1. Juni 2014, vom 4. Juli 2014, vom 1. September 2014, vom 1. Dezember 2014, vom 2. März 2015, vom 1. Juni 2015, vom 1. September 2015, vom 1. Dezember 2015, vom 4. März 2016, vom 3. Juni 2016, vom 2. September 2016, vom 2. Dezember 2016, vom 3. März 2017 und vom 2. Juni 2017 jeweils am 7. Juni 2014, am 14. Juli 2014, am 8. September 2014, am 8. Dezember 2014, am 8. März 2015, am 7. Juni 2015, am 7. September 2015, am 7. Dezember 2015, am 14. März 2016, am 13. Juni 2016, am 12. September 2016, am 12. Dezember 2016, am 13. März 2017 sowie schließlich am 15. Juni 2017 zugegangen sind und als bekannt gegeben gelten.

Auch sind die zu vollstreckenden Bescheide bereits unanfechtbar geworden (§ 3 VwVGBbg), da die Antragstellerin es versäumt hat, gegen diese innerhalb der Monatsfrist Widerspruch zu erheben (§ 70 Abs. 1 S. 1 VwGO).

Die mit den in Rede stehenden Bescheiden festgesetzten Rundfunkbeiträge waren (bereits beim Erlass derselben) fällig. Die Fälligkeit bestimmt sich nach § 7 Abs. 3 Se. 1, 2 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages (RBStV) wonach dieser monatlich geschuldet ist und in der Mitte eines Dreimonatszeitraums für jeweils drei Monate zu leisten ist, sodass hier bei summarischer Prüfung mangels entgegenstehender Anhaltspunkte von der Fälligkeit auszugehen war.

Die Schonfrist von einer Woche ist jeweils abgelaufen.

Der Beigeladene hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 2. Januar 2018 hinsichtlich der in Rede stehenden Forderungen gemahnt.

Hinsichtlich des Zugangs der Mahnung - den die Antragstellerin mutmaßlich auch bestreitet - gilt der bereits oben dargestellte Maßstab über den Zugang von Verwaltungsakten. Es mag dahinstehen und bedarf insoweit keiner Entscheidung, ob es sich bei Mahnungen um Verwaltungsakte im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 VwVfGBbg i.V.m § 35 Abs. 1 VwVfG handelt, da jedenfalls bezüglich des Zugangs von Mahnungen - auf den es hier nur ankommt - derselbe Maßstab gilt.

Aus dem Historiensatz des Antragsgegners ergibt sich eindeutig, dass die Mahnung vom 2. Januar 2018 am 4. Januar 2018 zur Post aufgegeben wurde. Die Mahnung kam nicht als unzustellbar zurück.

Auch die durch den Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin geltend gemachten Mahngebühren sind rechtlich nicht zu beanstanden.

Nach § 19 Abs. 2 Nr. 4 VwVfGBbg i.V.m. § 4 Abs. 2 der Kostenordnung zum Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land Brandenburg (BbgKostO) war der Antragsgegner auch (sowohl) befugt (die Antragstellerin zu mahnen, als auch) Mahngebühren in Höhe von 5,00 € gegenüber der Antragstellerin geltend zu machen. Nach § 4 Abs. 2 S. 1 BbgKostO beträgt die Mahngebühr ein Prozent des Mahnbetrages, mindestens jedoch 5 € und höchstens 100 €. Zur Berechnung der Gebühr wird der Betrag, dessentwegen gemahnt wird, auf den nächsten Betrag, der ohne Rest durch 10 teilbar ist, abgerundet, sodass hier - unter Abzug der mit den zu vollstreckenden Bescheiden (zusätzlich zu den Rundfunkbeiträgen) zugleich festgesetzten Säumniszuschlägen von insgesamt 112,00 € - entsprechend 8,50 € in Ansatz zu bringen waren.

Soweit die Antragstellerin die materielle Rechtmäßigkeit der beizutreibenden Rundfunkbeiträge anzweifelt, ist dies für das Vollstreckungsverfahren ohne Bedeutung. Nach § 15 VwVGBbg sind Einwendungen gegen Entstehung oder Höhe der Verpflichtung, deren Erfüllung erzwungen werden soll, außerhalb des Vollstreckungsverfahrens mit den hierfür zugelassenen Rechtsmitteln zu verfolgen.

Da die hier geltend gemachten Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 112,00 € ebenfalls mit den hier vollstreckten Festsetzungsbescheiden nach § 9 Absatz 2 S. 1 Nr. 5 RBStV i.V.m. § 11 Abs. 1 der Satzung des Rundfunk Berlin-Brandenburg über Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge (Rundfunkbeitragssatzung) festgesetzt wurden, kommt es an dieser Stelle auf deren Rechtmäßigkeit ebenfalls nicht an (vgl. § 15 VwVGBbg).

Die in § 19 Abs. 4 S. 1 VwVGBbg geregelten Vollstreckungsvoraussetzungen betreffend die Vollstreckung der Vollstreckungskosten lagen hier ebenfalls nach dem Kenntnisstand des Eilverfahrens vor. Vollstreckungskosten und Zinsen können ohne Leistungsbescheid zusammen mit der Hauptforderung vollstreckt werden, wenn in dem Leistungsbescheid über die Hauptforderung oder in der Mahnung auf diese Nebenforderung dem Grunde nach hingewiesen wurde, was vorliegend in der Mahnung vom 2. Januar 2018 der Fall war. Die vom Antragsgegner geltend gemachten Vollstreckungsauslagen in Höhe von 3,45 € beruhen auf § 37 Abs. 1 VwVGBbg.

Schließlich ist auch keine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte für den Antragsteller gegeben. Eine solche wurde durch die Antragstellerin weder geltend gemacht, noch ist sie sonst ersichtlich. Im Übrigen läge eine solche nur dann vor, wenn durch die Vollziehung des angefochtenen Bescheides wirtschaftliche Nachteile drohten, die nur schwer wieder gutzumachen wären oder wenn die Vollziehung zu einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz führen würde (vgl. BFH, BFH/NV 1998, 1325 m. w. N.). Dafür gibt es keinerlei Anhaltspunkte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen beruht auf § 162 Abs. 3 VwGO. Nach § 162 Abs. 3 VwGO sind die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei auferlegt. Es entspricht regelmäßig der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen dem unterlegenen Beteiligten aufzuerlegen, wenn der Beigeladene einen eigenen Antrag gestellt hat, da er dann gemäß § 154 Abs. 3 VwGO (regelmäßig) ein eigenes Kostenrisiko auf sich nimmt. Einen Antrag hat der Beigeladene jedoch vorliegend nicht gestellt.

Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwerts folgt aus den §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i. V. m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung von 2013 (NVwZ Beilage 2013, 57 ff.). Nach Ziff. 1.7.1 2. HS des Streitwertkataloges beträgt der Streitwert ein Viertel des Streitwertes der Hauptsache. Dieser Hauptsachestreitwert beträgt hier 1.016,51 €. Vor diesem Hintergrund ist der Streitwert auf 254,12 € festzusetzen.